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Kapitel 14

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Samira brachte mich in mein Zimmer zurück. Ich wollte duschen, und dann erst einmal über alles nachdenken was passiert war. Sie hatte die schwarzen Haare zu einem seitlichen Zopf geflochten der ihr locker über ihre linke Schulter hing. Mit ihrem dunklen Teint, und dem schlichten Kleid sah sie echt hübsch aus. Ich ertappte mich bei dem Gedanken, und lief rot an. Sofort versuchte ich an etwas anderes zu denken. Zum Glück gab er davon ja genug.

“Was denkst du jetzt?” fragte sie mich als wir einen langen Flur entlang gingen.

“Häh, was?” fragte ich und kam mir dabei mehr als dumm vor.

Samira blieb abrupt stehen, und sah mich an. Ihre smaragdgrünen Augen funkelten.

“Na was du jetzt nachdem du alles gehört hast darüber denkst?” fragte sie erneut.

“Ich weiß nicht” sagte ich ehrlich, und vermied es ihr weiter in die Augen zu sehen. Ich hatte das Gefühl das ich sie sonst küssen müsste.

“Also ich denke ja das die Erwachsenen viel zu wenig dagegen machen” sagte sie beherzt, und schien gar nicht gemerkt zu haben das ich sie nicht mehr an sah. Stattdessen verfiel sie in eine Art Monolog, und fing an vor mir auf und ab zu gehen.

“Also wenn du mich fragst, sollten sie die anderen aufsuchen, und dann zur Rechenschaft ziehen” sagte sie und hatte jetzt sogar in bester Oberlehrer Art einen Zeigefinger erhoben.

Ich kicherte, weil mir auffiel wo ich diese Geste kurz zuvor gesehen hatte.

“Was gibt es da zu kichern?” fuhr sie mich an. Aber irgendwie spürte ich dass sie nicht wirklich böse war, zumindest noch nicht.

“Nichts” log ich. Samira sah mich mit verschränkten Armen an.

“Los, spuckt es schon aus” forderte sie mich auf. Ihr Blick war sehr durchdringend, nicht der Blick eines jungen Mädchens, aber auch noch nicht der ihrer Mutter, einer Königin, sondern irgendwas dazwischen.

“Nein, schon gut” wiegelte ich ab, und grinste breiter denn je. Ihre Augen glühten jetzt beinahe.

“Los sag mir was es da zu kichern gibt” forderte sie mich erneut auf, und diesmal konnte ich mehr als Ungeduld in ihrem Gesicht lesen.

“Na gut”, sagte ich, und gab klein bei. “Ich habe gerade gedacht, dass du beinahe aussiehst wie deine Mutter, aber…” ich zögerte. Durch meine Worte fühlte sie sich sichtlich geschmeichelt, und lächelte.

“Aber, in deinem ganzen Auftreten ähnelst du doch sehr deinem Vater, und das fand ich eben etwas komisch” gestand ich ihr lächelnd ein.

Im ersten Moment schien es ihr nichts ausgemacht zu haben, aber dann änderte sich ihre Miene, und nun schien es sie sehr getroffen zu haben.

“Gar nicht. Mein Vater ist ganz anders” sagte sie trotzig und ging ein paar Schritte voraus.

Dann blieb sie stehen, und drehte sich zu mir um.

“Kommst du jetzt, oder muss ich hier erst zur Mumie werden?” fragte sie mich mit deutlich schärferen Tonfall.

Diesmal musste ich all meine Willenskraft aufbringen um nicht erneut zu grinsen oder gar loszulachen, aber ich schaffte es.

Wenn auch nur geradeso.

“Ich komm ja schon” sagte ich, während ich mein Gesicht sicherheitshalber mit einer hohlen Handfläche verdeckte und zu ihr auf schloss.

Wenige Minuten später stand ich alleine im Badezimmer meines neuen Zimmers.

Alle Zimmer verfügten über ein eigenes Bad erklärte mir Arthur später, und ich solle mich um nichts kümmern. Es sei für alles gesorgt.

Arthur hatte meine Mutter angerufen, und ihr Bescheid gegeben das ich auf einem Klassenausflug wäre, das war für meine Mutter dann okay.

Generell hatte meine Mutter immer schon ein gutes Verhältnis zu Arthur gehabt, und von daher akzeptierte sie diese Ausrede. Ich nahm mir aber vor mich am Abend persönlich nochmal bei ihr zu melden und zu hören ob es ihr gut ginge.

Ich zog mich aus, und nahm ein Handtuch aus dem Badschrank. Ich stank immer noch nach dem Dreck und Unrat mit dem mich Arthur vor wenigen Stunden eingeschmiert hatte, damit wir auf seiner Burg nicht auffallen sollten.

Wenn man es genau betrachtete waren es doch eher ein paar Hundert Jahre her seit dem das geschehen war. Zeitreisen bereiteten mir immer noch Kopfzerbrechen.

Als mir das bewusst wurde, musste ich an Samira denken, und ob ihr mein Mittelalter Gestank auch aufgefallen war. Eigentlich musste es ihr aufgefallen sein, dachte ich betrübt.

“Oh man, hoffentlich denkt sie nicht ich rieche immer so” sagte ich in das leere Zimmer hinein, warf meine Klamotten zu Boden und sprang noch einmal unter die Dusche.

Anschließend wollte ich das Gebäude erkunden. Schließlich wollte ich sehen wo ich hier bin.

Arthur war noch wenige Minuten nachdem Samira mich in dem Zimmer abgesetzt hatte vorbeigekommen.

Er erzählte mir dass ich in den nächsten Tagen eine Ausbildung in den einzelnen Bereichen der Bewacher bekommen sollte, und dass ich dann vielleicht auch wieder zu meiner Schule gehen konnte.

Insgeheim vermisste ich meine Schule eher weniger. Aber meine Mutter schon etwas.

Ich nickte, und sagte dass ich mich über die Ausbildung freuen würde, was auch in gewisser Weise stimmte. Außerdem war ich aufgeregt, denn dieser Tag hatte schon so viel Neues gebracht, von dem ich nie zu träumen gewagt hatte.

Das Wasser war heiß, und ich spülte alles von mir ab. Nicht nur der Schmutz, und der Gestank fielen von mir ab, auch die Anspannung und die Unsicherheit die ich in der neuen Umgebung gehabt hatte.

Nachdem ich mich geduscht hatte, ging ich in das Zimmer zurück, und fand einen Stapel Kleidung, fein säuberlich geschnürt mit braunem Band auf meinem Bett liegen. Nebenbei hing ein kleiner Zettel, darauf stand in fein säuberlicher Schrift: “Musste die Größe schätzen. Hoffe es passt dir. Arthur.”

Lächelnd zog ich die Schleife mit der da Paket verschnürt war auf, und entfaltete die Kleidungsstücke.

Eine Jeans, ich hielt sie kurz vor mich, von der Länge okay, ein blaues T-Shirt mit dem Logo einer bekannten Rockband, schwarze Socken, Unterwäsche, und Sneakers.

Sollte passen, dachte ich und zog mich an. Ich war froh endlich wieder saubere Kleidung tragen zu können. Die Hose passte, und auch die Schuhe saßen gut. Das T-Shirt war ein bisschen groß, aber das war kein Problem.

Ich sah aus dem Fenster, und stellte fest dass es Nachmittag sein musste. Die Sonne stand zwar noch am Himmel, allerdings senkte sich schon langsam in Richtung Horizont.

Erst nun fiel mir auf das ich in dem gesamten Gebäude keine Uhr gesehen hatte.

Schon seltsam, dachte ich. Eine Geheimgesellschaft die durch die Zeit reisen kann, und keine Uhren besitzt?

Irgendwie machte das für mich keinen Sinn. Ich wollte mich jetzt sowieso ein wenig umsehen, vielleicht fand ich ja irgendwo einen Wecker, oder ein anderes Zeitmessinstrument.

Nachdem ich in meinen neuen Klamotten einen Blick aus dem Fenster gewagt hatte, ging ich mit langsamen Schritten zur Tür, und blieb abrupt stehen.

Plötzlich hörte ich etwas. Aus dem Augenwinkel sah ich dass sich hinter mir etwas bewegte. Ich drehte mich ruckartig um, konnte aber nichts sehen. Zumindest dachte ich das im ersten Moment. Dann fiel mir auf das die nassen Handtücher, verschwunden waren. Nachdenklich ging ich auf die Stelle zu an der kurz zuvor noch weiße Handtücher gelegen hatten. Vorsichtig ging ich in die Knie und strich über den gelblichen Teppichboden. Ich spürte etwas an meinen Fingerkuppen. Was war das?

Vorsichtig hob ich es auf.

In dem Moment hörte ich erneut etwas. Es war wie ein leises Zischen, fast wie ein leiser Windhauch der durch das Gras streift. Wieder drehte ich mich danach um, aber nichts war zusehen. Diesmal waren meine Beschmutzen Kleidungsstücke verschwunden.

Ich stand auf, und ging auf die Stelle zu. Wieder beugte ich mich und untersuchte die Stelle.

Was war das hier? fragte ich mich, und hob die feine Substanz hoch, etwas näher an mein Auge heran. Nun erkannte ich es. Es war Sand.

Aber diesmal war der Sand nicht bläulich, und samtig, wie der “Sand der Zeit”, sondern fühlte sich grob, und körnig an, außerdem war er gelb statt blau.

Wieder hörte ich dieses leise Zischen. Nur diesmal kam es von Jenseits der Tür.

Neugierig, aber auch ein wenig ängstlich ging ich zur Tür und drückte die Klinke.

Voller Erwartung öffnete ich die Tür. Ich sah… nichts. Der Flur war leer.

Was zum Teufel… dachte ich, und trat vorsichtig aus dem Zimmer.

Der Flur, das hatte ich vorhin schon bei dem Ausflug mit Arthur, und auch auf dem Rückweg, auf dem mich Samira begleitet hatte, gesehen bestand aus feinen Marmorfliesen. Die Wände leuchteten von einigen antik wirkenden Wandleuchten, in denen sich die ältesten Glühlampen befanden dich ich jemals gesehen hatte, nur ab und an von ein paar riesigen Gemälden unterbrochen.

Ich ging den Gang entlang und betrachtete die Gemälde. Sie waren so unterschiedlich wie die ganze Geschichte hier.

Auf einem war mein Freund Arthur zu sehen, na ja eigentlich war es eine jüngere Version meines Freundes, der das berühmte Schwert Excalibur aus einem Stein zog.

Arthur war standesgemäß in eine Rüstung gekleidet, und natürlich war es strahlender Sonnenschein auf dem Foto, aber etwas war seltsam.

Ich brauchte einen Moment um es zu erkennen. Zuerst dachte ich es wäre etwas mit dem Motiv, aber dann erkannt ich es. Es war das Wetter. Die Sonne, die Wolken.

Es schien als wären sie alle in Bewegung. Die Lichtverhältnisse änderten sich ständig.

Mein Mund klappte auf, und ich taumelte ein paar Schritte rückwärts.

Direkt neben Arthur hing ein anderes Bild. Es zeigte einen unbekannten, jungen Mann.

Er stand in strömendem Regen auf einem Bahnsteig und sah auf seine Armbanduhr. Wasser tropfte von seinem Mantel, und seiner Hutkrempe, und ich konnte leises platschen der Regentropfen hören.

Für einen Moment hatte ich das Gefühl als würde der Mann gleich aufblicken und mich direkt ansehen, aber das geschah nicht. Es schien als wäre es ein ganz normales Bild, nur das es irgendwie doch nicht normal war.

Fasziniert davon ging ich weiter. Ich merkte kaum wie ich mich von Bild zu Bild, oder von Moment zu Moment bewegte.

Ich blickte unter ein Bild das eine hübsche Frau in den Dreißigern zeigte, die Petticoat und ein Kopftuch trug. Sie fuhr in einem Cabrio bei schönem Sonnenschein eine kurvige Straße entlang. Darunter war eine Messing Plakette angebracht.

14.02.1983, Monaco

Dies kam mir sehr seltsam vor. Ich ging zurück und betrachtete die anderen Bilder.

Unter dem Bild des Mannes im Regen stand 03.02.1928, Chicago.

Ich konnte mit den Daten überhaupt nichts anfangen.

Ich ging weiter und betrachtete ein Weiteres. Dieses zeigte Berlin. Ich erkannte es am Brandenburger Tor. Das Wetter war bewölkt, und doch hatte ich das Gefühl dass sich die Wolken bewegen würden.

Vor dem Tor waren viele verschiedene Leute unterwegs. Keiner sah direkt ins Bild, aber einige in die Richtung. Als ob sie etwas ahnten.

Unter diesem Bild stand kein Datum. Nur der Ort. Berlin.

“Schon beeindruckend, nicht wahr?” hörte ich plötzlich eine Stimme hinter mir. Erschrocken drehte ich mich um. Es war Samira. Hatte sie sich etwa an mich heran geschlichen? fragte meine innere Stimme, und es schien fast so.

“Ja schon” sagte ich nachdenklich. “Aber was sind das alles für Bilder?” wollte ich wissen.

“Das sind Momente” sagte sie und betrachtete das Bild das ich gerade angeschaut hatte, dann ging sie den Gang zurück zu dem ersten Bild das ich gesehen hatte.

“Das hier ist Arthur, wie du dir sicherlich schon gedacht hast” erklärte sie und blieb vor dem Bild stehen. “Die berühmte Szene in der er das Schwert aus dem Stein zieht.”

“Ja, das kenne ich. Allerdings dachte ich immer es wäre eine Legende gewesen” sagte ich nachdenklich und betrachtete das Bild genauer.

Wieder faszinierte mich das Wetter das im Gegensatz zum Motiv nicht stillzustehen schien.

Einen Moment lang kam es mir blöd vor sie danach zu fragen, aber anscheinend wusste Samira doch über die Vereinigung mehr als ich.

“Warum...”

“Warum sich die Wolken auf dem Bild bewegen?” beendete sie meinen Satz. Ich nickte.

“Warum regnet es auf diesem Bild?” fragte sie und ging zu dem nächsten Bild weiter, “...oder weht der Wind das Haar dieser Frau aus der Stirn?” fragte sie abermals.

Ich hatte keine Ahnung, und das sagte ich ihr auch.

“Weil es Momente sind” sagte sie. Als ob das alles erklären würde. Ich überlegte ob ich sie fragen sollte was sie genau damit meine, aber dann käme ich mir wirklich ziemlich dämlich vor.

“Du hast keine Ahnung was das bedeutete, oder?”

Verdammt. Entlarvt! dachte ich und, schüttelte den Kopf.

“Das sind bestimmte Momente in der Zeit” sagte sie und deutete den Flur entlang. “Der ganze Flur, ach was, das ganze Haus ist voll davon.”

“Und was genau hat es damit auf sich?” fragte ich, da ich immer noch nicht genau verstand welchen Nutzen diese seltsamen Bilder nun hatten.

“Na das ist doch ganz einfach” sagte sie und ging zu einem der Bilder.

Diese Bild zeigte zwei Männer in dicken Jacken und mit Brillen auf dem Kopf.

Sie standen auf dem Gipfel eines Berges.

Einer war etwas größer als der andere, aber beide schienen glücklich zu sein.

Auf der Plakette unter dem Bild stand:

Mt. Everest, 29.05.1953

Mir fiel auf das beinahe kein Schnee fiel, es aber sehr windig zu sein schien. Vereinzelt fielen kleine Schneeflocken vom Himmel und der Wind trieb sie vor sich her.

“Wenn du bei der Erstbesteigung des Mt. Everest dabei sein willst, schaust du hier auf die Plakette,” sie wies mit dem Finger darauf, “und gibst die Daten hier auf dem Global Chronographen ein” sagte sie und fasste sich an den Hals.

Mir fiel auf das sie im Gegensatz zu ihrer Mutter keine Kette trug. Das verwunderte mich.

Hatte sie nicht bei unserer ersten Begegnung eine solche Kette getragen? Klar, in deutlich kleinerer Ausführung als die von Kleopatra, aber derer nicht ganz unähnlich.

Ihr musste mein Blick aufgefallen sein, denn sie fügte rasch hinzu das sie ihren Global-Chronographen im Moment nicht trüge.

“Die Kadetten bekommen den immer erst bei ihren Übungen, und erst wenn ich fertig bin, und ein Ausgebildeter Bewacher bin, dann bekomme ich meinen eigenen dauerhaften Moment” sagte sie voller Stolz.

“Kadett?” fragte ich verwundert. Bisher kannte ich den Ausdruck nur aus dem Militär.

“Ja, so heißen die jungen Wächter, die noch nicht fertig sind” sagte sie und beäugte mich dann misstrauisch. “Hat man mit dir noch nicht darüber gesprochen?”

“Ähm… nein” sagte ich und kam mir in dem Moment etwas klein vor.

Aber Samira registrierte das mit einem Schulterzucken.

“Naja, nicht jeder ist zum Bewacher bestimmt” sagte sie schließlich, und wandte sich ab.

Genau in dem Moment als ich etwas erwidern wollte, ich war mir nicht ganz sicher was das war, hörte ich wieder dieses zischende Geräusch, und etwas beinahe durchsichtiges huschte an mir vorbei. Das Ding, was auch immer es gewesen war, erschien plötzlich vor mir, glitt durch mich durch, und verschwand dann durch eine Tür.

Ich prustete und spürte wie mir feiner, gelber Sand von der Kleidung, und von den Haaren fiel.

“Was war denn das?” fragte ich vielleicht etwas hysterisch. Ich muss wohl ziemlich lustig ausgesehen haben. Mit weit aufgerissenen Augen, und über und über voll Sand.

“Ach das,” kicherte Samira, und versuchte ein richtiges Lachen zu unterdrücken.

“Das sind nur Sandgeister. Mutter hat die aus Ägypten mitgebracht als ich noch ganz klein war.”

Sie sah meinen verwirrten Ausdruck und kicherte erneut.

“Sandgeister?” fragte ich, und konnte mit dem Begriff gar nichts anfangen.

“Ja, Sandgeister. Aus Ägypten” wiederholte sie. “Die erledigen kleine Arbeiten im Haus, und unterstützten uns bei der täglichen Arbeit” fügte sie hinzu.

“Aha” sagte ich und dachte an das Päckchen frischer Kleidung, und an meine abgelegte alte Kleidung.

“Willst du jetzt noch etwas sehen, oder stehen wir nur hier im Flur rum und quatschen” fragte sie schließlich.

Ich schüttelte mir den Sand von der Kleidung, und auch die größte Menge aus meinem dichten Haar, und nickte ihr zu.

“Kann losgehen.”

Die Bewacher der Zeit

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