Читать книгу Pretty Happy - Nena Schink - Страница 19
ОглавлениеJackie Kennedy: schön unglücklich
„Ich lernte, mich wegen meinem Bildungshunger nicht zu schämen, den ich zu verstecken versucht habe.“
Jackie Kennedy
Die erste Biografie, die ich in meinem Leben las, war jene über Jacqueline Kennedy Onassis29. In den 50er-Jahren war sie an der Seite ihres Mannes John Fitzgerald die First Lady der Vereinigten Staaten von Amerika. In meinem Bücherregal stehen etliche Bücher über bemerkenswerte Frauen, doch keine Persönlichkeit traf mich jemals wieder derart mitten in mein Herz, wie Jackie es tat.
Meine mittlerweile auseinanderfallende Ausgabe hege und pflege ich bis heute. In jede Stadt, in die ich ziehe, zieht Jackie mit mir. Ab und an blättere ich in ihrer Biografie, meist, wenn ich mich einsam fühle. Dann streife ich durch die von mir markierten Sätze und fühle mich prompt ein bisschen weniger allein.
Nicht nur das Buch, auch ihre Briefe an den katholischen Priester Joseph Leonard sind ergreifend. Kurz nach ihrer Hochzeit im Jahr 1952 schrieb sie: „Vielleicht bin ich nur geblendet und sehe mich selbst in einer Glitzerwelt gekrönter Häupter – und nicht als traurige kleine Hausfrau. Es ist eine Welt, die von außen betrachtet sehr glamourös wirken dürfte, aber für Dich, wenn Du drinsteckst – und einsam bist –, die Hölle sein kann.“ 30
Diesen Brief schrieb sie nieder, als sie von der ganzen Welt für ihre Schönheit und Anmut gefeiert wurde.
Die Kennedys sind das Traumpaar der Nation und sie ist die Stilikone schlechthin. Doch die weltweite Bewunderung und der Beifall führen keinesfalls zu einem glücklichen Leben. Sie fordern ihren Preis.
Vielleicht, weil Jackie Kennedy das Leben führte, das sie niemals führen wollte. Ins Jahrbuch ihrer Abschlussklasse schrieb sie einst, sie wolle keinesfalls Hausfrau werden. Vermutlich kämpfte sie deswegen in ihrer Jugend vehement dafür, wahrgenommen und für ihren Intellekt geschätzt zu werden. Ihre Bemühungen sollten kurzzeitig Früchte tragen, galt sie doch während ihres Studiums unter Professoren als „sehr intelligent mit einem echten Talent fürs Schreiben“ 31.
Aber das sahen nur die wenigsten in ihr. Die meisten Menschen reduzierten sie konsequent auf ihr Aussehen – und dies lange vor ihrer Zeit als First Lady der Vereinigten Staaten von Amerika. In ihrem ersten Studienjahr am elitären Vassar College wird sie von einem Boulevard-Journalisten zur „Debütantin des Jahres“ gekürt. Nicht aufgrund ihrer Fremdsprachenkenntnisse, ihres Interesses für die Kunst oder ihres Talentes als angehende Journalistin, einzig und allein aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes.
In dem Artikel des Klatschreporters wird sie als „eine majestätische Brünette mit eleganten Gesichtszügen und der Anmut von Dresdner Porzellan“ 32 beschrieben. Es ist ein Vorgeschmack auf ihre Zeit als First Lady, in der sie täglich Sätze dieser Art über sich lesen wird. Als die ganze Welt sie für ihre Schönheit bewundert – und sie doch immer nur die Frau an der Seite von John F. Kennedy ist. Ihr eigenes Glück? Unwichtig! Sie hat die ihr dargebotene Rolle zu erfüllen und die „first american“ Hausfrau und liebende Mutter der Nation zu sein.
Die glücklichste Zeit in ihrem Leben ist laut ihrer Biografie übrigens ihre Studienzeit in Paris. Dort ist sie frei, unabhängig und vom Wissensdurst getrieben. Die Stadt begeistert sie, die Kultur, die Gärten, das Schloss von Versailles, Notre-Dame.
Während ihre Mutter ihr schon zu Schulzeiten einbläut, sich bloß früh einen reichen Amerikaner zu suchen, lebt Jackie Kennedy glücklich in ihrem kleinen Mansardenzimmer bei einer französischen Familie in der Avenue Mozart, im 16. Arrondissement. Über ihre Zeit in Paris wird sie später sagen: „Ich lernte, mich wegen meines Bildungshungers nicht zu schämen, den ich zu verstecken versucht habe.“ 33
In Ungnade fällt Amerikas Sweetheart im Alter von 39 Jahren übrigens auch wegen eines Mannes. Ihre zweite Eheschließung mit dem Industriellenerben Aristoteles Onassis nimmt ihr die Presse übel, wird doch von ihr erwartet, für immer John F. Kennedys brave, sittengetreue Witwe zu mimen. Fortan betiteln sie die Medien nur noch als „Jackie O.“. Und sie ist wieder einmal nur die Frau von.
Was sie wohl dazu sagen würde, wie sich die Welt heute an sie erinnert? Wie würde sie reagieren auf Aussagen wie: „Jackie Kennedy Onassis gehört noch heute zu den Ikonen der Schönheitspflege und ihre Beauty-Routine sollte sich wohl jede Frau zu Herzen nehmen“ 34 oder „Diese drei Modetrends sind von Jackie Kennedy inspiriert“ 35.
Wahrscheinlich würde sie über diesen Fakt nur müde den Kopf schütteln, zu sehr daran gewöhnt, auf ihr Aussehen reduziert zu werden, was sie zeit ihres Lebens hasste.
Was mich zu Fragen über meine Generation führt: Warum wollen wir so gerne für unser äußeres Erscheinungsbild gelobt werden? Wieso tun wir alles dafür, um als „schön“ zu gelten? Warum retuschieren wir unsere Fotos? Warum filtern wir unser Erscheinungsbild, passen es der gängigen gesellschaftlichen Norm an, während Generationen von Frauen vor uns vehement dafür gekämpft haben, mehr als ihre äußere Hülle sein zu dürfen?
Notiz an uns selbst:
∞Wissenshunger macht glücklicher als das äußere Erscheinungsbild.
∞Wir müssen damit aufhören, uns auf unser Äußeres reduzieren zu lassen.
∞Irgendwann einen Artikel über das wahre Vermächtnis Jackie Kennedys in einer reichweitenstarken Zeitung veröffentlichen.