Читать книгу Perry Rhodan-Paket 61: Mythos (Teil1) - Perry Rhodan - Страница 136
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Felix Ghiss
Der kleine Sender in seiner Hand bestätigte mit einer kurzen geräuschlosen Vibration, dass die Verbindung zum Hyperfunkgerät an Bord des Explorers NEY ELIAS hergestellt war, auf einer für gewöhnliche Kommunikation nur selten benutzten Frequenz.
Felix Ghiss warf einen Blick zur offenen Tür des Gebäudes – er war noch immer allein – und berührte schnell hintereinander mehrere Schaltelemente, um eine Nachricht zu senden.
Das Gerät vibrierte erneut.
Die flinken Finger verharrten, und für einen Moment stand Felix wie erstarrt und lauschte.
Alles blieb still. Nichts regte sich.
Und doch wusste er, dass er nicht mehr allein war. Jemand beobachtete ihn.
Er steckte den kleinen Sender in eine Tasche und nahm einen Scanner, den er auf die nächste Wand richtete. Als er langsam den Raum durchquerte, kehrte das Ungelenke in seine Bewegungen zurück. Er stolperte über einen Stein, schüttelte wie über sich selbst verärgert den Kopf, drehte sich um die eigene Achse und sah dabei auf die Anzeigen des Scanners – ein Wissenschaftler, der versuchte, Daten zu gewinnen.
Doch es ging ihm nicht darum, das Alter der Mauern zu bestimmen und festzustellen, aus welchen Materialien sie bestanden. Stattdessen suchte er nach infraroten Emissionen und winzigen Veränderungen im Luftdruck.
»Wer hätte das gedacht ...«, murmelte er und strich mit den Fingerkuppen über die nahe Wand, als staunte er über ihre Existenz. »Wer hätte das gedacht.«
Ein Deflektorfeld, so lautete die Erklärung. Damit konnte man sich unsichtbar machen. Aber Masse blieb Masse, und sie verdrängte Luft bei jeder noch so kleinen Standortveränderung.
Wer kommt überhaupt infrage?, überlegte Felix Ghiss, als er durch die nächste Tür ging, tiefer ins Gebäude hinein. Wohl kaum jemand von der NEY ELIAS. Felix war sicher, dass niemand von der Crew Verdacht schöpfte – Amma Vargas und die anderen ahnten gewiss nicht, wer sich hinter der Maske des so leicht zu begeisternden und ein wenig tollpatschigen Galakto-Archäologen namens Felix Ghiss verbarg.
Also einer der drei Besucher von der BJO BREISKOLL, unter ihnen ein Mann, der tatsächlich der legendäre Perry Rhodan zu sein schien. Rhodan selbst konnte ihm nicht gefolgt sein, denn er war mit Amma Vargas und drei Shenpadri unterwegs – Felix hätte sie gerne begleitet, um herauszufinden, worum es bei der zweiten Entdeckung ging.
Also Donn Yaradua oder der Winzling namens Sholotow Affatenga, einer der letzten Siganesen in der Milchstraße, vielleicht sogar der letzte.
Felix ging langsam eine Treppe hinunter, blieb mehrmals stehen und betrachtete die Anzeigen des Scanners. Mit der freien Hand rieb er sich geistesabwesend die Schläfe, um einen dumpfen Kopfschmerz zu vertreiben.
Dunkelheit empfing ihn unten. Er holte eine kleine Lampe hervor, leuchtete mit ihr und suchte nach einer Stelle, wo er den Beobachter überraschen und überwältigen konnte.
Donn Yaradua
Die Frau namens Tholia Turan faszinierte ihn. Wenn sie stillstand, gut zwei Meter groß und sehr dünn, konnte er sich die Eleganz, die in ihren Bewegungen zum Ausdruck kam, kaum vorstellen. Ihr Gang wirkte wie ein sorgfältig choreografierter Tanz, was zu ihrer Stimme passte, zu der singenden Art ihres Sprechens. Gesang und Tanz. Und ein Blick, der Lüge und Wahrheit zu unterscheiden wusste.
Sie blieb in Donns Nähe, während er durch die Stadt wanderte und mehreren Shenpadri folgte, die einen weiteren Zugang zum weit verzweigten Tunnelsystem unter den Ruinen von Terrania City freilegten. Einer schien müde zu sein, glitt von seinem Raupenschlitten herunter und lehnte sich mit gesträubtem Gefieder dagegen.
»Perry Rhodan hält die Stadt für echt«, ertönte Tholias melodische Stimme. »Aber er glaubt nicht, dass diese Welt die Wiege der Menschheit ist. Ein Widerspruch. Doch ich habe keine Lüge in seinen Worten entdeckt.«
»Er ist sowohl vom einen als auch vom anderen überzeugt«, urteilte Donn.
»Es kann nicht beides stimmen, oder?«
»Ich bin sicher, es gibt eine Erklärung. Wir müssen sie nur finden.« Er betrachtete Tholia, und der Metabolist in ihm sah den Symbionten in ihr: ein Netzwerk aus Nervenfäden, die ausgehend von den blauen, grünen und schwarzen Flecken auf ihrer Haut – nicht nur im blassen Gesicht – den ganzen Körper durchzogen und kleine Knoten im Gehirn bildeten. Etwas mehr Konzentration zeigte ihm die elektrische und chemische Aktivität der Nervenzellen als ein Feuerwerk aus winzigen aufblitzenden Lichtern. Ihm fiel auf, dass einige Stellen dunkel blieben.
Tholia seufzte leise und hob eine Hand zur Stirn. Einige Flecken in ihrem Gesicht veränderten die Farbe.
»Wie seltsam«, sagte sie, und diesmal klang es etwas weniger nach Gesang. »Ich habe Kopfschmerzen.«
Donn Yaradua beobachtete, wie der Shenpadri, den er für müde gehalten hatte, kippte und fiel. Die anderen waren sofort bei ihm und versuchten ihn aufzurichten. Dabei erlitt ein weiterer Shenpadri einen Schwächeanfall, rutschte zur Seite und sackte in sich zusammen.
»Da stimmt etwas nicht.« Donn näherte sich. »Kann ich helfen?«
Die Schlangenwesen reagierten nicht auf ihn. Keines von ihnen trug eine Lingumaske, sie konnten also nicht mit ihm sprechen. Vermutlich verstanden sie die Frage nicht einmal.
Eine Antigravplattform flog auf sie zu und setzte zur Landung an. Ein Shenpadri bedienten die Kontrollen, zwei weitere kümmerten sich um mehrere Artgenossen, die zwischen Raupenschlitten und Stützgerüsten lagen. Die Shenpadri auf dem Boden streckten ihre serpentoiden Leiber, hoben mit ihren Greiflappen die Geschwächten an, die allesamt zitterten, und luden sie vorsichtig auf die Plattform.
»Sie sind unruhig und besorgt«, sagte Tholia.
»Ich höre nichts«, gab Donn zurück. »Nicht einen einzigen Ton von ihnen.«
»Ich verstehe nicht, worüber sie sprechen.« Tholia schüttelte den Kopf, wodurch ihr langes silbernes Haar in Bewegung geriet. »Aber ihre Stimmen sind ein Kitzeln in meinen Ohren, und ich höre die Emotionen darin.«
Ein Summen und Surren weckte Donns Aufmerksamkeit, und als er den Kopf hob, sah er weitere Plattformen, die von den zylindrischen Raumschiffen herabkamen und andere Bereiche der Stadt ansteuerten.
»Dies scheint eine größere Sache zu sein«, sagte er. »Etwas geschieht mit den Shenpadri.«
Normalerweise war Donn Yaradua sehr vorsichtig und zurückhaltend, wenn es um den Einsatz seiner besonderen Gabe ging, denn ihre Anwendung bedeutete ein tiefes Eindringen in die Privatsphäre anderer Personen. Aber etwas Dramatisches schien an diesem Ort zu geschehen, das vielleicht sie alle betraf.
Mit einem schnellen, unauffälligen Seitenblick vergewisserte er sich, dass Tholia ihn nicht direkt beobachtete. Dann konzentrierte er sich und richtete den Blick der inneren Augen auf die Shenpadri.
Er nahm ihre physische Struktur und ihr Stoffwechselsystem als eine dicht gepackte Ansammlung geometrischer Muster wahr, miteinander verbunden und ineinander verschachtelt, hell und grün an Stellen mit intensiver biochemischer Aktivität, dunkelrot dort, wo Zellen weniger aktiv waren. Er kannte den Metabolismus der Shenpadri nicht, doch er konnte Vergleiche anstellen zwischen gesunden Geschöpfen und denen, die erkrankt zu sein schienen. Welchen Zweck die einzelnen Muster auch erfüllten: Bei den einen waren sie intakt und ergaben ein großes, harmonisches Bild, in dem sich jede einzelne Komponente genau am richtigen Platz befand. Bei den anderen hingegen wuchsen die dunklen Stellen mit nachlassender Zellaktivität. Verbindungslinien zerfransten und rissen, die vielen geometrischen Muster verloren ihren größeren Zusammenhang.
»Du bist wie ich.« Tholia starrte ihn groß an. »Du bist mehr.«
Damit meinte sie seine besondere Gabe, die ihn von anderen Menschen unterschied.
»Ich trage keinen Symbionten wie du, aber ich kann Dinge sehen, die anderen verborgen bleiben.« Und sie beeinflussen, fügte Donn Yaradua in Gedanken hinzu. »Diese Shenpadri sind krank, es geht ihnen schlecht. Etwas stört ihr metabolisches System. Der Stoffwechsel gerät aus dem Gleichgewicht.«
Ein weiterer Shenpadri kippte und fiel. Diesmal hielten sich die anderen von ihm fern, vielleicht aus Furcht vor Ansteckung.
Ein Blick genügte, Tholia verstand sofort. Die dürre Affosa von Ensch erwies sich als erstaunlich kräftig, als sie den liegenden Shenpadri gemeinsam hochhoben und zu den anderen auf die Plattform legten.
»Was ist der Grund?«, fragte Tholia. »Wenn du mit dem Mehr in dir die Krankheit siehst, kannst du auch die Ursache erkennen?«
Donn konzentrierte sich erneut, als die übrigen Shenpadri auf die Plattform kletterten. Seine inneren Augen betrachteten erneut die Muster und mussten nicht lange suchen, um etwas zu finden, das nicht ins Bild passte: kleine, kurze Linien, die von außerhalb kamen und Verbindungen an Stellen versuchten, die nicht dafür geeignet waren – mit dem Ergebnis, dass ein Muster nach dem anderen zerfiel. Ein fremder Faktor, ein vom Körper aufgenommenes externes Agens.
Gelbbraune Dunstschwaden trieben wie träger Nebel über der Stadt, bestehend aus Myriaden winziger Sporen, die aus den violetten Kapseln rosaroter Grashalme stammten. Sie erreichten die Shenpadri, die überall in der Stadt gruben, freilegten und untersuchten. Sie setzten sich in ihr dichtes Gefieder, gerieten in die Atemwege ...
Tholia Turan hustete plötzlich.
Vor ihnen summte die Antigravplattform, stieg auf und trug die erkrankten Shenpadri den zylindrischen Schiffen über der Ausgrabungsstätte entgegen. In ihnen gab es weitere Shenpadri, bisher noch ohne Kontakt mit den Sporen.
Donn Yaradua begriff, dass sich eine Katastrophe anbahnte.
Sholotow Affatenga
Der Siganese, zweiundzwanzig Zentimeter klein, saß nicht mehr auf der SCHOTE, sondern befand sich in ihr. Er lag zwischen den Kontrollen und steuerte das Fluggerät, das nur etwas mehr als einen halben Meter lang war und ein eigenständiges Raumschiff sein konnte.
Er flog in eines der vielen leeren Gebäude der vom Eis befreiten Stadt. Der Antigravantrieb arbeitete völlig geräuschlos, und ein Deflektorfeld schützte vor visueller Entdeckung. Tenga war sicher, dass der Mann, den er verfolgte, ihn bisher nicht bemerkt hatte.
Er war mit der Absicht aufgebrochen, allein und unentdeckt die Stadt zu erkunden, sie mit den Instrumenten der SCHOTE zu erforschen und Daten zu sammeln, die später an Bord der BJO BREISKOLL ausgewertet werden konnten. Dann war ihm Felix Ghiss aufgefallen, als er sich von den anderen entfernte und sein Verhalten veränderte, weil er glaubte, unbeobachtet zu sein. Die Körpersprache war plötzlich eine andere, er wirkte wie verwandelt. Tenga hatte das für verdächtig gehalten und zum Anlass genommen, den jungen Galakto-Archäologen zu verfolgen.
Die Holos direkt vor ihm zeigten, wie Felix Ghiss mehrere Taschen seiner Jacke öffnete, ihnen kleine Gegenstände entnahm und zu etwas zusammensetzte, das Tenga nicht erkennen konnte, weil Felix mit dem Rücken zu ihm stand. Dann zögerte er, drehte sich wenige Sekunden später um die eigene Achse und richtete dabei einen Scanner auf die Wände.
Die Infrarotsensoren der SCHOTE stellten eine leicht gestiegene Temperatur des Gesichts fest, und die biometrischen Anzeigen deuteten auf Anspannung hin – hatte der junge Wissenschaftler etwas entdeckt?
Felix Ghiss verließ den Raum, wanderte tiefer ins Gebäude und ging eine Treppe hinunter. Sholotow veränderte die Polarisierung des Antigravfelds und folgte ihm. Es wurde dunkel, doch das stellte für die Sensoren kein Problem dar. Im infraroten Spektrum blieb Felix ein hell leuchtendes Fanal.
Erneut griff er in die Taschen seiner Jacke und holte mehrere Gegenstände hervor, offenbar Komponenten eines weiteren Geräts.
Warum so umständlich?, überlegte Tenga. Ghiss hätte seine Instrumente doch bereits in einsatzbereitem Zustand mitnehmen können, zum Beispiel als Teil eines Werkzeuggürtels.
Felix bückte sich und untersuchte etwas auf dem Boden. Sholotow steuerte die SCHOTE näher, um herauszufinden, was die Aufmerksamkeit des jungen Mannes geweckt hatte.
Das war ein Fehler.
Felix wich beiseite, und plötzlich blitzte es. Aus einem Reflex heraus schloss Sholotow die Augen, und als er sie einen Moment später erschrocken wieder öffnete, war um ihn herum alles dunkel – es gab keine Holos mehr, und die Indikatoren und Anzeigefelder bei den Kontrollen leuchteten nicht.
Die SCHOTE fiel, weil kein Antigravfeld mehr existierte, das sie in der Luft hielt, und ohne Energie gab es auch keine energetischen Stoßabsorber. Die Liegemulde des Siganesen verfügte über Polster, doch sie dienten nur dem Komfort und nicht dazu, einen heftigen Aufprall abzufangen.
Das Fluggerät stürzte aus einer Höhe von zwei Metern, was dem Neunfachen der siganesischen Körpergröße entsprach. Die Erschütterung war so heftig, dass dem Siganesen für ein oder zwei Sekunden die Sinne schwanden.
Dummkopf, dachte er, als sich die Benommenheit verflüchtigte – der SERUN hätte ihn vor dem Aufprall und noch mehr schützen können. Er aktivierte ihn, und seine Kleidung veränderte sich, wurde zu einem Schutz- und Einsatzanzug.
Ein dumpfes Pochen begann, ein Donnern, das die SCHOTE erzittern und erbeben ließ.
Tenga richtete sich auf. Er brauchte keine Sensoren oder Holos, um zu wissen, was geschah. Felix Ghiss hielt sich nicht mit dem Versuch auf, die SCHOTE zu öffnen – er begrub sie unter Steinen, damit ihr Passagier darin gefangen blieb.
Die Energieversorgung funktionierte nicht mehr, wie Tenga feststellte. Der Mini-Fusionsreaktor und die Energiespeicher waren offline. Etwas blockierte sie. Ein Defekt lag nicht vor, wie die SERUN-Sensoren feststellten, und daraus zog der Siganese den Schluss, dass Felix die Bordsysteme der SCHOTE mit einer unbekannten Waffe neutralisiert hatte – er verwendete nichtterranische Technik.
Unterwegs zur Schleuse fand Tenga eine halb zerdrückte Schachtel, aus der Schokolade rieselte, als er sie kummervoll hob.
»Das geht eindeutig zu weit«, murmelte er, nahm eine lädierte Praline, schob sie sich in den Mund und kroch weiter. Butter-Nougat-Sahne.
Die Außenluke konnte wegen der Steine oder der schiefen Lage der SCHOTE nicht geöffnet werden. Tenga verharrte kurz bei der kleinen Schleuse und lauschte. Das Pochen hatte aufgehört – Felix Ghiss schien mit anderen Dingen beschäftigt zu sein.
Tenga kletterte an neutralisierten Energiespeichern vorbei zum Heck der SCHOTE, wo es einen zweiten Ausgang gab, eine kleine Wartungsluke. Sie schwang halb auf, bevor sie gegen einen Stein stieß. Der Siganese verharrte und lauschte. Felix' Stimme erklang einige Meter entfernt – er schien leise mit jemandem zu sprechen.
Tenga überprüfte seinen Nadler. Das Magazin war mit einem Betäubungsmittel gefüllt, das für einen Ertruser oder fünf Terraner reichte.
Dich erwartet eine kleine Überraschung, dachte Tenga, zog den Bauch ein und kroch durch die kleine Öffnung nach draußen. Das mit den Pralinen würde ihm Felix Ghiss büßen.