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ES IST BESSER, ALS WIR GLAUBEN

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Heben wir den Blick, und stellen wir mal ganz nüchtern fest: Es ist eigentlich alles da. Wir leben in einer Zeit, die weniger in einer Krise steckt, als wir glauben; denn die meisten Lösungen für unsere Probleme sind schon vorhanden. Sie sind längst im Kleinen ausgedacht, ausprobiert und umgesetzt – und funktionieren ganz erstaunlich gut.9 Es gibt sie bereits, die Ideen für eine »gute, eine mögliche Zukunft«.10

Allein, uns fehlen momentan die Kraft, die Fantasie und der Mut. Statt dass wir, wie die Klimaaktivistin Greta Thunberg vor dem World Economic Forum in Davos 2019 forderte, »in Panik« ausbrechen (was uns im Übrigen wenig helfen würde), diagnostiziert uns der Historiker und Journalist Rutger Bregman genau das Gegenteil: Wir würden »im Koma liegen«11 und könnten uns eine bessere Zukunft gar nicht mehr vorstellen. Das hat auch viel mit unserer eigenen Kindheit zu tun, die uns oft ratlos, in Hilflosigkeit und unerfüllt zurückgelassen hat.

Es gibt sie längst, die Ideen für eine lebendige und lebenswerte Zukunft. Wir leben in einer Zeit, die weniger in einer Krise steckt, als wir glauben; denn die meisten Lösungen für unsere Probleme sind schon vorhanden.

Der bereits zitierte Autor Harald Welzer ist der Ansicht, wir Menschen in den Industrienationen seien gefangen in unerfüllten Bedürfnissen, die wir mit den Annehmlichkeiten des Hyperkonsums kompensieren müssen. In meinen Familiencamps sehen wir das jeden Sommer ganz konkret: Wenn wir mal Fernsehen, Internet, Alkohol und Zucker weglassen und einfach eine Woche lang in der Natur leben, kommen sie plötzlich wieder hoch, die großen Fragen: Warum bin ich hier? Warum lebe ich so, wie ich lebe? Was will eigentlich ich? Warum ist die Welt so, wie sie ist? Und nicht zuletzt: Warum habe ich viele Probleme, die ich zu Hause habe (wo doch angeblich alles so angenehm ist), plötzlich nicht mehr, wenn ich in einer Gruppe von anderen Familien »draußen« lebe? Nicht wenige gehen aus diesen Camps wieder nach Hause und ändern ihre Lebensweise – manche radikal, andere schrittweise, aber alle tief davon beeindruckt, wie anders sich das Leben anfühlen kann, wenn wir für einen winzigen Moment aus dem Hamsterrad des Hyperkonsums aussteigen.

Warum fällt uns das im Alltag so schwer? Nun, auch wir sind mal »erzogen« worden. Auch wir tragen Spuren in unseren Seelen, die uns schwächer machen, als wir sind.

Viele von uns leiden unter diffusen Ängsten, weil sie unter einer autoritären oder perspektivlosen Erziehung gelitten haben. Uns wurde vielfach schon als Säuglingen eine gewisse Hilflosigkeit antrainiert, damit wir dann als Kleinkinder »tun, was man uns sagt«, und »brav« sind.12 Und alle tragen wir alte, oft negative Glaubenssätze aus unserer Kindheit mit uns herum, die wir häufig ungefiltert an unsere Kinder weitergeben.13

Zeit, etwas zu verändern: Wir können das Leben unserer Kinder ab heute bewusst anders anlegen. Wir können sie bereits hier und jetzt stärker machen, als wir es je waren – und uns selbst gleich mit. Und dann können wir an einer neuen Welt mit ihnen bauen. Denn wir alle können in einer neuen, ökologischeren Welt nur gewinnen: Wir werden mehr Freunde, bessere Luft, mehr Spaß, gesünderes Essen, weniger Armut, weniger Gewalt, weniger Angst und vor allem viel, viel mehr Zeit haben. Zeit für unsere Kinder. Wie wäre es, wenn wir uns diese neue Gesellschaft erschaffen – »einfach so«? Also, wenn wir es täten, nicht, weil wir das Klima retten wollen oder weil Greta Thunberg uns dazu aufruft, sondern »einfach nur so«: für uns und unsere Kinder? Wenn wir es einfach tun, weil eine Welt mit Freunden, Radwegen, sauberer Luft und Zeitwohlstand sich einfach verdammt gut anfühlt?

Der Elternkompass

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