Читать книгу For that Moment - Nena Muck - Страница 14
ОглавлениеVince
We are all broken,
That’s how the light gets in.
– Earnest Hemingway
»Es tut mir wirklich leid. Ich wünschte, ich könnte irgendwas tun.« Die Stimme von Dr. Sullivan schießt durch meinen müden Schädel wie eine Flipperkugel. »Ich wünschte, ich könnte ihnen irgendwie helfen.«
Alles ist benebelt, verschwommen und unklar. Alles bis auf meine Stimme. Sie ist kalt und hart. »Ich komme … nach.«
Ich kann ihren Blick noch immer genau vor mir sehen. Er hat sich für immer in mein Gedächtnis gebrannt. So verletzt.
So verzweifelt. Ihre Stimme voller Angst und gebrochenen Teilen.
»Okay.«
Es war ein Flüstern. Dann stieg sie aus. Ich ließ sie allein.
Ich hätte sie nie allein lassen dürfen.
»Vince?«
Ihr Gesicht ist voller Blut und angstverzerrt und der Ton um mich herum bekommt diverse Störungen. Eine Stimme, schneidet hindurch, ich kenne sie nicht. Ein Funkgerät.
»Wir haben hier eine Schusswunde«.
Emmi? Sie sieht mich an. Sie bewegt sich so langsam. Ihre wunderschönen, großen, himmelblauen Augen sonst voller Bewunderung für die Welt sind jetzt trübe und voller Panik.
Ich ertrage dieses Blut in ihrem Gesicht nicht.
»Du bist nicht gut für sie.«
Die Stimme ihrer Mom ist wie ein Messer, das mir die Eingeweide zerfetzt. Alles ist dunkel. Überall ist Blut. Ein schwarzer Schatten schwebt über ihr. Sie rührt sich nicht.
Dieses bestialische Lachen. Keenan. Er berührt sie. Nein.
Ein kreischendes Heulen schneidet wie ein Laserschwert durch meinen Schädel.
»Siehst du denn nicht, was du ihr antust«, wimmert ihre Mom, gefolgt von quälenden Klagelauten. Dann ein Knallen.
Ohrenbetäubend. Es klingt, als wäre ich unter Wasser.
Alles ist dumpf. Ich kann sie nicht hören. Das Heulen der Sirenen wird immer wieder verzerrt. Es klingt meilenweit weg.
»Vince nicht.« Ihre Stimme ist so leise und gequält.
Während ein grelles Blau durch die Luft schwankt.
Es hüllt uns ein.
Rotierend und durchdringend.
»Sie hatten an jenem Abend vor, ihn umzubringen nicht wahr?« Diese ganzen Fetzen schweben in der Luft wie ein bedrohlicher Schatten, voll von geflüsterten Worten. Sie ersticken uns. Ich kann sie nicht filtern. Da sind nur Schnipsel. Doch dann.
»Sie lassen Sie einfach sterben?« Meine Stimme ist laut und hart. Dröhnend, kalt und schwarz, während der Hintergrund in dem dumpfen Heulen einer Sirene verschwimmt und das grausame beständige Ticken einer Uhr verstummt.
»Wir lassen nicht los …« Es ist ihre Stimme. Sanft und weich. Sie hallt, wie ein zartes Geflüster und verklingt in der Dunkelheit.
Ich schrecke auf.
Wo bin ich?
Mein Herz hämmert, wie wild in meiner Brust. Ich bin völlig außer Atem. Emmi? Ich drücke auf den Lichtschalter über ihrem Bett, bevor mein Blick nach rechts schnellt. Sie liegt auf meiner Brust, während sich ihre friedlich hebt und senkt, ihre feinen Gesichtszüge sind entspannt und zucken leicht unter meiner Berührung, als ich ihr eine Strähne von der Wange wische. Sie ist hier. Bei mir. Sie ist in Sicherheit und mein ganzer Körper verliert an Anspannung, bevor ich mich zu ihr runterbeuge und ihr einen sanften Kuss auf die Stirn gebe. Sie riecht nach Vanilleplätzchen und Apfelkuchen und ich vergrabe meine Nase in ihrem Haar, als mein Blick zu dem gegenüberliegenden Stuhl am Fenster fällt und mein Herz mir kilometerweit aus der Brust springt. Ihre Mom sitzt mit verschränkten Armen und emotionsloser Miene darauf, während sie mich missbilligend mustert. Ich halte ihrem Blick stand, bevor ich mich ganz vorsichtig unter Emmi hervorschiebe und sie wieder zudecke. Sie schmiegt ihr Gesicht in den Bezug und ich werde allen Ernstes eifersüchtig auf ein verfluchtes Kissen. Das ist echt krank. Doch was ist daran neu? Sie ist von den Medikamenten immer noch sediert und schläft friedlich weiter, während ich mir mein Shirt überziehe und ihrer Mom entgegentrete.
»Was tun sie hier?«, frage ich herausfordernd und sie starrt mich pseudobelustigt an.
»Komisch. Ich wollte dich genau dasselbe fragen.« Ich hebe provokant die Schultern, bevor ich die Arme vor der Brust verschränke
»Ich bin jeden Tag hier.«
Sie schnaubt. »Du weißt, dass das verboten ist.« Und ich pruste ebenfalls. »Und sie wissen, dass mir das egal ist.«
Sie stößt einen abschätzigen Laut aus. »Natürlich. Genau das ist das Problem.« Sie steht aus dem Stuhl auf und streicht ihre Bluse glatt. »Du wirst also nicht gehen?«, fragt sie, während sie sich ihre Tasche über die Schulter wirft.
»Nein«, schüttle ich völlig emotionslos den Kopf. »Und ich werde sie heut mit nach Hause nehmen«, füge ich ruhig hinzu, woraufhin sie abwertend schnauft.
»Ich hätte wissen müssen, dass du zu egoistisch bist, um das zu tun, was das Beste für sie ist.«
Ich nicke leicht. »Jap. Ich bin genau so stur wie sie.« Ich deute mit einer Kopfbewegung zu ihrer Tochter und sie braust auf.
»Sie ist nicht so, wie du! Seit sie dir begegnet ist, hat sie sich verändert. Sie will es dir nur recht machen …« Ich schneide ihr das Wort ab. »Nein, zum allerersten Mal in ihrem Leben versucht sie es niemandem recht zu machen. Und genau das ist ihr Problem«, deute ich wütend auf sie und sie tippt sich empört und auch etwas zu fest gegen die Brust.
»Meine Emmi … Das Mädchen, das ich großgezogen hab, war ein aufgeschlossenes, extrovertiertes, fröhliches junges Mädchen. Sie hätte niemals … auf jemandem geschossen.« Ihre Stimme bricht am Ende des Satzes und ich sehe sie reglos an, bevor ich sage: »Vielleicht sollten Sie anfangen, ihre Sichtweise zu ändern.«
Ihr Blick schnellt wütend zu mir und ich halte ihm stand, während ich auf Emmi deute. »Sie hat einiges durchgemacht …«
Sie wendet sich zischend ab, bevor ich den Satz beenden kann. Mir ist klar, dass sie das sehr gut weiß. Sie hat das alles mit ihr durchgestanden und sie hat eine todkranke Tochter.
Das muss unheimlich schwer für sie sein. Und deshalb versuche ich, mich zu beherrschen, aber sie soll mir verdammt nochmal zuhören.
»Ich weiß, dass sie das wissen«, fahre ich fort. »Besser, als jemand anderes. Aber es hat sie nun mal verändert. So etwas würde jeden verändern. Doch wenn sie dieser Emilia …«, ich deute erneut auf Emmi, » … eine Chance geben und sie so sehen, wie ich …« Ich atme aus. »Dann würden sie erkennen, dass es daran absolut nichts Schlechtes gibt.«
Sie schüttelt den Kopf, bevor sie abwertend, aber auch erschöpft die Luft auspustet. »Sie ist … anders. Irgendwie finsterer. Was sie sagt, was sie tut, was sie will …«
»Was sie will? Oder wen sie will?«, unterbreche ich sie fordernd und sie wendet den Blick ab, bevor sie zu ihrer Tochter sieht. Ich schüttle den Kopf.
»Sie hat nicht auf jemanden geschossen.« Ihr Blick huscht zu mir und ich hebe die Schultern. »Ich meine, das hat sie schon. Aber sie hat es getan, um mir das Leben zu retten. So sollten sie das sehen. Sie hat mich gerettet.« Ich sehe zu Emmi. »Und das nicht nur an diesem Abend.« Doch dann atme ich ergeben aus und wende mich zum Gehen. Sie wird mich nie akzeptieren und das wirklich Schlimme daran ist, dass sie das zu einer verflucht guten Mutter macht.
»Wo willst du hin?«, höre ich sie kleinlaut hinter mir, als ich mein Handy vom Nachttisch nehme. Es ist 7 Uhr morgens.
Die Schwestern müssen mich gesehen haben, doch sie haben nichts gesagt. Ich verziehe fragend das Gesicht, als ich das Handy in meine Tasche stecke und sie sich geräuschvoll räuspert.
»Ich werde runter gehen und das Zimmer bezahlen«, antworte ich ohne sie anzusehen.
»Du hast ihr dieses Zimmer besorgt?«, fragt sie überrascht, bevor sie hinzufügt. »Auch damals?«
Ich bleibe stehen und vergrabe meine Hände in den Taschen, bevor ich über meine Schulter sehe und unbeteiligt die Schultern hebe. »Überrascht?«
»Ehrlich gesagt, ja«, gibt sie zu und ich kann ein klitzekleines Zucken an ihrem Mundwinkel erkennen, bevor ich die Brauen hebe.
»Tja, vielleicht lohnt es sich ja doch, ab und zu ein zweites Mal hinzusehen«.
Sie sieht mich einen Moment schweigend an, bevor sie kaum hörbar flüstert. »So scheint es wohl zu sein.« Dabei aber Emmi fixiert, während sie ihr über das Gesicht streicht und mir klar wird, dass es eine Sache gibt, die ich mit dieser Frau gemeinsam habe. Und wir möchten Sie beide nicht teilen.
»Green Drive 3255«, sage ich, bevor ich mich daran hindern kann, und sie sieht fragend zu mir. »Unsere Adresse.«
Ich nicke zu Emmi. »Vielleicht möchten sie ja mal sehen, wo sie wohnt.« Sie sieht mich wie vom Donner gerührt an und ich zucke die Achseln. »Oder auch nicht.«, bevor ich mich zum Gehen wende.
»Wieso solltest du das für mich tun?«, fragt sie ungläubig und ich sehe ein letztes Mal über meine Schulter. »Ich tue das nicht für sie.«