Читать книгу Pretty Happy - Nena Schink - Страница 20
Оглавление„Uns ist ein brainshaming lieber als ein bodyshaming. Keiner weiß, wo Triest ist, aber dafür wo der Trizeps ist.“
Laura Karasek
Die Biografien von Audrey Hepburn und Jackie Kennedy sind nicht vergleichbar. Während die eine der frenetisch gefeierte Hollywood-Star ihrer Zeit war, mimte die andere die perfekte First Lady der Vereinigten Staaten von Amerika.
Doch die Lehre aus ihren Leben ist exakt dieselbe. Beide waren unzufrieden mit der ihnen von der Gesellschaft zugeschriebenen Rolle. Vor allem kämpften sie, insbesondere Jackie Kennedy, ihr Leben lang dafür, mehr sein zu dürfen als schön. Vergebens. Seit ihrem Tod hat sich der Schönheitswahn nicht verbessert, sondern stetig verschlimmert.
Eine Frau, die über die dramatisch falsche Entwicklung von „Schönheit vor Inhalt“ in unserer Gesellschaft bereits vor Jahren schrieb, ist die Autorin und Moderatorin Laura Karasek. Ich bewundere ihre Klugheit, war sie doch vor ihrer Medienkarriere für die führende Wirtschaftskanzlei Clifford Chance tätig. Ihr zweites Staatsexamen schloss sie mit Prädikat ab. Auch sonst ist Karasek scharfzüngig, schlagfertig, eloquent. Schlicht intelligent.
In ihrer Stern-Kolumne fragte sie sich bereits im Jahr 2017: „Was passiert mit den Inhalten, wenn wir den ganzen Tag mit Fotobearbeitungsprogrammen, Anti-Aging und beim Krafttraining verbringen? Unser Körper schwitzt im Fitnessstudio, während unser Kopf auf der Ersatzbank sitzt – und nicht zum Einsatz kommt – nicht mal fürs Aufwärmtraining bleibt Zeit, beispielsweise, um Grundkenntnisse der Politik zu erwerben.“ 36
Karaseks Standpunkt, den ich hundertprozentig teile, lautet: „Uns ist ein brainshaming lieber als ein bodyshaming. Keiner weiß, wo Triest liegt, aber dafür, wo der Trizeps ist. Protein-Shakes statt Shakespeare. Botox statt Botero. Shopping statt Chopin. Hanteln statt Händel. Bizeps statt bilingual. Sollte Inspiration nicht vor allem durch geistige Leistung ausgelöst werden?“ 37
Sie hat recht. Insbesondere meine Generation kümmert sich größtenteils viel zu wenig um ihr Hirn. Es ist nichts Schlechtes daran, sich gerne schön anzuziehen. Sich zu schminken. Sich selbst gefallen zu wollen. Aber der Verstand sollte nicht darunter leiden. Intelligenz und Inhalte sind wichtiger als unser Aussehen, das vergänglich ist.
Zuletzt wurde mir das bewusst, als ich mit Bekannten zusammensaß. Während wir in unsere Croissants bissen, Kaffee und Kakao tranken, klönten wir. Ein netter Sonntagmorgen. Bis eine von uns begann, sich über ihren Bauch zu beschweren. Die rechts neben ihr sitzende Frau nickte verständnisvoll. Es folgte ein Monolog über ihre zu dünnen Haare. Auch die dritte zeigte ihre Zustimmung, indem sie sich über ihre unreine Haut aufregte.
Ich wagte mich nicht, laut zu fragen, wer unser Bundespräsident sei. Vermutlich, weil ich die Antwort eh schon wusste: Keine der Anwesenden hätte mir meine Frage beantworten können. Stattdessen hätten sie genervt die Augen verdreht. Wen interessiert schon Politik? Meine Bekannten sind nicht die Norm. Sie sind die Regel. Leider!
65 Prozent der deutschen Frauen wären bereit, zehn IQ-Punkte abzugeben, um einen Schönheitsmakel auszugleichen.38 Ist das Motto unserer Zeit also: lieber schöner und dafür dümmer?
Ist es für meine Generation wirklich wichtiger, den perfekt trainierten Körper zu haben, als politische Grundkenntnisse zu besitzen? Und was sagt das über uns aus? Warum wollen wir lieber mit unserem Look als mit unserem Verstand glänzen?
Wieso ist uns fehlendes Wissen weniger peinlich, als ein paar nicht gesellschaftlich konforme Kilos zu viel auf den Rippen zu haben? Sind wir schlicht zu faul, uns mit Inhalten auseinanderzusetzen, weil der perfekte Lidstrich einfach schneller gesetzt ist? Warum ist es für uns wichtiger, schön als schlau zu sein?
Notiz an uns selbst:
∞Frauen in unserem Umfeld ermutigen, sich mehr mit dem Tagesgeschehen zu befassen.
∞Noch viel mehr lesen!
∞Googeln, wer Händel war.