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ATMEN UND HECHELN – MUSS DAS SEIN?

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So mancher gestresste Zeitgenosse fragt sich vielleicht: Lohnt sich der Geburtsvorbereitungskurs? Eine randomisierte Studie untersuchte 176 Erstgebärende in Australien, von denen man per Zufall ausgesuchte Paare vor der Geburt in sechs evidenzbasiert hilfreichen Techniken unterrichtete: Akupressur, Entspannungstechniken, Atmung, Massage, Yoga und Unterstützung durch den Partner. Das Ergebnis: Die Gebärenden mit Kurs brauchten deutlich seltener Schmerzmittel, hatten seltener einen Kaiserschnitt, kürzere Geburtszeiten, und keines ihrer Neugeborenen musste in dieser Studie wiederbelebt werden.74 Das Wochenende mit der Hebamme könnte sich also lohnen.

Auch Hypnosetechniken verringern grundsätzlich den Gebrauch von Schmerzmitteln unter der Geburt, allerdings nicht die Zahl von Periduralanästhesien, und sie sind keine Gewähr für eine vaginale Geburt. Eine vaginale Geburt wird vor allem dann wahrscheinlicher, wenn die Gebärende kontinuierlich von ein und derselben Person unterstützt wird. Das ist in der Regel die Hebamme, kann aber auch eine Geburtsbegleiterin (Doula) oder der Partner sein, stellt ein Cochrane-Review von 27 Studien fest. Kontinuierlich betreute Frauen haben schnellere Geburten und fühlen sich zufriedener während der Geburt.75

Deutschland hat eine Kaiserschnittrate von gleichbleibend etwa 30 Prozent, doch der WHO zufolge gibt es »keine Rechtfertigung für eine Kaiserschnittrate von über 10 bis 15 %«.76 Und der Kaiserschnitt ist mitnichten so sicher und ohne Folgen, wie man jahrelang dachte. Gut belegt ist zum Beispiel die Tatsache, dass der Geburtsmodus das Mikrobiom der Kinder beeinflusst – also die Zusammensetzung seiner bis zu tausend verschiedenen Arten von Darmbakterien – und sich damit ein ganzes Leben lang auf die Gesundheit auswirken kann, denn die Mikroben agieren unter anderem auch als Teil des Immunsystems unseres Körpers.77 Kinder, die per Kaiserschnitt geboren werden, »verpassen« die Ladung Mikroben, die sie bei der vaginalen Geburt von ihrer Mutter mitbekommen hätten. Möglicherweise kann man ihnen helfen, wenn sie früh spezielle probiotische Präparate bekommen, und Stillen hilft ihnen auf jeden Fall, aber dazu später mehr.

Aber es gibt noch weitere Effekte. Ein Team um die Forscherin Astrid Sevelsted untersuchte die Daten von 1,9 Millionen dänischen Kindern der Jahrgänge 1977 bis 2012 und deren Werdegang von der Geburt bis zu einem Alter von fünfzehn Jahren.78 Es zeigte sich: Kaiserschnittkinder haben ein größeres Risiko für Asthma, Darmerkrankungen und Allergien. Eine große deutsche Krankenkasse analysierte die Daten von über 38 000 Kindern und stellte ebenfalls mehr Allergien, Magen-Darm-Erkrankungen und Übergewicht fest.79

All das könnte etwas mit besagtem veränderten Mikrobiom zu tun haben. Aber auch chronische Bronchitis und sogar die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) stehen im Verdacht, mit einer Kaiserschnittgeburt zusammenzuhängen.80 Natürlich gilt: Ein Kaiserschnitt kann das Leben von Mutter und Kind retten, wenn er medizinisch notwendig ist. Aber jeder medizinisch nicht notwendige Kaiserschnitt ist unbedingt zu vermeiden.

Der Elternkompass

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