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Hanah: Russische Tundra

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Hanah stand in einem der riesigen Gewächshäuser und jätete das Unkraut des Bodengemüses. Sie musste sich dabei nicht bücken, denn die drei mal vier Meter großen Kästen waren einen Meter tief mit Erde gefüllt.

Sie hatte Jacke und Pullover ausgezogen und ihre Schuhe steckten nicht in Fellstiefeln, sondern einfachen Sandalen. Das Thermometer zeigte zehn Grad an und fünfzig Prozent Luftfeuchtigkeit. Perfekt für das Gemüse, das sie in diesem Gewächshaus anbauten. Im nächsten Haus wuchsen Früchte, die mehr Wärme benötigten. Äpfel, Birnen, Kirschen und so weiter. Und dann gab es die kleineren Treibhäuser, wo sie Bananen und andere Südfrüchte anpflanzten. Da diese jedoch geheizt werden mussten und daher mehr Energie benötigten, waren sie nicht ganz so groß wie das Haus, in dem Hanah gerade stand.

Alle Gewächshäuser standen etwas abseits der Siedlung, jedoch weithin sichtbar. Ihre Glasdächer glitzerten in der Sonne und jede Gemeinschaft hatte mehrmals im Monat Dienst.

Hanah hatte gerade keinen Dienst, und trotzdem war sie am Nachmittag zum Gewächshaus gegangen. Sie traf nur Maret an, was Hanah nicht wunderte. Diese gehörte zu einer anderen Gemeinschaft. Innerhalb einer solchen wurden die Aufgaben so verteilt, dass es jedem einigermaßen Recht war.

Maret lächelte immer wieder zu Hanah hinüber. Die Sechsunddreißigjährige hatte glattes blondes Haar, das ihr bis zu den Wangen reichte. Hanah wechselte nur selten ein Wort mit ihr. Natürlich kannte sie ihren Namen. Maret Leyla Moastian. Und sie wusste auch, dass sie sich immer wieder zur Wahl des Gemeinschaftssprechers aufstellen ließ, um in den Rat der Ältesten aufgenommen zu werden. Die Ältesten vertraten alle anfallenden Probleme und Fragen der Mitglieder einer Gemeinschaft. Sie waren so etwas wie Bürgermeister in großen Städten und versuchten, bestmögliche Lösungen zu finden. Irgendwann, in ein paar Jahren, würde Maret vielleicht sogar gewählt werden.

Hanah war froh, dass nicht mehr Leute im Gewächshaus arbeiteten. So konnte sie sich auf das Unkraut konzentrieren und ihren Gedanken nachhängen.

Es war nun beinahe neun Monate her, dass ihre Mutter Bileam geheiratet hatte. Langsam kam Hanah mit dieser neuen Situation zurecht. Sie hatte die Schule erfolgreich beendet und fand sich in den Arbeitsalltag der Erwachsenen ein.

Im Dorf wohnten etwa dreihundert Menschen. Jeder von ihnen brauchte etwas zu essen, zu trinken und ein Dach über dem Kopf. Hier, am Rande der russischen Tundra, waren die Ressourcen begrenzt. Die Treibhäuser gaben genau so viel her, dass sie nicht an Mangelerscheinungen zu leiden hatten, aber Bananen oder Mandarinen waren trotzdem kostbar.

Es war auch unmöglich, die Bedürfnisse aller dreihundert Men-schen auf einmal zu regeln, zumal hier andere Bedingungen herrschten als in anderen, wärmeren Gebieten. Die Kälte machte vieles beschwerlicher. Deshalb gab es Gemeinschaften, vier an der Zahl. In jeder Gemeinschaft lebten also um die achtzig Menschen.

Alle Aufgaben, die erledigt werden mussten, wurden im wöchentlichen Rhythmus gewechselt. Darunter fielen Jagen, Angeln, Unterrichten und sich um die Gewächshäuser kümmern. Niemand wurde von diesen Aufgaben ausgenommen, der keinen triftigen Grund hatte. Trotzdem konnten die Aufgaben innerhalb der Gemeinschaften nach Talent, Zeit oder Lust aufgeteilt werden. Deshalb gingen meistens die Männer jagen und die Frauen in die Gewächshäuser.Es gab aber auch Ausnahmen.

Jede technische Neuerung hatten die Wissenschaftler so ausgerichtet, dass sie ihnen das Leben erleichterten. Und jeder konnte selbst entscheiden, welche von ihnen er in Anspruch nahm und welche nicht. Er musste nur dafür arbeiten. Da Hanah es gewohnt war, in eher schlichten Verhältnissen zu leben, staunte sie immer wieder über die Häuser anderer. Dieses System hingegen verstand sie nicht. Wenn sie schon die Möglichkeiten hatten, warum konnte dann nicht jeder gleich ausgestattet sein?

»Auf Dauer funktioniert das nicht«, erklärte Less ihr immer wieder, »das zeigt die Geschichte. Es wird immer Menschen geben, die mehr haben als andere.«

»Aber warum können wir das nicht kontrollieren?«

»Das Problem ist die Leistung, Hanah. Was musst du tun, um ein paar von den Erneuerungen abzubekommen? Um vielleicht ein paar neue Solarzellen abzusahnen oder synthetische Socken?«

»Im Labor mitarbeiten.«

»Und viele von uns haben dafür entweder keine Zeit oder keine Lust.«

»Aber das ist doch nicht gerecht! Jeder sollte die gleichen Möglichkeiten haben.«

Auf diesen Einwand schüttelte Less immer den Kopf. »Hier hat theoretisch jeder die gleichen Möglichkeiten, aber kein System ist perfekt und solange es funktioniert und jeder einigermaßen zufrieden ist, ändert sich nichts.«

»Würdest du etwas daran ändern wollen?«

»Nein.«

Hanah hing ihren Gedanken nach. Heute hatte sie nichts mehr zu tun. Morgen würde hoffentlich jemand mit etwas Erjagtem nach Hause kommen und dann würde sie sich daran beteiligen, das Tier zu verarbeiten. Denn wer sich daran beteiligte, bekam auch etwas davon ab. Zumindest alles, was nicht Fleisch war. Das wurde ge-kühlt, was in dieser Gegend nicht gerade schwer war, und in Rationen eingeteilt. Doch vielleicht konnte Hanah morgen einen Teil des Fells oder der Haut ergattern. Sie brauchte neue Handschuhe und Leder war immer gut.

»Du siehst aus, als ob du ziemlich intensiv nachdenkst«, unterbrach Maret ihre Gedanken. Sie stand dicht neben ihr und rupfte das Unkraut aus der braunen Erde.

»Eigentlich gar nicht«, wich Hanah aus.

»Deine Mutter hat Bileam geheiratet, ist das richtig?«, fragte Maret frei heraus.

»Ja.«

»Ich kenne ihn nur flüchtig, aber ich glaube, dass er ein guter Sprecher für eure Gemeinschaft ist.«

»Ja, er macht seinen Job sehr gut. Du lässt dich auch immer wieder aufstellen.«

Maret lächelte sie freundlich an. »Richtig, aber ich denke, es braucht noch ein paar Jahre. Die Menschen vertrauen einem mehr, wenn man mit Weisheit glänzen kann.«

»Wer sagt, dass du sie nicht hast?«

Die Sechsunddreißigjährige zog ihre Augenbrauen kaum merklich zusammen. »Die anderen Ältesten sind fast alle zwanzig Jahre älter als ich. Das ist schon eine Zeit, in der man viele Erfahrungen sammelt.«

»Was kann man hier denn schon Neues lernen? Es passiert doch nichts Ungewöhnliches, man muss keine neuen Entscheidungen treffen und es bleibt immer alles beim Alten. Oder sehe ich das falsch?«

»Es sind vielleicht keine bahnbrechenden Entscheidungen, es geht meistens um Konfliktlösung, darum, einen vernünftigen Mittelweg für alle zu finden. Das ist nicht immer leicht.«

Hanah überlegte einen Moment, dann nickte sie. »Ich verstehe, dass man so etwas mit den Jahren perfektionieren kann, aber gelernt haben wir das doch alle schon.«

Wieder lächelte Maret sie mit ihren weißen Zähnen an. »Ich wünschte, ich könnte deine Sicherheit dahingehend teilen. Ich muss jetzt los, wahrscheinlich sehen wir uns dann übermorgen bei der Vollversammlung.«

»Es gibt eine Vollversammlung? Davon weiß ich noch gar nichts.«

»Doch, ganz sicher«, bestätigte Maret, »ihr bekommt die Nachricht sicher noch. Bis dann also!«

Sie zog ihre Gartenhandschuhe aus und ging den Mittelgang entlang. Das Gewächshaus war so groß, dass Hanah nicht einmal mehr hörte, wie die Tür zufiel.

Nun war sie alleine. Sie hörte ein paar Bienen summen, die hier angesiedelt wurden, da sie wichtig für die Bestäubung der Blüten waren.

Ein wenig wunderte sich Hanah über Maret. Obwohl sie beinahe doppelt so alt war, fühlte sich Hanah ihr nicht unterlegen, so wie es bei vielen anderen Erwachsenen der Fall war. Maret schien sehr feinfühlig zu sein. Und dennoch war sie nicht naiv. Sie hatte Hanah ernst genommen und trotzdem ihren eigenen Standpunkt vertreten. Diplomatisch. War das nicht genau das, was eine Gemeinschaftssprecherin brauchte?

Hanah zuckte mit den Schultern. Eigentlich war das nicht ihr Problem, sie hatten ja bereits einen Sprecher. Und Bileam machte das gut. Er traf Entscheidungen, die beinahe jeder mittragen konnte. Dass es hier und dort ein paar Ausnahmen gab, konnte niemand verhindern.

Warum hatte er ihr nicht gesagt, dass eine Vollversammlung einberufen worden war? Das kam nicht sehr oft vor. Was es wohl zu besprechen gab? Schon jetzt konnte Hanah ihre Aufregung kaum noch zurückhalten. Vollversammlungen waren etwas Besonderes. Es waren Stunden, in denen ihr immer wieder bewusst wurde, dass hier mehr als nur die Leute aus ihrer Gemeinschaft lebten. Stunden, in denen ihr Horizont erweitert wurde. Manchmal traf sie dort Menschen an, die sie monatelang nicht gesehen hatte. Wie auch? Das Gelände war weitläufig, die Menschen gingen ihren Aufgaben oder Hobbies nach. Es war schwer dabei den Überblick zu behalten.

Hanah rupfte ein letztes Unkraut aus und stopfte es in den Sack neben ihr. »Man sollte doch meinen, dass Unkraut nicht wächst, wenn man kontrolliert pflanzt«, nuschelte sie vor sich hin, während sie den Sack zum Kompost schleifte und ihn schließlich darauf ausleerte. »Aber nein, Unkraut wächst einfach überall.«

Dann streifte sie die Schuhe vor dem Eingang ab, schlüpfte in ihre Stiefel, zog Pullover und Jacke an und machte sich auf den Weg nach Hause.


Sie ging mit Less zur Vollversammlung, obwohl er eigentlich gar nicht zu ihrer Gemeinschaft gehörte. Bei der Vollversammlung waren die Aufteilungen aufgehoben. Und so etwas wie eine Sitzordnung wäre ohnehin nicht möglich gewesen.

Ihre Mutter und Bileam waren schon vor zwanzig Minuten ins Labor gegangen, denn Bileam hatte noch ein paar Dinge zu regeln. Draußen fegte ein kühler Wind über die Ebene, weshalb Hanah sich die Fellkapuze tief ins Gesicht zog und schnell zu MacGrorys Häuschen hinüberlief. Dort wohnte tagsüber nur noch Less. Murray verbrachte die meiste Zeit im Labor. Es war ein schönes, geräumiges Wohnhaus, nicht eine solche Hütte wie die, in der Hanah wohnte. Es gab sogar einen zweiten Stock. Im Wohnzimmer brannte meistens ein warmes Feuer im Kamin und auf den Betten lagen echte Decken mit Daunenfedern darin.

Immer wenn Hanah dieses Haus betrat, wurde ihr bewusst, wie wenig sie selbst besaß. Sie vermisste nichts, nur war sie von weniger Luxus umgeben als Less. Das lag daran, dass MacGrory als Wissenschaftler direkt an der Quelle saß. Und er hatte dieses kleine Dorf mit aufgebaut, zu einer Zeit, in der noch nicht so viele Menschen hier gewohnt hatten.

Less öffnete. Auf seinem Gesicht spielte sich ein strahlendes Lächeln. »Ich liebe Vollversammlungen!«

»Wir sindspät dran, komm schon.« Hanna nahm seine Hand und zog ihn nach draußen. Gemeinsam liefen sie ein paar Hundert Meter weiter in die Mitte des Dorfes auf eine kleine Baumansammlung zu. Ein Baum ragte merkwürdig hoch aus den anderen auf. Es war ein alter Funkmast, der schon seit vielen hundert Jahren dort stand, jedoch nicht mehr verwendet werden konnte.

»Zerr doch nicht so. Wir sind nicht die Letzten.« Ein paar andere Leute hasteten ebenfalls zur Baumgruppe und Less zwang Hanah zu einem langsameren Schritt, bis sie die Bäume erreichten. »Warte kurz«, er begrüßte eine junge Frau, die Hanah nur flüchtig kannte. Misstrauisch beobachtete sie, wie diese herzhaft lachte. Hanah sah, dass Less drauf und dran war, eine längere Geschichte zum Besten zu geben und schritt ein. Sie ging zu ihm, lächelte der Frau kurz zu und sagte zu Less: »Tut mir leid, aber mir ist schrecklich kalt, ich geh schon rein.«

Er nickte. »Ich komm gleich nach.«

Der Mann kennt wirklich jeden, dachte sie und musste zugeben, dass sie dabei einen kleinen Stich in der Magengrube verspürte.

Am Ende der Baumgruppe befand sich eine Schiebetür im Boden. Sie war weiß wie der Schnee und öffnete sich, sobald Hanah ein paar Schritte davor stand. Hanah hörte bereits die Menschen reden, das Labor summte wie ein Bienenschwarm.

Sie ging die Stufen hinunter, etwa vier oder fünf Meter unter die Erde, dann einen Gang entlang. Normalerweise hätte sie hier eine weitere Tür passieren müssen, doch für die Vollversammlungen wurde diese geöffnet. Dann stand sie schließlich in dem riesigen Raum. Die Leute saßen bereits auf Decken auf dem Boden. Noch hatte die Versammlung nicht begonnen, alle redeten durcheinander und Hanah versuchte vergeblich in der Menge ihre Mutter zu entdecken.

Wie immer konnte die junge Frau nicht begreifen, wie all diese Leute hier unter der Erde Platz finden konnten und wie es funktionierte, dass nicht alle nach einer halben Stunde erstickten.

Sie wusste, dass für Vollversammlungen ein immenser Aufwand betrieben wurde. Zum einen, da dieser große Laborraum eigentlich voller Gerätschaften, Schreibtische, Regale und so weiter stand, die jedes Mal weggeschafft werden mussten. Zum anderen, da die zusätzliche Belüftung viel mehr Strom benötigte. Das hieß, die Wissenschaftler mussten in den nächsten Tagen Abstriche bei der Stromversorgung machen.

Immer wieder wurde vorgeschlagen, ein Versammlungshaus im freien zu bauen. Aber wenn es darum ging die Arbeit zu tun, ver-stummten diese Stimmen plötzlich.

Sie hörte Less' fröhliche Stimme hinter sich und spürte kurz darauf, wie er ihr seinen Arm um die Schultern legte.

»Komm, setzen wir uns. Wir sind wirklich spät dran«, neckte er sie und zog sie zu sich hinunter auf einen der letzten freien Plätze. Nicht eine Minute später bat Bileam um Ruhe.

Die Leute wurden langsam ruhiger und schließlich herrschte eine gebannte Stille. Bileam stand auf einem kleinen Podest am Ende des Raumes.

»Guten Morgen. Ich begrüße alle, die sich heute hier versammelt haben und ich bitte euch, die Information an diejenigen weiterzugeben, die nicht da sein können.«

Hanah sah sich um. Sie achtete nicht unbedingt darauf, wer anwesend war und wer nicht, aber einer fehlte immer und das wusste auch jeder: Ciernick Simonedes. Wahrscheinlich lag er gerade im Vollsuff in seiner Wohnung.

»Wie ihr alle wisst«, fuhr Bileam fort, »beziehen wir unsere Informationen und unser Wissen aus Daten, die wir auf den Servern hier unten gespeichert haben.«

Die Leute nickten andächtig.

»Das bezieht sich auf alle ‚alten‘ Daten. Neuigkeiten erfahren wir meistens nur durch Less. Danke übrigens dafür, Less.« Bileam deutete auf den jungen Mann an Hanahs Seite. Less grinste über beide Ohren, stand kurz auf und verbeugte sich, während die Leute ihm applaudierten.

»Angeber«, zischte Hanah ihm lächelnd zu, als er sich wieder setzte. Less grinste und Bileam sprach weiter.

»Nun ist es aber so, dass wir ab und zu ein paar neue Daten, also Informationen brauchen. Leider haben wir keine Möglichkeit, uns ans internationale Netzwerk anzuschließen und sie zu beschaffen. Ein paar von euch kennen dieses Prozedere schon. Es ist notwendig, dass sich eine Gruppe in die nächste Siedlung begibt und von dort auf das Netzwerk zugreift.«

Ein dumpfes Raunen ging durch die Menge. Hanah beobachtete Less von der Seite, er zog seine Brauen zusammen. »Das gab es das letzte Mal vor dreizehn Jahren«, flüsterte er ihr zu.

»Bevor mein Vater - «

»Ja. Ein Jahr davor.«

Nun runzelte auch Hanah die Stirn. Gab es da einen Zusammen-hang?

»Wir brauchen also ein paar Freiwillige, die sich einer kurzen Schulung unterziehen, um die Informationen beschaffen zu können, die wir brauchen.«

»Muss das heimlich geschehen?«, rief ein Mann laut und ein paar andere murrten zustimmend.

Bileam schüttelte heftig den Kopf. »Nein, wo denkt ihr hin? Natürlich bezahlen wir die anderen dafür, dass wir das Netzwerk benutzen.«

»Und wie viele Leute werden dorthin geschickt?«, rief Less.

»Sieben, maximal zehn. Aber genug, um sich gegenseitig schützen zu können.«

»Wie lange werden sie brauchen?«

»Ich schätze zehn Tage. Wenn alles gut läuft. Wenn nicht, dann vielleicht vierzehn.«

Hanah kaute auf ihrer Unterlippe, während die Sachlage weiter erklärt wurde. Sie verstand noch nicht ganz, wozu sie jetzt plötzlich diese Daten brauchten. Es erschien ihr auch sehr gefährlich, mit zehn Männern los zu ziehen und das nächste Dorf zu suchen. Wie hoch war wohl die Wahrscheinlichkeit, dass ein paar von ihnen nicht mehr zurückkehrten? Nicht sehr hoch, wenn sie zu zehnt losgeschickt wurden. Aber wie würden die anderen Dörfer auf sie reagieren, wo sie doch elf Jahre lang nicht in Erscheinung getreten waren? Und warum bot sich Bileam nicht als Leiter der Gruppe an, wo er doch so gut Bescheid zu wissen schien?

Sie hörte nur mit halbem Ohr zu und als Less neben ihr eine weitere Frage stellte, zuckte sie beinahe zusammen.

»Was ist denn das Mindestalter für so eine Mission?«

»Dreiundzwanzig. Du darfst dich also dafür melden, wenn du das willst.«

Less Augen blitzten.

»Was grinst du denn so?«, fragte Hanah ihn misstrauisch. »Du hast doch nicht wirklich vor, dort mitzugehen?«

Less Augen blitzten. »Doch, natürlich. Denkst du, ich lasse mir so eine Chance entgehen?«


Less wusste, dass diese Mission eine Chance für ihn bedeutete. Einmal wenigstens wollte er diese Gemeinschaft verlassen und erleben wie es sich anfühlte, längere Zeit außerhalb ihrer engen Grenzen zu verbringen. Selbst wenn es nur für wenige Tage war. Das so etwas in den nächsten Jahren noch einmal geschah, war mehr als unwahrscheinlich; also ergriff er die Gelegenheit beim Schopf.

Nicht jeder dachte wie er. Die meisten Leute zogen das behütete, geregelte Leben hier vor. Deshalb fanden sich auch nur wenige, kaum mehr als dreißig, die sich für eine solche Unternehmung bereit erklärten.

Etwa achtzehn fielen aus, da sie Familie mit kleinen Kindern hatten. Einen weiteren Jeshua-Fall wollte niemand riskieren. Alle Übrigen wurden per Los gezogen. Less hatte Glück. Es wurde ein Zettel mit seinem Namen gezogen. Insgesamt zog Bileam vier Namen aus dem Topf. Alle, die sich gemeldet hatten, protestierten, denn Bileam hatte von sieben oder zehn Leuten gesprochen. Doch anscheinend waren sich die Ältesten einig, dass damit zu viel Aufsehen erregt wurde. Man blieb also bei vier. Bileam teilte ihnen später noch mit, dass Ciernick Simonedes sie begleiten würde. Angeblich verfügte dieser über die meiste Erfahrung. Less konnte das nicht nachvollziehen und es dämpfte seine Vorfreude ein wenig. Cierick wollte er ungern auf einer Expedition dabei haben

Sie alle wurden zunächst von ihren täglichen Pflichten befreit, um sich auf die kommenden Tage vorzubereiten. Man ging mit ihnen die Grundlagen für das Überleben unter freiem Himmel durch, die sie eigentlich schon alle beherrschten. Dann gingen sie zu Verhandlungstechniken über und übten sich in Überredungskunst. Denn selbst Bileam wusste nicht, was sie erwartete. Das hielt Less jedoch nicht davon ab, sich überschwänglich zu freuen.

Hanah verbarg ihre Sorge über Less‘ Begeisterung kaum. Immer wieder warnte sie ihn vor seiner Leichtsinnigkeit. Erst nach ein paar Tagen begriff er, dass sie Angst hatte, ihn zu verlieren. Seit dem Tod ihres Vaters war er ihr Ansprechpartner gewesen, der männliche Part in ihrem Leben. Obwohl er schon seit ein paar Jahren mehr für sie sein wollte.

Ihre Sorge rührte ihn, machte ihm aber auch bewusst, dass er sich im Zweifelsfall gegen sie und für das Abenteuer entscheiden würde. Das wiederum machte ihn traurig. Deswegen mied er das Thema, wenn er mit Hanah unterwegs war.

Sie planten die Reise strategisch genau, so dass sie in den zehn oder vierzehn Tagen möglichst mildes Wetter haben würden. Natürlich konnte hier draußen alles passieren, bis hin zu den schlimmsten Wintereinbrüchen, aber Less hoffte das Beste.


Am Morgen, kurz bevor sie sich auf den Weg machen wollten, saß er mit Hanahvor dem Kamin. Der gepackte Rucksack stand neben der Tür. Im oberen Stockwerk schlief Murray, das brennende Holz knisterte vor sich hin und die Wärme des Feuers glitt sanft über ihre Gesichter.

Hanah saß mit angezogenen Beinen auf einem Sessel und ihr blick ruhte in den tanzenden Flammen.

Genau so wollte er seinen Lebensabend verbringen. Mit ihr an seiner Seite. Einige Jahre würde es noch dauern, bis er sie heiraten konnte, schließlich war sie erst sechzehn. Aber Less würde warten. Hanah war seine engste Freundin, sie war das Warten wert.

»Wie lange werdet ihr wirklich brauchen?«, fragte sie, ohne ihr Gesicht vom Feuer abzuwenden.

»Ich weiß es nicht genau, aber sicher mehr als fünf Tage. Wir wissen ja noch nicht einmal, ob die auf unseren Karten eingezeichneten Siedlungen noch existieren.«

»Denkst du, sie werden euch feindlich gesinnt sein?«

Less schüttelte den Kopf. »Wir wollen ihnen nichts Böses, wir haben sogar ein paar Technologien, die wir ihnen anbieten können.«

»Und wenn sie Geld wollen?«

»Damit können wir leider nicht dienen. Es muss mit einem Tauschhandel funktionieren.«

»Und wenn ihr einfach welches druckt?«

»Das würden wir vielleicht, wenn wir ein Muster hätten. Aber mittlerweile hat sich die Währung sicher geändert, durch Inflation, Deflation oder sonst was. Dreizehn Jahre ist eine lange Zeit.«

»Ja, ich weiß«, Hanah blickte noch immer nachdenklich ins Feuer.

Less sah auf die Uhr, ihnen blieb noch eine halbe Stunde. »Mich beunruhigt es nur, dass Ciernick mit uns geht.«

»Warum das?« Ihre braunen Rehaugen blickten ihn erstaunt an.

»Ich halte ihn nicht für besonders vertrauenserweckend. Erinnere dich doch daran, was damals passiert ist, als dein Vater… Ciernick sagte, er hätte nach dem Sturm keine Spur mehr von ihm gefunden.«

»Glaubst du ihm etwa nicht?«

Less zuckte mit den Schultern. »Vielleicht hat er gar nicht richtig gesucht… «

Nun funkelten Hanahs Augen, sie wurde wütend. »Ciernick ist ein guter Mensch, Less. Jetzt ist für dich die perfekte Zeit gekommen, um ihm Vertrauen zu schenken. Denkst du etwa, er hätte meinen Vater einfach irgendwo liegen lassen? Sie waren Freunde!«

Abwehrend hob Less die Hände. »Manchmal kann ich leider nicht so viel Vertrauen zu den Menschen haben wie du. Aber es tut mir Leid. Ich werde versuchen, ihn zu respektieren.«

Hanah schüttelte den Kopf. »Die Leute hier haben dir und mir immer nur Gutes gewünscht. Sie waren entgegenkommend und freundlich. Ich kann wirklich nicht verstehen, wie du auf den Gedanken kommst, Ciernick würde uns alle anlügen. Besonders bei so einer Sache.«

»Es tut mir Leid. Du hast Recht«, Less senkte den Kopf. »Wahr-scheinlich ist das nur so ein Gefühl, weil ich aufgeregt bin. Heute will ich mich nicht mit dir streiten. Ich werde Murray wecken und mich verabschieden.« Sie nickte ihm kurz zu und lächelte. So war Hanah. Sie konnte nicht länger als drei Sekunden böse sein.

Mit schnellen Schritten lief er die Treppe hinauf und klopfte an die Schlafzimmertür seines Ziehvaters. Murray bat ihn herein. Er saß bereits angezogen in dicker Cordhose, kariertem Hemd und braunem Jackett in seinem grünen Ohrensessel, im Mund eine große Pfeife. Fehlt nur noch der Whiskey, dachte Less.

»Wir brechen gleich auf«, erklärte Less sein stürmisches Eintreten und setzte sich ihm gegenüber auf die Bettkannte. »Seit wann bist du auf?«

»Schon bisschen länger«, entgegnete Murray mit seinem starken schottischen Akzent, »wollt‘ dich und das Mädl nicht störn‘.«

»Sie macht sich Sorgen um mich.«

»Hmhm. Im Gegensatz zu dir scheint sie die Tück‘n der Natur nich‘ zu unterschätzen.«

»Ich unterschätze sie nicht, ich kann meine Stärken nur ebenfalls gut einschätzen.«

MacGrory zog seine buschige Augenbraue nach oben.

»Denkst du denn auch, dass ich nicht gehen sollte?«, fragte Less, als Murray keine Anstalten machte, etwas zu sagen. Doch der zuckte nur mit den Schultern und schwenkte seine Pfeife.

»Jeder Mensch muss seine Erfahrungen machen. Ich hab‘ kein Recht darüber zu urteil‘n, wie genau das vonstatten geht.«

»Das sagst du als Wissenschaftler.«

»Das sag‘ ich als ich«, brummte Murray und zog an seiner Pfeife. »Frag‘ die mal, ob die Whiskey haben, und bring‘ welchen mit, wenn’s geht. Seit Jahrzehnten gibt’s nur dieses synthetische Ge-söff.«

Less grinste. »Immerhin stellst du es selbst her.«

»Is aber nich‘ das Gleiche.«

»Na gut, mal sehen, was sich machen lässt.« Less stand auf und ging zur Tür.

»Ich bin dann weg. Bis in zwei Wochen oder so.«

»Hmhm. Wenn ein Wildschwein kommt, kletter schnell auf einen Baum.«

Less lachte, als er die Treppe wieder hinunterging. Er mochte den alten Wissenschaftler und er war ihm sehr dankbar. Im Laufe der Jahre hatte er ihn ins Herz geschlossen.

Hanah war mittlerweile von ihrem Platz am Kamin aufgestanden und in die Küche gegangen. In langsamen Schlucken trank sie Tee aus einer dampfenden Tasse. Sie lächelte ihn an, als er sich ihr gegenüber an die Küchenzeile stellte.

»Jetzt geht es gleich los«, sagte sie nur.

»Du siehst müde aus.«

»Ich bin auch schon ewig wach. Vielleicht bin ich aufgeregter als du. Und dabei habe ich heut‘ einen vollgepackten Tag.«

»Gewächshaus?«

»Nein, ich brauche immer noch neue Handschuhe, deshalb helfe ich dabei, das Wild auszunehmen. Und dann habe ich mich im Labor angemeldet, ich will einen Wasserkocher in der Küche haben.« Sie grinste und tätschelte den Wasserkocher, der neben ihr stand.

»Für so einen brauchst du ein paar Tage.«

»Ich weiß. Warte nur ab, wenn du zurückkommst, ist unsere Hütte grunderneuert!«

»Und das alles machst du, weil die Arbeit dich ablenkt«, erkannte Less und wurde ernst.

Hanah zuckte mit den Schultern. »Das ist eine Tatsache. Arbeit lenkt ab.«

»Du brauchst dir nicht so viele Sorgen zu machen, es wird alles gut gehen.«

»Das hat mein Vater auch gesagt.«

»Sie waren damals aber auch nur zu dritt.«

Hanah seufzte. »Macht das einen Unterschied? Aber vielleicht hast du Recht. Ich sollte mir keine Sorgen machen.« Sie trank ihren letzten Schluck Tee aus. »Es ist soweit.«

Sie ging ihm voraus zur Tür und schob ihm mit dem Fuß die Stiefel entgegen. Während er sie überzog und den Mantel zuknöpfte, stand sie ungeduldig neben ihm. Als er endlich fertig war, hielt sie sich nicht länger zurück und umarmte ihn fest. »Weißt du, was mein Vater oft gesagt hat, wenn er früh aus dem Haus ging und vielleicht erst spät zurückkam?«

»Nein. Was?«

»Er sagte: ‚Wie oft war ich schon da draußen. Ich bin immer heil zurückgekommen. Und wenn es doch nicht so sein sollte, dann erinnere dich an meine Silhouette am Horizont. Wenn ich dort in deiner Erinnerung verblasse, darfst du mich begraben.‘«

»Das ist traurig«, entgegnete Less.

»Ja, ist es«, stimmte Hanah ihm zu. »Aber es hilft, wenn derjenige tatsächlich nie mehr zurückkehrt.«

»Dann sage ich es nicht, weil ich weiß, dass ich zurückkomme.«

Sie lächelte ihn an, doch in ihren Augen spiegelten sich bereits die Tränen. »Das kannst du nicht wissen.«

»Doch, ich weiß es. Bis in zwei Wochen, Hanah.« Er umarmte sie noch einmal, dann öffnete er die Tür. Draußen hörte er bereits die anderen. Alle Schlittenhunde waren angespannt und bellten aufgeregt.Kurz darauf standen sie auf ihren Schlitten, Rucksäcke und Gepäck festgebunden, und fuhren davon. Hanah winkte ihm hinterher, bis er sie nicht mehr ausmachen konnte.

In Gedanken stellte er sich vor, wie er in ihren Augen langsam am Horizont verblasste und schließlich verschwand.


Nun waren sie zu fünft unterwegs nach Osten. Zwei Frauen und drei Männer, darunter Less und Ciernick. Der dritte war Malik. Less kannte den Achtundreißigjährigen kaum, er wusste nur, dass er gut aussah und exzellent mit Worten umgehen konnte. Auch schien er sich oft keine Gedanken über die Konsequenzen seines Handelns machen zu wollen, das machte ihn Less sympathisch. Malik war sehr energisch in den Dingen, die er tat und deshalb hatten sie ihn als Überredungsbeauftragten eingesetzt. Er konnte die Menschen mit hunderten von Argumenten überzeugen, die alle relativ realistisch klangen. Less kam zu dem Urteil, dass von Malik keine Gefahr ausging, außer von ihm totgeredet zu werden.

Ciernick stellte dagegen ein anderes Problem dar. Less versuchte auf Hanahs Worte zu hören, aber noch gelang es ihm nicht. Er würde sich von dem Ältesten in der Gruppe fernhalten. Ciernick war beinahe fünfzig.

Über die beiden Frauen machte sich Less mehr Gedanken. Maret kannte er relativ gut. Etwa zehn Jahre trennten sie, doch sie sah noch immer aus wie fünfundzwanzig. Ihre rationale und nachdenkliche Art imponierte Less. Sie war hübsch, freundlich und lachte viel. Außerdem stand sie im heftigen Gegensatz zu Maliks energischer Art. Wahrscheinlich würden die zwei noch aneinander rasseln, aber es war sicher gut, beide Charaktere dabei zu haben, um einen gesunden Ausgleich zu erzielen.

Vor Amal Panossian hatte Less ein wenig Angst. Äußerlich hätte sie Marets Schwester sein können, sie hatte ebenso blonde Haare, klare Gesichtszüge und blaue Augen. Aber sie war härter und sturer. Murray hatte sie als überdurchschnittlich kämpferisch beschrieben. Deshalb bestand auch kein Zweifel an ihren Führungsqualitäten. Less war nicht gewohnt, auf die Anweisungen einer Frau zu hören, vielleicht fühlte er sich deshalb nicht wohl in ihrer Gegenwart. Möglicherweise lag es auch an ihren kühlen Augen und ihrer abschätzenden, beinahe herablassenden Art.

Sie fuhr mit ihrem Schlitten an der Spitze, gefolgt von Malik und Maret. Less fuhr hinter ihnen und erst in weitem Abstand danach kam Ciernick. Er würde wohl immer ein Außenseiter bleiben. Less fragte sich, warum Bileam ihn mit auf die Reise geschickt hatte.

Zunächst blieben sie auf weiter Ebene, leicht glitten sie über den Schnee hinweg. Die Sonne wanderte nur langsam am Horizont herauf, ließ vereiste Tannen glitzern und funkeln. Nach einer Stunde lenkte Amal ein wenig nach Süden und kurze Zeit später erreichten sie einen dichten Wald. Sie stiegen von ihren Schlitten und schnallten die Hunde ab.

»Wir schieben bis zur Grenze durch den Wald, hier können wir ohnehin nicht fahren«, sagte Amal.

Da jeder Schlitten aus leichtem Aluminium gefertigt war, fiel es ihnen nicht schwer, sie vor sich her zu schieben oder zu ziehen. Doch es war mühsam, einen Weg durch die engen Bäume des Waldes zu finden. Die Huskeys trotteten langsam hinter ihnen her oder schnüffelten ein wenig herum. Less war froh, sie dabei zu haben. Die zehn Hunde bereicherten die Gemeinschaft und witterten Gefahr schneller als Menschen.

Schweigend liefen sie durch den Wald, der irgendwann so dicht war, dass kaum noch Schnee auf dem Boden lag. Less kannte diese Gegend nicht, er hatte sogar das Gefühl, die Grenze längst passiert zu haben.

Doch dann tauchte vor ihnen ein blau schimmernder Streifen auf. Amal blieb davor stehen.

»Was ist los?«, fragte Malik ungeduldig, als Amal sich nicht bewegte.

Sie sah ihn scharf an. »Von hier aus brauchen wir noch etwa drei oder vier Tage bis zur nächsten Siedlung. Und das ohne ein Dach über dem Kopf.«

»Hast du Zweifel an der Sache?« Ciernicks raue Stimme durch-brach die Stille. Amals Augen funkelten.

»Als ob. Ich wollte nur einen Moment innehalten. Gehen wir.«

Energisch schob sie ihren Schlitten über den Streifen und sie gingen weiter durch den Wald. Eine halbe Stunde lang sahen sie wieder nichts als Baumstämme. Dann lichtete sich der Wald und vor ihnen eröffnete sich eine weiße Ebene. Amal schlug die Karte auf.

»Wir befinden uns jetzt ein paar Kilometer südöstlich von unserer Siedlung. Wir fahren also hier drüber und müssten auf der anderen Seite ein schmales, aber langes Stück Wald anfinden. Bis wir ihn durchquert haben, dürfte die Sonne bereits untergegangen sein.«

»Vergiss nicht, dass die Hunde noch Licht zum Jagen brauchen«, warf Less ein, dem Amals Gehabe noch immer nicht gefiel.

»Jaja, alles mitberechnet.« Sie pfiff nach ihren Huskeys und schnallte sie an ihren Schlitten. Die anderen taten es ihr gleich und wenig später sausten sie über frischen Pulverschnee. Wahrscheinlich hatte es hier gestern noch geschneit, aber Less vermutete, dass der Schnee sich nicht lange halten würde. Die Temperaturen wurden ein wenig milder. Auf der einen Seite war das gut für sie, denn draußen in Zelten zu schlafen konnte bei Minusgraden sehr unangenehm werden. Andererseits bedeutete das auch matschigen oder schmelzenden Schnee, was das Vorankommen erschwerte.

Dieser Pulverschnee war also mehr als eine glückliche Fügung. Je schneller sie das überschaubare Land verließen, desto besser.

Trotzdem benötigten sie eine Stunde und Less konnte sich nicht davon abhalten, ein paar Mal in den Himmel zu blicken. Einmal war ihm, als blitzte etwas im weiten Blau, aber ob das nun ein Satellit oder ein Jet gewesen war, konnte er nicht sagen.

Endlich erreichten sie den Wald. Er war nicht allzu dicht, deshalb konnten sie eine weite Strecke mit den Schlitten zurücklegen. Als die Hunde eine Pause brauchten, aßen sie selbst ein paar Vorräte. Dann ging es weiter Richtung Osten.

Amal behielt Recht. Noch im Wald wurde es merklich dunkler, sie schickten die Huskeys los, damit sie sich ein paar Schneehasen zu Gemüte führen konnten; Ciernick schürte ein kleines Feuer und der Rest baute die Zelte auf.

An diesem Abend sprachen sie sehr wenig miteinander. Jeder war mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt. Und am nächsten Tag erwartete sie eine noch längere Reise.

Lichter im Norden

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