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Kai Kauffmann Polemische Angriffe im literarischen Feld. Literatursatiren der Stürmer und Dränger (Goethe, Merck, Lenz) Zum Wandel des Epochenbegriffs Sturm und Drang
ОглавлениеWährend die ältere, hauptsächlich geistesgeschichtlich orientierte Forschung den Sturm und Drang als fundamentale Abwendung von der europäischen Aufklärung beschrieb und in ihm den jugendlichen Aufschwung zu einer gänzlich neuen Großepoche der deutschen Literatur – der Blütezeit der deutschen Klassik und der deutschen Romantik – sah, wird er in der neueren Forschung seit den 1960er Jahren überwiegend als eine von mehreren unterschiedlichen ‚Strömungen‘ innerhalb des spannungsreichen Epochenzusammenhangs der Aufklärung begriffen. Dies heißt freilich nicht, dass von der neueren Forschung die unübersehbaren, von den Stürmern und Drängern selbst betonten Differenzen zu den um 1770 immer noch dominanten Strömungen der deutschen Aufklärung geleugnet würden. Von Gerhard Sauder stammt die treffende Formel, beim Sturm und Drang handele es sich um eine „Dynamisierung und Binnenkritik“ der Aufklärung.1
Sauder hat in seinen Beiträgen zur literaturgeschichtlichen Konzeptualisierung des Sturm und Drang auch angeregt, diese Periode als „Resultat einer Gruppenbildung“ aufzufassen.2 Noch nicht arrivierte Autoren der jüngeren Generation hätten sich zu kleineren Gruppen zusammengeschlossen und sich zugleich polemisch gegenüber Schriftstellern der älteren Generation(en) abgegrenzt, die in der literarischen Öffentlichkeit als führende Repräsentanten der Aufklärung und der Empfindsamkeit anerkannt gewesen seien. Zu den ‚strategischen Waffen‘ der Stürmer und Dränger im Kampf um die eigene Anerkennung in der literarischen Öffentlichkeit habe die Literaturkritik, aber stärker noch das Mittel der Literatursatire gehört.3 Dieser Ansatz ist in wichtigen Studien der letzten Jahre fortgeführt und weiterentwickelt worden.4 Als besonders fruchtbar erwies sich dabei, die Analyse der literarischen Kampfhandlungen mit der Theorie des ‚literarischen Feldes‘ zu verknüpfen, wie sie der französische Soziologe Pierre Bourdieu formuliert hat.