Читать книгу Es darf gelacht werden Von Männern ohne Nerven und Vätern der Klamotte - Norbert Aping - Страница 9

Vom Kino zu den ersten Serien

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Klassische US-Komiker aus der Stummfilmzeit wie Chaplin, Buster Keaton, Laurel und Hardy und Harold Lloyd, aber auch Komiker wie Monty Banks, Charley Chase, Lupino Lane, Larry Semon und Ben Turpin waren in der Weimarer Republik Kino-Magneten gewesen. Schon vor über 100 Jahren gelang es, das Publikum selbst in schwierigsten Zeiten mit entwaffnender Unbefangenheit und schier unerschöpflichem Erfindungsreichtum zum Lachen zu bringen. Keaton, Lloyd und Laurel und Hardy konnten sich auch im Dritten Reich behaupten, das Komiker-Duo noch bis 1938. Es entstand in Deutschland ein Slapstick-Vakuum, das nach dem Zweiten Weltkrieg bis zum Ende der 1950er-Jahre in der Trizone und dann in der Bundesrepublik Deutschland letztlich nur von Laurel und Hardy und Chaplin etwas gefüllt werden konnte, gefolgt von Pat und Patachon im großen Abstand. In der DDR hingegen kam nur ein einziges Chaplin-Programm in die Lichtspielhäuser, das man aus der Bundesrepublik angekauft hatte.

Abgesehen davon waren US-Slapstickfilme der Stummfilmzeit nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht nur in Deutschland mehr oder weniger in Vergessenheit geraten. Im Fernsehen beider deutscher Staaten kamen nur sehr sporadisch sehr wenige Slapstickfilme oder Ausschnitte daraus ins Programm. Informationen dazu sind im Hauptteil des Buches unter den Stichwörtern «Vorläufer im bundesdeutschen und im DDR-Fernsehen» zusammengetragen. Als Robert Youngson Anfang 1958 seinen ersten Kompilationsfilm THE GOLDEN AGE OF COMEDY mit Ausschnitten aus stummen Slapstickgrotesken der Studios von Mack Sennett und Hal Roach in die US-Kinos brachte, konnte er das Interesse des breiten Publikums an diesem Genre wieder erwecken. Seine Zusammenstellung führte vor, wie erfindungsreich, originell und unkonventionell diese Filme sind, und die Kinogänger lachten wieder lauthals in den Kinos.

Youngsons THE GOLDEN AGE OF COMEDY erlebte unter dem Titel KINTOPPS LACHKABINETT im Dezember 1959 seine bundesdeutsche Premiere und war so erfolgreich, dass die Kompilation bis zum Frühjahr 1961 in den Kinoprogrammen blieb. Die US-Fortsetzung WHEN COMEDY WAS KING vom Februar 1960 wurde schon Anfang Juni des Jahres in der Bundesrepublik mit dem Titel ALS LACHEN TRUMPF WAR gestartet (Aping, Dick und Doof, S. 314–322). In der DDR liefen Youngsons beide Filme in umgekehrter Reihenfolge 1963 und 1964 in den dortigen Kinos, und THE GOLDEN AGE OF COMEDY wurde als LACHPARADE neu bearbeitet (Aping, Dick und Doof, S. 363–366). Diese Kompilationen hatten in beiden deutschen Staaten die Wirkung eines Katalysators. In die Zeit vor der bundesdeutschen Erstaufführung von KINTOPPS LACHKABINETT fallen die ersten zaghaften bundesdeutschen Versuche, Slapstick als Serie ins Fernsehen zu bringen. Das geschah nicht im ARD-Hauptprogramm, sondern 1959 im Werbefernsehen, das nur regional empfangen werden konnte. 1956 hatte es in Bayern begonnen. Aber die Produktionen des Bayerischen und des Westdeutschen Werbefernsehens, das CINEMATOGRAPHEN-THEATER und AUS DER FLIMMERKISTE, gestartet im April bzw. Oktober 1959, verschwanden schnell wieder.

Hier kommt der künftige Medien-Mogul Leo Kirch ins Spiel. Er hatte nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges mit den verschiedensten Waren Handel getrieben und dann enorme Möglichkeiten im Handel mit Filmrechten erkannt. 1956 war er mit dem Fellini-Spielfilm LA STRADA (1954) dort erfolgreich eingestiegen. Im selben Jahr hatte sein Partner Hans Andresen die deutschen Aufführungsrechte für fast sämtliche kurzen Tonfilme von Laurel und Hardy aus den USA erworben. Da der Verleiher Erich J. A. Pietrek umfassend über deutsche Kinorechte an Filmen des Duos verfügte, nicht aber auch über TV-Rechte, war Kirch bis auf Weiteres auf jene beschränkt. 1956 ließen sich die Filme im bundesdeutschen Fernsehen jedoch nicht platzieren (Aping, Dick und Doof, S. 329–331).

Seitdem hatte sich jedoch die Fernsehlandschaft politisch verändert. Der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer suchte seit Mitte der 1950er-Jahre nach Möglichkeiten, das Fernsehen politisch zu nutzen. Dies ließ sich nach seiner Überzeugung bei der ARD und den Landesrundfunkanstalten, allesamt öffentlich-rechtlich organisiert, nicht durchsetzen. Das mündete am 5. Dezember 1958 in die Gründung der Freies Fernsehen GmbH, um ein zweites, kommerziell gestütztes bundesdeutsches Fernsehprogramm zu lancieren. Es scheiterte schließlich. Nachdem Adenauer im Herbst 1959 keine Mehrheit für ein neues Rundfunkgesetz erreicht hatte, das das Nebeneinander von ARD und einem solchen zweiten Programm rechtlich ermöglichen sollte, wurde Ende Juli 1960 die Deutschland-Fernsehen GmbH staatlich gegründet. An ihr sollten der Bund zu 51 % und die Länder zu 49 % beteiligt sein. Die Deutschland-Fernsehen GmbH sollte Inhaberin der Senderlizenz für ein zweites TV-Programm werden und sich durch Werbeeinnahmen finanzieren. Für die Vergabe der Lizenz war damals das Bundespostministerium zuständig. Das neue Programm sollte mit Produktionen der Freies Fernsehen GmbH gestaltet werden. Im Herbst 1960 klagten einige Bundesländer vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Gründung der Deutschland-Fernsehen GmbH, weil sie ihre Rundfunkhoheit verletzt sahen (Hickethier, S. 114–117; Böttger, S. 33–37). Im Urteil vom 28. Februar 1961 erklärte das Bundesverfassungsgericht die Gründung für verfassungswidrig (2 BvG 1, 2/60). Daraufhin beschlossen die Ministerpräsidenten der Bundesländer, ein zweites deutsches Programm als gemeinnützige Anstalt des öffentlichen Rechts ins Leben zu rufen. Es sollte von der ARD unabhängig sein. Auf diese Weise entstand das ZDF. Um die Zeit bis zum Sendebeginn des ZDF zu überbrücken, vereinbarten die Ministerpräsidenten weiter, von Anfang Juni 1961 bis zum 30. Juni 1962 ein zweites öffentlich-rechtliches ARD-Programm bundesweit auszustrahlen. Im Mai 1961 wurde ein regionaler Testlauf des HR vorgeschaltet. ARD2 sendete schließlich bis zum 31. März 1963. Am Tag danach nahm das ZDF seinen Sendebetrieb auf (Wehmeier, S. 30–33).

1959 hatte Kirch über seine Firmen Sirius-Film GmbH bzw. Beta Film GmbH & Co. Vertriebsgesellschaft (Beta Film) der ARD über die Degeto GmbH (Degeto) Senderechte für Kinospielfilme und fremdsprachige TV-Serien verkauft. Nach der Gründung der Deutschland-Fernsehen GmbH sah er eine reale Chance, das 1956 erworbene Laurel-und-Hardy-Paket ans Fernsehen zu verkaufen. Zu Kirchs Geschäftsmodell gehörte nicht nur der Lizenzverkauf, sondern auch die Lieferung deutscher Fassungen von fremdsprachigen Filmen und Serien, die bisher nicht deutsch synchronisiert worden waren. Mit der 1960 gegründeten und in München ansässigen Beta Technik Gesellschaft für Filmbearbeitung mbH (Beta Technik) verdiente er ein zweites Mal Geld. Im Herbst 1960 begannen dort die Arbeiten an der deutschen Fassung der Laurel-und-Hardy-Filme. Sie waren im April 1961 nach dem Aus des Adenauer-Fernsehens abgeschlossen, als die vorproduzierten Programme der Freies Fernsehen GmbH bereits brach lagen. Aus dem Lizenzgeschäft von 1959 kannte Kirch den ehemaligen Pfarrer Werner Hess, der seit Dezember 1960 als Fernsehdirektor des Hessischen Rundfunks amtierte. Hess wurde im April 1962 zum Intendanten des Senders gewählt und übernahm den Vorsitz des Aufsichtsrates der Degeto. Der HR-Fernsehdirektor plante für den Testlauf von ARD2 Slapstickfilme ins Programm zu bringen (Aping, Dick und Doof, S. 331–344, 346–348). Kirch saß an der Quelle – zumal gemunkelt wurde, Hess und er hätten so etwas wie ein familiäres Verhältnis zueinander gepflegt (Radtke, 52, 53).

In dieser Situation kam Werner Schwier in den Blick. Seit Beginn der 1950er-Jahre war er gemeinsam mit dem Pianisten Konrad Elfers als Film-Erklärer live mit Stummfilmen aufgetreten, die er ironisch kommentierte. Näheres dazu ist in dem Abschnitt EIN LANGER WEG INS FERNSEHEN nachzulesen. Schwier war 1959 nach seinem Ausscheiden beim Göttinger Filmverleih Neue Filmkunst Walter Kirchner zur Beta Film gekommen. Auf Ankaufsreisen unter anderem in die USA erweiterte er ihren Filmstock um zahlreiche stumme Slapstickfilme. Die Idee für die Gestaltung des geplanten Slapstickprogramms stammte von Schwier, sodass er den Serien-Klassiker ES DARF GELACHT WERDEN aus der Taufe hob. Nach einer Findungsphase von einigen Monaten nahm die Serie die Gestalt an, die aus CHARLIE CHAPLINS LACHPARADE von 1957 bekannt war. ES DARF GELACHT WERDEN hatte mit Einschaltquoten von bis zu 80 % pro Folge enormen Erfolg und machte den Slapstick auf den deutschen Bildschirmen populär.

Es darf gelacht werden Von Männern ohne Nerven und Vätern der Klamotte

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