Читать книгу Pretty Happy - Nena Schink - Страница 22
Оглавление„Schönheit bedeutet nicht, perfekt auszusehen. Es geht darum, die eigene Individualität zu lieben.“
Bobbi Brown
Mein Entschluss, mich mit meiner Vergangenheit auseinanderzusetzen, rührt von derselben Begebenheit, in der meine Selbstzweifel einst entstanden: von einem Casting.
Februar 2018
Der Tag beginnt mit meiner morgendlichen Beauty-Routine. Make-up drauf, bis meine Sommersprossen nicht mehr zu sehen sind. Gekonnte schwarze Linien mit dem Kajal, angeklebte Wimpern, Wangen-Contouring, Lipgloss. Dann kann es losgehen. Auf dem Weg zum Casting fühle ich mich unsicher. Ständig frage ich mich: Passt alles noch? Sitzt mein Make-up? Wie werde ich bei den Entscheidern ankommen? Ob sie mich hübsch finden?
Ich schaue auf meine Uhr, 10.50 Uhr. Pünktlich also. „Schön, dass es geklappt hat“, begrüßt mich die Empfangsdame. Sie schenkt mir ein Glas Wasser ein. Ich gehe meinen Text erneut durch.
11.15 Uhr, eine blonde, etwas ältere Schauspielerin mit lockerem Dutt auf dem Kopf kommt aus dem Raum. Sie begrüßt mich kurz, packt ihren Casting-Text ein und geht. Ich bin die Nächste. Ich werde hineingerufen. Immer noch nervös, streife ich mir eine Strähne aus dem Gesicht.
Die erste Szene. Nach keinen 30 Sekunden unterbricht mich die Casterin. Gutes oder schlechtes Zeichen? Stille. Sie schaut auf den Bildschirm, dann zurück zu mir.
„Du musst dir bewusst sein, dass du gut genug bist. Weniger Make-up, mehr von dir.“
Perplex schaue ich sie an und bekomme glasige Augen. Übelkeit überkommt mich. Mit dieser Art von Kritik kann ich nicht umgehen. Überhaupt nicht.
Ich schaue sie an und nicke beschämt. Das Ganze fühlt sich wie ein schlechter Traum an.
„Mach dir bitte einen Zopf, dann starten wir nochmal von vorne.“
Gehorsam folge ich ihrer Anweisung. Dann geht es wieder los. Ich gebe alles und bekomme schließlich ein Kompliment für mein Spiel, doch höre ich es kaum.
Als ich das Gebäude verlasse, schnappe ich nach Luft. Tausend Fragen gehen mir durch den Kopf. Warum verstecke ich mich hinter dem Make-up? Wieso ist das der Casterin negativ aufgefallen? Habe ich heute zwei Rollen gespielt? Eine mit Make-up im Mittelpunkt und eine mit – was eigentlich?
Immer wieder denke ich über diesen einen Satz nach: „Weniger Make-up, mehr von dir.“ Auch noch am Abend. Ich bin mit meiner Freundin Lena auf einer Party anlässlich der Berlinale. Mit dabei mein Herzensmädchen und meine Kindheitsfreundin Shirin. Nachdem wir irgendwann genug von dem üblichen Branchen-Talk haben, plagt uns der Hunger. Lena schlägt vor, frühstücken zu gehen.
„Um 2.10 Uhr?“, frage ich sie skeptisch und schaue auf mein Handy. „Wo willst du jetzt ein Frühstück herbekommen?“
„Im Benedict kann man rund um die Uhr frühstücken“, erwidert Lena. 15 Minuten später nehmen wir an einem kleinen runden Tisch am Fenster Platz. Wir stoßen mit Mimosas an und bestellen gefühlt die halbe Karte. Während wir bei Eggs Benedict und unglaublich leckeren Vanillesaucen-Pancakes über das Leben und die Männer philosophieren, lasse ich den Casting-Tag Revue passieren.
Mir wird bewusst, wie wundervoll dieser Moment mit meinen Freundinnen ist. Drei Frauen, die sich so akzeptieren, wie sie sind, die lachen und einfach das Leben genießen.
Meine komplette Unsicherheit fällt von mir ab. Nachts um zwei Uhr, beim Frühstücken mitten in Berlin, bin ich vielleicht das erste Mal in meinem Leben ganz ich selbst.
Ach ja: Die Rolle habe ich nicht bekommen, aber das Casting war trotzdem das wichtigste in meinem bisherigen Leben.
Notiz an uns selbst:
∞Versuche nicht, die Rolle zu gewinnen, sondern erobere den Raum.
∞Weniger Make-up, mehr von dir.
∞Auch wenn es hart ist: Nimm konstruktive Kritik immer an.