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Säulenordnungen
ОглавлениеAls Säule werden im allgemeinen Sprachgebrauch runde Stützen bezeichnet. Die Griechen nannten sie stylos oder auch kion, die Römer columna. Die frühen Säulen waren in der Regel aus tragfähigem festem Holz, meist Eiche oder Kastanie. Orientalische und ägyptische Vorbilder bestimmten das weitgehend aus ornamentalen Pflanzenmotiven bestehende Formenspektrum. Ab dem späten 7. Jh. v. Chr. bildete die griechische Architektur dann kanonische Säulenordnungen aus, bei denen die Säulen nunmehr aus Stein gearbeitet wurden. Neben den seltener vorkommenden monolithischen Exemplaren bestand die überwiegende Mehrzahl der Säulen aus einzelnen miteinander verbundenen Rundblöcken, den sog. Säulentrommeln.
Die dorische Säulenordnung (□ 49) gilt seit Vitruvs (IV 1, 2ff.) Einlassung hierzu als steinerne Umsetzung hölzerner Vorläufer. Die frühesten steinernen Beispiele stammen aus dem späten 7. Jh. v. Chr. Verwendet wurde diese Ordnung vor allem im griechischen Mutterland sowie in Unteritalien und auf Sizilien. Die Charakteristika der dorischen Ordnung sind folgende: Über der obersten genau horizontalen Ausgleichsschicht des Fundaments, der euthynterie, erhebt sich die krepis, ein meist allseitig dreistufiger Unterbau. Die oberste Stufe der krepis heißt nach ihrer Funktion als Standfläche für die Säulen, Stylobat (von gr. styloi Säulen). An den Stellen, wo sie als leicht vorspringendes und profiliertes Auflager für Mauern dient, ist sie dagegen als toichobat (von gr. tochoi Wände) zu bezeichnen. Dorische Säulen sitzen ohne eigene Basis direkt auf dem stylobat auf. Ihr Schaft weist oft eine leichte Schwellung, die entasis, auf und ist durch vertikal verlaufende Rillen, die man Kanneluren nennt, in der Längsrichtung optisch gegliedert. Der obere Teil des Schaftes, das hypotrachelion (von griechisch hypo unter, darunter und trachelos der Hals, der Nacken), wird durch drei Ringe, anuli, als die Stelle der Säule besonders gekennzeichnet, an der der eigentliche Säulenschaft endet und das Kapitell (s. dort) ansetzt. Darauf lagert die Gebälkzone. Sie beginnt mit einem weitgehend schmucklosen Querbalken, dem Architrav, an dessen oberen Rand sich ein langes leicht vorkragendes Band, die sog. taenia befindet, die eine Zäsur zur darüber liegenden Frieszone aus metope und triglyphe (s. dort) darstellt. Zusätzlich befindet sich an der Unterseite jeder triglyphe unterhalb der taenia eine kurze Leiste, die regula, mit je sechs zylindrischen Stiften, den guttae. Die Ähnlichkeit zu hölzernen Leisten und Nagelköpfen ist derart frappant, dass gerade dieser Teil der Baudekoration immer wieder als Beweis für die gesamte Herleitung der dorischen Ordnung aus einer ursprünglichen Holzkonstruktionsweise genommen wird. Oberhalb des Metopen-Triglyphen-Frieses setzt direkt das auf allen vier Seiten umlaufende und deshalb als Kranzgesims bezeichnete sog. (Horizontal) geison an. Die beiden schrägen Giebelseiten werden zusätzlich von einem Schräggeison eingefasst. Für dieses derart gerahmte Giebelfeld wurde der Begriff tympanon geprägt (s. dort). Die drei Giebelecken konnten mit akroteria (s. dort) geschmückt sein. Das Geison kragt vor und seine Unterseite ist oberhalb jeder Metope und Triglyphe mit einer flachen Platte, dem mutulus versehen. Den Raum zwischen den einzelnen mutuli wird als via bezeichnet. Jede Mutulus-Platte ist zudem mit drei Reihen zu je sechs guttae verziert. Oberhalb des geison beginnt das Dach, dessen aufgebogener Rand über dem geison sima genannt wird und zur Sammlung sowie Ableitung des Regenwassers dient. An den eigentlichen Traufseiten (= Langseiten) konnten Wasserspeier (s. dort) angebracht sein. An Stelle der aufgebogenen sima war es üblich, die äußersten Deckziegel in besonderer Weise mit senkrecht stehenden Antefixen (s. dort) abzuschließen.
□ 49 Schema der dorischen Säulenordnung
Die ionische Ordnung (□ 50) wurde ebenso wie die dorische in archaischer Zeit entwickelt. Hauptzentren waren die griechischen Städte auf den Inseln der Ägäis und in Kleinasien. Im Gegensatz zur dorischen Ordnung steht die Säule bei der ionischen nicht direkt auf dem Stylobat, sondern ruht auf einer eigenen Basis (s. dort). Auch ist die Form des Kapitells (s. dort) verschieden. Unterschiede existieren zudem im Bereich der Gestaltung des Architravs. Der ionische Architrav, auch epistylion genannt, ist zumeist dreigeteilt. Drei als fascies (Faszien) bezeichnete vorspringende Streifen sind übereinander abgetreppt angeordnet. In der ionisch-attischen Ordnung (□ 51) folgt über dem Dreifaszienarchitrav eine zumeist undekorierte umlaufende Steinlage. In der ionisch-kleinasiatischen Ordnung (□ 52) befin det sich an dieser Stelle der Zahnschnitt, auch geisipodes genannt; der aus einer regelmäßigen Reihe vorspringender nahezu quadratischer Klötzchen besteht. Darüber hinaus existiert eine Variante, bei der unterhalb des Zahnschnitts ein umlaufendes flaches Reliefband, der Fries (s. dort), sitzt (□ 53).
□ 50 Schema der ionischen Säulenordnung
□ 51 Schema der ionisch-attischen Säulenordnung, Erechtheion, Akropolis Athen, Ende 5. Jh. v. Chr.
□ 52 Schema der ionisch-kleinasiatischen Säulenordnung, Athena-Tempel, Priene, 2. Hälfte 4. Jh. v. Chr.
□ 53 Schema einer Variante der ionisch-kleinasiatischen Säulenordnung, Artemis-Tempel, Magnesia am Mäander, Mitte 2. Jh. v. Chr.
Eine besondere eigenständige Variante der ionischen Ordnung stellt die korinthische (□ 54) dar, die abgesehen von der Verschiedenartigkeit der Kapitellform (s. dort) sonst keine Unterschiede aufweist.
Ein Charakteristikum der italisch-römischen Baukunst ist die tuskanische Säulenordnung (□ 55). Ihre Entwicklung ist im 2. Jh. v. Chr. abgeschlossen. Es wurden hierbei diverse etruskische und griechische Elemente miteinander kombiniert. Etruskisch ist der unkannelierte Säulenschaft. Er ruht auf einer flachen aus der ionisch-korinthischen Ordnung abgeleiteten Profilbasis. Das schmucklose Kapitell mit einem wulstigen echinus und einer Abakusplatte dürfte hingegen eine Anleihe aus der dorischen Ordnung sein.
□ 54 Schema der korinthischen Säulenordnung
□ 55 Schema der tuskanischen Säulenordnung, rekonstruierter Aufriss des luppiter-Tempels auf dem Kapitol, Rom, Ende 6. Jh. v. Chr.