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7.

BJO BREISKOLL

Der Metabolist

Verdammt, wo bleibt Donn Yaradua?

Hope Tiranjaar hätte am liebsten laut geflucht. Sie mochte den Metabolisten nicht, aber im Augenblick brauchte sie ihn wirklich dringend. Er war ein ungehobelter Klotz, der den meisten Besatzungsmitgliedern mit einer Ruppigkeit begegnete, die ihresgleichen suchte. Nur mit Gucky kam der Mutant einigermaßen klar, und mit Farye Sepheroa. Für Rhodans Enkelin schien er sogar so etwas wie Zuneigung zu empfinden.

Wie dem auch sei: Die Chefin der Inneren Sicherheit hoffte, dass er die beiden Würmer aufhalten konnte.

Sie waren genauso in das Schiff eingedrungen wie der erste. Einen Moment lang war Hope verwirrt gewesen, hatte geglaubt, die Kreatur, die Rhodan entführt hatte, wäre unvermittelt zurückgekehrt, doch dann war ihr klar geworden, dass es sich um andere Exemplare derselben Gattung handelte. Der erste Angreifer war also kein Einzelfall gewesen, keine Abnormität der Natur, die es irgendwie in den Linearraum verschlagen hatte.

Hope beobachtete auf den Holos, wie ihre Leute versuchten, die beiden Kreaturen aufzuhalten. Vergeblich.

Die Bilder waren auf schreckliche Weise vertraut; sie glaubte, alle schon einmal gesehen zu haben. Frauen und Männer, die in schweren Kampfanzügen die Wesen angriffen, deren Waffen jedoch nicht die geringste Wirkung erzielten. Die Geschöpfe sogen die Energie einfach auf.

Zumindest hatten die Besatzungsmitglieder gelernt, dass sie sich nicht in unmittelbare Nähe der Kreaturen begeben durften. So hielten sich die Verluste zumindest in Grenzen.

Aber Hope musste trotzdem hilflos mit ansehen, wie eine Elitesoldatin einem der Geschöpfe zu nah kam, während sie mit dem Thermostrahler Dauerfeuer gab. Der Wurm sog die glutheißen Strahlen fast begierig auf, und dann zuckte einer seiner Greifarme vor, durchdrang den Schutzschirm der Soldatin, als wäre er gar nicht vorhanden, und zog sie zu sich heran.

Diese Kreaturen gehen viel rücksichtsloser vor als die erste!, dachte Hope. Der Eindruck einer Schonung kam nicht auf. Die Wesen waren extrem gefährlich.

Der zweite Wurm machte gezielt Jagd auf Menschen. Er setzte den Raumsoldaten nach, die sich in seine Nähe wagten, wälzte mit brachialer Gewalt durch die Gänge, desintegrierte Zwischenwände und Armaturen, Einrichtungsgegenstände und Aggregate, ließ niemals ab von dem Ziel, das er einmal ins Auge gefasst hatte.

Und doch mussten sie und ihre Leute sich diesen beiden Kreaturen zum Kampf stellen!

»Wir haben neue Informationen über die beiden Geschöpfe«, meldete sich OXFORD über Helmfunk. Diesmal ließ die Bordpositronik sich nicht erst auffordern, ihre Erkenntnisse weiterzugeben. »Das eine Wesen zielt zweifellos auf das Lineartriebwerk. Das andere scheint kein fest umrissenes Ziel zu haben, sondern erzeugt lediglich jede Menge Chaos.«

»Heißt das, dass die Kreaturen einen genau definierten Auftrag haben?«

»Den Anschein hat es.«

»Sind diese Kreaturen intelligent und zielbewusst, oder werden sie gesteuert?« Die Sicherheitschefin stellte sich diese Frage nicht zum ersten Mal, aber eine Antwort hatte sie noch immer nicht bekommen.

»Ich gehe mittlerweile davon aus, dass sie gesteuert werden«, antwortete die Bordpositronik. »Dafür spricht zumindest das völlig unterschiedliche Verhalten. Wären sie instinktgetrieben, würden sie ein ähnliches Verhalten zeigen. So etwas ist nicht natürlich. Offenbar agieren sie, um einen klaren Auftrag zu befolgen.«

»Wie sieht der aus?«, fragte die Sicherheitschefin.

»Darüber liegen noch keine Informationen vor.«

»Ein erfolgreicher Angriff auf das Lineartriebwerk wäre für die BJO mittelfristig lebensgefährlich«, murmelte Hope wie zu sich selbst. »Deshalb müssen wir diese Kreatur zuerst aufhalten. OXFORD, ich warte darauf, dass sich Donn Yaradua bei mir meldet. Weißt du, wo er sich gerade aufhält? Ich habe ihn schon vor geraumer Zeit gerufen.«

»Er ist auf dem Weg in die Zentrale.«

»Er braucht aber verdammt lang ...«

Wie aufs Wort öffnete sich das Schott, und der Metabolist kam herein. Er war fast zwei Meter groß und trug sein braunes Haar kurz geschoren. Trotz seiner erstaunlichen Fähigkeit wirkte er eher unauffällig.

Hope Tiranjaar hütete sich, ihm irgendwelche Vorwürfe zu machen. Das hätte wahrscheinlich zu längeren Wortgefechten geführt, und dafür hatten sie nun wirklich keine Zeit.

»Du kommst spät«, sagte sie lediglich.

»Diese Kreatur ist völlig fremdartig«, überging Yaradua den schwachen Vorwurf. »Wenn ich meine Metabolistengabe gegen sie einsetzen soll, muss ich so nah wie möglich an sie heran.«

»Wir gehen gemeinsam in den Einsatz«, entschied Hope Tiranjaar.

Donn Yaradua betrachtete sie skeptisch.

Begeistert wirkt er nicht gerade, dachte die Sicherheitschefin.

*

Die Luft knisterte vor elektrischen Entladungen, als Hope Tiranjaar und Donn Yaradua sich in die vorderste Front der Elitesoldaten einreihten. Oder aber, das Geräusch ging von dem Wurm aus, der weiterhin die meisten Schüsse absorbierte, die auf ihn abgegeben wurden.

Die anderen, die fehlgingen, richteten einen beträchtliche Kollateralschaden an.

Der Metabolist schnaubte. »Da hast du mich ja in eine tolle Lage gebracht. Weißt du, ›nah‹ und ›nah genug‹ ist ein gehöriger Unterschied.«

Hope ignorierte seine Ungehaltenheit. »Und? Kannst du etwas bewirken?«

Der Metabolist antwortete nicht. Sein Gesicht war unter dem Helmschirm kaum auszumachen, aber was die Sicherheitschefin sah, erfüllte sie mit instinktiver Sorge. Es wirkte verzerrt, und Schweißtropfen perlten auf der Stirn des 45-jährigen Mutanten.

Tiranjaar hatte ihre Schwierigkeiten damit, Menschen mit paranormalen Fähigkeiten im Einsatz zu sehen.

Sie war für die Sicherheit des Schiffes verantwortlich, ein Aufgabengebiet, das genau umrissen war. Ihre Welt war klar geordnet und in zahlreiche feste Parameter operationalisiert, die sich zu einem komplexen Ganzen zusammensetzten.

Mutantenfähigkeiten machten diese Ordnung völlig unüberschaubar.

Gucky war ein Paradebeispiel dafür. Als Teleporter konnte er übergangslos an jedem beliebigen Ort auftauchen, als Telekinet konnte er Gegenstände aus der Ferne manipulieren, als Telepath wusste er, was die Gegenseite dachte.

Yaradua verfügte nicht über solche – auf den ersten Blick – überragenden Fähigkeiten. Er konnte aber biochemische Prozesse manipulieren, konnte Müdigkeit, Schläfrigkeit, Hunger, Durst und andere Regungen auslösen und Gefühle aller Art generieren. Er vermochte die Aufnahme von Atemluft zu verhindern oder zu optimieren. In begrenztem Umfang konnte er seine Gabe auch zur Beschleunigung und Optimierung körpereigener Heilprozesse einsetzen.

Solche Eigenschaften waren Hope suspekt, weil sie ein geordnetes Gefüge in Unordnung brachten. Doch genau darauf musste Hope nun setzen.

»Hast du nicht begriffen?« Yaradua keuchte. »Wir sind zu nah!«

Die Sicherheitschefin warf dem Metabolisten einen skeptischen Blick zu. Auch das verabscheute sie an Mutanten. Man konnte ihnen kaum mit logischen Argumenten beikommen, was ihre Fähigkeiten betraf. Wenn Yaradua behauptete, der wurmähnlichen Kreatur zu nah zu sein, musste sie davon ausgehen, dass er die Wahrheit sagte.

Auch wenn sie es mit jeder Faser ihres Seins bezweifelte. Aber sie wollte dem Mutanten nichts unterstellen.

Sie wusste nicht, welcher Teufel sie ritt, als sie den Kopf schüttelte und energisch »Nein!« sagte. »Du wolltest ganz nah heran, jetzt bist du es! Worauf wartest du?«

Der Metabolist antwortete nicht. Sein Gesicht unter der Helmscheibe wirkte plötzlich entrückt. Er stöhnte leise, dann schüttelte er sich.

Die wurmähnliche Kreatur stieß ein dumpfes Grollen aus. Auf einmal bäumte sie sich auf und warf den vorderen Teil ihres Körpers in die Luft. Schwer prallte er auf den Boden des Decks zurück.

Mit weit aufgerissenen Augen sah die Sicherheitschefin, wie sich ein großer Brocken aus dem Leib der Kreatur löste und mit einem satten Schmatzen durch die Luft schoss. Eine purpurne Flüssigkeit spritzte hoch aus der Wunde, schlug gegen die Wände des Gangs und rann in dicken Fäden wieder hinab.

Die offene Wunde zerfaserte zusehends. Weitere Fleischbrocken brachen heraus, während der Wurm noch ein paar Meter weiterkroch und dann nur zuckend liegen blieb.

Der Brocken auf dem Boden zerfiel weiterhin. Nach wenigen Sekunden wimmelte es dort vor fingernagel- bis handtellergroßen winzigen Würmern, die nur geringe Ähnlichkeit mit dem riesigen Individuum aufwiesen, von dem sie sich gelöst hatten.

Der Rücken der Kreatur explodierte geradezu. Während Haut- und Fleischteile durch die Luft flogen, sprang eine humanoide Gestalt aus dem sterbenden Geschöpf. Sie bewegte sich mit unglaublicher Schnelligkeit und Geschmeidigkeit. Hope konnte kaum Einzelheiten erkennen, der Schutzanzug war von einem Film aus Blut und Eingeweiden bedeckt.

Aber sie war bewaffnet. Hopes Schutzschirm flackerte, als sie ein Schuss aus dem Kombistrahler der Person traf, die sich in der Kreatur verborgen hatte.

»Warnung!«, kam ihr die Stimme der Positronik wie ein hohes Kreischen vor. »Überlastung!«

Mehrere ihrer Leute nahmen den Humanoiden unter Beschuss. Während nun dessen Individualschirm hell aufleuchtete, sprang Hope zur Seite.

Im Helmfunk erklangen erneut Flüche aus Donn Yaraduas Repertoire.

Der unbekannte Humanoide ergriff die Flucht. Sie wurde ihm erleichtert, da die Kreatur nun vollends zerfiel. Hunderte, Tausende der kleinen Würmer krochen über- und durcheinander wie winzige Schlangen. Ein brodelndes Chaos aus zielloser Bewegung entfaltete sich.

Einige der kleinen Geschöpfe kamen den Raumlandesoldaten zu nahe. Die, die nicht desintegriert wurden, loderten hell auf, als sie in die Individualschirmen gerieten.

»OXFORD!«, rief Hope. Sie hatte den fliehenden Humanoiden nicht genau ausmachen können, doch das, was sie gesehen hatte, kam ihr seltsam vertraut vor.

Er war an die zwei Meter groß und gebaut wie ein Terraner, abgesehen von den unglaublich breiten Schultern. Wenn sie sich nicht täuschte, war seine hellbraune Haut völlig haarlos gewesen, einmal abgesehen von dichten Augenbrauen.

Und er hatte sich so schnell und geschmeidig bewegt, als wäre er an eine viel höhere Gravitation angepasst.

Womöglich an eine von genau 4,8 Gravos?

»War das ein Oxtorner?«, fragte sie.

»Davon gehe ich aus!«, antwortete die Bordpositronik. »Vor allem seine Bewegungen lassen darauf schließen. Er hat das Überraschungsmoment ausgenutzt und ist unterwegs zu der zweiten Kreatur! Roboter verfolgen ihn ...«

Sinnlos!, dachte Hope Tiranjaar. Sie wusste, dass weder die Kampfmaschinen noch ihre Leute einen Oxtorner einholen würden.

Ein Oxtorner ... Warum sollte ein Oxtorner ein terranisches Schiff angreifen?

»Was war das denn?«, erklang Donn Yaraduas Stimme an ihrem Ohr. »Ich habe lediglich ein paar biochemische Prozesse manipuliert, die in dem Wurm abliefen ...«

»Mit durchschlagendem Erfolg!«, antwortete sie schwer atmend. »Jetzt können wir uns mit Tausenden winziger Würmer herumschlagen ...«

»Es sind einige Hunderttausend Individuen!«, stellte OXFORD klar. »Sie wimmeln orientierungslos durch den Schiffsraum. Roboter sammeln sie ein und ... entsorgen sie.«

»Werden sie aus dem Schiff entfernt?«

»Der Wurm scheint von diesen kleineren Individuen gebildet zu werden«, fuhr OXFORD nach einem Augenblick fort, ohne weiter auf Hopes Frage einzugehen. »Sie scheinen sich spezialisiert zu haben und bilden die unterschiedlichsten Organe aus, das Fleisch und die Haut. Der Oxtorner hat sie sozusagen gelenkt.«

»Wie?«

»Das ist noch unklar. Auf unbekannte Weise, mehr kann ich dazu nicht sagen.«

Hope sah den Metabolisten an und grinste. »Gute Arbeit, Donn! Nun wissen wir, wie wir mit diesen Kreaturen fertigwerden!«

Der Mutant war blass. »Noch einmal tue ich mir das nicht an!«, stöhnte er gequält.

Perry Rhodan-Paket 61: Mythos (Teil1)

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