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Die 1960er-Jahre: Let’s swing

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Es sind Jahre des Aufbruchs. Eine Zeit zwischen Bürgerrechtsunruhen und Studentenbewegung. Zwischen politischem Umdenken und der Verabschiedung vom üppigen Idealbild der 1950er-Jahre. Weg von Weiblichkeit und prallen Kurven, hin zu einer schlanken Linie. Traumfrauen wie Marilyn Monroe haben ausgedient. Auch das Ideal der braven, kurvigen Hausfrau zerfällt.

Eine Gegenbewegung im Frauenbild startet. Plötzlich ist spindeldürr und flachbrüstig angesagt.

Stilbildend für das neue Frauenbild wird das britische kurzhaarige Model Twiggy, auch wenn das einem Teil der Medien nicht zu gefallen scheint: „Als Gott ‚Twiggy‘ schuf, muss er nur noch eine sehr abgenagte Rippe zur Hand gehabt haben. ... Wie anders soll man sich sonst diesen dürren Zweig (‚twig‘) am üppigen Baum des modernen Lebens erklären“ 17, schreibt die Stuttgarter Zeitung im Jahr 1967 über sie.

Aber ihrem kometenhaften Aufstieg können ihre Kritiker nichts anhaben. Innerhalb kürzester Zeit ist Twiggy eines der gefragtesten Models ihrer Zeit. Ihre Ära leitet den Schlankheitswahn ein.18

Während die Mehrheit sie frenetisch feiert, fühlt sich die umjubelte Twiggy unsicher. Auch sie kann ihren Ruhm nicht in vollen Zügen genießen, zu groß ist das Verlangen, ein üppiger Ast zu werden. Besonders als junge Frau habe sie sich eine gute Fee gewünscht, „die mir das Aussehen von Marilyn Monroe verleihen sollte“, so die 70-Jährige heute. „Ich hatte keinen Busen, keine Hüften, und ich wünschte sie mir doch so verzweifelt.“ 19

Ich kann Twiggy verstehen. Während sie die „abgenagte Rippe“ war, taufte mein Onkel mich mit 14 Jahren auf den Spitznamen „Luftpumpe“. Er fand es passend, schließlich sei ich ja nur ein Stiel mit Kopf. Lange Zeit empfand ich meine fehlenden Kurven als schlimm und furchtbar ungerecht. Ich hätte so gerne volle, große Brüste gehabt. Auch heute noch zeige ich mich ungern im BH oder Bikini.

Besonders schlimm war es in der achten Klasse, als die Jungs mich mit der Bezeichnung „Flachland“ hänselten. Monatelang wurden sie nicht müde, mich auf meine fehlende Oberweite hinzuweisen. Und ich? Investierte all mein Taschengeld in diverse Push-up-BHs.

Einmal stopfte ich mir gar Toilettenpapier in den Ausschnitt. Für eine Party. Um den Jungs zu gefallen. Mein innigster Wunsch war es, dazuzugehören, in dem Club der fraulichen Mädchen aufgenommen zu werden.

Ich wollte nicht länger die Ungeküsste, die ungewollte, ungelenke Giraffe sein. Das Flachland. Die, die beim Flaschendrehen als Einzige leer ausgeht. Das ist ebenso erniedrigend, wie beim Völkerball als Letzte ins Team gewählt zu werden. Vielleicht sogar noch schlimmer.

Doch aus meinem Traum wurde nichts. Meine Figur blieb knabenhaft. Eine üppige Oberweite? Ein definierter Po? Fehlanzeige! Eine Laune der Natur, die ich für zutiefst ungerecht hielt. Doch während ich mir mit 18 Jahren noch unbedingt die Brüste vergrößern lassen wollte, ist es heute okay für mich. Vielmehr bin ich froh, nie eine Schönheitsoperation an mir durchführen gelassen zu haben.

Eines ist sicher: Meine Jugend wäre wesentlich leichter gewesen, wenn Twiggy anstelle der Victoria’s-Secret-Engel das gesellschaftliche Schönheitsideal gewesen wäre.

Die 1960er-Jahre wären vermutlich mein Jahrzehnt gewesen. Da hätte ich reingepasst. Mich wohlgefühlt. Vor allem hätte ich meine fehlende Weiblichkeit nicht jahrelang verabscheut. Mich selbst verabscheut. Vielleicht hätte ich schon früher gelernt, mir selbst genug zu sein.

Was wir daraus lernen: Vielleicht hätte ich mich in den 1960ern wohlgefühlt. Vielleicht hättest du, unsere Leserin, dich in den 1950er-Jahren mit einem medial geprägten Vorbild wie Marilyn Monroe besser gefühlt. Beides ist irrelevant. Für das gegenwärtige Schönheitsideal können wir nichts.

Was uns bleibt, ist, uns von den Idealbildern unserer Zeit zu befreien und unsere Einzigartigkeit zu zelebrieren. Wie der Autor Michael Nast auf seinem Instagram-Profil schreibt: „Wir wurden geboren, um einzigartig zu sein. Und nicht perfekt.“

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