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Warum Barbie eine Feministin ist

„Die Mädchen werden zu Sklavinnen erzogen und gewöhnen sich an den Gedanken, sie seien lediglich auf der Welt, um es ebenso zu machen wie ihre Großmütter – Kanarienvögel zu halten, kleine Topfrosen zu begießen, zu stricken oder Kragen zu häkeln.“

Honoré de Balzac

Es sind nicht ausschließlich die Begegnungen in unserem Leben, die uns langfristig prägen. Oft sind es auch Gegenstände, die unsere Entwicklung nachhaltig beeinflussen.

Vor allem das Spielzeug, das wir in der Kindheit geschenkt bekommen, ist entscheidend für unseren späteren Lebensweg. Und von einem heißt es, es solle gar schädlich für die Entwicklung von kleinen Mädchen sein: die Barbiepuppe. Sie gilt als die absolute Antifeministin, als Feindbild. Aber ist das wirklich so? Gehört Barbie verboten?

Ein Donnerstagabend in Berlin. Im pastellfarbenen Cocktailkleid, gepaart mit rosafarbenen High Heels, betrete ich das Restaurant Cafe Moskau. Ich kann es kaum erwarten, dem Geburtstagskind zu gratulieren. Sechs Jahrzehnte. Wahnsinn. Zwischen handgeschriebenen Tischkarten, rosa Blumen und pinken Kronleuchtern entdecke ich sie: Barbie. Die Heldin meiner Kindheit.

Viel hat sich nicht verändert, seit ich Ärztin spielte und mein eigenes Königreich hatte. Heute steckt Barbie, passend zum Motto „You can be anything“, in einem Astronautenanzug. Ihre Figur ist rundlicher geworden, die Haare sind dunkler. Das alleine macht natürlich noch keine Feministin aus ihr.

Auch die neuen Körperformen – groß, klein, kurvig und klassisch – sind für mich kein nennenswerter Beitrag zur Female-Empowerment-Bewegung. Vielmehr ist es nur eine kluge Marketingstrategie des Spielzeugherstellers Mattel. Warum also ist Barbie für mich eine Feministin? Aus vier Gründen.

Erstens: Barbie-Erfinderin Ruth Handler ist ein Vorbild

Es sind die 1930er-Jahre. Der neueste Fotoknigge ist erschienen und klärt schonungslos auf: Trage einen BH, wenn du einen brauchst! Lass deine Verabredung niemals warten! Benutze nicht seinen Rückspiegel, wenn du dich schminken möchtest. ER benötigt ihn zum Autofahren! Frau lernt: Frisch gebügelte Hemden erwärmen jedes Männerherz und abends sollte Frau nicht plappern, sondern ihrem Mann zuhören. Er ist es, der einen harten Tag hatte. Er ist der Versorger der Familie.

Die junge Ruth Handler, gebürtige Mosko, Jahrgang 1916, schert sich um die männlichen Befindlichkeiten wenig. Sie wandert von Russland in die USA aus, studiert und gründet mit ihrem Mann ihr eigenes Unternehmen. In dieser Zeit sind Firmengründerinnen kaum vorhanden. Handler ist mit ihren beruflichen Ambitionen eine Rarität. Sie verkauft, was er entwirft: Leuchten, Flugzeugmodelle und Plastikbilderrahmen.

Gelebte Gleichberechtigung. Und das in einer Zeit, in der das Wort Female Empowerment noch nicht einmal existierte. In Handlers Familie ist eine arbeitende Frau jedoch nicht ungewöhnlich, da viele Verwandte so arm sind, dass die ganze Familie etwas zum Lebensunterhalt beitragen muss.

In ihrer Branche ist Ruth dennoch eine Exotin. Nicht nur einmal muss eine Tagung verlegt werden, weil sie am eigentlichen Veranstaltungsort – elitäre Männerclubs – aufgrund ihres Geschlechts nicht hätte teilnehmen dürfen.

Der Erfolg gibt ihr recht. Während Ruth ein Händchen fürs Marketing hat, beginnt ihr Mann, Spielzeuge wie die Plastikgitarre „Uke-A-Doodle“ zu entwerfen. Die Gitarre wird der erste große Hit von Mattel. Sechs Jahre nach der Gründung hat das Unternehmen schon 600 Angestellte. 1959 erfindet Ruth dann die Puppe, die die Spielzeugwelt revolutionieren wird. Barbie.

Der Grund für ihre Erfindung: Sie stört, dass kleine Mädchen immer nur das Muttersein spielen sollen. Stattdessen sind sie jetzt Barbie, eine erwachsene Frau.

Warum so viele Menschen ihre Erfindung verurteilen, wird die Einwanderin bis zu ihrem Tod nicht verstehen: „Meine ganze Philosophie von Barbie war, dass Mädchen durch die Puppe das sein können, was sie wollen.“ 41 Mädchen sollen mit Barbie lernen, dass sie alle Wahl der Welt haben und nicht nur Mütter werden müssen.

Zweitens: Barbie war schon Single, als es das Wort noch gar nicht gab

Es klingt wie ein Witz, aber Barbie war in den 1950er-Jahren überzeugter Single. Mattel hat ihr erst 1961 den schnieken Plastik-Boy Ken zur Seite gestellt. Und was tut das Püppchen? Verlässt ihn 2004, nach 43 Jahren, für ihren Lover Blaine, ehe sie 2011 werbewirksam zu ihm zurückkehrt. Das toppt für mich nur eine: Heidi Klum. Während das Topmodel Fotos mit ihrem 17 Jahre jüngeren Ehemann, dem Gitarristen Tom Kaulitz, postet, frage ich mich, ob Heidi als kleines Mädchen viel mit Barbie gespielt hat.

Drittens: Barbie akzeptiert einen Meerjungmann in ihrer Kollektion

Seit diesem Jahr gibt es Ken als Meerjungmann, inklusive weißer Halskette, gefärbten Augenbrauen und getuschten Wimpern. Die Vermittlung von klassischen Rollenbildern soll endlich der Vergangenheit angehören. Barbie akzeptiert ihren Mann mit pastellfarbener Glitzerflosse und Schminke. Mehr kann sie nicht für ein Umdenken im Kopf tun.

Viertens: Barbie ehrt Frauen, die Vorbilder sind

Wie sie aussieht, was sie trägt und welchen Beruf sie ausübt, beeinflusst die Sozialisierung von Kindern auf der ganzen Welt. Barbie ist das bewusster denn je. Anstatt ihren eigenen Geburtstag zu feiern, widmet sie Frauen, die eine jeweils neue Generation inspirierten, eine eigene Puppe. Dazu gehören in Deutschland beispielsweise die Aktivistin Adwoa Aboah oder die querschnittsgelähmte Bahnradsportlerin Kristina Vogel. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bertelsmann-Eignerin Liz Mohn bekamen ihre eigenen Barbies.

Das erkennen auch Barbies Kritiker an. „Mattel hat wahnsinnig viel in Barbie investiert – in soziale Medien oder eine Fernsehserie für Kinder. Dort sind sie definitiv im Jetzt angekommen“ 42, erklärt die Genderforscherin und Pinkstinks-Gründerin Stevie Schmiedel in einem Artikel der Welt. Die Marke zeige sich heute „sehr divers“.

Ich stimme der Genderforscherin zu. Natürlich hätte Barbie früher starten müssen, die Körperformen zu verändern. Aber für mich zählt, dass sie es tat. Und ich freue mich schon, später mit meinen dann hoffentlich vorhandenen Töchtern mit Barbie zu spielen. Und keine Frage – natürlich wird es zu jeder Barbie auch ein passendes Wissenschaftsspielzeug geben.

Notiz an uns selbst:

∞Erst die Hintergründe kennen, bevor wir über einen Menschen urteilen. Das gilt auch für Puppen.

∞Genauso wie Ruth Handler für die eigenen Träume kämpfen.

∞Wir brauchen mehr weiblichen Unternehmerinnengeist.

Pretty Happy

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