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Samala Elis, Mittsommernacht, R. D. 15

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Bänder und Tuchbahnen in cremigem Weiß und hellem Lila schmückten die Wände des großen Festsaals, der vom Licht der Kerzen in den hohen, silbernen Leuchtern erhellt wurde. Die Farben fanden sich in den Blumengestecken und Sträußen in den wuchtigen Bodenvasen wieder, den Rosetten aus ebendiesem Stoff, die die oberen Ecken der bodentiefen Fenster zierten. Der Duft der Blumen wurde alsbald vom Körpergeruch, und dem nach Schweiß, der vielen anwesenden überdeckt. Die Herren trugen Anzüge in dunklen Tönen, darunter breite Schärpen in den Farben ihrer Häuser, manch einer auch Uniform, die Damen üppig wallende Festtagsroben und tief ausgeschnittene Ballkleider. Geschmeide glitzerte, Juwelen schimmerten auf nackter Haut und im hochgetürmten Haar der Frisuren.

Mara wanderte ruhelos zwischen den Gästen umher, nicht ganz unbeabsichtigt in Reiks ... des Königs Richtung. Vielleicht auf der Suche nach Trost, vielleicht nur nach Ablenkung von ihrem Ärger, einem weniger grimmigen, zornigen Gegenüber. Wut gehrte in ihr, nicht erst seit gestern, und Ivorek machte sie offenbar für die Situation mitverantwortlich. Sie konnte es ihm nicht einmal verdenken, Jurei war ihr Sohn. Enisa jedoch ihrer beider Tochter. Wunderhübsch in dem hell fliederfarbenen Trägerkleid aus bestickter Seide, trotz ihres verheulten Gesichts, stur, aufmüpfig und Mara erschreckend fremd. Sie stritt schon wieder, noch immer, mit ihrem Vater. Fast und viel zu schnell erwachsen geworden.

Reik lächelte ihr entgegen und zog sie dann wenig förmlich in seine Arme. „So schlimm?“

„Du machst dir keine Vorstellung.“ Sie biss sich auf die Lippen, lehnte den Kopf einen Moment an seine Schulter.

„Soll ich mal mit ihm ... deinem Jungen reden?“

„Um ihm was zu sagen?“ Sie zwang sich, nicht auch noch auf ihn loszugehen, sie hatte in den letzten Tagen genug geschrien, geweint, mit Türen geknallt und Geschirr zerschlagen. „Dass er die Finger von ihr lassen soll? Vielleicht wie Ivorek mit der Warnung, ihm jeden einzeln zu brechen, sollte er sie noch einmal anfassen, oder ihm gar gleich die Hände abzuhacken?“

„Hat er das wirklich gesagt?“ Reik presste die Lippen aufeinander.

„Aye, das und anderes und ich ... Verdammt, er ist mein Sohn!“

„Ich weiß doch, und ... Es tut mir leid, Gènaija.“ Er küsste sie zum Trost, ein bisschen fahrig, doch dann inniger. „Willst du ... möchtest du vielleicht ein paar Tage bleiben, hier im Palast?“

„Nur zu gern, aber das sähe dann wie Weglaufen aus.“

„Dringend notwendigen Abstand gewinnen“, korrigierte er. „Wir reden über die Familie, zur Abwechslung mal über meine Kinder, trinken ein paar Gläser und du heulst dich aus.“

„Das hilft nichts, fürchte ich. Und das kann, sollte ich auch nicht tun, jetzt gehen. Aber ich danke dir für dieses überaus verlockende Angebot.“

„Immer und immer wieder, das weißt du.“ Er küsste sie einmal mehr, und das war ganz und gar kein freundschaftlicher Kuss. Das war kaum gezügeltes Verlangen. „Dann bist du gekommen, um mir abzusagen? Was ich sehr bedauern würde, aber im Anbetracht der Umstände natürlich verstehe.“

„Nein, das ... nicht, ich singe. Wir.“

Ohne jede weitere Erklärung ließ Mara ihn stehen und ging hinüber zu den Musikern. Spähte durch den plötzlich dämmrigen Saal, über die erwartungsvolle Menge, als suche sie jemanden, ihre Miene ernst und bedrückt. Im Festsaal war es nun fast völlig dunkel und sehr still. Die Musikanten spielten die ersten Takte, eine traurige, getragene Stimmung, und wie von weit her drang eine Stimme, beinahe ein Ruf, eine Aufforderung, und sie gab singend Antwort. Ein Wechselgesang entspann sich zwischen ihr, den Musikern und dem anderen Sänger, irgendwo von der Fensterwand her, Rede und Gegenrede, Vorwurf und Verteidigung, wurde kräftiger, drängender, mitreißend. Endlich trat die schlanke Gestalt vor, schritt durch den Raum auf Mara zu, ihre Stimmen im raschen Wechsel, sich steigernd, einander ergänzend. Einander umkreisen, um doch nie aufeinander zu treffen.

Reik hatte die Hände geballt, und er verstand, warum der Junge, warum Jurei schließlich mit tränenfeuchtem Gesicht vor seiner Mutter stand, die über seine Wange strich.

Schnell trat Reik vor, trat vor allem Enisa in den Weg und schloss das schluchzende, völlig aufgelöste Mädchen, das der Obhut seines Vaters entkommen war, in seine Arme. „Dein Bruder singt richtig gut.“

„Aye“, stimmte ihm das Mädchen leise zu. „Aber manchmal macht er mir Angst, wenn er so singt. Wenn er so fanatisch ist. Als gälten für ihn keinerlei Regeln, er verliert jedes Maß, überschreitet alle Grenzen.“


Mein Bruder

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