Читать книгу Perry Rhodan-Paket 61: Mythos (Teil1) - Perry Rhodan - Страница 133
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Perry Rhodan
Die NEY ELIAS blieb in einer hohen Umlaufbahn zurück, bei den Hauptschiffen der Shenpadri. Ein raumtüchtiger Gleiter brachte die von Amma Vargas zusammengestellte Beobachtergruppe zur fünftausend Quadratkilometer großen Ausgrabungsstätte. Terrania City war noch ein ganzes Stück größer, aber Ruinenhüter Shanlud hatte darauf hingewiesen, dass sie am Anfang standen – nur ein Teil der riesigen Stadt mit einst hundert Millionen Einwohnern war dem Eis entrissen.
»Wie ist das möglich?«, fragte Donn Yaradua, als sie sich den Einsatzplattformen am Rand des sechzig Kilometer langen und gut vierzig Kilometer breiten Lochs im Eispanzer von Tellus näherten. Einige Plattformen ruhten auf dem Eis. Andere schwebten über den Ruinen der Stadt, hielten Abstand von den Thermostrahlen der Schiffe weiter oben und halfen mit Traktorstrahlen bei der Montage von Haltegerüsten für jene Gebäude, die besser erhalten waren als andere und noch immer zwei- oder dreihundert Meter weit aufragten. Von den bis zu zwei Kilometer hohen Türmen, an die sich Rhodan erinnerte, waren nur grauweiße Blöcke übrig, die in der Stadt verstreut lagen und andere Gebäude unter sich zermalmt hatten.
»Es kann auf keinen Fall die echte Stadt sein«, sagte Rhodan. »Oder ...« Er sprach nicht weiter.
»Oder es ist etwas Dramatisches geschehen, das Terras Hauptstadt hierher versetzt und zerstört hat«, sagte Donn.
»Oder dies beweist, dass ihr lügt«, fügte der vorn sitzende Zafer Young hinzu.
Der Kolonialertruser trug einen Einsatzoverall, in dem seine Schultern breiter wirkten. Links neben ihm bediente Amma Vargas die Kontrollen des Gleiters, und rechts saß Felix Ghiss. Er wirkte gleich doppelt begeistert: von der Ruinenstadt, die sich unter ihnen ausbreitete, und davon, mit dem legendären Perry Rhodan unterwegs zu sein. Ein zweiter Gleiter mit Tholia, Lionel Nebraff und einigen anderen Wissenschaftlern von der NEY ELIAS flog einen halben Kilometer hinter ihnen.
»Was auch immer geschieht: Achtet darauf, die Shenpadri nicht zu beleidigen oder ihre Kompetenz infrage zu stellen.« Amma Vargas drehte kurz den Kopf und gab damit zu verstehen, dass ihre mahnenden Worte vor allem Rhodan und seinen beiden Begleitern von der BJO BREISKOLL galten. »Sie können recht empfindlich sein, wenn es um ihre Archäologenehre geht, und wir brauchen ihren guten Willen für unsere Forschungen.«
»Worauf sollten wir achten?«, fragte Rhodan und blickte aus dem Fenster, auf die Ruinen von Terrania City.
»Vermeidet es, die Shenpadri auf ihre Organoiden anzusprechen«, antwortete Amma Vargas. »Das sind die kleinen Geräte und Apparate, mit denen sie ihre Körper ausstatten und die manchmal deutlich zu sehen sind. Sie dienen der physischen und psychischen Leistungssteigerung, aber vor allem handelt es sich bei ihnen um Statussymbole. Je mehr von ihnen ein Shenpadri hat und je deutlicher sie zu sehen sind, desto höher ist dessen Rang.«
Rhodans Blick glitt kurz zu Donn Yaradua. Der Metabolist konnte mit seinen besonderen Fähigkeiten vielleicht mehr über die Shenpadri und ihre Organoide herausfinden, die es auch bei den Olubfanern gab und die wohl auch in diesem Fall ursprünglich von den Cairanern stammten. Was mochten die neuen Beherrscher der Milchstraße damit bezwecken, dass zwei völlig verschiedene Völker mit solchem Zubehör ausstatteten?
»Und lasst euch nicht zu sehr von den Lingumasken ablenken, deren Mienenspiel manchmal sehr verwirrend sein kann«, fügte Amma hinzu. »Die Shenpadri verständigen sich untereinander mit Ultraschallsignalen. Die Lingumasken übersetzen sie in für uns verständliche Laute, und die Nachbildung von Gesichtern ist ein Zeichen des Respekts.«
»Wir sollten ihnen sagen, dass wir Perry Rhodan bei uns haben!«, schlug Felix Ghiss hervor.
»Nein«, entgegnete Rhodan. »Vielleicht später. Jetzt noch nicht. Lasst uns erst mehr über die Stadt herausfinden.«
*
Amma Vargas steuerte den Gleiter durch einen energetischen Schirm, der die größte über der Ausgrabungsstätte schwebende Plattform umgab und landete inmitten einer Landschaft aus Bögen, Zylindern und Ellipsen, die meisten von ihnen wie die einzelnen Segmente der kupferroten Schiffe miteinander verbunden. Transparente Wände gewährten einen Blick auf silbergraue Apparaturen und Installationen, zwischen denen sich schlangenartige, gefiederte Shenpadri bewegten.
In einem nahen amethystblauen Ellipsoid bildete sich eine Öffnung, und mehrere Shenpadri glitten daraus hervor, den vorderen Teil des Körpers aufgerichtet. Einer von ihnen trug eine Lingumaske mit vage menschlichem Gesicht, das keiner Person zugeordnet werden konnte.
»Das Empfangskomitee«, sagte Sholotow Affatenga. Er stand auf der SCHOTE und sah aus dem Fenster.
Amma Vargas öffnete die Luke, und sie stiegen aus. Hinter ihnen landete der zweite Gleiter von der NEY ELIAS.
Rhodan überließ Amma den Vortritt. Sie ging den Shenpadri einige Schritte weit entgegen, blieb dann stehen und sagte laut und deutlich: »Ich grüße die Entdecker der Wiege der Menschheit. Ihr habt schon jetzt viel Ehre und Ruhm erworben, obwohl erst ein Teil der Stadt freigelegt ist.«
Der vordere Shenpadri richtete sich noch etwas weiter auf und brachte seinen Kopf auf eine Höhe mit dem von Amma Vargas. Die Lingumaske veränderte sich, und Rhodan glaubte, ein kurzes Pfeifen zu hörten, bevor Worte erklangen.
»Ich bin Ruinenhüter Shanlud und grüße euch, Menschen, Terraner, groß und klein.« Der Shenpadri richtete einen neugierigen Blick auf den Siganesen, und für eine Moment erschien etwas von Affatengas Gesicht in seiner Lingumaske.
Hinter ihm klirrten, rasselten und summten die Organoide der anderen Shenpadri, die offenbar alle einen hohen Rang einnahmen. Sie trugen Ketten und Rasseln an ihren Körpern, rubinrote Spindeln, die zwischen den Federn aus dem Körper ragten, und zwanzig oder dreißig Zentimeter lange Schnüre aus Dutzenden kleiner Metallkugeln. Bei einem ragte ein dünner gläserner Zylinder aus dem Kopf, und darin tanzten goldene Lichter wie die eingefangenen Funken eines Feuers.
»Ich stelle fest, dass du den Namenlosen mitgebracht hast, der sehen und erkennen kann«, wandte sich Shanlud an Amma Vargas.
Seine Organoide, die aus Kopf und Hals ragten, schienen zwar subtilerer Natur zu sein als die der anderen, aber keineswegs unbedeutender, denn offenbar war er das Oberhaupt der Ausgrabung, der Archäo-Kampagne von Tellus.
Vielleicht beinhalteten die Erweiterungen besondere Sensoren, die seine Sinne erweiterten, oder Stimulatoren für Körper und Geist, spekulierte Rhodan. Unter den eher unscheinbaren Hals-Organoiden trug Shanlud einen kupferfarbenen Gerätering mit Greifzangen, Scheren und anderen Instrumenten. Bei den anderen Shenpadri war dieser Ring nicht ganz so dick und wies weniger Werkzeuge auf.
»Wir alle möchten sehen und erkennen«, sagte Amma Vargas behutsam. »Deshalb bitten wir den Ruinenhüter Shanlud, dem Ehre und Ruhm gebühren, um die Erlaubnis, uns die Stadt aus der Nähe anzusehen.«
Die anderen Shenpadri trugen keine Lingumasken. Sie öffneten ihre Mäuler mit den vielen spitzen Zähnen, und wieder glaubte Rhodan, ein kurzes Pfeifen zu hören.
»Ein Fest!«, übersetzte Shanlud. »Ein großes Fest, zusammen mit den Menschen, deren Ursprungswelt wir entdeckt haben, die treuen Diener der Magnatin Shoniun, Ehre und Ruhm für sie, Ruhm und Ehre!«
Rhodan beobachtete, wie sich Öffnungen in den teils transparenten Wänden der Plattformbauten bildeten. Dutzende, vielleicht sogar Hunderte Shenpadri warteten dort und neigten die aufgerichteten Körper hin und her. Einige von ihnen trugen Lingumasken, und nur deren Rufe verstanden Rhodan und seine Begleiter: »Ruhm und Ehre für Magnatin Shoniun und für uns, die Entdecker!«
Rhodan wechselte einen Blick mit Amma Vargas. Ihm lag nichts daran, Zeit mit einer Feier zu vergeuden. Er wollte Aufschluss gewinnen, so schnell wie möglich. Die Milchstraße und ihre Veränderungen stellten ihn und die Menschen, die es mit ihm fünfhundert Jahre in die Zukunft verschlagen hatte, vor eine Reihe von Rätseln, und dies war eines der größten.
»Wir nehmen gerne an dem Fest teil«, bedankte sich Amma. »Zu Ehren von euch Entdeckern und natürlich auch zum Ruhm von Archäo-Magnatin Shoniun. Aber bevor wir feiern, sollten wir feststellen, was genau ihr entdeckt habt. Wir sind Menschen. Wir können die Wiege der Menschheit identifizieren. Zu diesem Zweck haben wir den Seher und Erkenner dabei.«
Die Kommandantin der NEY ELIAS deutete auf Perry Rhodan.
»Dieser Mann kann erkennen, ob ihr tatsächlich den legendären Ursprungsplaneten der Menschheit gefunden habt«, sagte Amma Vargas. »Die Erde. Terra.«
Einige Sekunden ertönten keine Worte – vermutlich verständigten sich die Shenpadri mit ihren Ultraschallsignalen, die für menschliche Ohren unhörbar blieben. Rhodan vernahm nur ein dumpfes Zischen und Brummen, das von den Thermostrahlen stammte und den Schirm durchdrang, der die Plattform vor Kälte und Wind schützte.
Sein Gesicht erschien in Shanluds Lingumaske, und der Shenpadri sagte: »Gut, gut. Der Seher und Erkenner soll sehen und erkennen. Ein Siegel für unsere Entdeckung, die bestätigende Aussage dieses Menschen, der endgültige Beweis. Und anschließend findet das Fest statt!«
Exta
Überall erwachte das schlafende Leben, es fühlte die Wärme der Sonne selbst in der kalten Umarmung von Schnee und Eis. Das Exta – ein Kind des Wir, das sich weiter entfaltete und ausdehnte, das die Wärme aufsog wie die vielen erwachenden indigenen Organismen, das den Konstrukteur steuerte, der bereits gute Fortschritte erzielte, und mit dem Gestalten begann, für Form und Struktur – berührte es, wo sich Gelegenheit bot und stellte Kontakte her, vor allem auf mitochondrialer Basis, gut geeignet für Entwicklung und innere Kommunikation.
Es beobachtete die Besucher, um zu lernen, zu erfahren und zu verstehen. Wie die Toten am ersten Ort blieben sie voneinander getrennt: Individuen, jedes von ihnen eine eigene kleine Welt mit begrenzten Möglichkeiten des kommunikativen Teilens. Die Verständigung zwischen ihnen war umständlich, zeitaufwendig und alles andere als effizient. Das Exta begriff eher als sein größeres Wir, dass es großer, ineffizienter Anstrengungen bedurft hätte, sich den Besuchern mitzuteilen. Es betrachtete die Möglichkeiten, erwog das Für und Wider und beschloss, zwei verschiedene Wege einzuschlagen.
Der erste führte über das indigene Leben, ein Umweg zwar, aber langfristig betrachtet eine vielversprechende Lösung des Kommunikationsproblems. Auch der zweite führte nicht direkt zum Ziel, doch vielleicht ließ es sich über ihn schneller erreichen, lange vor dem Abschluss des Gestaltens.
Das Exta kehrte zum Ort der letzten Intervention zurück, der gleichzeitig ein Ort von Tod und Zerstörung war. Aber auch mit einem Rest von Leben, bewahrt, geschützt und gefangen, damit es keinen Schaden anrichten konnte. Der eine Lebende stellte so etwas wie einen Übergang dar: mehr als ein individuelles Selbst, aber weniger als ein Wir. Eine Brücke, befand das Exta. Ein Mittler.
Ein Teil des Extas – der Teil, der den ersten Weg gewählt hatte – dehnte sich weiter in dem Leben aus, dessen langer Winterschlaf zu Ende ging. Der andere schlüpfte durch die Barriere, mit der es den Überlebenden umgeben hatte, und kroch ins Innere der Lebensform, die sich erheblich von den toten Organismen unterschied.
Hier bin ich, dachte das Exta. Ich brauche deine Hilfe.
Fremde Gedanken regten sich wie die erste Brise eines heraufziehenden Sturms. Sie stammten nicht aus einem Gehirn, sondern aus deren zwei, und es gab noch eine dritte Gedankenquelle mit dominantem Einfluss auf die beiden anderen.
Das Exta stellte fest: Es hatte die Situation falsch eingeschätzt.
Es gab kein Zurück mehr.
Es steckte fest.
Fremde Erinnerungen stiegen auf, unter ihnen ein Name, wie ein Ruf aus der Ferne. Er lautete: Tro Khon.