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Schlüsseljahr 1989

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Ein zentraler Moment war das Jahr 1989, als der Staatssozialismus im damals kommunistischen Osten zusammenbrach. Der »freie Westen« – so klang der Nachhall des Kalten Krieges – hatte in der »Konkurrenz der Systeme« gesiegt. Im selben Jahr verkündete der amerikanische Politologe Francis Fukuyama das »Ende der Geschichte«. Fukuyama entwarf eine Vorstellung über den politischen Prozess, die genau das Gegenteil ist von einem Bild der Politik als zukunftsgestaltende Kraft. Für Fukuyama war das politische Gefüge der westlichen Demokratie im Jahr 1989 in keiner Krise, sondern hatte seinen historischen Höhepunkt erreicht. Die liberale Demokratie hätte sich, so meinte Fukuyama, weltweit als die überlegenere Staatsform erwiesen – begleitet von einem globalen Kapitalismus, der als einzige funktionierende Wirtschaftsform übriggeblieben sei.

Ähnlich schrieb bereits Anfang 1989 der eher linke Ökonom und Wirtschaftshistoriker Robert Heilbroner: »Der Kampf zwischen Kapitalismus und Sozialismus ist beendet: Der Kapitalismus hat gesiegt.«5

Milton Friedman, einer der Anführer der Chicago School of Economics, welche die Herrschaft der freien Märkte forderte, und der damals der berühmteste US-Ökonom war, gab 1990 seiner Fernsehserie vor einem Millionenpublikum den Titel »The Failure of the Socialism«.6 Gemeint war »der Sozialismus« in der Einzahl, worin auch der amerikanische Sozialstaat miteingeschlossen war.

Friedman und Fukuyama stehen für die neoliberale Vorstellung, dass nur der Kapitalismus letztlich zur Demokratie führe, weil der Freiheitsraum des Kapitalismus erst die Bedingungen schaffe, unter denen Demokratie überhaupt möglich sei. So schrieb Fukuyama: »Am Ende der Geschichte gibt es keine ideologische Konkurrenz mehr zur liberalen Demokratie.« Für ihn waren mit dem Jahr 1989 und dem Sieg über den Sozialismus alle grundlegenden Fragen der Gesellschaft gelöst. Das bestehende Wirtschaftssystem des »Westens« könne, so meinte er, unangefochten weitermachen, ohne sich im Kern ändern zu müssen. Nur so könne der materielle Wohlstand grenzenlos steigen. Darüber hinaus sei eine weitere positive Entwicklung nicht mehr möglich. Nach Fukuyama kann man sich also kein besseres System ausdenken. Also wieso dann überhaupt über die Zukunft diskutieren? Wenn es nicht besser werden kann, braucht es auch keine Debatten um grundlegende Richtungsentscheidungen mehr.

Fukuyamas Gedanken können als spezielle Variante des Neoliberalismus verstanden werden. Er fängt den Geist dieser Zeit auf besondere Weise ein. Fukuyama beschreibt einen Entwicklungspfad, der erst ab den 1990er-Jahren zur vollen Entfaltung kommen sollte: ein globales und dynamisches Wirtschaftssystem ohne eine globale Regierung, begleitet von einer rhetorischen Abwertung der Politik und dem immer stärkeren Verschwinden der politischen Phantasie.

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