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2.2 Individualisierung und Empowerment

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Die Entwicklung der Neuen Sozialen Bewegungen im deutschsprachigen Raum ist – bei allen kulturellen, politischen und sozialen Differenzen gegenüber den USA – in weitgehend parallelen Spuren verlaufen. Die bunten Spielarten der Neuen Sozialen Bewegungen (Gender-Bewegung; Friedensbewegung; Ökologiebewegung und Klimaprotest; Alternative Kultur u. a. m.) – so divergent und schnelllebig sie auch sein mögen – transportieren Kultur- und Demokratiemuster, die den engen Panzer einer weitgehend sozialtechnisch ausgerichteten politisch-administrativen Expertokratie aufgebrochen haben und die gerade jenen Bevölkerungsgruppen, die in der Vergangenheit sprachlos waren, neue Freiräume der Artikulation und der Teilhabe eröffnet haben. Zu diesen »Errungenschaften« zählen u. a.: die Erweiterung der gesellschaftlichen Toleranzzonen im Hinblick auf Eigen-Sinn, Differenz und Pluralität von Lebensstilen, die den Mainstream einer verkrusteten Normalität hinter sich gelassen haben; die Entlegitimierung einer »Politik der Arroganz«, in der die Herrschaftsansprüche einer technokratischen Problemlösungsexpertokratie in Politik, Verwaltung und sozialer Dienstleistungsbranche deutlich sichtbar werden, und die Formierung von bürgerschaftlicher Gegenmacht; die Stärkung von partizipativen und basisdemokratischen Verfahren in der Arena öffentlicher Meinungsbildung und politischer Entscheidung (vom Bürgerentscheid für die Errichtung einer bestimmten Schulform über den Widerstand gegen die Macht der Banken bis hin zu den aktuellen wirkmächtigen Klimaprotesten rund um den Globus). In der Zwischenzeit liegen einige mit Gewinn zu lesende Untersuchungen vor, die die kulturellen Verwerfungen und strukturellen Wandlungen, welche von den Neuen Sozialen Bewegungen ausgelöst worden sind, in detaillierten historischen Rekonstruktionen vermessen (vgl. Roggeband/Klandermans 2018; Roose/Dietz 2016; West 2013).

Gehen wir nun einen Schritt weiter und fragen nach den theoretischen »Wahlverwandtschaften«, die das Empowerment-Konzept und andere Konzepte der aktuellen sozialwissenschaftlichen Diskussion miteinander verbinden. In den Mittelpunkt tritt hier vor allem ein theoretisches Denkgebäude: die Individualisierungstheorie. Wir wollen im Folgenden in wenigen Pinselstrichen die Verknüpfungslinien skizzieren, die die neue soziologische Theorie der Moderne – eingefangen in der »Theorie individualisierter Lebensformen« – und das Empowerment-Konzept miteinander verbinden.

Wohl kein anderes soziologisches Denkmuster hat in den letzten Jahren über den Rand der Forschergemeinschaft hinaus eine solche Publizität erfahren wie das Individualisierungstheorem. Dieses Denkgebäude ist zuerst von dem Münchner Soziologen Ulrich Beck in eine bündige Form gebracht und später dann in einer Vielzahl von Veröffentlichungen ausgearbeitet worden (vgl. einführend Beck 1986; 1997; Beck/Beck-Gernsheim 1994). Blättern wir hier nun die Seiten der sozialwissenschaftlichen Theoriebildung zurück. In einem ersten Schritt kommen in der folgenden Darstellung zunächst jene Autoren zu Wort, die die Fundamente der Individualisierungsdebatte gelegt haben. Kontrastiert werden diese frühen Diskurse in einem zweiten Schritt dann durch kritische Gegenwartsdiagnosen, welche die Jetzt-Zeit der Individualisierung vermessen.

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