Читать книгу Es darf gelacht werden Von Männern ohne Nerven und Vätern der Klamotte - Norbert Aping - Страница 16
Mack Sennett & Co.
ОглавлениеOb Kunst oder nicht: Wer lacht nicht gern? Und darf man nur lachen und sich nur dann damit beschäftigen, wenn das Genre im Allgemeinen und der einzelne Film im Speziellen die Absolution der Kunst empfangen haben? Selbstverständlich können nicht alle der zahllosen Streifen des Slapstickgenres nur Perlen sein. Dennoch unterhalten die meisten von ihnen ihr Publikum. Abgesehen von schlicht misslungenen Streifen ist das Problem mancher Filme trotz guter Ideen ihre nicht konsequent und nicht schlüssig über die gesamte Länge durchgehaltene Konstruktion. Billy Dooley spielte in den Produktionen von Al Christie einen tollpatschigen, leicht unterbelichtet wirkenden Matrosen. Seine Filme enthalten viele wirklich lustige Szenen, sie haben aber auch «tote Momente». Solche Längen mindern unweigerlich das Vergnügen. Offenbar verlangt es besondere Qualitäten, die Zuschauer von Anfang bis Ende ohne Leerlauf mit geschickt aufeinander aufbauenden Gags zu unterhalten. Spitzenkomiker wie Chaplin, Stan Laurel und Charley Chase überließen nichts dem Zufall und komponierten ihre Filme ähnlich sorgfältig wie es von Alfred Hitchcock bekannt ist. Der Meister des Suspense hat sein Publikum Schritt für Schritt informiert und dadurch die Spannung gesteigert. In schlechten Zeiten, oft nach Kriegen, wurde der Slapstickfilm als Seelenbalsam geliebt. Die so genannten «Sorgenbrecher» entführten in eine groteske Welt und ließen die Zuschauer allen Widrigkeiten zum Trotz, die die Gegenwart mit sich brachte, befreit lachen und sie für einen Moment alles um sich herum vergessen (Aping, Chaplin, S. 15, 106). In den Kinos war das ein gemeinschaftliches Erlebnis, das das Lachen verstärkte.
Stan Laurel, der geistige Kopf des weltberühmten Duos Laurel und Hardy, antwortete einmal auf die Frage nach einem «todsicheren Rezept», Menschen zum Lachen zu bringen: «Keine Ahnung. Wenn ich es wüsste, wäre ich ein reicher Mann.» Wie bei allem, was Menschen künstlerisch anspricht, geht es um Talent und Fantasie, also um höchstpersönliche Originalität – und auch eine gewisse Magie. Das lässt sich nur zum Teil erlernen. Die Filmkünstler mussten sich etwas einfallen lassen, die Reaktion des Publikums abwarten, daraus lernen und Ideen fortentwickeln. Denn eine gute Idee lässt sich nicht beliebig ausmelken. Sie nutzt sich schnell ab und hat schon beim ersten Aufguss den Reiz des Besonderen verloren.
Mack Sennetts wilder Slapstick bekam in den USA schnell Konkurrenz anderer Studios. Sie eiferten Sennetts Verständnis von Slapstick meistens nach – je wilder und abgedrehter, desto besser, natürlich mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Nur wenige wie Larry Semon kreierten mit atemberaubenden, akrobatischen Szenen voller Stunts und guten Kulissen etwas Unverwechselbares. Einst ernsthafter Konkurrent Chaplins, sank Semons Stern durch die zunehmende Verbindung von Slapstick mit Drama und immer bombastischere Sets. Sennetts größter Mitbewerber wurde Hal Roach. Er produzierte auch temporeiche Slapstickfilme, aber gleichzeitig hatten sie gut konstruierte Stories (Roberts, S. XVII ff). Da Al Christie in den Streifen seiner Produktion ebenfalls gute Stories mit einer gehörigen Portion Slapstick mischte, sah Roach in ihm seinen schärfsten Konkurrenten. Sennett geriet ins Hintertreffen. Wie in der Anfangszeit des US-Slapstickfilms versuchten kleinere Produktionen wie Arrow, Mermaid und Mirthquake sich Marktanteile an dem beliebten Genre zu sichern. Als sich das Ende der Stummfilmzeit abzeichnete, fanden bekannte Komiker wie Jimmy Aubrey, Snub Pollard und Ben Turpin neue Engagements bei den Weiss Brothers, denen man uninspirierte Billig-Produktionen nachsagt. Manche Streifen haben das Pauschalurteil nicht verdient, andere wiederum bestätigen eher die Gerüchte. Von der großen Anzahl anderer Studios und ihrer Bandbreite war in den Fernsehserien kaum etwas zu sehen. So blieben Größen wie John Bunny, Mr. und Mrs. Drew (Gladys Rankin und Sidney Drew) sowie Flora Parker De Haven und ihr Ehemann Carter De Haven auf den Mattscheiben Unbekannte.
Das Ende der Slapstickära wird häufig auf 1929 und das Ende der Stummfilmzeit datiert. Serien kurzer Slapstickfilme wurden aber bis weit in die Tonfilmzeit produziert. Das spiegeln die Slapstickserien im bundesdeutschen Fernsehen ebenfalls wider. Das prominenteste Beispiel sind sicherlich Laurel und Hardy, denen der Übergang zum Tonfilm meisterlich gelang. Bis 1935 hat das Duo zahlreiche Kurzfilme gedreht, die Klassiker des Genres sind. Andere Komiker aus der Stummfilmzeit waren auch noch über Jahre in Kurzfilmen vertreten: Andy Clyde, Edgar Kennedy, Leon Errol, Buster Keaton, Harry Langdon, The Little Rascals und besonders Charley Chase. Seine Komik ist ähnlich originell wie die von Laurel und Hardy, unterscheidet sich aber völlig von der des Duos. Die Exponenten des wilden Slapsticks nach Sennetts Art in der Tonfilmzeit sind allerdings The Three Stooges, die ihre bis 1959 andauernde Erfolgsserie erst nach der Stummfilmzeit begannen. Zu den Highlights der Serie zählen die Streifen, die mit dem ehemaligen Sennett-Top-Regisseur Del Lord entstanden.