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Haptonomie: Sanfte Berührungen
ОглавлениеUm mit dem Baby in Kontakt zu gehen, kann auch Haptonomie, die »Lehre von der Berührung«, ein schöner Weg sein. Haptonomie ist eine alternativmedizinische Technik, die wissenschaftlich kaum erforscht ist und von den Krankenkassen nicht übernommen wird. Sie wird vor allem in Frankreich praktiziert, aber auch in Deutschland gibt es Angebote. Ein Therapeut zeigt dabei den Eltern, wie sie mit ihren Händen über die Bauchdecke mit dem Baby Kontakt aufnehmen können. Der Vater lernt hier viele Möglichkeiten, durch gezielte, sanfte Berührungen beim Baby, bei der Mutter und bei sich selbst für Wohlbefinden zu sorgen.
Auch Geschwisterkinder können unter elterlicher Anleitung über Haptonomie Kontakt zum Baby aufnehmen. Das kann ihnen helfen, das Geschwisterchen schon kennenzulernen, wenn es noch in Mamas Bauch ist. Geschwister, die nicht wollen, brauchen natürlich nicht mitzumachen.
Der Begründer der Haptonomie, Frans Veldman, benannte den haptonomischen Kontakt als psychotaktilen, affektiv-bestätigenden Kontakt14. Dieser Kontakt der Eltern zum ungeborenen Kind sowie der Kontakt der Eltern zueinander wird von Geburtsfachleuten als »sehr berührend und freudvoll« beschrieben.
YOU HAVE A NEW MESSAGE
»Ich bekomme alles mit, was Mama fühlt. Besonders wenn sie Stress hat, wird es auch für mich schwierig. Papa, bitte hilf ihr, sich sicher zu fühlen. Was Mama erlebt, prägt meine Persönlichkeit schon jetzt.«
Übung: Post für dich!
Wie kommuniziert man mit jemandem, der (noch) nicht da ist? Früher schrieben die Menschen Briefe, heute vielleicht eine E-Mail oder eine Kurznachricht. Ob Mail, Kurznachricht oder Brief – all das setzt im Gehirn interessante Prozesse in Gang.
Wenn wir einen Brief schreiben, öffnet sich oft ein Kanal zu unserem Unterbewussten. Wir können mehr sagen, als uns in einem Gespräch über die Lippen gehen würde. Wir können uns nachweislich das, was wir sagen wollen, besser vorstellen, zurechtlegen und uns später sogar besser daran erinnern. Besonders das Schreiben mit der Hand aktiviert Gehirnareale, die dazu führen, dass wir uns intensiv mit einem Thema beschäftigen – und uns unsere Gedanken besser merken und sie besser formulieren können. Und wenn unser Gegenüber ein ungeborenes Kind ist, gibt es kaum etwas Besseres, als ihm einen Brief zu schreiben.
Wer jetzt sofort loslegen will – nur zu! Ab an den Schreibblock und los geht’s. Für alle anderen noch ein paar Ideen, die helfen können:
1. Schreib den Brief erst mal nur für dein Kind und dich. Du musst es niemandem sagen und ihn niemandem zeigen. Schreib ihn allein. Du kannst hinterher immer noch den Impuls haben, diesen Brief jemandem vorzulesen oder mit jemandem zu besprechen. Aber es hilft beim Schreiben enorm, wenn wir das Gefühl haben, uns in einem geschützten Raum zu bewegen, der nur uns allein gehört und in den niemand eindringen kann.
2. Nimm dir nicht zu viel und nicht zu wenig vor. Eine dreizeilige WhatsApp gibt dem Gehirn kaum genug Zeit, sich einzufühlen. Wenn wir uns hingegen vorstellen, mindestens drei Seiten zu schreiben, kann das zu Schreibblockaden führen. Was fühlt sich machbar und gut an? Eine handschriftliche halbe Seite? Eine Seite am Rechner? Beides ist okay.
3. Wenn du nicht weißt, wie du anfangen sollst, können dir folgende Ideen helfen. Denk daran, dass du ehrlich sein darfst – zum Leben gehören positive wie negative Gefühle, Erinnerungen, Gedanken. Dies muss kein plüschiger Instagram-Post werden, es geht darum, mitzuteilen, was jetzt und hier wirklich ist:
Als ich erfahren habe, dass du da bist, fühlte ich mich zuerst … und dann …
Worauf ich mich am meisten freue, wenn du erst einmal da bist, ist …
Wovor ich derzeit am meisten Respekt habe, ist ...
Mein eigener Vater war für mich ... Ich möchte für dich sein …
Heb den Brief erst einmal auf. Wenn du ihn am Rechner geschrieben hast, ist es für das Gehirn gut, ihn auszudrucken und noch mal ausgedruckt zu lesen. Die Dreidimensionalität spricht noch mal ganz andere Areale an als Notizen auf einem Tablet. Wenn du möchtest, kannst du den Brief jederzeit herausholen, lesen oder gar weiterschreiben. So schaffst du einen eigenen Raum für dich und dein Kind.
In dem Schweizer Dokumentarfilm »Die Geburt eines Vaters« sagt der junge Vater François: »Da war vor allem das Gefühl, dass man bereits mit dem heranwachsenden Kind kommunizierte. Man spürte, dass er auf unsere Stimmen, auf unsere Handbewegungen reagierte. Das war eine schöne Zeit, die wir da zu dritt erlebten.«
Der Vater kann durch Haptonomie manchmal sogar Bewegungen des Kindes spüren, die die Mutter gerade nicht spürt, und baut dadurch eine ganz eigene Verbindung zum Baby im Bauch auf. Für viele Väter sind die Sitzungen der Haptonomie kleine Oasen im hektischen Alltag, in denen sie ganz in Ruhe und bewusst Kontakt mit ihrem Baby aufnehmen können.