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Anwesen Remassey, Kirjat, weit im Herbst R. D. 15

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Im Rückblick konnte Jurei sich nicht entsinnen, wie sie überhaupt auf das unschöne Thema gekommen waren: Barreck und die Tatsache, dass dieser Kerl, der Mörder des manduranischen Königs, noch am Leben war.

Dabei hatte der Abend ausgesprochen erfreulich begonnen, als er von seinem kurzen Botengang auf Remasseys Anwesen zurückkehrte. Erst durfte er diesen wirklich grandiosen Sonnenuntergang bewundern, der den Himmel über Kirjat in ein Meer aus Flammen und Feuer verwandelte, der Anblick atemberaubend. Seine Stiefel und Kleidung waren nicht durchnässt und Schlamm bespritzt und Berit hatte sogar recht passable Laune, lud ihn ein, gemeinsam ein Glas Lequeil zu trinken. Dann aber dieser Name, verbunden mit den schlechtesten Erinnerungen an den Krieg. Nicht Jureis eigenen, doch er hatte viel, im Übermaß darüber gehört. „Er wurde nie geschnappt?“

Remassey winkte wortlos ab, betrachtete starr sein Glas.

„Ich stell mir vor, der hat sich in irgend ‘nem dunklen, versifften Loch verkrochen. Ist völlig heruntergekommen, seine alten, vergammelten Klamotten zerrissen und löchrig. Unrasiert und nach altem Mann stinkend.“ Das letzte hätte er besser nicht laut ausgesprochen, auch Remassey war ein alter ... älterer Mann. Hastig trank er einen Schluck von dem hervorragenden Branntwein.

Berit ließ sich nichts anmerken. „Aber am Leben, immer noch, da hilft auch dieses wirklich eindrückliche Bild nicht, das du da gerade gemalt hast.“

„Na ja, Marok lebt ja auch noch.“, gab er zu bedenken.

„Ständig bewacht von einem halben Dutzend Wächtern und voller Argwohn und Angst, weil ihm die eigenen Leute ... ein nicht unbeträchtlicher Anteil der eigenen Leute den Tod wünscht. Irgendwann habe ich aufgehört zu zählen, wie viele Attentatsversuche auf ihn gescheitert sind. Kein schönes Leben.“

„Wohl nicht.“ Jurei zuckte die Achseln. Er konnte den Mann, Herrscher über Kalimatan, nicht ehrlich bedauern. Letztendlich war der dafür verantwortlich, dass sein Vater in jenem Krieg umgekommen war, seine Mutter...

„Stimmt es eigentlich, dass sie ... meine Mutter ein Kopfgeld auf seine, also Barrecks, Ergreifung ausgesetzt hat?“ Er hatte das mal ... neulich erst wieder gehört.

„Aye, das ist korrekt. Sie wollte den Kerl damals vor allem aus Samala Elis fern halten, später ...“ Eindringlich musterte Remassey ihn. „Komm jetzt aber nicht auf dumme Gedanken.“

„Nee“, widersprach er, ein bisschen zu heftig. Der Branntwein zeigte langsam Wirkung. „Den überlass ich anderen.“

„So?“ Der langjährige Kommandant der Grenztruppen, seit Jahrzehnten ein erfolgreiche Kaufmann, war viel zu aufmerksam, sehr viel wacher als er. „Wer steht denn dann auf deiner Liste?“

„Ich hab‘ doch keine Liste, das ... ist bloß so ein Gedankenspiel“, versuchte er abzulenken. „Ich habe nicht wirklich vor, ihn ...“ Jetzt konnte er es auch aussprechen. „... Marok zu töten, das“ hatte halt noch immer keiner. „Gibt dort drüben ja genügend, die das wollen, und irgendwann schafft es auch einer. Oder eine.“

Remassey schien mitnichten überzeugt. „Lass es, Jurei. Es gibt sehr viel sinnvollere Aufgaben im Leben, auch in deinem Leben.“

„Ja ...“ Nur hatte er die, diese sinnvolle Aufgabe, für sich noch nicht gefunden. Andere waren in der Hinsicht erfolgreicher, vielleicht auch bloß weiter, und womöglich sollte er das allzu persönliche Thema wirklich nicht ansprechen. Obschon es auf den Straßen Kirjats, mehr noch in den Gasthäusern immer noch offen diskutiert ... durchgehechelt wurde. Was Remassey bestimmt nicht glücklicher machte. „Verzeih, wenn ich ...“

„Dann mach es doch auch nicht, Jurei“, fiel Remassey ihm harsch ins Wort. „Dann sprich das Thema, das angebliche Verschwinden meiner Tochter ... Sie ist mit dem Kerl, diesen verdammten Priester durchgebrannt! Tu mir den Gefallen und red nicht davon.“

„Aye“, betreten senkte er den Kopf. „Tut mir leid.“

„Mir tut es leid“, Remassey trank sein Glas in eins leer. „Es hätt‘ nur nichts besser gemacht, hätte ich den Kerl damals erschlagen.“

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