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5. Die Propheten

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Ein charakteristisches Merkmal alttestamentlicher Glaubensgeschichte stellt das Prophetentum dar. Freilich verstehen Christen, vom volkstümlichen Sprachgebrauch unterstützt, das Prophetische an Israels Religion oft dahingehend, dass diese Männer (und Frauen, z.B. Hulda, Mirjam, Debora) nur die eine Aufgabe hatten, in die Zukunft zu blicken, Heil und (vornehmlich) Unheil anzusagen und vor allem den Messias Jesus anzukündigen. Diese völlig falsche Vorstellung wird schon dem ursprünglichen griechischen Wort „Prophet“ nicht gerecht. Das meint nämlich soviel wie „Sprecher vor (dem Volk)“. Erst recht trifft es nicht die Bedeutung des hebräischen Wortes „nabí“, das zugleich aktivisch und passivisch verstanden werden kann. Es meint (aktivisch) einen im Auftrag Jahwes „Rufenden“, weil er (passivisch) dazu von Jahwe eigens „berufen“ wurde. Alfons Deißler übersetzt „nabí“ daher treffend mit „berufener Rufer“ (= bevollmächtigter Ausrufer des Gotteswillens).

Vornehmste und wichtigste Aufgabe der großen Prophetengestalten wie Jesaja, Jeremia, Amos, Ezechiel war es, in nicht selten drastisch-beißender Schärfe in die Gegenwart hinein zu sprechen, sich einzumischen und engagiert auf Missstände hinzuweisen. Propheten galten für viele als Provokateure, als Utopisten, als Miesmacher und als unbarmherzige Kritiker. Sie forderten ihr Publikum heraus, Sie scheuten sich nicht, den Mächtigen und Reichen, den Superfrommen und Scheingläubigen ins Gewissen zu reden. Sie prangerten den charakterlosen Opportunismus der Jerusalemer Priesterschaft an. Sie wagen es sogar, den König zu kritisieren (vgl. Jer 22,1–9). Selbst vor dem Tempel und der Tora machen sie nicht Halt, wenn eine zur Schau gestellte Frömmigkeit nur dazu dient, die Befolgung der Gebote der Nächstenliebe zu kaschieren (vgl. Jer 7,1–15). Der brauchbare und domestizierte Gott ist nicht der Gott der Propheten. Götzendienst und die Verehrung Jahwes unterscheiden sich grundlegend. Der Prophet, der sich selbst immer von Jahwe herausgefordert weiß, fordert seinerseits heraus.

So übt der Prophet Amos (um 750 v. Chr.) massive Kritik am sozialen und kultischen Verhalten: „Ihr liegt auf Betten aus Elfenbein und faulenzt auf euren Polstern. Zum Essen holt ihr euch Lämmer aus der Herde und Mastkälber aus dem Stall. Ihr grölt zum Klang der Harfe, ihr wollt Lieder erfinden wie David. Ihr trinkt Wein aus großen Humpen, ihr salbt euch mit dem feinsten Öl. […] Das Fest der Faulenzer ist nun vorbei“ und „Ich hasse eure Feste, ich verabscheue sie und kann eure Feiern nicht riechen. Wenn ihr mir Brandopfer darbringt, ich habe kein Gefallen an euren Gaben, und eure fetten Heilsopfer will ich nicht sehen“ (Am 6,4–7; 5,21–22).

Ähnlich harsche Worte findet Jesaja, der über die sozialkritische Redetätigkeit hinaus insbesondere ein falsches Sicherheitsdenken anprangert: „Weh den trotzigen Söhnen – Spruch des Herrn –, die einen Plan ausführen, der nicht von mir ist, und ein Bündnis schließen, das nicht nach meinem Sinn ist; sie häufen Sünde auf Sünde. Sie machen sich auf den Weg nach Ägypten, ohne meinen Mund zu befragen. Sie suchen beim Pharao Zuflucht und Schutz und flüchten in den Schatten Ägyptens. Doch der Schutz des Pharao bringt euch nur Schande“ (Jes 30,1–3). In ähnlicher Weise wendet sich Jeremia gegen eine falsche Koalitionspolitik. Es ist geradezu ein Kennzeichen der Zeit zwischen 9. und 8. Jahrhundert v. Chr., dass man sich radikal gegenüber Bestrebungen zur Wehr setzt, Gott und Zukunft in den Griff zu bekommen.

Dass es sich bei der prophetischen Berufung nicht um bloß subjektives Erleben handelte, sondern um die echte Erfahrung eines von außen her Einbrechenden, zeigen die so genannten „Bekenntnisse“ des Jeremia: „Du hast mich betört, o Herr, und ich ließ mich betören; du hast mich gepackt und überwältigt. […] Sagte ich aber: ‚Ich will nicht mehr an ihn denken und nicht mehr in seinem Namen sprechen‘, so war es mir, als brenne in meinem Herzen Feuer, eingeschlossen in meinem Innern. Ich quälte mich, es auszuhalten, und konnte nicht“ (Jer 20,7.9). Der Prophet ist von einer außer ihm lebendigen, heiligen Macht gedrängt, das Wort zu sagen, und kann sich dem nicht entziehen.

Nicht selten haben die Propheten ihre ohnehin schon bildreichen Worte mit Zeichenhandlungen begleitet. Jesaja geht nackt in der Öffentlichkeit umher, um zu zeigen, dass Juda von Assur bis aufs Hemd ausgezogen werden wird (Jes 20,1–6). Jeremia zerbricht einen Tonkrug (Jer 19) und geht unter einem Joch einher, das er sich hat auflegen lassen, um deutlich zu machen, dass der König von Babylon dem Volk Israel seine Knechtschaft aufzwingen wird (Jer 27–28). Ezechiel lässt sich das Haupthaar scheren und tritt in den Hungerstreik, um falsche Hoffnungen zu diskreditieren (Ez 5).

Es wäre aber einseitig, nur die sozial- und kultkritische Seite der Propheten und ihre Androhung kommenden Unheils herauszustellen. Zu den schönsten und beeindruckendsten Texten in ihrem Schrifttum gehören die großartigen Visionen eines Jesaja über das messianische Reich des Friedens und der Gewaltlosigkeit. Der messianische Heilsbringer erhält Prädikate, wie sie sonst im Alten Testament nirgends vorkommen und die ihn damit über die gewöhnlichen Sterblichen hinausheben: Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friedens-Fürst (Jes 9,5). Er „schlägt die Gewalttätigen mit dem Stock seines Wortes. […] Gerechtigkeit ist der Gürtel um seine Hüften, Treue der Gürtel um seinen Leib. Dann wohnt der Wolf beim Lamm, der Panther liegt beim Böcklein. Kalb und Löwe weiden zusammen, ein kleiner Knabe kann sie hüten. Kuh und Bärin freunden sich an, ihre Jungen liegen nebeneinander. Der Löwe frisst Stroh wie das Rind. Der Säugling spielt vor dem Schlupfloch der Natter, das Kind steckt seine Hand in die Höhle der Schlange. Man tut nichts Böses mehr und begeht kein Verbrechen auf meinem ganzen heiligen Berg; denn das Land ist erfüllt von der Erkenntnis des Herrn, so wie das Meer mit Wasser gefüllt ist“ (Jes 11,4b.5–9). Gleich zweimal findet sich im Prophetischen Schrifttum das Bild vom Umschmieden der Schwerter zu Pflugscharen und der Schwerter zu Winzermessern (Jes 2,4; Mich 4,3). Jesaja lässt jeden Soldatenstiefel und jeden blutbefleckten Mantel zu einem „Fraß des Feuers“ werden (Jes 9,4). Auch Jeremia erwartet einen „gerechten Spross aus David; er wird als König herrschen und weise handeln und Recht und Gerechtigkeit üben im Lande“ (Jer 23,5).

Er ist es schließlich, der von einem neuen Bund spricht: „Seht, es werden Tage kommen – Spruch des Herrn –, in denen ich mit dem Haus Israel und dem Haus Juda einen neuen Bund schließen werde, nicht wie der Bund war, den ich mit euren Vätern geschlossen habe, als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägypten herauszuführen. […] Ich lege mein Gesetz in sie hinein und schreibe es auf ihr Herz. Ich werde ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein. Keiner wird mehr den anderen belehren, man wird nicht zueinander sagen: Erkennt den Herrn!, sondern sie alle, klein und groß, werden mich erkennen“ (Jer 31,31–34).

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