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4.

Perry Rhodan

»Eine Stunde«, sagte die Kommandantin der NEY ELIAS. »In einer Stunde erreichen wir Tellus. Genug Zeit für einige Fragen und Antworten.«

Sie hatten in einem Besprechungsraum der NEY ELIAS an einem runden Tisch Platz genommen, dessen Mitte Erfrischungen präsentierte. Tenga saß in einem extra für ihn angefertigten Sessel, vor Donn Yaradua auf dem Tisch, und trank blau schimmernde, perlende Flüssigkeit aus einem fingerhutgroßen Glas, das er in beiden Händen hielt.

Rhodan erinnerte sich an den vorwurfsvollen Blick seiner Enkelin Farye, als er sich für diese beiden Begleiter entschieden hatte, an die stumme Bitte in ihren Augen, sie mitzunehmen. Es war eine schnelle Entscheidung gewesen, getroffen unter Zeitdruck – er hatte allein seiner Intuition vertraut, die ihm oft ein wertvoller Verbündeter gewesen war.

Er betrachtete die Personen auf der anderen Seite des Tisches: die ruhige Amma Vargas, Kommandantin der NEY ELIAS, klein und schmächtig, eine ruhige, ernste Frau, die genau überlegte, bevor sie eine Entscheidung traf; der skeptische Zafer Young, offenbar ein Kolonialertruser, aber für einen Ertruser ein bisschen klein und schmächtig geraten, mit schütterem Haar, das nicht dicht und lang genug für den traditionellen Sichelkamm war; der lächelnde, manchmal etwas tollpatschig wirkende Felix Ghiss, dem Dutzende von Fragen auf der Zunge lagen, man konnte sie förmlich sehen; und die wachsame Tholia, eine dürre, feingliedrige, gut zwei Meter große Frau mit silbernem Haar und blauen, grünen und schwarzen Flecken auf der weißen Haut.

Amma Vargas bemerkte Rhodans Blick. »Tholia ist eine Affosa von Ensch. Sie hat einen Partner, einen Symbionten, der sie befähigt, Wahrheit von Lüge zu unterscheiden.« Den letzten Worten gab sie einen mahnenden Klang.

Eine Mutantin?, dachte Rhodan und fragte sich, ob Tholia Affatengas Lüge erkannt hatte. Seine SCHOTE konnte es nicht mit den technischen Möglichkeiten eines Beiboots der BJO BREISKOLL aufnehmen, aber sie war ein durchaus leistungsfähiges Kleinstraumschiff, dazu imstande, ihnen gute Dienste zu leisten, sollten sie in Schwierigkeiten geraten. Mit ihr konnten sie Kontakt zur LAURIN-Jet aufnehmen, die der NEY ELIAS heimlich folgte.

Wie weit gingen Tholias Fähigkeiten? Musste sie sich auf eine sprechende Person konzentrieren, um zu bemerken, ob sie log? Oft reichten Erfahrung und Gespür dafür aus, Wahrheit von Lüge zu trennen, aber die Worte der Kommandantin deuteten darauf hin, dass die Gabe der blassen, großen Frau darüber hinausging. Rhodan beschloss, auf der Hut zu sein.

Der aufgeregte Felix Ghiss konnte sich nicht länger zurückhalten. »Woher kommt ihr?«, platzte es aus ihm heraus. »Wo ist die RAS TSCHUBAI? Was hat es mit eurem Zeitsprung auf sich? Bist du wirklich Perry Rhodan? Ich meine, wirklich?«

»Ja«, antwortete Rhodan und sah Tholia an. Es war die Wahrheit, hier drohte keine Gefahr.

Die Affosa behielt ihn im Auge. »Er ist es«, sagte sie, und erneut klang es nach leisem, melodischem Gesang. »Er ist wirklich Perry Rhodan.«

Zafer Young, der kleine Ertruser, lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. »Es könnte ein Trick sein, ein besonders geschickter Trick. Man nehme jemanden mit Charisma, einen guten Rhetoriker, der um die Wirkung von Worten weiß ...«

Amma Vargas unterbrach ihn. »Ich habe es gefühlt. Wir alle haben es gefühlt. Die vielen Jahre, dein langes Leben, deine Unsterblichkeit.«

»Erzähl uns von dir!« Felix Ghiss sprach schnell. »Von deinen Erlebnissen! Von der Zeit vor dem Posizid und der Datensintflut! Erzähl uns von der Erde!«

Der junge Felix steckte voller Enthusiasmus, das sah man ihm an, aber seine letzten Worte brachten mehr zum Ausdruck, vielleicht so etwas wie eine tiefe Sehnsucht.

»Der sagenumwobene Ursprungsplanet aller Menschen«, sagte Amma Vargas nach einigen Sekunden erwartungsvoller Stille. »Die Erde. Terra.«

»Eine Erfindung«, brummte Zafer, der noch immer mit verschränkten Armen dasaß, die buschigen Brauen zusammengezogen. »Terra hat nie existiert. Die Menschen des Ursprungs haben diese Welt erfunden, weil sie immer wieder angegriffen wurden. Sie erzählten von Terra, um ihre Feinde abzulenken, unter ihnen die mächtigen Uleb aus der Zeit des Grauens.«

»So lautet eine Theorie«, kommentierte Amma Vargas mit einem nachsichtigen Seitenblick auf Zafer.

»Eine, die viele Anhänger hat«, unterstrich der Kolonialertruser.

Amma nickte. »Nach einer anderen Theorie mit kaum weniger Anhängern ist die wahre Heimatwelt der Terraner vor langer, langer Zeit von einem sogenannten Schwarm entführt worden. Nach der Einschätzung von Soziologen und Galaktopsychologen dient der Terra-Mythos vor allem dem Zusammenhalt der Menschheit. Wir Terraner sind ohne Wurzeln. Es gibt kein Zentrum unserer Kultur, keine Heimatwelt, auf die man sich zurückbesinnen kann. Wir sind wie ... welkes Laub im Wind.«

Da war es wieder, das Wort Mythos. Rhodan hatte es schon mehrmals gehört.

»Und jetzt sitzt du vor uns, eine Wirklichkeit gewordene Legende!«, entfuhr es Felix Ghiss. »Du kannst uns sagen, was wirklich geschehen ist! Du kannst uns sagen, wo sich die Erde befindet! Terra, die wahre Wiege der Menschheit!«

»Die wahre Wiege der Menschheit?«, wiederholte Zafer. »Die Shenpadri könnten sie gefunden haben, auf Tellus. Deshalb sind wir unterwegs. In einer Stunde wissen wir mehr. Es sei denn, Perry Rhodan verrät uns schon jetzt, was uns auf Tellus erwartet.«

»Wenn ich das wüsste, wäre ich nicht bei euch an Bord.« Rhodan spürte Tholias Blick. Sie war wie eine feinjustierte Waage, die jedes Wort wog, jede Silbe, jeden Ton. »Aber ich weiß eines: Tellus ist nicht die Ursprungswelt der Menschheit.«

Er wartete Tholias bestätigendes Nicken für Amma Vargas ab und fügte hinzu: »Wie konnte Terra in so wenigen Jahrhunderten zu einem Mythos werden? Wie können Menschen heute geteilter Meinung darüber sein, ob die Erde existiert oder jemals existiert hat?«

»Alle Daten gingen verloren«, sagte Zafer Young. »Vieles geriet in Vergessenheit.«

Rhodan wechselte einen kurzen Blick mit Donn Yaradua und Tenga, der sein Glas abgestellt hatte und mit leeren Händen dasaß, ohne die Pralinenschachtel, mit der er sich so oft zeigte.

»Wir haben einen Zeitsprung über fünfhundert Jahre hinter uns«, erwiderte er. »Die Milchstraße hat sich verändert, wir erkennen sie kaum wieder. Auf der Suche nach Antworten haben wir mehrmals vom Posizid und der Datensintflut gehört. Inzwischen liegen uns zahlreiche Berichte darüber vor, aber sie widersprechen sich. Das Bild, das sie ergeben, bleibt vage und lückenhaft. Was genau ist geschehen?«

Die ruhige, bedächtige und offenbar sehr kluge Amma Vargas wartete ein weiteres Nicken der grazilen Frau mit der fleckigen weißen Haut ab, bevor sie antwortete: »Auch in diesem Zusammenhang gibt es verschiedene Theorien ...«

»Ja«, warf Zafer ein. »So heißt es zum Beispiel, dass die Terraner dahinterstecken.« Er senkte die Arme, beugte sich vor und sah Rhodan an, als hätte er in ihm einen Hauptverdächtigen ausgemacht. »Um die Wahrheit zu verschleiern. Um Terra noch besser zu verstecken.«

»Klingt für mich nach einer gehörigen Portion Paranoia«, meinte Tenga. »Die heimatlosen Terraner sollen an ihrer Heimatlosigkeit selbst schuld sein? Weil sie Angriffe fürchten, eine dunkle Gefahr aus dem finsteren Nichts?«

Rhodan bemerkte, dass Tholia ihren Blick auf den Siganesen richtete, der mit gestreckten Beinen in seinem kleinen Sessel saß, die Hände auf dem Bauch gefaltet. Bevor sie sich ganz auf ihn konzentrieren konnte, sagte er: »Terra ist oft bedroht worden und geriet mehr als einmal an den Rand des Untergangs.«

Felix Ghiss strahlte wieder. »Erzähl uns mehr davon!«

»Die Aarus-Affäre«, sagte Amma. »Sie ist die offizielle Erklärung, und die Cairaner haben den Beweis dafür erbracht. Die Aarus sind für den Posizid verantwortlich.«

Rhodan wusste sofort, wen die Kommandantin der NEY ELIAS meinte. Die Aarus waren ein Volk aus der Galaxis Tradom, das sich in der Milchstraße angesiedelt hatte. Diese aquatische Zivilisation genoss den Ruf, in jeder Generation zahlreiche hervorragende Techniker hervorzubringen.

»Sie setzten eine Art Virus in den interstellaren Datennetzen der Milchstraße frei«, fuhr Amma Vargas fort. »Etwas, das sich rasend schnell durch die Hyperfunkkanäle ausbreitete, alle Positroniken befiel und ihre Daten löschte oder veränderte. Die galaktischen Völker verloren einen großen Teil ihres historischen, kulturellen und technologischen Wissens.

Der ersten Katastrophe folgte eine zweite: die Datensintflut, wie eine gewaltige, kolossale Flutwelle, die durch die Milchstraße schwappte und jeden Datenspeicher füllte, die kleinen wie die großen, von mobilen Speichermodulen über Bordpositroniken von Raumschiffen bis hin zu den großen galaktischen Archiven.

Die Flut bestand aus falschen Daten. Technische Baupläne, wissenschaftliche Studien, astronomische Kataloge, hyperphysikalische Theorien, historische Übersichten, archäologische Verzeichnisse – alles wurde mit widersprüchlichen Informationen überflutet.«

»Und die Aarus sind schuld daran?«

»So haben es die Cairaner bewiesen«, bestätigte Amma.

Rhodan erinnerte sich an das Gespräch, das er an Bord der BJO BREISKOLL mit Farye geführt hatte. Wir sind tatsächlich die Hüter der Vergangenheit, die Bewahrer unserer Geschichte.

»Nichts entkam Posizid und Datensintflut«, sagte Amma Vargas. »Bis auf ...«

Der aufgeregte Felix Ghiss kam ihr zuvor. »Wenn ihr fünfhundert Jahre aus der Vergangenheit kommt, sind eure Positroniken weder vom Posizid noch von der Datensintflut betroffen!«

»Wir können euch dabei helfen, eure Datenbestände zu bereinigen, wenn ihr uns Zugriff auf die Datenbanken euer Bordpositronik gestattet.« Damit ergriff Donn Yaradua zum ersten Mal das Wort. Rhodan hatte ihn mitgenommen, weil er sich durch ein besonderes Gespür für fremde Lebewesen auszeichnete – eine Fähigkeit, die ihnen bei den Shenpadri nützlich sein konnte.

Yaradua war ein Mutant, ein Metabolist, dazu imstande, Einfluss auf die biochemischen Prozesse eines Organismus zu nehmen und zum Beispiel Schläfrigkeit, Hunger und Durst zu bewirken. Bestimmt hatte er bereits Tholia sondiert – seine besonderen Talente mochten sich als hilfreich erweisen, falls die Affosa zu einem Problem werden sollte.

Rhodan wollte niemanden hintergehen, auch diese Wissenschaftler nicht, deren Vertrauen er zu gewinnen begann. Aber er musste gewappnet sein, auf alles vorbereitet. Nur so konnte er überleben und seiner Verantwortung gerecht werden.

»Ach?«, brummte Zafer Young. »Ihr wollt uns in die Karten schauen, ohne selbst etwas preiszugeben?«

»Wir wollen nur helfen«, betonte Donn.

»Natürlich«, sagte Amma Vargas mit einem kurzen Lächeln. »Zweifellos. Wir danken euch für eure Hilfsbereitschaft. Allerdings enthalten unsere Datenbanken wertvolle Informationen über die letzten Forschungsprojekte. Informationen, die für die Einsatzzentrale der Explorerflotte im Ephelegonsystem bestimmt sind.«

»Für die Liga Freier Galaktiker«, präzisierte Rhodan.

Amma nickte knapp.

»Ich kenne ihn«, sagte Rhodan. »Er ist ein guter Freund von mir.«

Die Kommandantin der NEY ELIAS musterte ihn. »Wen meinst du?«

»Den Residenten. Reginald Bull.«

Bevor Amma Vargas antworten konnte, drang eine Stimme aus dem Interkom.

»Wir nähern uns Tellus. Ein Schiff der Shenpadri nimmt uns in Empfang.«

Amma stand auf. »Wir sind auf dem Weg zur Zentrale, Lionel.«

Exta

Schnee fiel aus dichten Wolken über der erwachenden Welt.

Das Exta – vom größeren Wir geschickt, um zu prüfen, zu urteilen und zu entscheiden – dehnte sich aus, im knarrenden, knackenden Eis, das selbst dort schmolz, wo es nicht von Thermostrahlen getroffen wurde, im Felsgestein darunter, in der Kruste des Planeten, tief unten, wo es selbst dann warm blieb, wenn weiter oben alles in dunkler Kälte erstarrte.

Es tastete nach dem in Schnee und Eis schlafenden zyklischen Leben, das erste Signale der Veränderung empfing: Licht, steigende Temperaturen, Bewegung. Sanft und subtil nistete es sich darin ein, als Teilhaber und Begleiter, wie ein Reiter ohne Gewicht und Masse, hörte die Anfänge fremder Gedanken und lauschte dem Flüstern erster Empfindungen.

Eine andere Komponente des großen Wir wuchs und baute. An Rohstoffen mangelte es nicht. Das Felsgestein enthielt viele der benötigten Substanzen, und die anderen ließen sich in der Tiefe finden, dem flüssigen Herzen des Planeten entnehmen. Der Konstrukteur konstruierte, basierend auf der Annahme, dass die lange Reise bald weiterging.

Das Exta fand den Ort der letzten Intervention: ein Fremdkörper auf dem Planeten, geschaffen von Besuchern, die ihrerseits Besuch erhalten hatten. Etwas regte sich dort, trotz Tod und Zerstörung, ein Funke Leben, ein kleines Licht, das etwas heller wurde, während das Eis schmolz. Das Exta nahm Kenntnis davon und beschloss, zu gegebener Zeit einen Kommunikationsversuch zu unternehmen, auf der Grundlage der alten Daten und auch der neuen, die es gegenwärtig sammelte.

Es gab noch einen anderen Fremdkörper, stellte das suchende, forschende Exta fest, größer als der erste, viel größer. Die Thermostrahlen, die das Eis schneller schmolzen als das warme Licht der näheren Sonne, legten immer mehr davon frei.

Das Exta, neugierig geworden, dehnte sich noch etwas mehr aus, um Informationen zu gewinnen.

Perry Rhodan

Die Zentrale der NEY ELIAS war erstaunlich klein, wenn man die Größe des Schiffes bedachte. Perry Rhodan schätzte sie auf nicht mehr als fünfzig Quadratmeter, und sie war vollgestopft mit Konsolen, Sensorblöcken, holografischen Projektoren und einer halbtransparenten Säule mit direktem Zugang zur Bordpositronik.

Mehrere Personen sahen von den Kontrollen und Anzeigen auf, als Amma Vargas mit ihren Begleitern zurückkehrte. Die Blicke galten vor allem den drei Gästen von der BJO BREISKOLL, einer von ihnen nur zweiundzwanzig Zentimeter groß – Tenga ließ sich nicht von Donn Yaradua tragen, sondern saß auf der schwebenden SCHOTE.

Tholia und Zafer Young gingen sofort zu ihren Stationen. Felix blieb neben der Datensäule stehen, breitete die Arme aus und verkündete: »Er ist wirklich Perry Rhodan. Tholia hat es bestätigt.«

Rhodan spürte, wie sich alle Blicke auf ihn richteten, manche hoffnungsvoll, andere eher skeptisch.

Holos leuchteten, zeigten Daten, Statussymbole und den Planeten Tellus, eine wolkenverhangene Kugel. Ein Anzeigefeld präsentierte ein kupferrotes zylindrisches Schiff, das offenbar aus mehreren Segmenten bestand, deren Außenhüllen wie schraffiert wirkten.

Rhodan trat näher. Ein solches Schiff sah er zum ersten Mal. »Die Shenpadri?«

»Ja«, bestätigte Amma Vargas.

»Wer sind sie? In der Zeit, aus der wir kommen, gab es sie noch nicht in der Milchstraße.«

»Die Shenpadri sind Archäologen«, erklärte Amma. »Sie widmen sich überall in der Galaxis der Erforschung der Vergangenheit – offenbar erhoffen sie sich davon ein fundamentales Verständnis des Universums. Oft nennen sie sich ›Ruinenhüter‹, Bewahrer der Vergangenheit, auf der Gegenwart und Zukunft basieren.«

Bewahrer der Vergangenheit, dachte Rhodan.

»Shenpadri leben in sogenannten Archäo-Kampagnen«, fuhr Amma Vargas fort. Sie nahm nicht Platz, blieb neben Rhodan und Donn Yaradua stehen. »Bei den uns bekannten Shenpadri gibt es zwei in Wettstreit miteinander stehende Gruppen, jeweils unter der Leitung eines Archäo-Magnaten. Die Gruppe, mit der wir es hier zu tun haben, gehört zur Magnatin Shoniun. Der zuständige Ruinenhüter heißt ...«

»Shanlud«, sagte Rhodan.

Amma wölbte die Brauen.

»Wir kennen die Nachricht, die er dem Ephelegonsystem übermittelte. Deshalb sind wir hier. Ich weiß, dass Tellus ...« Rhodan deutete auf den Planeten. »... nicht die Wiege der Menschheit sein kann. Ich stamme von der Erde, ich kenne Terra. Aber Ruinenhüter Shanlud klang begeistert und überzeugt.«

Die Kommandantin der NEY ELIAS nickte. »Er scheint wirklich sicher zu sein, eine sehr wichtige Entdeckung gemacht zu haben.«

»Die Shenpadri warten auf eine Antwort von uns, Amma«, sagte der große, breite Lionel Nebraff, der an den Kommunikationskontrollen saß.

»Wenn du gestattest ...«, sagte Rhodan.

»Ja?«, fragte Amma.

»Bitte verzichte darauf, meinen Namen zu nennen. Ich möchte vorerst inkognito bleiben.«

Ammas Brauen kletterten erneut nach oben. »Gibt es dafür einen bestimmten Grund?«

Ja, die Cairaner, dachte Rhodan, doch seine Antwort lautete: »Vorsicht.«

Amma Vargas musterte ihn aufmerksam, wie zuvor im Besprechungsraum. »Ich verstehe«, sagte sie schließlich, und vielleicht verstand sie wirklich. »Lionel, Verbindung herstellen!«

»Wird hergestellt.«

Das kupferrote Schiff, das wie eine lange Schlange aussah, verschwand aus dem Holo neben Lionel Nebraff und wich einem schlangenartigen Wesen. Die am Rand des Holos eingeblendeten Orientierungsdaten vermittelten einen Eindruck von der Größe. Das Geschöpf war etwas mehr als zweieinhalb Meter lang, knapp einen halben Meter dick und von dichtem weißem Gefieder bedeckt, in dem sich rubinrote Muster zeigten. Es richtete die vordere Hälfte des Körpers auf, hob den spitz zulaufenden Kopf und zeigte ein Gesicht, das hauptsächlich aus einem runden, von zahlreichen Zähnen gesäumten Mund bestand.

Rhodan beobachtete, wie sich der in drei Greiflappen endende Schwanz des Wesens bewegte, einen nahen Gegenstand ergriff und ihn über den Kopf stülpte, woraufhin das Gesicht hinter einer Maske verschwand.

Hinter einer Maske, die sich veränderte und menschliche Züge gewann. Einige Sekunden verstrichen, und dann trug das serpentoide Wesen im Holo, der Shenpadri, das Gesicht von Amma Vargas.

»Ehre und Ruhm für Shoniun, Magnatin eurer Archäo-Kampagne«, sagte Amma Vargas. »Ehre und Ruhm für dich, Ruinenhüter Shanlud. Ich weiß es sehr zu schätzen, dass du eine Lingumaske mit meinem Gesicht benutzt.«

Das neue Gesicht des Shenpadri – seine Lingumaske, wie Amma sie genannt hatte – bewegte die Lippen und sagte: »Wir haben euch erwartet. Ihr seid die ersten Menschen, die unsere große Entdeckung sehen. Wie lange habt ihr sie gesucht, die Wiege eurer Menschheit, euren Ursprungsplaneten namens Erde oder Terra? Jahrhunderte!«

Shanlud zischte glücklich oder triumphierend. »Wir haben ihn gefunden! Diese Kampagne! Dieser Ruinenhüter, der zu euch spricht, ein treuer und loyaler Diener der großen Shoniun – Ehre und Ruhm für sie, Ruhm und Ehre, doppelt und dreifach!«

Der Shenpadri bewegte den Kopf auf und ab, und dabei bemerkte Rhodan kleine Objekte, die aus Kopf und Hals ragten. Er hatte sie zunächst für Teile der Maske gehalten, aber es schienen Geräte und Apparate zu sein. Sensorische Erweiterungen?

»Was genau habt ihr entdeckt?«, fragte er.

Shanlud beugte sich abrupt vor. Seine Lingumaske veränderte sich und deutete Rhodans Züge an, kehrte aber sofort zu denen von Amma Vargas zurück, an die er auch die nächsten Worte richtete.

»Wer ist das? Wieso spricht er, ohne diesem Ruinenhüter vorgestellt worden zu sein?«

»Ich bitte um Entschuldigung.« Rhodan deutete eine Verbeugung an. »Ich bin ein treuer und loyaler Diener der terranischen Explorer. Seit vielen Jahren erforsche ich die terranische Vergangenheit und suche nach dem Heimatplaneten der Menschheit. Deshalb befinde ich mich an Bord dieses Schiffes, weil ich sehen und erkennen kann. Wenn ich meine Frage wiederholen darf: Was habt ihr gefunden?«

Shanlud zögerte, und seine Lingumaske veränderte sich erneut. Sie schien sich nicht entscheiden zu können: Die linke Hälfte blieb bei Amma Vargas, in der rechten erschien Rhodan.

»Ein Mann ohne Namen?«, zischte der Shenpadri. »Ein Seher und Erkenner? Nun gut, soll er sehen und erkennen, zusammen mit allen anderen, zusammen mit Amma Vargas und den Menschen an Bord ihres Schiffes. Am Anfang stehen wir erst, und doch haben wir schon Großes entdeckt.«

Shanlud, seine Lingumaske noch immer zweigeteilt, verschwand aus dem Holo, und der Planet Tellus erschien, kam näher und näher. Erste Wolkenfetzen flogen vorbei, weiß und grau, und dann gerieten Gletscher in Sicht, ein gewaltiger Eispanzer, den Tellus fast drei Jahrtausende lang getragen hatte. Risse durchzogen das Eis, Schmelzwasser stürzte in die Tiefe. Aus dichten Wolken fallende Schneeflocken verwandelten sich in Regentropfen.

Der lange Winter ging für Tellus zu Ende, doch die Shenpadri wollten nicht warten, bis das Eis im wärmer werdenden Sonnenlicht schmolz. Rhodan bemerkte mehrere zylindrische Raumschiffe, kupferrot wie das erste, das er gesehen hatte, und ebenfalls aus einzelnen Segmenten bestehend. Von Antigravfeldern gehalten schwebten sie einige Hundert Meter über einem bestimmten Gebiet des Planeten – ihre Thermostrahlen schmolzen Eis und Schnee unter ihnen.

Ein Teil des Eispanzers war bereits ganz verschwunden, und dort zeigten sich runde, kreisförmige Strukturen auf der freigelegten Oberfläche des Planeten. Ein Zoom holte sie heran: kleine und große Kreise, die sich manchmal überlappten, bestehend aus Gebäuden und Gebäuderesten, aus Mauern, Ruinen und den Linienmustern alter Verkehrswege.

Eine Stadt, dachte Rhodan.

Aber nicht irgendeine Stadt.

Die Anordnung wirkte vertraut: zwei mittelgroße Kreise im Südwesten, ein größerer im Norden, dazwischen kleinere kreisförmige Strukturen, durchzogen von geraden Linien, die manchmal im rechten Winkel aufeinandertrafen.

Es konnte kein Zweifel daran bestehen: Die Shenpadri hatten auf Tellus die Reste von Terrania City gefunden.

Perry Rhodan-Paket 61: Mythos (Teil1)

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