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Kapitelle

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Zu den ältesten Kapitellformen zählt das äolische Kapitell (□ 65). Benannt ist es nach dem Hauptgebiet seines Vorkommens, dem äolischen Siedlungsgebiet auf den Inseln Tenedos und Lesbos sowie der Nordwestküste Kleinasiens. Es ist dort seit dem späten 7. Jh. v. Chr. nachweisbar und scheint von phönizischen Vorbildern abgeleitet worden zu sein. Charakteristisch sind zwei direkt aus dem Säulenschaft entspringende, sich nach außen stark einrollende Voluten, deren Zwischenraum mit einer Palmette geschmückt wird.

Das dorische Kapitell stellt die einfachste Variante eines Kapitells dar (□ 66). Es besteht lediglich aus einem gewölbten wulst- bzw. kissenartigen Teil, dem echinus (nach Vitruvs IV 3, 4 latinisierter Form des griechischen Wortes echinos Seeigel), sowie einer quadratischen, abacus (von lat. abax Tischplatte) genannten Deckplatte. Die dorischen Kapitelle lassen sich recht gut formtypologisch und dementsprechend relativchronologisch reihen. Den Anfang machen Kapitelle mit sehr flachem und stark ausladendem echinus (□ 67), der im Lauf der Entwicklung immer kompakter und zudem steiler nach oben geführt wird (□ 68). In ähnlicher Weise ist das tuskanische Kapitell (□ 69) gebildet, das jedoch zum Säulenschaft hin zudem durch einen oder mehrere massive profilierte Ringe abgegrenzt wird.

Das ionische Kapitell (□ 70) besteht aus einem polsterartigen echinus, der zusätzlich ornamental geschmückt sein konnte, auf dem zwei quergelagerte schneckenförmig eingezogene Doppelvoluten ruhen, deren Rillen als canalis bezeichnet werden. Darauf lagert wie beim dorischen Kapitell eine flache, teilweise aber verzierte Abakusplatte. Der direkt darunterliegende Schaft konnte ebenfalls mit floralen Ornamenten geschmückt sein (□ 71). Bei frühen ionischen Kapitellen waren die Voluten zum Teil in Blütenform gestaltet (□ 72). Die Seitenansicht eines ionischen Kapitells wird vom sog. Polster dominiert, das in der Regel mit Blattzungen geschmückt und in der Mitte durch einen ebenfalls dekorierten Ring, den balteus zusammengefasst ist (□ 73).


□ 65 Äolisches Kapitell


□ 66 Dorisches Kapitell


□ 67 Frühes dorisches Kapitell des späten 7. Jhs.v. Chr., Tempel der Athena Pronaia, Delphi


□ 68 Dorisches Kapitell des 5. Jhs. v. Chr., Parthenon, Akropolis Athen


□ 69 Tuskanisches Kapitell, Kolosseum, Rom, 80 n. Chr.


□ 70 Ionisches Kapitell


□ 71 Ionisches Kapitell mit Blattdekor, Heraion, Samos, um 480 v. Chr.


□ 72 Rosettenkapitell, Artemison, Ephesos, um 500 v. Chr.

Das korinthische Kapitell ist im Gegensatz zu seinem direkten Vorläufer dem ionischen sowie dem dorischen keine Entwicklung der archaischen Zeit, sondern erst wesentlich später entstanden (□ 74). Bei Vitruv wird überliefert, der antike Bildhauer und Architekt Kallimachos sei durch einen von Rankengewächsen überwucherten Opferkorb (gr. kalathos), den er auf einem Grab gesehen habe, zu dieser besonderen Kapitellform angeregt worden. Kennzeichnend sind die aufrecht stehenden Akanthusblätter, aus deren Blatthülsen (cauliculi Sg. cauliculus) Volutenstengel (helices Sg. helix) herauswachsen. Die vier äußeren helices sind volutenartig eingerollt und tragen die Abakusplatte. Das älteste bekannte Exemplar stammt aus der Cella des Tempels des Apollon in Bassai-Phigaleia (□ 75) und damit aus dem Bereich der Innenarchitektur. Erst seit dem späteren 4. Jh. v. Chr. ist die korinthische Ordnung nach und nach auch für die Gestaltung von Außenfassaden eingesetzt worden. Beliebt war sie vor allen Dingen in der Architektur der römischen Kaiserzeit.


□ 73 Seitenansicht eines ionischen Kapitells


□ 74 Korinthisches Normalkapitell


□ 75 Korinthisches Kapitell vom Apollon-Tempel, Bassae, Ende 5. Jh. v. Chr.

In dieser Zeit experimentierte man zudem mit verschiedenen Kompositformen. Die bekannteste Form ist das ionisch-korinthische Kompositkapitell (□ 76); bei dem die großen Volutenstengel an den vier Ecken durch vier ionische Normalvoluten ersetzt werden. Seit späthellenistischer Zeit waren ferner Figuralkapitelle (□ 77) beliebt, die als besonders aufwändige Schmuckform jedoch nur vereinzelt zum Einsatz kamen. Um eine ältere Schöpfung handelt es sich bei den Blattkelchkapitellen (□ 78), bei denen der echinus wie der Name sagt aus einem Blattkelch besteht. Sonderformen wie das sog. nabatäische Kapitell (□ 79) besaßen nur eine vergleichsweise geringe lokale Verbreitung. Auf Pfeilern und Pilastern konnte darüber hinaus ein sog. Sofakapitell sitzen, das beidseitig wie eine Sofalehne geschwungen ist (□ 80).


□ 76 Kompositkapitelle aus Pompeji (li.), Palästra, Ende 1. Jh. v. Chr. und Rom (re.), Titusbogen, nach 81. n. Chr.


□ 77 Figürliches Kapitell


□ 78 Blattkelchkapitell


□ 79 Nabatäisches Kapitell


□ 80 Sofakapitell vom jüngeren Apollon-Tempel, Didyma

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