Читать книгу Es darf gelacht werden Von Männern ohne Nerven und Vätern der Klamotte - Norbert Aping - Страница 12

Neuer Ansatz und Inhalt

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Das vorliegende Buch schließt eine Lücke in der Geschichte des deutschen Fernsehens in beiden deutschen Staaten. Seit meinem Dick und Doof Buch, das ich zuletzt 2014 für die Taschenbuchausgabe aktualisiert habe, hat es keine Buchveröffentlichung gegeben, die sich den Slapstickserien im Fernsehen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR widmet. Der neue Serien Guide von Thomas Hruska und Jovan Evermann (Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2004) schließt die Slapstickserien durch die Definition, welche Serien aufgenommen wurden, praktisch aus. Das Lexikon der britischen und amerikanischen Serien, Fernsehfilme und Mehrteiler in den Fernsehprogrammen der Bundesrepublik Deutschland 1953–1985 für ARD und ZDF (Wissenschaftsverlag Volker Spieß, Berlin 1991), das Irmela Schneider, Christian W. Thomsen und Andreas Nowak herausgegeben haben, ist mehr eine statistikartige Übersicht. Sie wurde von einer großen Studentengruppe erarbeitet, die sich in der Aufgabenstellung auf rudimentäre Angaben beschränkt hat. Es erscheinen nur wenige Slapstickserien, ganz überwiegend nur die bekannten. Viele Slapstickserien sind als solche nicht erkannt worden und fehlen daher, darunter Werner Schwiers Pionier-Serie ES DARF GELACHT WERDEN und auch die drei genannten Serien, die mir früher entgangen waren. Die Forschungen sind später über 1985 hinaus nicht fortgeführt worden. Das Fernsehlexikon von Michael Reufsteck und Stefan Niggemeier aus dem Jahr 2005 greift im Bereich der Slapstickserien lediglich auf Ergebnisse meines erstmals 2004 erschienenen Dick und Doof Buches zurück.

Im Zentrum des vorliegenden Buches stehen lexikalisch aufbereitet die Serien mit ihren Komikern, ihre Hintergründe, die Produktion, ihre «Macher», soweit erreichbar die Reaktionen des Publikums nach den Ergebnissen der Zuschauerforschung (deren durchaus kritisch zu sehende Arbeitsweise im Anhang 4 erläutert wird). Wenn Serien auf Bildträgern und Schallplatten verfügbar waren oder sind, wird dies auch erwähnt. Jede Serie wird mit Sender, Anzahl der Folgen, Sendezeitraum und möglichst ausführlichen Credits eingeleitet. In wenigen Fällen ließen sich solche Informationen nach mehreren Recherche-Ansätzen nicht mehr beschaffen. Die Einträge behandeln auch Sendeanstalten, Programmformate, Sendeplätze und politische Aspekte. Die Serien werden zudem im Kontext der deutsch-deutschen Fernsehpolitik im Kalten Krieg betrachtet. Die deutsch-deutsche Nachkriegs-Konfrontation entstand sehr schnell. Beide Systeme bekämpften einander: die Tri- und Bizone und folgend die Bundesrepublik Deutschland den Kommunismus und die sowjetische Besatzungszone und die aus ihr hervorgegangene DDR die aus ihrer Sicht kapitalistische und militaristische Bonner Republik. Auf dem Mediensektor befürchtete man lange, das Fernsehen des einen Staates könne die Zuschauer des jeweils anderen deutschen Staates politisch beeinflussen. Man beobachtete sich gegenseitig aufs Genaueste, und beide Seiten folgten dabei aus ihrer Sicht einige Zeit dem Leitgedanken des gesamtdeutschen Auftrages des Fernsehprogramms. Was jedem Lager missfiel: Die Zuschauer blickten immer wieder ins gegnerische TV-Programm. Denn allen Grenzanlagen zum Trotz konnte das Fernsehen den Äther nahezu frei passieren. Programmatische Zusammenarbeit beider deutscher Fernsehsysteme war von Feindbildern bestimmt und von der Nichtanerkennung der DDR durch die Bundesrepublik Deutschland. Mit Beginn der sozialliberalen Koalition mit Bundeskanzler Willy Brandt an der Spitze setzte eine schrittweise Annäherung ein, aus der ein wechselseitiger Handel mit den Programmen entstand (Dittmar, S. 21).

Die Fernsehsysteme beider deutscher Länder konkurrierten von Beginn an miteinander. In der seit 1950 erscheinenden bundesdeutschen Zeitschrift fernseh-informationen beobachtete man in dem Beitrag «Fernseh-Vorbereitungen in der Ostzone. Auch hier ein Wettlauf zwischen Ost und West», dass in Ost-Berlin «gegenwärtig mit bemerkenswerter Intensität am Aufbau eines Rundfunk- und Fernsehtechnischen Instituts gearbeitet» werde (Ausgabe vom 1. November 1950, S. 7). Das bundesdeutsche Fernsehen begann zunächst am 12. Juli 1950 mit einem Testbild, das der im Hochbunker auf dem Hamburger Heiligengeistfeld beheimatete Nordwestdeutsche Rundfunk (NWDR) sendete. Er versorgte zunächst Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. Um dem DDR-Fernsehen zuvor zu kommen, wurden die Vorbereitungen für ein Versuchsprogramm des NWDR intensiviert, und ab dem 27. November 1950 strahlte der Sender sein Versuchsprogramm an drei Tagen pro Woche von 20:00 bis 22.00 Uhr aus. 1951 berichteten die fernseh-informationen in dem Artikel «Ein Blick hinter den Eisernen Vorhang: Die Fernseh-Vorbereitungen in der Ostzone» von baulichen Fortschritten in Adlershof, wo im Juli des Jahres das Richtfest stattfand (Ausgabe vom 1. Juli 1951, S. 8–10). Im Osten Berlins gab die Generalintendanz des Demokratischen Rundfunks die Anweisung aus, um jeden Preis zu senden: «Wir müssen jetzt jeden Tag mit einer Stunde ‹draußen› sein zu einer feststehenden Zeit, um die Frequenz zu belegen, die uns auf der Internationalen Wellenkonferenz zugeteilt worden ist» (Hickethier-Hoff, S. 101, 102, mit Nachweis). Doch der Start zog sich hin. Als durchdrang, dass der NWDR womöglich schon vor Jahresende mit seinem regulären Programm beginnen wollte (offiziell wurde der Jahresbeginn 1953 genannt), nahm die Geschwindigkeit des Wettlaufs Fahrt auf. Der NWDR wollte sich die TV-Hoheit in West-Berlin nicht vom Fernsehzentrum Berlin-Adlershof nehmen lassen und beweisen, von dort aus in die DDR senden zu können. Deswegen liefen die Vorbereitungen in Ost-Berlin für ein «offizielles Versuchsprogramm» auf Hochtouren, und die Devise lautete: «Unbedingt noch im Dezember 1952!» Obwohl echte Programmressourcen fehlten, kam das Fernsehzentrum Berlin-Adlershof der bundesdeutschen Konkurrenz zuvor: Ab dem 21. Dezember 1952 wurde das tägliche «offizielle Versuchsprogramm» gesendet. Dass es zu diesem Zeitpunkt nur sehr wenige Empfangsgeräte in der DDR gab, sah man nicht als Hinderungsgrund an. Wegen der offenen deutsch-deutschen Grenze hoffte man in der DDR, die Zahl der Fernsehgeräte durch Käufe aus dem Westen bald steigern zu können (Selbmann, S. 30). Im Dezember 1952 gab es in der DDR nach unterschiedlichen Quellen zwischen 57 und 75 Empfangsgeräte (Dittmar, S. 68), die damals pro Stück nahezu unerschwingliche 3 500 Mark kosteten (Stemmler in: Riedel, S. 78). Demgegenüber sollen zum selben Zeitpunkt für den Empfang des bundesdeutschen Fernsehens rund 4 000 Endgeräte zur Verfügung gestanden haben. Das Fernsehmuseum in Wiesbaden gibt die Anzahl der Fernsehteilnehmer in der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin für März 1953, gestützt unter anderem auf die Zeitschrift Rundfunktechnische Mitteilungen allerdings mit 1 117 Personen an (http://www.fernsehmuseum.info/fernsehzuschauer-statistiken.html). Für den NWDR war der Sendestart aus Berlin-Adlershof eine schwere Schlappe, und «der Stachel saß tief» (Dittmar, S. 70). Daran vermochten weder die eilige Vorverlegung des Sendebeginns des eigenen regulären täglichen Programms auf den 25. Dezember 1952 etwas zu ändern noch der Umstand, mit einem abwechslungsreicheren Programm als das aus dem Fernsehzentrum Berlin-Adlershof auf Sendung zu gehen. Das Wettrennen war verloren.

Der erste Slapstickfilm im deutschen Fernsehen der Nachkriegszeit lief im Programm des NWDR am 15. April 1953: Laurel und Hardys Westernparodie DICK UND DOOF IM WILDEN WESTEN (WAY OUT WEST, 1937). In TV-Zeitschriften war davon nichts zu lesen. Da das bundesdeutsche Fernsehen in der DDR beobachtet wurde, wurde die Sendung aber von der Arbeitsgruppe Programm und Information des Fernsehens der DDR in der internen Dokumentation Spielfilme im Fernsehen der BRD 1952 bis 1980 (Kinospielfilme) festgehalten (Erdmann/Flesch, S. 52). Die 1982 zusammengestellte Dokumentation wurde in der Bundesrepublik erst nach der deutschen Wiedervereinigung bekannt. Ab dem 1. November 1954 gab es dann das bundesweite TV-Programm der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland, kurz ARD. In der DDR endete das tägliche «offizielle Versuchsprogramm» des Fernsehzentrums Berlin-Adlershof am 2. Januar 1956. Am Tag darauf begann das reguläre Programm des Deutschen Fernsehfunks. Der Kalte Krieg blieb.

Einige Stichworte im Lexikonteil betreffen mittelbar die Slapstickserien oder dienen der Abgrenzung. Die ARD-Serien HEUTE LACHT MAN DARÜBER und FILMSPÄSSE AUS PARIS dürften in Verbindung mit Schwiers erfolgreicher Serie ES DARF GELACHT WERDEN stehen. Die eine Serie belebte die augenzwinkernde witzige Kommentierung dramatischer Stummfilme durch einen Film-Erklärer in Schwiers Art aufs Neue. Die andere Serie knüpfte unmittelbar an den Slapstick alter Art an mit kurzen Filmen, die Anfang der 1960er-Jahre gedreht wurden. Die US-Serie FRACTURED FLICKERS wurde nicht deutsch bearbeitet, sie war aber Bob Monkhouses Vorbild für die MAD MOVIES. ALS DIE BILDER LAUFEN LERNTEN. Die Zeichentrickfilmserien LAUREL AND HARDY und DIE KLEINEN STROLCHE sind aufgenommen, weil sie aufgrund ihrer Vorbilder aus dem Realfilm entstanden sind. In wenigen Fällen konnten Serieninhalte nicht geklärt werden, die Sendetitel lassen aber einen Bezug zum Slapstick vermuten. Nicht zuletzt hat es in beiden deutschen Staaten Vorläufer aus dem Slapstickbereich außerhalb (eigener) Serien gegeben, die aber als Wegbereiter gelten können. Willi Schwabes RUMPELKAMMER gehört mit einem eigenen Eintrag dazu. Die frühen bundesdeutschen TV-Serien BLICK ZURÜCK IM FILM, KINTOPP-ERINNERUNGEN, LIEBLINGE UNSERER ELTERN, PREMIEREN VON GESTERN und WIE GEWÜNSCHT sind nicht aufgenommen. Sie befassen sich entweder ganz mit deutschen UFA-Filmen oder im Falle von WIE GEWÜNSCHT neben anderen Themen der Serie wie Show und Bühnenaufführungen ebenfalls mit deutschen Spielfilmen. Lediglich in der letzten zehnminütigen Folge der KINTOPP-ERINNERUNGEN wurden Laurel und Hardy, das dänische Duo Pat und Patachon und der Slapstick berührt. Es ging um Komiker-Teams, die im Übrigen aus Deutschland stammten: Wolfgang Neuss und Wolfgang Müller, Joseph Schmitz und Jupp Hussels sowie Hans Moser und Theo Lingen. Die kurze Serie HEITERE LEINWAND behandelte filmische Themen, auch die Komik, aber nicht das Slapstickgenre. WESTERN VON GESTERN ist selbstverständlich keine Slapstickserie. Sie wird aber erwähnt, weil zunächst Caloué sie auf seine bewährte Art bearbeiten sollte. Nicht in den Kreis der Slapstickserien gehört auch Dieter Hallervordens Serie NONSTOP NONSENS, die im März 1975 im ARD-Hauptprogramm begann. Sie enthält zwar hin und wieder Slapstickelemente, und Hauptfigur der ersten beiden Folgen ist Herr Slap. Die Comedy-Serie ist jedoch eine Mischung aus szenenartigen Geschichten, Sketchen, gespielten Witzen und Liedern, die sich manchmal ans Kabarett anlehnen.

Wie im Abschnitt «Ein langer Weg ins Fernsehen» dargestellt, hat der Slapstickfilm eine sehr große Bandbreite. Er ist nicht nur in den USA beheimatet und ein Genre des Stummfilms. Die US-Produktionen reichten weit in die Tonfilmzeit hinein bis 1959. Prominenteste Beispiele für den Slapstick im Tonfilm sind Laurel und Hardy und die Three Stooges. Das Trio steht in der Tradition der Sennett-Grotesken. Slapstick europäischer Prägung gab es vor allem in deutschen Max-Linder-Serien sowie in den arte-Serien FRÜHE KOMIKER und DER KOMISCHE KINTOPP. Zum europäischen Slapstick gehört auch Karl Valentin, der erste Slapstickfilme in den 1910er-Jahren drehte und in der Tonfilmzeit bedeutende Kurzfilme.

Spielfilme, Retrospektiven, Hommagen, Kompilationen und Weihnachtsprogramme im deutschen Fernsehen Ost und West, die zum Slapstickgenre zählen, sind keine Serien und daher nicht im Buch zu finden. Dieser Bereich bleibt einer eigenen Veröffentlichung vorbehalten. Der Eintrag zur CHAPLIN-RETROSPEKTIVE bei N3 im Frühjahr 1973 betrifft eine Serie, die lediglich Retrospektive genannt wurde. Die Serie beschränkt sich auf wenige Filme aus einem Zeitraum weniger Jahre. Eine möglichst umfassende Werkschau auf eine Schaffenszeit von rund 60 Jahren ist dies nicht.

Die Chronologie der Serien im Anhang 1 ermöglicht, die Einträge in der zeitlichen Aufeinanderfolge der Serien auch als Entwicklungsgeschichte zu lesen. Kurzporträts von Fernsehschaffenden und einigen Firmen sowie die Auflistung von Slapstickkomikern und einigen Produktionsstudios befinden sich in den Anhängen 3 und 5. Auf die Auflistung sämtlicher Einzelfolgen mit ihren genauen Filminhalten, Inhaltsbeschreibungen, Credits und Synchronbesetzungslisten musste aus Platzgründen verzichtet werden. Bei um die 1 000 Serienfolgen mit deutlich mehr Filmen hätte das den zur Verfügung stehenden Rahmen bei weitem gesprengt. Das bleibt daher einer geeigneten anderen Publikation vorbehalten. Die Komiker, die in einer Serie zu sehen waren, sind aber immer möglichst vollständig genannt. Viele Filminhalte werden skizziert. Wenn sich die Originalfilme identifizieren ließen, werden zusammen mit dem deutschen Sendetitel stets die Originaltitel und das Jahr der Veröffentlichung genannt.

Zum Abschluss ein Wort zum Copyright. Die auf langwierigen Recherchen beruhenden Ausführungen und Ergebnisse genießen uneingeschränkt Urheberrechtsschutz und dürfen nur mit schriftlicher Erlaubnis verwendet werden, in welchem Medium auch immer.

Buxtehude im November 2020

Norbert Aping

Es darf gelacht werden Von Männern ohne Nerven und Vätern der Klamotte

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