Читать книгу Lichter im Norden - Nena Schneider - Страница 9
Aron: Tiska
ОглавлениеIrgendwann zwischen seinem vierzehnten und fünfzehnten Geburtstag hatte sich Griffin endlich getraut, einen Fuß in die unteren Luftareale zu setzen. Und er hatte es für ungefährlich befunden.
Seitdem gingen sie öfters dort hinunter und an manchen Tagen nahmen sie sogar den Aufzug bis ins Bodenareal und stellten sich vor den Zaun, der sie von dem riesigen Solarpark trennte.
Von unten sah die Stadt riesig aus und weniger pyramidenförmig als in ihrer Vorstellung. Nur ein Kilometer trennte sie von der höchsten Stelle, aber was auf dem Boden nur eine kurze Strecke darstellte, wirkte in der Luft unglaublich hoch.
Tiska sah dennoch friedlich aus und vor allem sauber. Von unten sah man, wie elegant und bunt die Grünpflanzen von den Terrassen herunter wuchsen und das Glas der Balkone glitzerte in der Sonne.
Auch der Winter konnte dem nichts anhaben. Er war hier meist trocken, mit wenig Schnee, aber dafür sehr kühl. Die Sonne schien trotzdem, was hieß, dass sie nicht auf externen Strom zurückgreifen mussten, sondern weiterhin die Solarzellen nutzen konnten.
Leider hatten ihre kurzweiligen Ausflüge Griffin nicht robuster gemacht, was Aron ursprünglich gehofft hatte. Griffin ging auf Wunsch seiner Mutter weiter zum Sport, doch das änderte nichts an seiner Verletzlichkeit. Nur seine Statur wurde ein wenig kräftiger. Aron hätte ihm gerne etwas von sich abgegeben. Denn für ihn lief im Moment wirklich alles bestens.
Er spielte die Arktis nur noch selten, weil sie ihm zu wenig Ab-wechslung bot. Stattdessen kämpfte er nun auf fremden Sternen gegen Aliens, die beinahe aussahen wie Menschen und das Blut spritzte nur so durch die Gegend. Das war sein Training und er absolvierte es täglich. Es machte ihn stärker.
Seine Mutter hielt überhaupt nichts von den Kampftrainingsge-schichten und sein Vater schüttelte nur noch den Kopf. Immerhin kümmerten sie sich um das, was er tat und versuchten auf sanfte Weise sein Leben auf eine gerade Bahn zu lenken. Bei Griffin war das nicht so.
Dessen Vater versuchte nur auf höchst grausame Weise Griffins Leben schwerer zu machen. An manchen Tagen sah er ihn vor Verachtung kaum noch an. Oder er fing an, ihn zu beschimpfen, ihm vorzuwerfen, was er alles noch nicht konnte.
Glücklicherweise befand er sich seit einigen Wochen auf der geheimen Militärstation, wo er arbeitete und von dort aus konnte er Griffin nicht tyrannisieren. Aber er würde bald wieder zurückkommen und dann ging alles wieder von vorne los.
Der psychische Stress wirkte sich auch auf die Noten des Jungen aus. Lernen fiel Griffin schwer und Aron musste mitansehen, wie sein Freund immer schneller in einen Strudel hineinglitt, der ihn nach unten zog. Er war nicht gut in der Schule, er zog sich zurück, er war still, hatte bis auf Aron keine Freunde und sein Vater machte ihm das Leben zur Hölle.
An manchen Tagen, wenn sie wieder unterwegs waren, sprach Griffin kaum ein Wort. Dann erzählte Aron von allem möglichen, aber er versuchte das Thema Familie und Freundschaft zu umgehen.
Denn er selbst hatte viele Freunde und insbesondere Freundinnen. Er konnte nichts dagegen tun, die Mädchen wollten ihn einfach. Sie sahen über die Tatsache hinweg, dass er Griffin als seinen besten Freund bezeichnete. Vor ein paar Wochen hatte er sogar seinem großen Bruder Matthiew die Freundin ausgespannt. Dieser war zwei Jahre älter und deswegen konnte sich Aron bei dem Gedanken ein leises Schmunzeln nicht verkneifen.
Griffin hatte noch nie ein Mädchen geküsst. Und wie sehr er sich auch bemühte, ein anständiges Gespräch zu führen oder ein wenig Smalltalk zu machen, es führte nie zum Erfolg.
Dabei sah Griffin nicht schlecht aus, fand Aron. Im Gegensatz zu Aarons kurzem braunen Haar und den markanten Gesichtszügen hatte Griff einen unwiderstehlichen Lockenkopf und warme, grüne Augen.
Aron verstand einfach nicht, wie alles so kommen konnte und dass es für ihn keine Möglichkeit gab, seinem Freund zu helfen. Den Frust darüber ließ er im Holodeck aus und metzelte menschengleiche Aliens nieder. Und manchmal sehnte er sich auch zurück nach der reinen, kühlen Luft der Arktis. Dann schaltete er die Gegner aus, blickte nur in die eisige Landschaft, bis die Sonne am Horizont glühte. Das ließ ihn seine Unruhe vergessen.
Doch irgendwann kam ihm, während er gerade einer Alienfrau den Kopf abhackte, eine Idee.
»Griff«, sagte er, als sie sich am Nachmittag auf einer der Promenaden trafen und klopfte ihm auf die Schulter, »ich denke wir sollten mal wegfahren.«
Entgeistert sah Griffin ihn an. »Wegfahren? Was meinst du mit wegfahren?«
»Naja, mal raus aus der Stadt, nicht nur bis ins Bodenareal. Einfach mal durch den Solarpark und sehen, was dahinter ist!«
Sein Freund schien nicht begeistert zu sein. »Ich glaube, das ist keine gute Idee.«
Aron grinste ihm aufmunternd zu. »Doch, ich glaube schon. Wir wohnen seit fünfzehn Jahren in der gleichen Stadt und haben noch nie was anderes gesehen, kannst du dir das vorstellen?«
»Ja«, meinte Griffin trocken, »natürlich.«
Tadelnd schüttelte Aron den Kopf. »So meine ich das doch nicht. Ich will sagen: Wie furchtbar! Findest du das nicht auch furchtbar?«
Jetzt verschränkte Griffin die Arme vor der Brust. »Wie willst du überhaupt aus der Stadt raus? Du hast keinen Wagen, keinen Jet, du hast nicht einmal ein Fahrrad!«
Aron lächelte verschmitzt. »Aber ich kenn jemanden, der das alles hat.«
Nach einer halben Stunde hatte Aron Griffin überredetet. Es war das erste Mal, dass sie etwas Illegales taten, aber es würde ohnehin niemand bemerken. Griffins Mutter machte irgendwo in Südafrika Urlaub und Arons Eltern mussten arbeiten.
Die Freunde bereiteten sich gründlich vor. Sie suchten sich zuerst ein Ziel in der Nähe aus und entschieden sich nach ein paar verschiedenen Überlegungen für den nächsthöchsten Berg. Dann konnten sie die Welt einmal von oben sehen, nicht nur von einem Kilometer Höhe aus.
Für den Jet war gesorgt. Griffin musste nur den Schlüssel vom Hacken nehmen. Sein Vater würde ihm niemals einen Diebstahl zutrauen, wahrscheinlich dachte er sogar, dass sein Sohn keine Ahnung hatte, dass ein Jet in der Garage stand. Huges Warrick und seine Frau benutzten ihn so gut wie nie, sie ließen sich immer abholen. Das war wesentlich bequemer für alle Beteiligten.
Nun musste Aron nur noch lernen, wie man ihn steuerte, aber auch das war ein Leichtes. Er ließ sich von Ellie eine Simulation im Holodeck erstellen und übte eine halbe Stunde lang das Jetfliegen, bis er das Gefühl hatte, die wichtigsten Funktionen zu beherrschen.
Dann packten sie ein paar Sandwiches zusammen, nahmen dickere Pullis mit und Aron hinterließ bei Ellie eine Nachricht für seine Eltern, dass er zum Abendessen wieder zurück sein würde.
Griffin war nervös.
Sie fuhren mit dem Aufzug ins erste Luftareal. In den Bodenbereichen lagen Räume für Jets, Autos oder andere Fahrzeuge der Bewohner. Je nachdem, welche Abstellgröße man sich leisten konnte. Man bekam niemals den Raum eines anderen zu Gesicht, denn der Aufzug registrierte seine Gäste und brachte sie direkt zum richtigen Abteil.
»Guten Morgen, Mr. Sascha Griffin Warrick«, sagte die männliche Stimme im Aufzug, »ich bringe Sie zu Ihrem Abteil.« Es war selten, dass jemand Griffins vollständigen Namen benutzte.
Griffin sah Aron nur fragend an, der zuckte mit den Schultern. Sie hatten erwartet, dass Warrick zumindest ein Passwort eingebaut hatte, für den Fall, dass sein Sohn auf die Idee kommen sollte, den Jet zu stehlen. Aber das hatte er nicht getan. Umso besser.
»Er hält mich wohl wirklich für einen Versager«, murmelte Griffin niedergeschlagen.
Aron legte seinem Freund den Arm um die Schulter. »Mann, Griff. Du bist aber kein Versager! Schließlich klau- … fliegst du gleich endlich mal raus aus der Stadt.«
Bei jedem Wort, das eine illegale Tat vermuten ließ, hätte das System im Aufzug aufgemerkt.
»Vielleicht ist das doch keine so gute Idee«, entgegnete Griffin.
»Doch, doch!«
Und als sie den Aufzug verließen und in das weiß beleuchtete Abteil traten, wusste Aron ganz sicher, wie unglaublich gut diese Idee war.
Ein schwarzer Jet stand unberührt vor ihnen, sein Lack glänzte in den weißen Lichtern der Wände. Hätte Aron es nicht besser gewusst, hätte er ihn für eine Simulation des Holodecks gehalten.
Er ging hinüber und ließ seine Finger über die glatte Oberfläche gleiten.
Der Jet war etwa fünf Meter lang und der Rumpf etwa zwei Meter breit. Nicht groß, aber immerhin besser als jedes Fahrrad. Aron kam aus dem Staunen gar nicht mehr raus.
»Sag mal, ist dein Vater den jemals geflogen?«
Griffin schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht. Seit ich denken kann, holt ihn das Militär ab. Vielleicht vor Jahren mal… obwohl, nein. Das hier ist ja der Neue, den hat er sicher noch nicht geflo-gen.«
»Der Neue?«
»Ja, er kauft sich doch immer ein neues Modell, wenn es eins gibt. Warum sollte er alte Sachen in seiner Garage stehen haben?«
»Ja, warum auch…“
Griffin öffnete den Jet per Knopfdruck und ein Teil der Seitenwand wurde nach unten geklappt, so dass sie einsteigen konnten. Der Bordcomputer begrüßte sie höflich und Aron bat ihn, den Autopilot auszuschalten. Er war sicher, dass er dieses Ding auch ohne fremde Hilfe fliegen konnte.
Als die Freunde bequem in den breiten Ledersitzen saßen, wurde Griffin noch nervöser.
»Aron, wenn du das hier zu Schrott fährst, bin ich tot. Und du auch. Und deine ganze Familie.«
Aron grinste erneut. »Wenn ich das zu Schrott fliege, sind wir wahrscheinlich sowieso beide tot - also von daher…«
Griffin sah ihn finster an. »Darüber macht man keine Witze. Bist du sicher, dass du das fliegen kannst?«
»Tja, wir werden sehen, oder? Hast du die Karten?«
Sein Freund wedelte mit einer Kugel in der Hand. Darin hatten sie die Kartensimulationen gespeichert.
»Die muss da rein«, Aron deutete mit dem Finger auf eine dafür vorgesehene Einbuchtung. Griffin steckte sie hinein und sofort zeigte das durchsichtige Fenster vor ihnen eine Karte und den Weg.
»Jetzt brauchen wir eigentlich nur noch…«, als Aron den orange leuchtenden Knopf drückte, erwachte der Jet zum Leben. Kleine weiße Lichter blinkten, das Innere erhellte sich und es wurde gemütlich warm.
Griffin staunte nicht schlecht, als Aron den ‚Öffnen‘-Button auf seinem Display drückte und sich vor ihnen die Tür der kleinen Garage beiseiteschob. Vor ihnen erstreckte sich der Solarpark, über den sie gleich hinweg fliegen würden.
»Na dann: Viel Glück. Ich kann nicht glauben, dass ich das mache.«
Wieder grinste Aron ihn an. »Du könntest auch sagen, ich hätte dich entführt.«
Dann schob er den Hebel nach vorne und sie flogen hinaus über die tausenden Solarzellen, deren Oberflächen in der Sonne glitzerten. Aron schwenkte ein wenig nach links und Griffin blickte auf die Stadt zurück, die er noch nie in seinem Leben verlassen hatte.
Wie das frühere Athen stand sie da, inmitten eines Meeres von blauen Solarzellen, strahlend weiß, unantastbar und riesig. Die Stadt der Zukunft, dachte er.
Aron flog mit Leichtigkeit. Weiter über die Ebene und irgendwann endete der Park unter ihnen. Danach kam ein weites Areal mit vertrockneten Gräsern. Nur dort, wo Flüsse hindurchflossen, war das Gras ein wenig grüner.
Die Karte zeigte ihnen an, dass sie noch zwanzig Minuten zu fliegen hatten und Aron lehnte sich zurück.
»Es sieht komisch aus«, sagte er in die Stille hinein und Griffin stimmte ihm zu.
»Ich dachte, es wäre grüner. Bei uns ist es grüner.«
Nach weiteren fünf Minuten sahen sie plötzlich wieder Solarzellen unter sich, aber diesmal kleinere und eher vereinzelt. Danach folgte eine Stadt, ihre kleinen Häuser wirkten winzig unter ihnen. Kaum hatten sie sie erreicht, flogen sie auch schon wieder darüber hinweg. Immer wieder kamen sie an Häuseransammlungen vorbei.
»Mann, die müssen es ja friedlich haben«, meinte Griffin, aber ein wenig Ironie schwang in seiner Stimme. »Wie einsam da draußen.«
»Computer, wie viele Menschen wohnen im Umkreis von hundert Kilometern außerhalb von Tiska?«
»Etwa vierzig Millionen, Sir.«
Aron sah Griffin an. »Du hast Recht, wirklichsehr einsam.«
Sie erreichten ein Gebirge und die Zahl der Siedlungen wurde weniger. Endlich flog Aron ein wenig höher. Er ließ den Jet langsam auf einem Vorsprung landen.
»So, geschafft. War doch ganz leicht! Und wir sind nicht gestor-ben.«
Sie stiegen aus und nahmen ihren Proviant mit. Der Anblick, der sich ihnen bot, war atemberaubend.
Unter ihnen erstreckte sich flaches, steiniges Gelände, dahinter kam fruchtbares Land mit einigen Siedlungen und Städten, die silbern in der Sonne glänzten. Dahinter sahen sie das weiße Tiska im blauen Meer und danach kam endlos weites Land. Ein Gebiet, das man vor hundert Jahren Wüste genannt hatte, Sahara.
Die Freunde standen staunend und blickten über die Ebene. Sie brauchten nicht zu sagen, was sie empfanden.
Ein wenig Wind kam auf und verfing sich in Griffins Haaren, er holte seinen Pulli heraus und streifte ihn über. Auch Aron wurde kühl. Sie setzten sich schließlich und packten ihre Sandwiches aus, ohne das Land unter ihnen aus den Augen zu lassen.
»Warum haben wir das nicht vorher gemacht?«, fragte Griffin schließlich in die Stille hinein.
Aron zuckte mit den Schultern. »Das habe ich mich auch gerade gefragt.«
Sie schwiegen wieder, aßen ihre Sandwiches und ließen sich von der Sonne bescheinen. Es war Spätsommer, die Sonne schien noch warm, aber der Wind wurde merklich kühler.
»Stell dir vor, vor einhundert Jahren hatte es hier um diese Zeit mit Sicherheit über vierzig Grad.«
Griffin nickte. »Schwer vorzustellen.«
»Und das alles nur, weil ein Meeresstrom versiegt…«
»Und vor hundert Jahren hat hier auch noch kein Schwein gelebt«, fügte Griffin hinzu.
»Aber: Englisch war schon Lingua Franka.«
Griffin verdrehte die Augen. »Klugscheißer. Außerdem gilt das heute auch nur für die Westliche Zone. Die Östliche spricht Rus-sisch.«
Aron nickte. »Ich weiß.«
Eine weitere Böe kam auf und wehte durch Griffins Haar. Sie schwiegen wieder, hingen ihren eigenen Gedanken nach. Dann unterbrach Griffin die Stille.
»Aron, ich muss dir was sagen«, er sah seinen Freund ernst an. Aron erwiderte seinen Blick. Seine Gedanken überschlugen sich. Griffin war oft ernst, er dachte viel nach, aber so, wie er ihn jetzt gerade ansah, hatte Aron ihn noch nie gesehen. Da war dieses Weiche in seinen Augen…
»Ich habe nachgedacht…«, fuhr Griffin fort, aber Aron unterbrach ihn sofort.
»Halt, warte…Griff. Sag mir jetzt bitte nicht, dass du auf Männer stehst.«
Griffin lief sofort rot an, aber es war keine Schamesröte. Er war wütend.
»Hallo? Ich versuch dir grad was Wichtiges zu erzählen und deine einzige Angst ist, das ich mit dir vögeln will oder was? Alter! Deine Liebschaften steigen dir echt zu Kopf…nicht jeder steht auf dich!«
»Ok, ok!«, beschwichtigend hob Aron die Hände, »es klang nur so - «
»Nein!«
»Ok, gut. Dann rede weiter, ich bin still.«
Griffin atmete tief durch und versuchte sich wieder zu fangen. Es entstand eine kleine Stille. Der Wind wehte, Tiska glitzerte im Meer.
»Mein Vater hat Recht«, begann er schließlich, »ich bin ein Versager.«
»Griff, du bist kein - «
»Lass mich ausreden!«
»Schon gut!«
Griffin blickte aufs weite Land hinaus, der Wind ließ seine Locken wehen.
»Ich will ihm beweisen, dass ich auch anders kann, dass ich mutig sein kann.«
Aron mochte den Gesichtsausdruck seines Freundes überhaupt nicht. So entschlossen hatte er ihn selten gesehen. Das Weiche in seinem Blick verschwand.
»Ich will, dass er sieht, dass ich dem Namen Warrick gerecht werden kann und dass es ihm irgendwann leidtut, mich Versager genannt zu haben.«
Entschlossen blickten Griffins Augen in Arons.
»Griff«, begann Aron vorsichtig und suchte nach den richtigen Worten, »ich glaube nicht, dass deinem Vater jemals irgendetwas leidtun wird.«
»Doch«, Griffin nickte entschlossen, »es wird ihm leidtun.«
»Was hast du vor? Womit willst du ihn so beeindrucken? Abgesehen davon, dass alles was dein Vater sagt – entschuldige – gequirlte Scheiße ist. Du bist kein Versager, Griff, nur dein Vater ist ein Arschloch.«
Griffin blickte wieder in Richtung Tiska und nickte langsam. »Ja, vielleicht stimmt das sogar. Ich will es ihm trotzdem beweisen.«
»Womit?«
Ohne seinen Blick von der weißen Stadt abzuwenden und ohne auch nur einen Hauch von Zweifel in der Stimme sagte Griffin: »Ich gehe zur R.P.U.«
Entgeistert blickte Aron ihn an. Erst nach einigen Sekunden fing er sich wieder.
»Oh mein Gott, Griff. Warum…du kannst doch einfach irgendwas anderes… also ich meine, warum?«
Griffin blickte ihn erneut an. In seinen grünen Augen spiegelte sich Hass. Hass auf seinen Vater.
»Ich will, dass es ihm leidtut«, sagte er und seine Stimme klang beinahe wie ein leises Zischen.
Dann wandte er sich wieder ab. Aron sah, dass ihm eine Träne über die Wange lief. Wahrscheinlich vermischten sich in ihr Wut und Trauer zu einem.
Aron fühlte mit ihm, und es tat ihm leid, wie sehr sein Freund unter seinem Vater litt. Wie gerne hätte er es geändert. Doch nun würde er Griffin niemals mehr umstimmen können, das stand fest.
Er sah den jungen Mann von der Seite an, dem mittlerweile die Tränen von den Wangen tropften wie leiser Regen. Mit einer kurzen Handbewegung versuchte er sie fortzuwischen, doch es gelang ihm nicht.
Aron hätte beinahe auch angefangen zu weinen. Er liebte Griffin wie seinen eigenen Bruder, und wie er ihn so sitzen sah, weinend und von der Sonne beschienen, wurde es ihm erst richtig klar.
Er rückte an seinen Freund heran und tätschelte ihm vorsichtig die Schulter. Gemeinsam blickten sie über die sonnenbeschienene Ebene.
»Griff, du bist mein bester Freund«, sagte Aron schließlich und blickte Griffin ins Gesicht. »Ich will nicht, dass du zur R.P.U. gehst und du wirst dir das die nächsten drei Jahre anhören müssen«
»Aber nur weil ich jetzt – drei Jahre? Warum?«
»Du musst die Schule zu Ende machen, was dachtest du denn?«
»Ich scheiß auf Schule, die können mich - «
»Sei still, Griff«, Aron verstrubbelte seinen Lockenkopf. »Das bist du nicht. Geh nicht zur R.P.U.. Wenn du die Schule zu Ende machst, dann kannst du danach wenigstens noch eine Ausbildung machen oder studieren. Du kannst noch die Kurve kratzen mit deinen Noten. Oder lass dir zumindest die Zeit zum Nachdenken, du kannst doch nicht von heute auf morgen einfach gehen. Denk an mich!“
Er versuchte seinem Freund ins Gesicht zu grinsen.
Griffin weinte nicht mehr und bekam ein halbes Lächeln zustande. »Alter, du bist so ein Egoist. Du willst doch nur, dass ich weiter von dir abschreibe und du wieder als Held dastehst.«
»Du kennst mich zu gut.«
Sein bester Freund zuckte mit den Schultern. »Ok, drei Jahre bekomm ich hin. Und dann bin ich volljährig und kann tun und lassen was ich will«
Mit dieser Übereinkunft gab sich Aron zufrieden. Er bezweifelte, dass er Griffin die Idee wieder ausreden konnte. Denn selten hatte er ihn so entschlossen erlebt.
R.P.U., dachte er und erschauerte. Das konnte ein Todesurteil sein. Vielleicht aber auch nicht. Wie viel Glauben konnte man schon den Gerüchten trauen? Niemand bekam einen ehemaligen R.P.U. jemals wieder zu Gesicht, sie verschwanden einfach. Manchmal dachte Aron, dass die Organisation überhaupt nicht existierte und nur ein Mythos war, der die östliche Zone verunsichern sollte. Jedoch hörte man Geschichten aus der Nachbarschaft, wenn ein Sohn sich entschied zur R.P.U. zu gehen, dann war die Angst der Familie groß. Und sie kamen nie wieder. Der Gedanken daran war furchtbar.
Die Freunde blickten noch eine Weile auf die weiße Stadt im Solarmeer hinab, bis die Sonne langsam unterging. Dann flogen sie zurück und Aron kam pünktlich zum Abendessen.
Niemand bemerkte je, dass sie fort gewesen waren. Und niemand außer Aron erfuhr von Griffins Beschluss.