Читать книгу Der Eroberer - Paul Weidmann - Страница 20
Die Kindheit Eduards.
Erste Kaprizze 3
Scene
ОглавлениеDer König, Lusian, Marsis, Gefolge, Vorige
(Die Gegenwärtigen stehen in ängstlicher Erwartung. Beliam versteckt sich komisch hinter ihnen. Alle neigen sich.)
Eduard. Meine Freunde, da führ ich Euch meinen werthen Lusian auf. Ihr kennet seine Verdienste. Ich liebe Harmonie in meinem Hause. Ihr stehet betroffen? Was beunruhiget Euch? Ich bin der Sohn eures Königs. Alle Verdienste, die Ihr bey meinem Vater gesammelt habt, leben heut wieder auf! – Alle Fehler, die etwa nach seinem Tode sich eingeschlichen haben, werden von diesem Augenblick an vergessen! – Erfüllet eure Pflichten als rechtschaffene Männer, und aus den künftigen Handlungen will ich jeden von Euch beurtheilen, und belohnen. Mich rufen izt dringende Geschäfte zu Alsin. Gehet zur Tafel, geniesset in Freude den Segen des Himmels! –
(Er grüsst alle, und tritt zum Gemach.)
(Die Höflinge staunen. Beliam schleicht demüthig hervor, und nähert sich furchtsam dem König.)
Beliam (mit Rührung) Ich war der Narr deines Vaters —
Eduard (beschaut ihn, lächelt, und schlägt ihn auf die Achsel) So bist du auch der Meinige! –
(Er geht ab.)
(Beliam macht einen Rundsprung, und küßt alle Höflinge.)
Beliam. O du Herzkönig! Du sollst leben, und alle Chartenkönige stechen! – O du Sohn meines lieben Jakobs, Segen auf Dich! Noch die Urenkel der unsterblichen Narren sollen Dich segnen, weil du mich ihren Großvater begnadigst. Heut will ich deine Gesundheit trinken, Du grosser Eduard! – Ich fodere jeden zum Kampf auf! – Ich setze meine Nase zum Pfande – Nicht jeder Edelmann ist so reich wie ich! –
Hengist. Ich nehme die Ausfoderung an. Ich bin heut in der Freude meines Herzens! – Her die vollen Becher, wenn ich überwunden werde, so soll mein Sohn mich rächen! – Es lebe der König!
Alle (trinken) Es lebe Eduard!
Beliam. Schenkt ein!
Hengist. Zum Henker, macht die grosse Freude mich verlegen? Der Bube haut mich zu Schanden –
Parodie.4
O welche Schande fällt auf meine grauen Haare!
Erlebt’ ich nur mit Ruhm des Alters höchste Jahre,
Damit ein schwarzer Tag mir edle Lorbeern bricht;
Damit mein graues Haupt beschämt zur Erde kriecht;
Die Kehle, die so oft den lauten Beyfall hörte,
Die der Trompetenschall als Siegerinn beehrte,
Die Kehle wird besiegt, verliert die Wunderkraft,
Verschmäht den Göttertrank, den süssen Rebensaft.
Gedächtniß schlummre doch, zeig mir nicht grosse Scenen!
Ich seh’ auf sie zurück mit Quaal und heissen Thränen.
O damals focht ich noch als Sieger jugendlich.
Der Ruhm der Jahre flieht, die Schlappe schändet mich.
Doch laß uns nicht so lang von Niederlagen sprechen:
Laß uns den Frevel kühn an unserm Feinde rächen!
Ich trage nicht den Schimpf bis in das kalte Grab;
Zuerst leg ich mein Amt als erster Mundschenk ab.
Flieg in die Luft Krystall, in dessen klarer Hülle
Der starke Weingott thront! Dies ist mein letzter Wille.
Du bist nicht mehr mein Schmuck; ich bin für dich zu alt.
Ich trinke nicht als Held; ich kämpfe träg und kalt.
Ich will nicht mehr dem Ueberwinder lügen.
Du goldner Kelch leb wohl! Du zeugst von meinen Siegen.
Eil, such dir einen Freund, erneure das Gefecht,
Such einen Ritter auf, der meine Schande rächt! –
Sprich, hast du Herz mein Sohn?
Der Sohn.
Kein andrer sollte fragen,
Er würde schon den Lohn von seinem Frevel tragen!
Der Vater.
Wie schön läßt dieser Zorn, wie labt mich deine Glut,
Denn mein gerechter Schmerz erwartet edle Wuth!
Du bist mein ächtes Blut; in diesen Feuerzügen
Lebt meine Jugend auf; du sollst den Feind besiegen!
Der Sohn.
Sprich Vater, wer entehrt dein lorbeerreiches Haupt;
Wer hat den Ruhm, der dich unsterblich macht, geraubt?
Der Vater.
Ich fiel, ich fiel, O Sohn, im schändlichsten Gefechte;
Ich bin bereits zu schwach; beschütze meine Rechte!
Nimm diesen theuren Kelch, beginn den ersten Krieg,
Erobere mein Sohn für mich den ersten Sieg!
Alle Höflinge. Bravo!
Beliam. Noch nie hat ein Sohn für seinen Vater so willig, so tapfer gefochten! Ich gebe mich überwunden! Du saufst den König arm aus kindlicher Liebe.
Isidor. Lasset izt euren Witz aufsprudeln! – Ihr wackern Brüder, hört mein Trinklied –
Leberreime
Wenn mir die vollen Gläser blinken,
Soll ich denn nicht wacker trinken?
Holder Weingott, meinen Gruß!
Izt will ich auf Rosen sinken,
Und dem frohen Amor winken;
Süsses Mädchen, einen Kuß!
Alle. Es lebe der König!
(Eduard erscheint, winkt allen zu bleiben, und setzt sich in ihre Mitte.)
Eduard. Aus eurer Munterkeit, meine Freunde, erkenne ich euer Zutrauen. Mindert eure Freude nicht, ich will daran Theil nehmen.
Lusian. Izt kann ein ehrlicher Kerl wieder am Hofe lachen. Die Weiber sind weg. Es lebe der König! Ich will meinen Lieblingsgesang singen.
Rundlied
Hütet euch vor Weiberhauben,
Schließt den Mädchen euer Haus;
Anfangs girren sie wie Tauben,
Doch sie brüten Geyer aus.
Späht den Lebenslauf der Schönen;
Prüfet ihr verstelltes Herz!
Lernt das Spiel von ihren Thränen,
Ihre Launen, ihren Scherz.
Hütet euch vor Weiberhauben,
Schließt den Mädchen euer Haus;
Anfangs girren sie wie Tauben,
Doch sie brüten Geyer aus.
Hört die trotzigen Befehle!
Welche Stürme kocht die Brust!
Immer nähret ihre Seele
Neue Wünsche, neue Lust.
Hütet euch vor Weiberhauben,
Schließt den Mädchen euer Haus;
Anfangs girren sie wie Tauben,
Doch sie brüten Geyer aus.
Der König. Lusian, du bist weit gereiset, erzähle doch der Gesellschaft deine Ebentheuer.
Lusian. Ein Theilchen liegt auf der Zunge.
Reisebeschreibung
Ich durchwanderte viele Königreiche, und fand oft wunderbare Geschöpfe. Ein Ungefähr führte mich in eine seltsame Insel, die von Mücken und Grillen wimmelte. Der Handel lag hier meistens danieder, man handelte nur mit Fliegenwedeln, weil die Bewohner so sehr von den Mücken geplagt wurden. Ueberall fand man wunderliche Grillen. Die Universitäten, die Schaubühnen, die Schulen, die Tanzsäle, die Rathhäuser hatten ihre besondere Gattung von Grillen. Der König nährte seine Grillen, und die Unterthanen folgten seinem erhabenen Beyspiele. Der oberste Staatsgrillenküzler versah seine Majestät täglich mit neuen politischen Grillen. Eines Tags träumte der König von einer Originalgrille, die noch in keiner Grillensammlung zu finden war, und die wenigstens tausend Tonnen Goldes und eine halbe Million Menschen kostete. Was schiert das den Monarchen, seine Lieblingsgrille ward ausgeführt. Es war der Grillenfängerey kein Ende. Die Unterthanen murrten heimlich über manche durchlauchtige Grille, und beschwerten sich, daß nicht nur innländische, sondern auch fremde Modegrillen ihnen zur Last fielen. Allein der König liebte nichts, als Grillen. Mit einer neuen Grille konnte man bey Hofe sein Glück machen. Die Grillenprojektanten theilten unter sich die schönsten Würden, und erschöpften die königlichen Kassen. Da man wohl einsah, daß man nur mit Grillen sein Glück beförderte; so blühte lang der Hang zur Grillenfängerey. Die weiblichen Grillen waren die Veränderlichsten und Artigsten. Die Gelehrten wetteiferten mit den Schönen, und heckten so ungeheure Grillen aus, daß sie nur den häßlichen theologischen Grillen an komischer Gestalt wichen. Ich verließ mit Unwillen diese grillensieche Insel. Ich eilte fort, und kam in die Stadt der Klopffechter. Hier war das berühmte und ritterliche Faustrecht noch in der ersten Mode. Alles geschah mit despotischer Gewaltthätigkeit. Der König des Landes bewies seine gerechten Ansprüche auf die Güter seiner Unterthanen und Nachbarn sonnenklar, indem er seine Patente durch viermalhunderttausend wohlbewafnete Blutzeugen unterstützte. Mit der Pistole in der Faust lehrte man auf dem Katheder die Rechte des Landesfürsten. Weh dem, der nur einen unterthänigen Zweifel nährte. Die Gottesgelehrten predigten mit dem blossen Schwerte, und bewiesen die dunkelsten Sätze so gründlich, daß sie täglich Proseliten machten. Auf allen Thüren der Rathssäle stand die Inschrift: Stat pro ratione Voluntas! – Ich zog hastig weiter. Hin und wieder sah ich allerhand Seltenheiten. Die Menschen sind sehr erfindsam. Eine besondere Lustbarkeit ist an grossen Höfen —
Der Maskenball
Der Maskenball ward am hellen Tage bey Hofe gegeben. Die Masken waren sinnreich gewählt. Die Furchtsamen bedeckten sich trotzig mit Löwenhäuten. Die Gleißner trugen den ehrwürdigen Priesterrock. Die schlauen Hoffüchse versteckten sich unter Lammfellen. Die berufensten Metzen borgten das weisse Brautkleid, und spielten ihre künstlichen Rollen im jungfräulichen Grazienschmucke. Die Dummköpfe hüllten sich in Staatsperücken, und Magistratmäntel. Die Müßiggänger machten sich mit Ordenszeichen wichtig. Das Alter bedeckte seinen grauen Bart mit einer jugendlichen Larve. Die Zwergen vergrösserten sich mit Kothurnen zu Riesen. Alle äfften ihre Scheincharaktere so natürlich, daß nur Kenner sie entlarvten.
Marionetenspiel
In den Städten und an den Höfen unterhält man sich mit einem sinnreichen Puppenspiele. Man sucht Figuren von verschiedenen Ständen, Fürsten, Grafen, Baronen, Bürger, Beamte, Künstler, Gelehrte. Sie sind so natürlich gemacht, daß man schwören sollte, sie wären ächte Menschen; aber sie haben keine Seele. Sie sitzen, gehen, stehen, schlafen, essen, trinken, lachen, sprechen, ohne daß man die verborgenen Schnüre sieht, welche diese Maschinen in Bewegung setzen. Die Triebfedern sind verschieden. Oft eine schwache weibliche Hand belebt ungeheure Kolossen.
Taschenspiel
Das Taschenspiel wird am Hofe bis zur Vollkommenheit gebracht. Die Behändigkeit der Zunge, und der Finger zeugt jene Zauberey. Alles verwandelt sich, entflieht auf einen Wink; kömmt wieder durch einen Hauch. Man giebt, ohne zu geben. Man nimmt, ohne daß man den Räuber entdeckt. Alles ist verabredet. Den staunenden Zuschauern wird nicht Zeit gelassen zu überdenken, durch welche Griffe alles geschieht, und wenn sie die Ursache untersuchen wollen, ist alles schon geschehen.
Schattenspiel
Dieses ist das Meisterstück der Grossen. Sie versetzen ihre Zuschauer in eine ewige Nacht; verbergen sich hinter einer Schleyerwand, und gaukeln über ein Licht wunderliche Grimassen. Dadurch erhalten alle ihre Handlungen jene täuschende risenmäßige Grösse, die für scharfsichtige Augen zwar immer Gaukeleyen sind, den blödsinnigen Pöbel aber in Erstaunung setzen, und ihm eine kriechende knechtische Ehrfurcht für die grossen Schattenspieler abnöthigen.
Die Zauberlaterne und der Gukkasten
Die optischen Maschinen sind auch ein Blendwerk, das man mit Licht und Schatten am Hofe sehr glücklich anwendet. Das seltsame Gemische von grotesken Figuren, neuen Masken, phantastischen Scenen, Handlungen, Geberden der Zauberlaterne zeiget die wunderbaren und flüchtigen Auftritte der königlichen Burg. Man bedarf eines beredten Einsagers, der mit rascher Zunge seine Zuschauer zubereitet, denn in einer Minute verschwinden die Vorstellungen, und neue Begebenheiten verdrängen die Alten.
Alle. Hahaha! Das war eine feine Satyre!
Mars. Izt etwas von der Liebe, meine Freunde!
Sonnet
O Amor, schönster Gott, hör meine lezte Bitte!
Sey meiner Liebe hold, dies soll die Gnade seyn.
Der Wunsch ist für mich groß, für deine Kräfte klein;
Wie oft empfand mein Herz Beweise deiner Güte!
Du warst mein Busenfreund, du lenktest meine Schritte;
Wer kann so fromm wie ich dir täglich Weihrauch streun?
Wen wird dein Lächeln mehr als meine Brust erfreun?
Sie glüte nur für dich schon in der ersten Blüte.
Von dir beseelt steh ich izt in der Lebensmitte.
Mich reizt die Grösse nicht: ich geize nicht um Aerz;
Du labest mich allein; durch dich entflieht der Schmerz.
Besuche süsses Kind noch einmal meine Hütte!
Dir folget jede Lust, Du bringst den sanften Scherz
Durch deine Gabe mit; schenk mir Sophiens Herz.
Rasian. Ich zahle dich mit einem –
Madrigal
Du buhlest um mein Herz, Rosine?
Betrachte besser deine Miene;
Schlag heimlich den Kalender auf,
Und überdenk den ganzen Lebenslauf!
Izt sind es volle dreyßig Jahre,
Da warst du mir zur Braut zu jung.
Ich lud dich später zum Altare,
Und hörte mit Demüthigung,
Du seyst bereits, ich weiß nicht, wem versprochen.
So war die Zärtlichkeit bezahlt.
Izt kömmt die lezte der Epochen.
Du scheinest mir, ich sag es frey, zu alt,
Das macht auch meine Liebe kalt.
Der König. Wer ist der Verfasser?
Ras. Ein Dichter, der mit den Reifröcken zerfallen ist, und vermuthlich in einem Krankenspitale hungert.
Der König. Der Mann scheint mir Kopf zu haben.
Ras. Er schrieb auf sich selbst dies lezte –
Epigram
Die Menschen fliehen ihn wie eine Schlange;
Was mag die Ursach seyn? Ist er Medusens Schild?
Zeigt seine Larve sich mit eingeschrumpfter Wange;
Sind seine Züge häßlich wild?
Macht eine Krankheit ihn so stinkend wie die Leichen?
Ist er beschwert mit bösen Seuchen?
Zernagt ihn innerlicher Harm,
Und macht ihn wild und ungesellig?
Ist er zu ungestüm, zu ungefällig?
O nein! Erstaunt! Er ist – zu arm.
Der König. Ich will mich seiner erinnern. Verdienste sollen nie darben! Sucht sie auf, ruft sie aus den Schlupfwinkeln, und es soll mein schönstes Geschäfte seyn, sie zu belohnen!
Ende der ersten Kaprizze
4
Sieh von Korneille das Trauerspiel Cid. Der sechste und siebente Auftritt enthält den Stoff der Parodie. Diego wird von seinem Gegner durch eine Maulschelle entehrt, zieht den Degen, wird entwafnet, und beseufzet seine Schande. Sein Sohn Roderich übernimmt die Rache.