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Die Entwicklung der Jagdmethoden Der steinzeitliche Jäger
ОглавлениеDurch das enge Verhältnis des steinzeitlichen Jägers zu der ihn umgebenden Tierwelt wurde das folgerichtige, letztlich das logische Denken entwickelt, wie es bildliche Darstellungen typischer Verhaltensweisen der Tiere, besonders aber das Entwickeln neuer Fang- und Jagdmethoden zeigen; dies lässt sich auch anhand der gefundenen Gerätschaften nachweisen.
Das Verhalten der Tiere wurde beobachtet und als Erfahrung gespeichert. Demgemäß wurden Fallgruben und andere Fangeinrichtungen, wie Harpunen-, Klapp-, Schlag- und Schwerkraftfallen, hergestellt. Auslösemechanismen wurden konstruiert, Prinzipien der Physik entdeckt und angewendet.
Die Fallenjagd gilt als die älteste weltweit praktizierte Jagdtechnik. Die Trittfalle etwa, eines der interessantesten Fallensysteme, war in der alten Welt von Afrika bis zum zentralasiatischen Karakorumgebirge und zum Amur verbreitet. Die Anwendung der diversen Fallensysteme erfolgte nach Maßgabe physikalischer Prinzipien, lange bevor Archimedes das Licht der Welt erblickte. Die Beherrschung der Fallenjagd zählt zweifelsohne zu den bedeutendsten und intelligentesten Leistungen der Frühgeschichte; dazu der bekannte Ethnologe Lips: Es stehe fest, dass der Mensch zum ersten Male eine Maschine erbaute, die in seiner Abwesenheit für ihn arbeitete, und die Intelligenz des Menschen einen Roboter erfand, der mit mechanischer Präzision seine Stelle einnahm … Durch die Konstruktion eines ingeniös gebauten Auslösemechanismus, der auf dem Hebelprinzip beruht, löste die leichteste Berührung eine gut gebaute Falle aus. Die Trittfalle wird im Übrigen noch von vielen asiatischen und afrikanischen Jägern eingesetzt, wie unter anderem auf der bereits erwähnten Weltausstellung in Budapest 1971 am Beispiel zahlreicher Exponate zu sehen war.15
Neben der Fallenjagd gab es die Treibjagd als erste Form des kollektiven Jagens. Die Herden der Wildtiere wurden eingekreist und über Felsabhänge und Steilwände in die Tiefe getrieben. Diese Jagdart wurde insbesondere von den jungpaläolithischen Jägern angewendet; es war einer der ersten und wesentlichsten Schritte hin zur Entwicklung einer interspezifischen Organisation. Dadurch gelang es, größere Nahrungsvorräte zu beschaffen, um dem Hunger zu entgehen. Diese erfolgreiche Treibjagd war jedoch auf vereinzelt ziehende Wildarten, wie den Riesenhirsch, nicht, mindestens aber schwer anwendbar. Der Einsatz von Stoßwaffen war ebenso schwierig, da der Jäger die Fluchtdistanz in der offenen Landschaft kaum zu überwinden vermochte. Es wird angenommen, dass die individuelle, die Angriffsjagd, eher als „Fernjagd“ unter Anwendung von Wurflanzen ausgeübt wurde. Man fand einschlägige Waffen, wie etwa eine Rehgeweih-Speerspitze in der Pekárna-Höhle in Mähren. Diese Wurflanzen, aber auch schon Pfeil und Bogen waren gegen Ende des Paläolithikums weitverbreitet.
Untersuchungen des Anthropologen Michail Gerassimow (1907–1970) ergaben, dass Wurflanzen aus prähistorischer Zeit, angefertigt aus dem Stoßzahn eines Mammuts, deshalb hergestellt werden konnten, weil die Spitzen, in Häute gewickelt, ins Feuer gelegt und hierdurch erweicht und biegsam gemacht wurden. Aus ihnen ließen sich Jagdspieße und Wurflanzen anfertigen, da sie im erkalteten Zustand wieder hart wurden.
Die Felszeichnungen aus dem Neolithikum (Jungsteinzeit), als wesentliche Grundlage der Forschung, finden sich in verschiedensten Teilen der Welt. In Afrika wurden innerhalb der letzten Jahrzehnte gut 2.000 Fundstellen mit rund 100.000 Felszeichnungen und Höhlenbildern diverser Jagdtiere entdeckt.
Während die Höhlenzeichnungen der Altsteinzeit vorwiegend die zu bejagenden Tiere zum Gegenstand haben, sind die Felsbilder der Jungsteinzeit – nicht nur im europäischen, sondern auch im afrikanischen Bereich – überwiegend dem jagenden Menschen gewidmet; seine Darstellung in Ausübung der Jagd steht im Mittelpunkt. Die naturgetreuen Farben und scharfen Konturen der Vorzeit verblassen in diesen Darstellungen oder werden durch einfarbig rote oder schwarze Figuren ersetzt. Dafür besticht umso mehr die souveräne Wiedergabe der typischen Bewegungen und Merkmale des Jägers und der gejagten Tiere.
Seit 50.000 Jahren malen und zeichnen die Jägervölker Eurasiens und Afrikas ihre Jagdbeute und die Techniken, mit denen sie erlegt wurden. Die überaus treffsicheren wie eindrucksvollen prähistorischen Felsritzungen und Höhlenzeichnungen aus Norwegen, Spanien, Westsibirien, Libyen und der Türkei sind die Dokumente in der Jagdgeschichte der Urgesellschaft.
Der Übergang vom zwar nichtnomadisierenden, aber umherstreifenden Jäger zum sesshaften, viehzüchtenden Bauern, dem die Domestikation einzelner Wildarten gelang, war die Geburtsstunde der Produktionswirtschaft, die folgerichtig auch zum Pflanzenanbau führte. Mit diesem Paradigmenwechsel veränderten sich auch der Sinn und Zweck der Jagd grundlegend; eine neue Epoche in der Entwicklung der Menschen nahm ihren Anfang.
Im Gegensatz zu dem hier Gesagten finden wir in der neueren Literatur und in diversen Abhandlungen die Forderung, gelegentlich auch den Versuch, die Jagd unter Einbeziehung der Waidgerechtigkeit, wie wir sie heute verstehen, zu definieren.
Eine erkenntnistheoretischen Anforderungen entsprechende Untersuchung zeigt jedoch, dass die Einbeziehung dieser Waidgerechtigkeit in eine Definition der Jagd unweigerlich zu einem unzulässigen Methodensynkretismus, also zu einer Vermischung und Vermengung unterschiedlicher Kategorien führt. Die Antwort auf die Frage, was unter Waidgerechtigkeit zu verstehen ist, wurde zu verschiedenen Zeiten – mindestens partiell – verschieden beantwortet. Die Kampfjagden in den römischen Arenen ereigneten sich vor einem ganz anderen geistigmoralischen Hintergrund, wie die oft Tage währende Hetzjagd des fränkischen Jägers zur Zeit Karls des Großen. Das Wesen einer Definition, so sie Anspruch auf Allgemeingültigkeit erhebt, hat das Zeitenüberdauernde, das Grundsätzliche, das Unveränderliche aufzuzeigen und muss daher variable Größen vermeiden. Die Definition der Jagd hat den Ablauf eines die Zeiten überdauernden Geschehens aufzuzeigen, nicht dessen Bewertung. Die Forderung nach einer ethischen Ausrichtung der Jagd ist uralt. Wir finden sie, wie schon erwähnt, bereits bei den alten Donaukelten bei der Hasenhetze, bei der es hier nur erlaubt war, maximal zwei Hunde auf einen Hasen anzusetzen. Die Forderung nach einem der Zeit entsprechenden Verhaltenskodex des Jägers ist legitim; nicht jedoch seine Einbeziehung in eine allgemeingültige, die Zeiten überdauernde Definition dessen, was unter Jagd zu verstehen ist.