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Black America: Die Bürgerrechtsbewegung des Schwarzen Amerika

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Geburtsort der Philosophie und der Praxis des Empowerments war ohne Zweifel die Bürgerrechtsbewegung (civil rights movement) der schwarzen Minderheitsbevölkerung in den USA. Wenngleich die Bürgerrechtsbewegung in unserer europäischen Erinnerung aufs engste mit dem Namen Martin Luther King verbunden ist und mit dem von ihm inspirierten Flächenbrand der Aktionen zivilen Ungehorsams in den 1950er und 1960er Jahren, so knüpft diese Bewegung doch an Vorläufer an, die historisch weiter zurückreichen. Garrow (1989; 2004), Kirk (2013) und Ward/Badger (2001) haben in ihren detailreichen historischen Chronologien der Bürgerrechtsbewegung auf diese Vorläufer aufmerksam gemacht. Die Autoren lassen ihre Geschichtsschreibung in der Zeit des Zweiten Weltkrieges und in der unmittelbaren Nachkriegszeit beginnen. Sie benennen zwei Startimpulse: Da ist zum einen die Unabhängigkeitsbewegung der schwarzafrikanischen Staaten und das Ende der kolonialen Besatzungspolitik. Getragen von revolutionären Ideologien (Fanon; Memmi; Nkrumah) traten Massenorganisationen schwarzer Gegenmacht ins politische Leben, die Ressourcenausbeutung und ökonomische Enteignung, kulturelle und soziale Unterwerfung, politische Entrechtung und Fremdbestimmung durch koloniale Herrschaft zum Anknüpfungspunkt ihres »Rufes nach Freiheit« (Gandhi) machten. Die afrikanische Unabhängigkeitsbewegung, ihre politischen Begründungs- und Rechtfertigungsmuster und ihre erfolgreichen Instrumente des Widerstandes waren Lernstoff für die Architekten der amerikanischen civil-rights-Bewegung. Aber auch in den USA wurden schon früh die ersten Fundamente des organisierten Widerstands gegen eine offen rassistisch-segregative Politik und Alltagspraxis gelegt. Der erste »Marsch nach Washington« (1941), der unter dem Leitthema des »fair employment« für die Korrektur diskriminierend-ungleicher Zugangschancen zum Arbeitsmarkt, für die Einführung eines gesetzlich garantierten Mindestlohnes und für Mindeststandards arbeitsplatzbezogener Sicherung eintrat, war das erste Signal eines kollektiv sich organisierenden schwarzen Selbstbewußtseins. Die politischen Organisationen der schwarzen Bevölkerung, die sich schon Ende der 1940er Jahre konstituierten (Congress of Racial Equality – CORE; National Association for the Advancement of Colored People – NAACP; Southern Christian Leadership Conference – SCLC), waren das organisatorische Gerüst späterer Mobilisierungskampagnen.

Die jüngere Geschichte der Bewegung des Schwarzen Amerika beginnt Mitte der 1950er Jahre inmitten der restaurativen Roll-Back-Politik der McCarthy-Ära. Sie ist eng mit dem Wirken von Martin Luther King verknüpft, der – angeregt durch Arbeiten von Thoreau, DuBois, Gandhi zur Theorie des politischen Widerstands – durch seine Schriften, mehr noch aber durch seine charismatische Führerschaft zur Lichtgestalt eines neuen politischen Selbstbewußtseins der »black nation« wurde. Die unter dem Dach des Southern Christian Leadership Councils (1957 in Atlanta gegründet) sich organisierende Bewegung verfolgte eine Doppelstrategie: (1) Direkte Aktionen des gewaltfreien Widerstandes: Instrument des Widerstands waren konfrontative Strategien zivilen Ungehorsams – Aktionen also, die durch kalkulierte Regelverletzung (Besetzung von Rathäusern und Ämtern; Sitzblockaden; Boykott-Aufrufe u. a. m.) und gewaltfreien Widerstand die Muster rassischer Segregation aufbrechen ließen, die unter der dünnen Kruste der Gleichheitsideologie verborgen lagen. Waren diese Aktionen zivilen Ungehorsams zielgerichtete und – am Beginn des Medienzeitalters – für die laufenden Fernsehkameras publikumswirksam inszenierte Skandalisierungen rassischer Ungleichheit, so wirkte die zweite Strategie eher still im Hintergrund. (2) Multiplikatorenprogramme zur Aufklärung und Bewußtseinsbildung: Getragen von Aktivisten der Bürgerrechtsbewegung, später dann von der akademischen Jugend hatten diese Consciousness-Raising-Kampagnen im Armutsgürtel des amerikanischen Südens das Ziel, eine organisierte Allianz von Gegenmacht gegen rassische Diskriminierung und Segregation aufzubauen. Ihr Fokus lag auf unterschiedlichen Schlüsselstellen der Herstellung gleicher Rechte: Abschaffung aller Restriktionen im Hinblick auf die Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts (noch zu Beginn der 1960er Jahre mußten sich schwarze Bürger einem entwürdigenden Examen – voter registration test – stellen, um in den Besitz des Wahlrechtes zu gelangen); Alphabetisierung und die Einführung von kompensatorischen Bildungsprogrammen; Absicherung arbeitsplatzbezogener Risiken; Abbau von Schwellen des Zugangs zu Programmen der Erwachsenenbildung, der Gesundheitssicherung, der Wohn(qualitäts)sicherung. Beide Aktionsstrategien waren von einer integrativen Perspektive zusammengebunden – dem Glauben an eine demokratische Ressourcenschöpfung durch die Integration der schwarzen Minderheitsbevölkerung in eine gesellschaftliche Wirklichkeit geteilter und gerecht verteilter sozialer Rechte. Ein politisch buchstabiertes Verständnis von Empowerment war (ohne daß dieser Begriff schon zur Verfügung gestanden hätte) so stets roter Faden des Wirkens von Martin Luther King. Das Lebenswerk von M. L. King, so faßt dies Boyte (1984) zusammen, »war getragen von der Grundüberzeugung, daß ganz normale Menschen ihr Leben in die eigene Hand nehmen können. Die größte Leistung der Bürgerrechtsbewegung war für ihn die Auskehr schwarzer Bürger aus der Entmündigung und die Herstellung dessen, was er einmal ›ein neues Gefühl personalen Wertes‹ (a new sense of somebodyness) genannt hat« (Boyte 1984 zit. n. Simon 1994, S. 142).

Die Mobilisierung der schwarzen Bevölkerung im industriell und städtisch geprägten Norden der USA nahm einen anderen Verlauf. Militante Führer wie z. B. Elijah Muhammad (Nation of Islam) und Malcolm X (Organization of Afro-American Unity) formulierten eine radikale Absage an die Philosophie demokratischer Integration, die für King handlungsleitende Denkfigur war. Sie sahen in dieser politischen Orientierung eine ideologische Einzäunung der kollektiven Stärke der »black nation«. An die Stelle von kooperativer Verständigungsbereitschaft und gewaltfreiem Widerstand trat hier der Ruf nach schwarzem Nationalismus und separatistischer Politik, ein Ruf, der auch politisch motivierte Gewalt als Mittel gesellschaftlicher Transformation billigte und der gegen Ende der 1960er Jahre in Ghettokämpfen, in gewaltsamen Übergriffen in die weiße Welt und in Gegendemonstrationen der Macht eines bis an die Zähne bewaffneten Staates bedrückende Wirklichkeit wurde. Diese Spaltung in ein integrationistisches und ein separatistisches Lager hat der Bürgerrechtsbewegung viel von ihrer ursprünglichen Schwungkraft genommen. Sie schlug einen tiefen Graben in die solidarische Selbstorganisation des Schwarzen Amerika, der sich auch nach der Ermordung der zentralen Protagonisten beider Lager, Martin Luther King und Malcolm X, nicht mehr schließen ließ (zur Geschichtsschreibung der civil-rights-Bewegung vgl. Baldwin 2019; Riches 2017).

Die civil-rights-Bewegung – so können wir zusammenfassen – hat das Grundkapital einer (sich später dann ausdifferenzierenden) Praxis des Empowerment in politischer Selbstorganisation geschaffen: die Auskehr von Menschen aus ohnmächtiger Resignation und die aktive Aneignung von Bastionen der Macht; das Gewinnen von Stärke im Plural des Projektes kollektiver Selbstorganisation; die Entwicklung von durchsetzungskräftigen Instrumentarien eines strittigen bürgerschaftlichen Engagements. Ihre Entwicklungslinien lassen sich bis in die Gegenwart hinein verlängern. Die gerade in den 1990er Jahren mit neuer Kraft wieder aufgenommene Debatte um die Gestaltung einer partizipatorischen Demokratie, die eine bürgerferne Stellvertreter-Politik durch ein erweitertes Instrumentarium direkter Bürgerbefragung und basisdemokratischen Volksentscheids ersetzen möchte (zur Einführung in die Theorie der »participatory democracy« vgl. Bachrach 1992; Bherer/Dufour/Montambeault 2017; Zittel/Fuchs 2012), ist ein Zeichen der bis heute wirkenden produktiven Kraft der Bürgerrechtsbewegung. Ein anderes ist die bis in die Gegenwart hinein ungebrochene Lebendigkeit der von Martin Luther King inspirierten Tradition der »Marches on Washington«. Die politische Mobilisierung der schwarzen Bevölkerung durch die Nation of Islam und die aktuelle Protestbewegung der hispano-amerikanischen Bürger in den USA – ihr Eintreten für die Legalisierung illegaler Aufenthalte, für Einbürgerung und für den Erhalt von Ansprüchen auf öffentliche Sozial-, Gesundheits- und Erziehungsleistungen – sind so nur die letzten Glieder in einer ganzen Kette von Protestbewegungen, die dem Banner eines durch die Bürgerrechtsbewegung politisch buchstabierten Empowerment-Verständnisses folgen.

Empowerment in der Sozialen Arbeit

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