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Weg mit der Eile, nicht mit der Nabelschnur
ОглавлениеFrüher glaubte man, Blutungen bei der Mutter würden verhindert, wenn man innerhalb von Sekunden nach der Geburt die Nabelschnur durchtrennt. Jahrelang war dies Behandlungsstandard, obwohl es kaum stützende Beweise dafür gab und niemand darüber nachdachte, wie sich die sofortige Abnabelung auf das Baby auswirkt. Doch eine Reihe von wissenschaftlichen Studien hat jetzt bestätigt, dass, wenn die Nabelschnur nach der Geburt noch an der Plazenta verbleibt, das Blut des Neugeborenen, das sich noch darin befindet, wieder zurück ins Baby fließen kann.
Für eine schwedische Studie wurden 382 gesunde, reif geborene Babys randomisiert in eine von zwei Gruppen eingeteilt. Bei einer wurde die Nabelschnur erst später (frühestens drei Minuten nach der Geburt) durchtrennt, bei der anderen sofort nach der Geburt. 263 dieser Kinder wurden vier Jahre nach der Geburt erneut untersucht. Es stellte sich heraus, dass insbesondere Jungen von der späteren Nabelschnurdurchtrennung profitierten. Die schwedischen Kinder, insbesondere die Jungen, hatten bessere soziale und feinmotorische Fähigkeiten144 als Babys, deren Nabelschnur innerhalb von zehn Sekunden nach der Geburt durchtrennt worden war.
Zwar sind viele Krankenhäuser in der Hinsicht noch nicht auf dem neuesten Stand, aber wir wissen jetzt, dass es für die Babys – sowohl zu früh145 als auch termingerecht geborene146 – besser ist, wenn wir uns mit dem Durchtrennen der Nabelschnur nicht so sehr beeilen. Wenn wir damit warten, bis die Nabelschnur nicht mehr pulsiert – was von ein paar Minuten bis zu wenigen Stunden dauern kann –, sinkt bei den Babys die Wahrscheinlichkeit für Blutungen147 und sie haben höhere Eisenspeicher.148
Anämie bei Neugeborenen ist ein weltweites Problem. Bei der Geburt haben Babys viele zusätzliche rote Blutkörperchen. Wenn sie abgebaut werden, entsteht das gelbe Bilirubin. Die durch den schnellen Abbau von roten Blutkörperchen verursachte Gelbsucht ist leicht zu behandeln. Anämie, die durch zu wenige Blutkörperchen hervorgerufen wird, ist bei sechs bis neun Monate alten Säuglingen häufig und schwerer in Griff zu bekommen. Manchmal ist eine monatelange Gabe von Eisen nötig. Es mehren sich die Hinweise darauf, dass man durch eine spätere Durchtrennung der Nabelschnur das Risiko für Anämie in den ersten Lebensjahren verringern kann. Alles, was die Eisenspeicher erhöht – wie beispielsweise eine spätere Durchtrennung der Nabelschnur –, ist meiner Meinung nach sehr leicht durchzuführen.