Читать книгу For that Moment - Nena Muck - Страница 8

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Vince

Love is simply to know the Poison,

But drink it anyway.

– David Jones

»Vince.« Ihre angstbesetzte Stimme echoet durch die Dunkelheit. »Nicht.« Es ist ein Flehen. Hallend und gequält.

»Aufhören.«

Ich kann den Schmerz in ihren schallenden Worten hören. … Worte, die sich flüsternd wiederholen wie ein quälendes Lied – durchbrochen von einem dröhnenden Knall. Und dann geht alles furchtbar schnell. Wie ein Daumenkino aus lückenhaften, unscharfen Bildern, die man unkontrolliert vor und zurückspult. Stimmen unserer gesagten Worte. Sie liegen in der Luft wie statisches Rauschen, bis eine an die Oberfläche dringt.

»Verpiss dich King.«

Plötzlich hält dieses Kaleidoskop aus Erinnerungen an und Keenan Peyton erstarrt über mir. Den Stein in der Hand.

Seine Augen und sein Mund sind weit aufgerissen, bevor sein Blick quälend langsam zu seiner Brust wandert. Es ist alles voller Blut. Zu viel Blut. Es strömt aus seiner Brust, während er träge über seine Schulter schaut. Emmi. Sie lässt die Waffe fallen und kippt panisch zurück auf den Boden, während hinter ihr konturlos das Blaulicht rotiert. Ihr perfektes Gesicht ist blutverschmiert und vor Entsetzen verzerrt, während verschwommene Silhouetten auf uns zugerannt kommen und ihr Mund tonlos meinen Namen formt.

»Vince?« Ich schrecke hoch und sehe zu der Schwester. Sie hebt entschuldigend die Hände, bevor ich seufzend ausatme und mir die Handballen auf die Augen drücke.

Was für ein beschissener Albtraum.

»Du kannst jetzt zu ihr.« Ihre Stimme trieft vor Bedauern und Mitleid, doch ich ignoriere es, als ich aufstehe und durch den Flur des Krankenhauses laufe. Wisst ihr, was das Gute an Albträumen ist? Man weiß, dass man früher oder später immer wieder aufwacht.

Das Problem ist nur, dass es kein beschissener Traum war.

Ich bin diesen Weg schon hundert Mal gegangen, doch seit sie hier ist, fühlt es sich an, als wäre jedes Mal … das erste Mal.

Jeder Schritt ist schwerer als der vorherige und mit jedem Atemzug zerspringt mein Herz ein Stück mehr. Ich sehe zu der geschlossenen Tür und höre das leise Murmeln der Schwestern, bevor ich an die Klinke greife und dort verharre.

Diese Tür ist das Einzige, was mich von ihr trennt, doch ich erstarre in der Bewegung, während mein Blick auf die Schwestern fällt, die hinter der Glasfront neben der Tür sitzen. Ihre mitleidigen Blicke sind wie Dolche, die mich durchbohren und mein Blick verliert sich, als die Scheibe mein Spiegelbild reflektiert. Die Schwellung an meinem rechten Auge ist fast zurückgegangen und die Farben an meinem Kiefer reichen mittlerweile von dunkelblau bis hellgrün. Dieser verfluchte Wichser hätte mir fast den Kiefer gebrochen. Dieser verfluchte Wichser hätte mich fast erschlagen. Ich wende den Blick ab und schließe die Augen, während ich meine Stirn an die Tür sinken lasse und bis drei zähle, dann atme ich tief durch und drücke auf die Klinke.

Ihr Bett steht mitten im Raum und ein paar Sonnenstrahlen, die durch das dahinterliegende Fenster brechen, streichen über ihr weiches Gesicht. An der Wand daneben hängt ein schlecht gerahmter Druck mit Rosen und ich überlege, wie jedes Mal, ob es die Situation irgendwie besser machen würde, wenn es stattdessen Mohnblüten wären. Sie hat die Augen geschlossen, doch als würde sie meine Anwesenheit spüren, öffnet sie diese genau in dem Augenblick, indem ich ihr Zimmer betrete. Diese wunderschönen unschuldigen himmelblauen Augen, die mir erzählen, dass sie schon viel zu viel gesehen haben.

»Hey.«

Sie versucht zu lächeln, schafft es aber kaum. Sie ist zu schwach und wirkt so klein und zerbrechlich in diesem Bett.

Seitdem sie hier ist, haben sie sie sediert. Sie stand völlig unter Schock und diese Aufregung und das Adrenalin sind pures Gift für sie. Genau, wie ich.

»Hey«, erwidere ich ihr leises Flüstern mit einem Lächeln, das wahrscheinlich noch viel unglaubwürdiger ist, bevor ich an ihr Bett trete. Sie ergreift sofort meine Hand und zieht mich zu sich herunter. Ich lasse es zu, bevor ich mich zu ihr auf das Bett setze und sie ihr kleines Fäustchen in meinem Shirt vergräbt, um mich noch näher zu ziehen.

»Hey«, wispert sie nun sanft und tröstend an mein Gesicht und ich spüre ihren Atem, meide jedoch ihren Blick, was sie nicht zulässt. Sie drückt meinen Kopf nach oben und ich sehe in azurblaue Augen, die meine gefangen halten, während sie mir vorsichtig über die Wange streicht.

»Küss mich.« Ihre Stimme ist rau und kratzig und ich blicke automatisch auf ihren Hals. Ihre Würgemale sind inzwischen dunkelviolett. Sie rüttelt an meinem Kinn und ich reiße meinen Blick los.

»Küss mich«, fordert sie nun eindringlicher und ihre Stimme versagt, als ich ihren Kopf in meine Hände nehme und sie behutsam zu mir ziehe, bevor ich meine Lippen auf ihre lege. Sanft und kurz. Als ich mich von ihr löse, fällt ihr Blick auf meine aufgeplatzten Lippen und sie streicht sorgsam mit dem Daumen darüber.

»Es tut nicht weh«, antworte ich auf die nicht gestellte Frage, die hinter ihren glasklaren Augen liegt und sie legt lächelnd ihre Stirn auf meine. Ich schrecke sofort zurück, woraufhin sie tröstend den Kopf schüttelt. »Es tut nicht weh«, wiederholt sie meine Worte schmunzelnd, doch alles, was ich sehe, ist die fünf Zentimeter lange Platzwunde auf ihrer Stirn.

»Sollte er jemals aus dem Koma aufwachen, bringe ich ihn um«, knirsche ich zwischen zusammengebissenen Zähnen.

»Ssscchh …« Sie schüttelt beruhigend den Kopf, während sie mir über das Gesicht fährt, » …ich bin nur froh, dass es dir gut geht.« Ich höre die Tränen in ihrer Stimme, als sie ihre Stirn erneut gegen meine legt. Es gefällt mir nicht, aber ich lasse es zu, während sie »Ich liebe dich« an meinen Mund flüstert und ich schnaube.

»Und sieh nur, wohin es dich gebracht hat.« Mein Tonfall ist bitter und sie schreckt zurück.

Ich schüttle den Kopf. »Wenn ich nicht wäre …«

»Es war nicht deine Schuld …«, unterbricht sie mich.

»Nichts davon«, ergänzt sie sanft und mir entfährt ein abschätziges Geräusch, bevor ich es aufhalten kann.

»Vince ich …«, doch sie wird unterbrochen, als dieser aalglatte, schmierige Staatsanwalt auf der Bildfläche erscheint.

»Miss Glass?«

»Ja?« Ihre Stimme klingt wacklig, als ihr Blick zwischen ihm und mir hin und her huscht.

»Hätten Sie einen Moment?«

Hinter diesem Satz sollte ein Fragezeichen stehen, doch klingt es eher wie ein Befehl. Gott, dieser Typ ist so gruselig, er könnte ohne Weiteres in der Matrix verschwinden. Fehlt nur noch so ein dämlicher schwarzer Ledermantel und sie würden ihn sofort rekrutieren. Ich sehe zu meinem Mädchen und sie schluckt schwer, woraufhin sie schmerzhaft das Gesicht verzieht. Weshalb ich genau dasselbe tue.

»Mr. King würden sie uns bitte entschuldigen?«, befiehlt er scharf und ich spüre seinen kalten Blick auf mir, doch meiner liegt weiter auf ihr. Als sie mir zunickt, lehne ich mich noch einmal zu ihr nach vorn und küsse sie. Länger. Inniger. Und spüre die Erleichterung auf ihren Lippen. Ich streiche mit meinen vorsichtig darüber, bevor ich »Ich liebe dich« hauche, wofür sie mir ein Lächeln schenkt, das ihre Augen erreicht. Zumindest bis dieser Arsch sich gekünstelt räuspert. Ich ignoriere ihn gekonnt, als ich aufstehe und wortlos an ihm vorbeigehe, doch er hält mich auf, indem er seinen Arm vor meiner Brust ausstreckt und den Kopf neigt. »Bleiben sie in der Nähe.« Sein Tonfall ist mindestens so scharf, wie sein Blick, doch ich halte ihm stand, während ich unbeeindruckt auf seinen Arm deute.

»Wären Sie so freundlich?« Er verharrt noch einen Moment in dieser Position, bevor er den Arm herunternimmt, doch sein Blick fixiert mich weiter. Was denn? Versucht er mich jetzt allen Ernstes niederzustarren? Vielleicht sollte ihm jemand sagen, dass das bei mir nicht funktioniert. Ich meine, das hab ich ja praktisch erfunden. Das scheint ihm in diesem Moment auch klar zu werden, denn er wendet sich Emmi zu und ich werfe noch einen ermutigenden Blick zu ihr, bevor ich sie widerwillig mit diesem Seelenfresser allein lasse.

For that Moment

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