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„Geduld mit Gott“
ОглавлениеVon dem schon oben erwähnten Theologen Tomáš Halík erschien 2010 ein Buch, das von der Europäischen Gesellschaft für Katholische Theologie als das „beste theologische Buch Europas 2011“ ausgezeichnet wurde: „Geduld mit Gott“44. Halík schreibt darin, er habe von seinen atheistischen Gesprächspartnern gelernt (!), was es heißt gleichsam „atheistisch“ – ohne fix und fertige Gottesbilder – an Gott zu glauben. Es geht um einen Glauben „in dem es mehr Beben als Festigkeit, immer mehr Fragen als Antworten, mehr Zweifel als Gewissheiten“ gibt (245). „Der Glaube ist gerade für jene Zeiten der Dämmerung, der Vieldeutigkeit des Lebens und der Welt wie auch für die Nacht und den Winter des Schweigens Gottes da. Er ist nicht (nur) dazu da, um unseren Durst nach Gewissheit und Sicherheit zu stillen, sondern um uns zu lehren, mit dem Geheimnis zu leben (…)“ (11). „Selten weist etwas auf Gott so stark hin und ruft so dringend nach Gott, wie gerade das Erleben und Erleiden seiner Abwesenheit“ (14).
Tomáš Halík übt Kritik an beiden: Es ist die Ungeduld mit Gott, die ein leichtfertiger Atheismus mit einem leichtgläubigen religiösen Enthusiasmus gemein hat. „Ja den Hauptunterschied zwischen dem Glauben und dem Atheismus sehe ich in der Geduld. Der Atheismus und der religiöse Fundamentalismus sind sich auffallend ähnlich in dem, wie sie so schnell fertig sind mit dem Geheimnis, das wir Gott nennen“ (9). Diese Erfahrung der Abwesenheit und des Schweigens Gottes teilen Gläubige mit den Ungläubigen: „Den Atheisten sage ich eben nicht, sie hätten Unrecht; ich sage nur, dass es ihnen an Geduld mangelt; ich behaupte, ihre Wahrheit ist eine nicht zu Ende gesprochene“ (15). Wer glaubt oder wer glauben will, muss große Geduld haben können: „Ein reifer Glaube ist ein geduldiges Ausharren in der Nacht des Geheimnisses“ Gottes (141). Wir müssen Gott sein Geheimnis lassen, so wie auch Jesus sich letztlich IHM ergeben hat. Und so heißt es schließlich in diesem Buch „Geduld mit Gott“: „Christlicher Glaube (…) ist der auferstandene Glaube, ein Glaube, der am Kreuz sterben, begraben werden und auferstehen muss – und zwar in neuer (!) Gestalt“ (67).
Die verbreitete Gotteskrise kann zur Chance der Erneuerung des Glaubens an Gott und der Rede von Gott werden. Viele Menschen sind dabei, aus ihren erlernten religiösen Konventionen auszubrechen und jene Gottesbilder abzustreifen, die dem Denken und der Praxis ihres Alltags nicht mehr standhalten. „Es geht um Gotteskritik um des wahren Gottes willen“ (Hermann Häring). Gott ist dort abwesend, wo die Menschen ihn allzu sehr zu kennen glauben und meinen, über ihn verfügen zu können. Karl Rahner ist überzeugt, dass „das unreflektiert Unverfügbare letztlich vertrauenswürdiger ist als das, was wir wissend zu durchschauen meinen.“ Und der Kirchenlehrer Augustinus meint: „Wenn du ihn begriffen hast, kann es nicht Gott gewesen sein.“ Zeitgemäße, glaubwürdige Rede von Gott sollte wieder Ausdruck sein eines ahnungsvollen, vorsichtigen Tastens im Ungewissen, im Unbeschreiblichen, im Unfassbaren.