Читать книгу Lichter im Norden - Nena Schneider - Страница 7
Jahr 2190: Schweden Jahr 2190 Niklas: Schweden, Nahe Strömsund
ОглавлениеNiklas Lundgren saß friedlich in seinem kleinen Bötchen, das auf einem kleinen See nahe Strömsund in Schweden dahintrieb, als es geschah. Die herrlich warme Augustsonne schien ihm auf die blonden Haare und die Angel im Wasser wippte sanft mit der Bewegung des Bootes auf und ab.
Rings herum zwitscherten die Vögel, ein paar Grillen zirpten und neben Niklas stand ein winziges Radio, das im Hintergrund ein wenig Musik spielte. Er hörte es kaum mehr.
Alles war friedlich. Sein typisch schwedisches rotes Häuschen stand völlig ruhig und gemütlich auf der anderen Seite des Sees. Der Geruch von geräuchertem Lachs drang bereits zu ihm hinüber und er freute sich ungemein auf das leckere Essen, das seine Frau gerade zubereitete.
Er schaukelte in seinem Boot herum während das Radio lief. Sie spielten irgendetwas Ruhiges, Blues oder so etwas. Niklas kannte sich in Musikrichtungen nicht aus. Als Wissenschaftler hatte er ganz andere Interessen. Chemische Prozesse, Explosionen, Verätzung und all das war sein Territorium.
Die Vögelchen zwitscherten fröhlich, als Niklas friedliche Welt einen herben Schlag abbekam.
»Wir unterbrechen für eine Eilmeldung«, drang es aus dem Radio und Niklas wurde stutzig. Wann wurde das laufende Programm denn je für eine ‚Eilmeldung‘ unterbrochen? Höchstens wegen eines Blitzers oder einer Geisterfahrermeldung, aber aufgrund einer ‚Eilmeldung‘ ? Diesen Begriff benutzte man doch sicher seit zweihundert Jahren nicht mehr. Es schien ja beinahe so, als würde der Mann im Radio mit einem ‚Extrablatt!‘ wedeln. Eilmeldung…dachte Niklas und hätte beinahe nicht weiter hingehört.
»Wir haben soeben aus sicherer Quelle erfahren, dass die Intergovernmental Oceanographic Commission auch I.O.C. genannt, mit hundertprozentiger Sicherheit sagen kann…«, der Moderator machte eine kleine Pause und Niklas stellte verwundert fest, dass er Angst in seiner Stimme hatte hören können.
»Dass«, fuhr der Moderator fort, »der Golfstrom vor einigen Stunden zum Erliegen gekommen ist.«
Die Vögel verstummten, die Angel bewegte sich nicht mehr, die Wolken am Himmel blieben stehen, die Grillen vergaßen zu zirpen. Alles stand für ein paar Sekunden lang still.
Niklas starrte das Radio an, während der Moderator und offensichtlich auch alles andere auf der ganzen Welt schwieg.
»Die UN bittet alle Mitgliedsstaaten, Ruhe zu bewahren, weitere Informationen und Anweisungen folgen in Kürze.«
Ein melancholischer Song folgte den Worten des Moderators.
Niklas war noch immer fassungslos. Offensichtlich hatten sich die Forscher geirrt. Seit Jahrzehnten predigten sie ununterbrochen, dass die Gefahr des Erliegens des Golfstroms nicht bestände, ja dass er sogar an Aktivität zunehmen würde. Niklas überlegte. Was bedeutete das nun für sie alle? Der Golfstrom brachte die warmen Meeresströmungen des Atlantiks von Westafrika über den Golf von Mexico nach Norden, bis zum europäischen Nordmeer. Deswegen war es auch bisher in Irland so mild. War, dachte Niklas.
Wie lange brauchte eine Eiszeit, bis sie entstand? Er war Chemi-ker, kein Klimatologe. Hatten Chemiker damit überhaupt etwas zu tun? Was bedeutete das nun alles?
Niklas war sichtlich verwirrt und er schaltete das melancholische Gedudel des Radios ab. Plötzlich erschienen ihm der See, das Boot, sein Haus und die fröhlichen Vögel nicht mehr so friedlich. In ein paar Jahren, dachte er mit einem Anflug von Panik, wird hier vielleicht nur noch Eis sein.
Er wollte sich gerade noch mehr finstere Gedanken machen, als seine Frau auf der Veranda erschien. Sie hatte das Telefon in der einen Hand und wischte sich mit einer kurzen Bewegung die Finger der anderen Hand an der Schürze ab.
»Liebling, da ist dein Chef in der Leitung!«, rief sie über den See zu ihm hinüber und Niklas seufzte. Kaum war die Nachricht fünf Minuten alt, schon hatte er wieder Arbeit am Hals. Und es hätte so ein schöner Nachmittag werden können.
Mit griesgrämiger Miene begann er, das Boot zum Ufer zu rudern.
»Schatz, pack deine Sachen«, grummelte Niklas, als er den Hörer endlich wieder auflegte. »Der Urlaub ist beendet, wir fahren zurück nach Umea.«
Emelie sah ihn betrübt an. »Aber wir sind doch erst drei Tage hier!«
Er sah sie ebenso mitleidig an. »Ich weiß. Aber es scheint, als ob der Golfstrom seine ersten Opfer fordert.«
Sie packten ihre Sommersachen zurück in die Koffer, luden sie in den Kofferraum und eine Stunde später verließen sie das friedliche Haus an dem blauen See und den zwitschernden Vögeln.
Wenn der Verkehr mäßig war, würden sie in dreieinhalb Stunden in Umea ankommen und dann sollte Niklas sofort in der Universität erscheinen.
Auf der Fahrt versuchte er sich zu beruhigen. Während sie mit dem Landrover durch die herrliche schwedische Landschaft fuhren, konzentrierte sich Niklas auf die Tatsache, dass er ein positiv denkender Mensch war und auch immer bleiben würde. Nur dass er jetzt, wo er eigentlich gerade Urlaub hatte und ausnahmsweise keine Vorlesungen halten oder im Labor sitzen musste, doch in die Universität zurückfuhr, grämte ihn ein wenig. Sein Chef hatte ihn beinahe angefahren, er solle auf der Stelle dort antanzen und am besten gleich noch Schlafzeug und Proviant für die nächsten Wochen mitnehmen. Niklas hatte ihm gedanklich den Vogel gezeigt.
»Ich verstehe gar nicht, warum er so ein Aufhebens darum macht«, sagte Emelie nach einer Weile und implizierte damit die Frage, warum zur Hölle sie ihren Urlaub aus so nichtigen Gründen abbrechen mussten.
Niklas wusste, dass sie das Ausmaß der Katastrophe noch nicht erfasst hatte oder vielleicht gar nicht erfassen wollte. Ihm erging es ähnlich. Er war nicht dumm, er wusste, was auf die Welt zukommen würde und welche entsetzlichen Folgen das Versiegen des Golfstroms mit sich brachte. Aber war es nicht einfacher, sich weniger Gedanken über die Zukunft als über die Gegenwart zu machen? Bisher war ihm das nur zugutegekommen und er gedachte diese Angewohnheit weiter zu führen.
Niklas würde sich selbst als überaus optimistischen Menschen bezeichnen und Emelie war die Sorglosigkeit in Person. Vielleicht grenzte das schon an extremen Egoismus, denn sie beide wollten nicht, dass es ihnen wegen äußerer Einwirkungen innerlich schlecht ging. Deswegen wählten sie die unbeschwerte Variante.
Viele von Niklas Kollegen und Freunden verstanden seine Einstellung nicht, alles mit ein wenig Humor zu sehen. Sie sahen überall Probleme und zerbrachen sich den Kopf, wie man sie lösen konnte.
Dabei zeigte die Evolution doch ganz deutlich, dass alles irgend-wann an seinen Platz rückte, zur richtigen Zeit. Mochte es nun Schicksal sein oder eine höhere Macht, die Dinge renkten sich ein.
Niklas vertrat die Meinung, dass der Mensch ebenso ein Teil der Evolution war, wie alles andere auch. Ihn interessierte weniger die Entstehungsgeschichte, schließlich war er kein Biologe, aber er fand sich damit ab, dass sie nicht vom evolutionären Geschehen ausgeschlossen waren. Und wenn nun eine Eiszeit kam, dann war das nun mal so. Und wenn durch diese Eiszeit viele Menschen starben, sich die Bevölkerungen veränderten, dann war das nicht zu ändern. Und wenn er selbst erfrieren würde und dadurch die Evolution nicht vorantreiben konnte, weil er noch keine Kinder hatte, dann konnte er daran nichts tun. Warum also hysterisch werden? Alles war ganz evolutionär natürlich, alles folgte Gesetzmäßigkeiten, so wie schon immer.
»Ich weiß auch nicht«, entgegnete er schließlich. »Morgen wird noch nichts zugefroren sein. Wir holen den Urlaub nach, verspro-chen«
Sie lächelte. »Schon gut. Ich kann mich damit abfinden, aber dann rette du auch die Welt, in Ordnung?«
Emelie drückte auf ein Knöpfchen, bis ihre Lehne waagrecht stand, dann stopfte sie sich ein Kissen unter den Kopf und schlief den Rest der Fahrt. Niklas genoss die Sonnenstrahlen auf seiner Haut, sah sich die wunderschöne Landschaft an; die Seen, an denen er vorbei fuhr, kleine Dörfer mit roten Häuschen. So war es immer und so würde es auch immer bleiben.
Naja, vielleicht bis die nächste Eiszeit kam. Er seufzte wieder und versuchte nicht darüber nachzudenken, was für eine Massenpanik wohl gerade herrschte.
Sie kamen um halb sieben abends an. Vom Abend bemerkte man nicht viel, denn es war Sommer und die Tage ewig lang.
Niklas setzte Emelie in ihrem Haus in einem Vorort von Umea ab und fuhr sofort weiter zur Universität. Umea hatte etwas über hunderttausend Einwohner, aber in den letzten Jahren waren es kaum mehr geworden. Aus irgendeinem Grund vermehrten sich die Leute hier weniger. Von diesen hunderttausend Einwohnern waren etwa vierzigtausend Studenten.
Schon als er sein Auto auf einem der Parkplätze abstellte, fiel ihm auf, wie voll es hier war. Normalerweise nutzten viele Mitarbeiter und Professoren die Sommermonate für eine kleine Pause. Konnte es sein, dass sie alle hierher zurückberufen worden waren?
Niklas überquerte die Straße und ging über den Campus, um zur Technisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät zu gelangen. Der Campus summte vor Betriebsamkeit. Im Moment befand man sich doch in der vorlesungsfreien Zeit, das Semester würde erst in drei Wochen wieder beginnen. Was um Himmels willen taten die ganzen Menschen hier?
Niklas lief einem Kollegen über den Weg, grüßte ihn flüchtig, er sah auch einige seiner Studenten, die zielstrebig irgendwohin rannten. Langsam wurde Niklas nervös. Irgendwie hatte er geahnt, dass sie ihn anstecken würden.
Er erreichte die Fakultät und betrat sie über die Haupttreppe. Was sich einige Sekunden später als ein großer Fehler erwies. Denn jeder Flur, das Treppenhaus, alles summte und brummte. Menschen gingen ein und aus, Grüppchen unterhielten sich aufgeregt miteinander, ein jeder schien von einer elektrisierenden Aufregung ergriffen worden zu sein.
Niklas schlängelte sich mühsam die Treppe hinauf und den nächsten Gang entlang, bis er endlich vor dem Büro mit seinem Namensschildchen stand. Prof. Dr. Niklas Lundgren. Unsicher trat er ein, als erwartete er etwas Furchtbares, Erschreckendes. Aber nichts kam. Nicht einmal seine Assistentin saß im Vorzimmer, hier war alles ruhig.
Niklas atmete einmal tief durch und sehnte sich für einen Moment nach der guten alten Zeit zurück, in denen die Naturwissenschaftliche Fakultät in Ruhe und Frieden und von jedermann gemieden dagelegen hatte. Dann ging er durch die nächste Tür. An seinem Schreibtisch hatte sich nichts verändert, das war ein gutes Zeichen. Gerade als er seinen Rechner hochfahren wollte, stürmte seine Assistentin herein.
»Aaach, Dr. Lundgren, Sie sind endlich da!«
»Guten Morgen, Nina, was gibt’s denn so Dringendes? Warum sind die da draußen so aufgewühlt?«
Die Vierzigjährige sah ihn mit ungläubigen Augen an.
»Ja, haben Sie es denn noch nicht gehört? Der Golfstrom hat aufgehört zu fließen!«
»Er ist zum Erliegen gekommen«, verbessert er ihre Wortwahl, aus reiner Gewohnheit eines Dozenten.
»Ja! Das ist doch ganz furchtbar!«
»Nina, was ist da draußen denn los?«
»Es gibt da ein neues Programm Dr. Lundgren, zur Rettung unseres Planeten oder so. Aber die Planung hinkt noch, so wie ich sehe. Das wird der Chef ihnen erklären, er hat schon ganz ungeduldig nach Ihnen gefragt.«
»Welcher Chef denn?«
»Der Chef-Chef.«
Niklas runzelte die Stirn. Er selbst war im Mitarbeiterstab des Fakultätsleiters, aber sie alle waren am Ende dem Chef-Chef unterstellt, dem Dekan.
Also ließ Niklas seine Assistentin stehen, lief erneut quer über den ganzen Campus zum Verwaltungsgebäude und gelangte schließlich durch die nicht enden wollenden Menschenmassen zu Herrn Rüdengard.
»Guten Morgen, Dr. Lundgren«, begrüßte ihn dessen Sekretärin, »Herr Rüdengard erwartete Sie bereits.«
»Danke«, entgegnete Niklas und trat in das geräumige Büro des Rektors.
Dieser saß in einer sehr ungeduldigen Pose am Schreibtisch und klickte mit seinem Kugelschreiber. Allein bei dieser Geste hätte Niklas den Raum gerne wieder verlassen.
Rüdengard stand auf.
»Wo zum Teufel waren Sie?«, fragte er aufgebracht.
»Ich war in Strömsund bei -«
»Lundgren, das interessiert mich nicht! Ich will nur, das Sie jetzt endlich Ihre Arbeit machen!«
Niklas beobachtete, wie Rüdengards Gesicht immer roter wurde.
»Herr Rüdengard, ich weiß wirklich nicht, was - «
»Unterbrechen Sie mich nicht!« Kleine rote Adern traten an Rüdengards Stirn hervor und Niklas schüttelte innerlich den Kopf. Wie konnte man nur so schnell in Rage geraten?
»Sie tun, was ich Ihnen sage, ist das klar! Und wenn ich sage, Sie arbeiten, dann arbeiten Sie!«
»Und an was, soll ich - «
»Mir egal! Irgendwas! Was Nützliches natürlich!« Rüdengard kam hinter seinem Schreibtisch hervor und ging auf Niklas zu, der noch immer sehr ruhig und gefasst im Raum stand. Rüdengard schwitzte.
»Lundgren, hören Sie mal…da draußen«, der Rektor atmete schwer, »da draußen ist die Hölle los, der Golfstrom ist zum Erliegen gekommen, stellen Sie sich das vor! Die Amerikaner…«, er räusperte sich, griff nach einem Asthmaspray auf dem Tisch, »die Amerikaner wandern schon aus, haben Sie gehört! Die wandern nach Süden, nach Florida und Texas. Und jetzt frage ich Sie, Lundgren: Wohin sollen wir auswandern?«
Niklas schwieg. Er dachte, dass das Verhalten des Rektors typisch für jemanden war, der alles eigentlich nur verwaltete. Ein Wissenschaftler konnte an die Dinge doch wesentlich objektiver herangehen. Deswegen machte sich Niklas auch nichts aus dem Geschrei des Rektors, denn objektiv betrachtet bezog es sich auf die Sorgen Rüdengards, nicht Niklas persönlich. Offensichtlich beschäftigte sich Rüdengard mehr mit dem Golfstromproblem als Niklas. Was kümmerten ihn schon die Amerikaner?
»Lundgren, wir können nicht auswandern«, beantwortete Rüdengard seine eigene Frage, »wir müssen Vorkehrungen treffen« Er tupfte sich die Schweißperlen von der Stirn.
»Vorkehrungen?«, fragte Niklas, »welcher Art?« Meine Güte, er war Chemiker! Was sollte er denn bitte für Vorkehrungen treffen können?
»Aller Art natürlich! Was meinen Sie denn? Wir brauchen alles, was gegen Kälte hilft, jede chemische Formel ist mir Recht, jede Technologie, jedes mentale Konstrukt, das wir den Leuten einbläuen können…einfach alles!«
»Steckt dahinter irgendeine Institut-«
»Ja, ja«, Rüdengard nickte. Er schien sich langsam zu beruhigen und setzte sich wieder in seinen Stuhl hinter dem Schreibtisch. »Setzen Sie sich, Lundgren.«
Niklas gehorchte und nahm ihm gegenüber Platz. Der Rektor atmete schwer und zog noch einmal an seinem Asthmaspray, bevor er weitersprach.
»Sie kennen das doch, Lundgren, wenn etwas Schlimmes passiert, sind die Mächtigen der Welt plötzlich alle einer Meinung. Die UN hat sich mit allen Mitgliedsstaaten darauf geeinigt, dass jeder verfügbare Wissenschaftler, oder jeder, der es einmal werden will, sich an diesem Riesenprojekt beteiligen soll…Mengen von Geld fließen jetzt endlich einmal in die Forschung. Es gibt nur keine genauen Anweisungen, kein Leitprogramm…sind eben auch nur Verwaltungsleute bei der UN…«
Er wischte sich erneut den Schweiß von der Stirn. »Der Golfstrom wird nicht mehr fließen, nicht in den nächsten zweihundert Jahren, ach wahrscheinlich sogar länger, aber selbst zweihundert Jahre sind genug, finden Sie nicht?«
Niklas nickte. Ihm fiel ein, dass er den leckeren Räucherlachs gar nicht gegessen hatte und nahm sich vor, gleich nach diesem Gespräch Emelie anzurufen und sie zu bitten, einen neuen Lachs zu räuchern.
Wie konnte man nur dermaßen unstrukturiert an solch eine Sacher herangehen? Panik, schön und gut, aber bitte nicht in der Wissenschaft.
»Also wird jetzt geforscht, bis das Geld alle ist, Lundgren. Die Amerikaner arbeiten an den Häusern der Zukunft, stecken ihr Geld in den Fortschritt der Menschheit…Lilipads, Lundgren, Lilipads!«
»Liliwas?«
»Ja, genau, Liliwas…aber wir müssen das anders angehen, wir kämpfen hier ums Überleben!«
Niklas faltete die Hände ineinander, er hoffte, dass Rüdengard nun endlich auf den Punkt kommen würde.
»Wie kann ich da behilflich sein?«
»Nun ja, Sie sind Chemiker, nicht wahr? Und zwar einer der Besten in ganz Schweden. Ich verstehe immer noch nicht, warum Sie nicht Fakultätsleiter werden wollten, aber das ist nun endgültig Vergangenheit, Lundgren. Also suchen Sie sich ein Team aus, nehmen Sie die besten Mitarbeiter, Ihr Chef weiß Bescheid.«
»Aber was genau soll ich denn erforschen?«
Rüdengard schüttelte den Kopf. »Sie sind der Chemiker, Sie wissen was man mit dem ganzen Zeug anfangen kann, ich nicht. Beginnen Sie doch einfach mit…äh…einer neuen chemischen Formel, die Kleidung kälteabweisend macht!«
Niklas zog seine Braue nach oben, aber er sagte nichts. Offenbar hatte der Rektor wenig Ahnung von dem Aufwand, den eine solche Forschung mit sich brachte, ganz zu schweigen von der Zeit. Aber er sah auch, das Rüdengard mit der Situation völlig überfordert war und ganz und gar nicht positiv dachte, deshalb hielt er es für sinnvoll, ihn nicht noch mehr zu verunsichern.
»Gut, ich sehe mal, was sich machen lässt. Gibt es sonst noch etwas?«
Der Rektor wurde wieder ernst und ein wenig sauer.
»Ja, es gibt noch etwas, Lundgren. Sie werden dieses Gebäude nicht eher verlassen, bis Sie etwas gefunden haben, ist das klar?«
Niklas seufzte. »Ich denke nicht, dass das nötig sein wird, weil - «
»Doch! Es ist nötig! Schlafen Sie in Ihrem Büro, holen Sie Ihre Frau nach, wenn Ihnen unbedingt danach ist, aber wenn mir zu Ohren kommen sollte, dass Sie zu Hause friedlich in Ihrem Bett schlafen, während andere arbeiten, dann…dann…«
»Feuern Sie mich?« schlug Niklas vor.
»Ja, genau! Das heißt, nein… das kann ich ja nicht, meine Zukunft und die meiner Kinder hängt ja von Ihnen ab, aber ich lass mir schon etwas einfallen!« Rüdegard zeigte drohend mit dem Finger in die Luft.
Niklas seufzte erneut. »Geht klar, das Gebäude nicht verlassen und arbeiten. Verstanden.«
»Gut, gut«, sagte der Rektor und lehnte sich erschöpft in seinem Stuhl zurück, »und ich möchte über alle Ergebnisse informiert werden!«
»Sicher«, Niklas stand auf, nickte Rüdengard kurz zu und verließ den Raum.
Dann überquerte er den Campus, lief auf den Parkplatz und wartete ein paar Sekunden in seinem Auto, um seine Gedanken zu ordnen.
Rüdengard war offensichtlich mit der Situation komplett überfordert und wenn der Rektor die Wahrheit sprach, so wusste auch die UN nicht so richtig, wo sie dieses Golfstromproblem anpacken sollten. Das konnte Niklas nachvollziehen. Immer mit der Ruhe, vielleicht sollten die da oben das auch zu ihrem Motto machen. Überstürzte Aktionen halfen niemandem etwas. Und was zum Teufel waren Lilipads? Er würde sich also ein paar ausgezeichnete Wissenschaftler zusammen suchen und dann mussten sie erst einmal erarbeiten, was sie als Chemiker tun konnten, um das Leben im Eis erträglicher zu machen.
Schließlich startete er sein Auto und fuhr – entgegen Rüdengards Verbot, dass Niklas für absolut schwachsinnig hielt - nach Hause, um mit Emelie über die neusten Ereignisse zu reden und mit ihr ein paar neue Erkenntnisse zu sammeln. Vielleicht könnte er dann auch endlich seinen Räucherlachs essen. Und wenn das nicht klappte, hatten sie zumindest noch einen Schnaps im Schrank.