Читать книгу Sternstunde der Mörder - Pavel Kohout - Страница 24
ОглавлениеOberkriminalrat Buback erstattete um acht Uhr null null Standartenführer Meckerle Meldung. Er teilte mit, daß an der Leistung der Prager Kriminalpolizei vorerst nichts auszusetzen sei. Sie hatte es im Eiltempo geschafft, einen Bericht über sämtliche sadistischen Morde seit Beginn des Jahrhunderts zusammenzustellen, ja, ihre Kartei reichte tatsächlich bis in die Zeiten der Monarchie zurück.
Drei Wochen nachdem er zum erstenmal in dem Büro Platz genommen hatte, das man für ihn eilends in der Bartholomäusgasse einräumte und wo er fast täglich ohne Ankündigung zu verschiedenen Zeiten erschien, legte er heute die Ergebnisse seiner Beobachtungen vor.
«Im Bereich des Kriminaldienstes habe ich nicht die geringsten Anzeichen von Aktivitäten festgestellt, die den Rahmen ihrer Zuständigkeit überschreiten würden. Hauptkommissar Beran ist offensichtlich seinem Grundsatz aus Vorkriegszeiten treu geblieben, daß diese Sparte Polizei konsequent unpolitisch zu bleiben hat. Diesen Grundsatz verletzt hat, soweit der Gestapo bekannt, allein sein Untergebener, der im Juni 1942 wegen Billigung des Attentats auf Heydrich hingerichtet wurde. Seine Schuld muß mir jedoch zweifelhaft vorkommen, da die Anzeige von einem Konfidenten stammte, den er einmal wegen Betrügereien hinter Gitter gebracht hatte.»
Meckerle, der selbst in seinem maßgefertigten Sessel, in den zwei normale Männer hineingepaßt hätten, fast eingeklemmt war, verzog wissend das Gesicht.
«Jetzt kommt aber das ‹Aber›!»
Buback nickte. Zu den wenigen sympathischen Zügen seines Vorgesetzten gehörte, daß mit ihm schnell zu reden war; Langatmigkeit, gepaart mit Langeweile, machte ihn aggressiv.
«Der Behauptung des Polizeipräsidenten Rajner, daß vor allem die Fachgruppen Loyalität uns gegenüber bewahren, messe ich trotzdem keinen Glauben bei, er selbst weiß einen alten Dreck. Obwohl keiner der tschechischen Kriminalisten ahnt, daß ich sie verstehe, waltet mir gegenüber allgemeine Vorsicht. Meine häufige Anwesenheit hat sie aber abgestumpft, und nicht jeder ist imstande, seine geläufigen Gefühle zu verbergen. Bezeichnend ist die Stimmung morgens, wenn sich die Leute mit neuen Nachrichten begegnen. Sie müssen nicht unbedingt einen Feindsender gehört haben, die Protektoratszeitung reicht ihnen leider auch, denn in den Meldungen des Oberkommandos der Wehrmacht werden immer öfter die Namen von Städten genannt, die im Osten der einstigen Republik liegen. Beim Malzkaffee oder Ersatztee, die dort hektoliterweise gekocht werden, herrscht im ganzen Haus eine geradezu greifbare Begeisterung, manch einer macht sich selbst in meiner Gegenwart nicht mehr die Mühe, wenigstens den Schein zu wahren.»
«Haben wir einen Agenten da?»
«Sogar zwei, einen Techniker und vor allem den Garagenmeister. Aus ihren saftlosen Berichten läßt sich nur schließen, daß sie nicht mehr an unseren Sieg glauben und um ihre Haut fürchten. Meine Erfahrungen aus den Niederlanden lehren mich, daß gerade solche Leute uns zuerst in den Rücken fallen, um sich ein Alibi zu verschaffen. In den operativen Einheiten der tschechischen Polizei ist die Situation gewiß noch schlimmer, weil es sich um einen Teil des Repressionsapparats der Kollaborateursregierung handelt. Die Gefahr, daß sie fünf vor zwölf offen gegen uns auftreten, um sich zu rehabilitieren, wird bei weiterer Frontverschiebung akut.»
«Wie läßt sich dem vorbeugen? Sollen wir ein paar von ihnen einsperren? Oder umlegen?»
Verdammte Arbeit! dachte Buback, daß nicht mal dem etwas Klügeres einfällt ...!
«Ich fürchte, das würde die tschechische Polizei unnötig radikalisieren, immerhin gibt es allein in Prag ein paar hundert zwar schlecht bewaffnete, dafür aber gut ausgebildete Leute.»
«Also was dann??»
Meckerle begann sich offenbar gefährlich zu langweilen.
«Lassen Sie mir etwas Zeit, Standartenführer! Ich werde versuchen, das Vertrauen einer jungen Beamtin, der persönlichen Sekretärin von Beran, zu gewinnen.»
Die Augen des Riesen verrieten erneut Interesse.
«O ja! Zwei Fliegen mit einer Klappe? Endlich. Für den ewigen Witwer sind Sie viel zu jung. Und zu ansehnlich. Also nutzen Sie das.»
«Ebendas habe ich vor ...»
Er stand immer noch unter dem außerordentlichen Eindruck, den die Begegnung mit der jungen Tschechin in ihm hinterlassen hatte: Im Vorzimmer des Hauptkommissars der Prager Kriminalpolizei blickten ihn scheu und wehmütig die Augen seiner Hilde an, als er ihr das erstemal begegnet war ...
«Und wie sieht es nun mit dem Abartigen aus?» entsann sich Meckerle, als Oberkriminalrat Erwin Buback sich erhob, um sich gemessen abzumelden.
«Die heißeste Spur führt nach Brünn. Heute nachmittag fahre ich mit Berans Assistenten hin. Brünn liegt nahe der Front, auch unsere eigentliche Problematik läßt sich dort um so besser ermitteln.»