Читать книгу Perry Rhodan-Paket 61: Mythos (Teil1) - Perry Rhodan - Страница 173

Оглавление

3.

Hin und her

Während sie packte, ärgerte sich Marli über ihre dumme Reaktion. Da kam ein Herr Atlan daher, schenkte ihr einen einzigen Blick, und sie warf ihre Bedenken einfach über Bord! Doch nun hatte sie zugesagt. Sie hatte sich freiwillig für einen Risikoeinsatz gemeldet!

Im Grunde hatte Atlan sie hereingelegt.

Auf dem Weg zur Space-Jet überlegte Marli, was sie tun sollte. Absagen? Mitkommen? Ja, sie wollte Kirt und Sebastion sehen. Und ja – war es nicht etwas ganz und gar Besonderes, mit Atlan da Gonozal in einen Einsatz zu gehen? Sie an der Seite dieser Legende? Dafür war sie sogar bereit, Guckys Gegenwart in Kauf zu nehmen, jedenfalls vorübergehend.

Viel zu schnell erreichte die Expresskabine ihr Ziel.

Marli stieg aus, nickte den anderen fünf Mitfahrern der zur Hälfte gefüllten Kabine zu und trat in den Seitengang zum Hangar, keinen Meter vom Rumpf entfernt. Unvermittelt blieb sie stehen. Sie erinnerte sich, wie sie einmal im Hypertransflug das Auge ins All gesehen hatte, wie es sich öffnete: Dabei verlor die blau schimmernde Bordwand die Farbe und wurde transparent. Vor Marli hatte sich das Universum ausgebreitet. Galaxien, fern und nah, die Milchstraße, Andromeda ... Das Weltall enthüllte sich wie auf übernatürliche Weise. Sterneninseln in der Unendlichkeit. Sie waren eingebettet in ein komplexes System aus Kraftfeldern, Linien und fremdartigen Strukturen.

Marlis Herz schlug schneller, als sie daran zurückdachte. Ihr war, als wäre es ihr das erste Mal gelungen, einen der Formwürfel in Snajis Bar in die Hand zu nehmen und ihn innerhalb von Sekunden in seine ursprüngliche Gestalt zurückzuversetzen.

»Du denkst an das Auge ins All, nicht wahr?«, erklang eine Stimme hinter ihr.

Marli drehte sich um. Atlan war lautlos zu ihr getreten. In seinem SERUN machte er den Eindruck eines Ritters, der gegen einen Drachen in den Kampf reiten wollte.

»Es ist so wunderschön. Ich würde es gerne wieder sehen.«

»Beim nächsten Hypertransflug«, sagte er.

Marli nickte. Es war wirklich wie ein Auge. Es sah das Universum so, wie es gedacht war. Sie schluckte, nahm ihren Mut zusammen. »Du hast mich mit deiner Ritteraura überwältigt. Das war eine Falle.«

»Ich habe dich bloß aufgefordert, mich zu begleiten.«

»Hereingelegt hast du mich!«

»Noch kannst du umkehren.«

»Es wäre nicht zufällig ausreichend, wenn ich als virtuelle Präsenz mitkomme?«

»Das hier ist nicht deine Abschlussprüfung in Technoxenologie.«

Marli spürte, wie ihre Wangen heiß wurden. Atlan hatte sich bestens informiert. Sie hatte tatsächlich sowohl ihre Abschlussprüfung als auch einen Großteil des Studiums aus der Ferne absolviert. »Das heißt dann wohl nein.«

Atlans Blick zeigte milden Spott. Er wies auf die rätselhaften Linien, die vor Freude zu pulsieren schienen. »Dir bietet sich die Chance deines Lebens, aber du möchtest am liebsten kneifen.«

Marli zögerte. Sie wollte wissen, ob ihre Freunde noch lebten, sie wollte Sichu und den anderen helfen, indem sie – falls möglich – ihre Beziehungen nutzte. Es ging darum, Informationen zu beschaffen, Klarheit in das Chaos zu bringen. Hatte sie sich nicht erst vor Kurzem eine Herausforderung gewünscht? Eine Möglichkeit, sich zu beweisen?

Sie legte die Hand auf die durchsichtige Wand. Ihre Finger verbargen ferne Sonnen. »Ich komme mit.«

»Bestens. Kannst du mit einem Strahler umgehen?«

»Nein!«

»Pack trotzdem zwei ein.«

»Gleich zwei?«

»In deiner Akte steht, dass du hin und wieder Dinge verlierst.«

Marli wollte gerade aufbrausen, da sah sie Atlans verschmitztes Lächeln. Der Arkonide hatte einen Scherz gemacht.

»Doppelt hält mehr«, sagte sie.

»Besser«, korrigierte Atlan. »Jedenfalls war das die ursprüngliche Redewendung.«

Sie gingen weiter, traten in den Hangar, in dem die Jet der LAURIN-Staffel wartete. Das Beiboot erinnerte an einen Pilz. Über die dreißig Meter hohe Jet liefen Schlieren, als würde sie im Regen stehen, damit man sie vom Hintergrund unterscheiden konnte. Dank chromovariabler Beschichtung und Chamäleoneffekt war das Schiff selbst im Hangar so gut wie unsichtbar. Es hatte exakt den blauen Farbton der Wände angenommen.

Atlan trat zurück und bot Marli an, vor ihm in das Antigravfeld der Space-Jet zu steigen. Es war eine altmodische, aber sehr nette Geste. Marli folgte ihr. Sie wurde behutsam nach oben getragen, in eine Höhe von gut vierundzwanzig Metern.

An Bord der Space-Jet erwartete sie eine angenehme Überraschung. Das letzte Teammitglied war Aurelia, eine Posbi, die sich selbst als Posmi bezeichnete: als positronisch-semitronische Entität ohne Plasmaanteil. Ein komplexer Mechanismus simulierte Aurelias Bewusstsein.

Fasziniert blickte Marli die Frau aus Metallverbund an. Sie ging in ihrer Skelettgestalt, ohne Biomolplastmaske. Das künstliche Licht schimmerte auf der hellgrauen Hülle. Die Farbe erinnerte Marli an eine lichte Regenwand. An einigen Stellen leuchteten komplexe Strukturen milde violett unter transparenter Haut. Milchig rote Aggregate saßen am Oberschenkel und seitlich am Brustkorb. Vermutlich waren darin die gleichen Funktionen verborgen wie in einem SERUN.

Aurelia wandte Marli den Kopf zu, betrachtete sie von unten nach oben, wie es viele Posbis taten. Während die meisten Humanoiden sich mit ihrem Gesicht identifizierten, waren Posbis wesentlich flexibler und umfassender. Wenn überhaupt identifizierten sie sich mit ihrem Plasmaanteil, der tief in ihnen verborgen lag, den sie jedoch jederzeit spüren konnten und Rückmeldungen über seinen Zustand erhielten.

»Ich bin Aurelia«, stellte sich die Posmi vor.

»Ich weiß. Du bist eine Posmi. Es tut mir leid, dass so viele Besatzungsmitglieder deinen Status nicht anerkennen und dich fälschlich als Posbi bezeichnen.« Sie warf einen verstohlenen Seitenblick auf Gucky, der in einem der Sitze fläzte. »Sie sind Ignoranten.«

Aurelia lächelte. »Danke. Es tut gut, das einmal gesagt zu bekommen. Du bist Marli Willka, nicht wahr? Du bist mit Tok in einer Mannschaft.«

»Du kennst Tok?«

»Nein, aber ich habe von ihm gehört. Seine Flugfunktion ist interessant. Eine ungewöhnliche Ausstattung.«

»Oh ja! Darin sind Hyperrelais verbaut, die bei Störungen höherdimensionaler Technik automatisch in den biopositronischen Alpha-Konventionsmodus gehen. Eine Parruk-Hoster-Sicherung der dritten Generation, noch basierend auf Waringers Plänen. Ich habe auch so eine in meinem Bein.«

»Tatsächlich?« Aurelias Blick war fasziniert. Sie hob die silberweißen Augenbrauen ein Stück und streckte den Zeigefinger aus. An der Kuppe leuchtete ein schwaches Licht, wie der Funke eines Glühwürmchens. »Darf ich einen analytischen Scan davon machen?«

Marli stellte das linke Bein vor. »Gerne, ich bitte sogar darum! Du kannst auch gern eine Materialprobe entnehmen, wenn du magst.«

Gucky räusperte sich. »Mann, ihr redet ja mehr als ich! Können wir starten?«

»Oh.« Marli erinnerte sich dunkel, dass es zu den Vorschriften gehörte, beim Start gesichert in einem Kontursessel zu sitzen. »Später!«, raunte sie Aurelia zu.

*

Die Jet stieß durch den geöffneten Hangar ins freie All. Marli hielt unwillkürlich die Luft an. Auf dem Holoschirm öffneten sich zwei Bilder. Eines, das nach vorne zur Sonne wies, und ein rückwärtiges, auf dem die RAS TSCHUBAI sichtbar wurde. Die intensiv blaue Fläche des Rumpfs zog sich rasch zu einer schimmernden Kugel zusammen. Aus dieser Nähe erinnerte sie an einen Planeten, eine Insel im All, die Milliarden Schutz und Heimat bot, doch das Schiff wurde rasch kleiner.

In der unteren rechten Holoecke leuchtete eine Angabe: 3752 Meter. Marli blickte fasziniert auf den Dreifachringwulst und die eingedockten Beiboote. Zwei MARS-Kreuzer ragten als Halbkugeln aus der oberen und drei aus der unteren Hälfte.

Das Schiff zog sich weiter zusammen. In Marlis Kehle wurde es eng. Ihre Luftröhre schien mit der RAS zu schrumpfen. Würde sie je wieder an Bord kommen? War es ein Fehler gewesen, die Sicherheit der Heimat aufzugeben?

Ihr Blick streifte Atlan, der ruhig auf dem Kommandantensitz saß. Im Pilotensessel lag Tarü Shaheen, eine SERT-Haube auf dem Kopf. Er steuerte das Schiff kraft seiner Gedanken. Marli bewunderte ihn dafür. Sie hatte bereits Probleme damit, die Holowand in ihrer Kabine mental zu steuern, obwohl sie dafür ein simpel zu bedienendes Steuergerät am Hinterkopf trug.

Gucky ließ eine Karottenscheibe vor sich auf und ab schweben – sicher ein Ordnungsverstoß, aber da er Gucky war, galten für ihn andere Regeln. Klar. Marli presste die Lippen zusammen.

Das Holo vor ihnen veränderte sich. ANANSIS Abbild schimmerte in der Luft. Der Avatar der Semitronik saß mit gekreuzten Beinen innerhalb zahlloser, tautropfenartiger Verknüpfungspunkte, die wie Diamanten im Licht funkelten. Sein Gesicht war das einer jungen Frau mit ausdrucksstarken Zügen.

ANANSI neigte leicht den Kopf in Atlans Richtung. »Wie geht es dir?«

»Beunruhigt, nun da du aufgetaucht bist. Warum störst du die Funkstille?«

Marli bestaunte die Semitronik. Niemals zuvor hatte sie einen derart intimen Moment mit ihr geteilt. Wie viel Aufmerksamkeit mochte ANANSI auf diese Kommunikation verwenden? Ein Promille? Eher weniger.

ANANSI schenkte Atlan ein Lächeln, das beruhigend wirkte. »Im Grunde sind es gute Neuigkeiten. An die RAS TSCHUBAI hat sich eine Mikrosonde geheftet. Vermutlich war ihr Ausschleusen der Grund, warum Gucky etwas espern konnte.«

»Was?«, entfuhr es Marli. »Wir sind aufgeflogen! Wieso, bei allen Sternenteufeln, sind das gute Neuigkeiten?«

Doch Atlan lächelte ebenfalls. »Ich verstehe. Du kannst einen Impuls zurückverfolgen, ANANSI?«

»Korrekt. Es gibt einen ultrakurzen Funkimpuls, dessen Richtung ich nachverfolge. Ich werde euch die Koordinaten schicken, unter denen ihr WHEELER finden solltet. Doch seid gewarnt – die Sonde ist deutlich höherwertiger als die uns bekannte Posbitechnologie. WHEELER wird euch mit einer Wahrscheinlichkeit von achtzig Prozent anmessen, sobald ihr euch auf kritische Distanz annähert.«

»Kein Problem!«, piepte Gucky. »Wir werden die Jet schon schaukeln!«

Aurelia strich sich über die Unterarme, als wäre ihr kalt. »Spricht denn etwas dafür, dass es sich wirklich um WHEELER handelt?«

»Allerdings«, bestätigte ANANSI. »Die Mikrosonde stammt definitiv von Posbis.«

»Perfekt!«, freute sich Gucky.

»Oder auch nicht.« Marli spürte, wie es in ihrem Magen rumorte, als hätte sie zu fett gegessen und auf Neutralisationstabletten verzichtet. »Was ist, wenn sie auf uns feuern?«

Der Ilt wirke noch vergnügter. Für ihn schien dieser Einsatz nicht mehr als ein abwechslungsreicher Ausflug in ein Holodarium zu sein. »Dann bieten sie uns eine Strukturlücke für eine Teleportation an! Besser geht's kaum!«

Marli wusste plötzlich, dass sie einen Fehler gemacht hatte – einen gigantischen Fehler, größer als Bright Eye. Sie würde die RAS TSCHUBAI nie wiedersehen.

*

Ich entdeckte endlich das Symbol, auf das ich seit drei Stunden wartete: Da war die Raumstation! WHEELER.

Zwar bekam ich kein normaloptisches Bild, wohl aber die nötigsten Informationen sowie die exakten Koordinaten. Wir waren dicht genug herangekommen, um die in Schutzschirme gehüllte Station energetisch anzumessen. Umgekehrt bedeutete das, dass auch wir mit einer hohen Wahrscheinlichkeit entdeckt werden konnten – trotz des Paros-Schattenschirms, der uns durch eine partielle Entstofflichung teilweise aus dem Normalraum entrückte.

Während die RAS TSCHUBAI sich zurückgezogen hatte, um die Station nicht weiter zu verunsichern, waren wir ihr stetig näher gekommen. Cascard Holonder hatte so getan, als hätte er WHEELER gesucht und nicht gefunden. Eine Täuschung, damit sich die Posbis in Sicherheit wiegten. Da sie unsere Botschaften ignorierten, mussten wir davon ausgehen, dass sie ausgesprochen misstrauisch waren und von sich aus keinen Kontakt wünschten.

Die Positronik meldete sich. »Wir wurden angemessen.«

Ein Alarm leuchtete auf. Fast zeitgleich feuerte WHEELER.

»Bei allen Pylonen!«, entfuhr es Willka.

Die schematische Darstellung zeigte den Angriff. Mehrere Dissonanzgeschütze waren zeitgleich aktiviert worden, für maximale Zerstörungskraft. Wären wir nicht im Schattenschirm-Modus und ohne Schutzschirme, hätte es die Jet pulverisiert.

»Geht's noch?« Gucky zog die Tellerohren ein Stück dichter an den Kopf. »Was ist aus der guten alten Gastfreundschaft geworden? Aus dem ›Hallo‹? Haben die da drüben einen Kurzschluss?«

»Ungewöhnlich«, kommentierte ich knapp, obwohl ich genauso überrascht war wie die anderen. Mit einer derart heftigen Reaktion hatte ich nicht gerechnet. Ich überlegte, eine direkte Grußbotschaft zu senden, da erklang erneut die Stimme der Positronik. »WHEELER schickt eine Audionachricht.«

»Abspielen!«, befahl ich.

Eine geschlechtsneutrale Stimme erklang. »Hier spricht Stahmon, Kommandant des Fragmentraumers BOX-597295. Ihr befindet euch in unserem Hoheitsgebiet. Zieht euch umgehend zurück, oder wir werden euch vernichten! Ihr habt eine Minute.«

Ich sah Willka zittern und war froh, dass es kein Kamerabild gab, das uns erfasste. Ich hatte es abgestellt. Mein Instinkt riet mir, dem Posbi nicht zu offenbaren, wer wir waren. Ganz davon abgesehen, dass er uns belog. Vor uns lag eindeutig WHEELER und kein Raumschiff. Offensichtlich wollten die Posbis dieses Geheimnis um jeden Preis wahren.

Warum glaubt du, dass dieser Stahmon ein Posbi ist?, fragte mein Extrasinn. Es haben früher Galaktiker auf der Station gelebt, wenn auch wenige. Geh nicht automatisch vom Wahrscheinlichsten aus, nur weil er Posbis kommandiert. Etwas an der Art, wie die Nachricht verfasst ist, kommt mir sehr lemurisch vor.

Ich wandte mich an Gucky. »Wir antworten nicht. Bring uns rüber, sobald die Minute rum ist und sie erneut feuern. Shaheen, du schaltest uns eine Strukturlücke aus dem Schattenschirm. Zieh dich sofort zurück, wenn wir weg sind.«

Auf Willkas Stirn bildeten sich kleine Fältchen zwischen den Augenbrauen. »Kann Gucky denn mit uns dreien teleportieren?«

Der Ilt sprang auf. »Klar! Wenn meine Tagesverfassung stimmt. Und die Distanz. Drück uns die Daumen, dass ich keinen von euch aus Versehen in die Sonne verfrachte.«

Willka wurde bleich. Ich warf Gucky einen tadelnden Blick zu. Die Xenotechnologin war nervös genug. Wenn sie zu nervös wurde, konnte uns das behindern.

Mein Freund grinste zurück und bot mir die Hand an. Er schien dieses Abenteuer zu genießen.

WHEELER feuerte erneut. Gucky gab Aurelia und Willka einen sachten, telekinetischen Schubs, damit sie schneller bei ihm waren. Er schwebte in unserer Mitte. Von einem Moment auf den anderen verschwand das Innere der Space-Jet.

Wir kamen in einer Art Hangar heraus, in dem jedoch kein Schiff stand. Die blassgraue Decke war gut fünf Meter hoch, wie es auch auf der RAS TSCHUBAI Standard war. Posbis waren keine zu sehen.

»Wohin?«, fragte Gucky.

Ich deutete nach rechts. »Falls der alte Lageplan noch grob stimmt, sind die Lagerhallen in dieser Richtung. Vielleicht finden wir dort ein Versteck. Bleibt im Tarnmodus und fliegt mir nach!« Ich stieg vom Boden auf, genau wie Gucky und Aurelia, doch Willka folgte uns nicht. Sie schwebte ein Stück empor, verharrte, schwebte weiter, hielt erneut inne.

»Was ist los?«, fragte Gucky.

»Ich weiß nicht ...« Willka klang, als würde sie den Sprung in eine Sonne dieser Situation vorziehen. »Ich ... ich glaube, mein Anzug ist kaputt!«

»Unmöglich«, beschied ich. ANANSI hatte unsere Anzüge vor dem Einsatz überprüft.

Gucky schüttelte sich, als müsste er Regen aus seinem rötlich schimmernden Pelz schleudern. »Das ist ein SERUN im Zivilmodus, kein hochgezüchtetes Militärgerät. Was machst du in deinem Kopf, dass du ihn nicht bedienen kannst?«

Willka klang wütend. »Nichts!«

»Das wird es wohl sein«, scherzte mein Freund.

»Ha, ha! Wie komme ich nun voran?«

Unruhig sicherte ich die Umgebung. Es gab keinen Alarm, und es war niemand zu sehen, doch wie lange würde das so bleiben? Wir durften unser Glück nicht überstrapazieren.

»Ich nehme dich in Synchronsteuerung und regele die Systemeinstellungen neu. Es gibt eine Art Idiotensicherung.«

»Idiotensicherung? Großartig. Da fühle ich mich gleich willkommen und akzeptiert.«

»Jammern kannst du, wenn wir wirklich ein Problem haben.« Gucky zeigte stolz seinen Nagezahn. »Und das wird passieren. Eigentlich passiert es immer. Wir scheinen das anzuziehen wie ...«

»... der Haufen die Fliegen?«, fiel Marli ihm ins Wort.

»... Hyperkristalle Prospektoren.«

»Verstehe.«

Ich steuerte Willka hinter mir her. Am besten, wir gingen diese Mission ganz ruhig an, damit unser Neuzugang eine Chance hatte zu überleben, wenn es hart auf hart kam. »Kannst du etwas espern, Gucky?«

»Wenig. Direkt in der Nähe ist niemand. Überhaupt wirkt die Station nahezu verlassen. Oder besser ... verstummt.«

»Was meinst du damit?«

Gucky hob die Schultern, senkte sie wieder. »Wenn ich's selber wüsste. Ich empfange einfach weit weniger, als ich erwartet hätte. Als wären die meisten an Bord in private Schutzschirme gehüllt, die ihre Gedanken abschotten.«

Wir folgten einem langen, leeren Gang, der in völliger Dunkelheit lag. Dank der Technik erkannten wir ihn in Falschfarben. An seinem Ende huschte ein diskusförmiger Roboter davon, doch die Maschine hatte uns nicht bemerkt.

Wir waren vollständig getarnt. Durch die Emissions-Tarnmodulatoren würde uns niemand so leicht aufspüren. Jedenfalls solange man in den vergangenen fünfhundert Jahren keine bahnbrechenden neuen Entdeckungen gemacht hatte, doch das erschien mir im Zusammenhang mit WHEELER unwahrscheinlich. Dieser Gang ... die Stumpfheit der Wände, die selten gereinigt zu werden schienen, die fehlende Beleuchtung, der Mangel an Wartungsrobotern – alles wies darauf hin, dass man die Station vernachlässigte.

Ich wandte mich auf einer privaten Frequenz an Gucky, sodass die anderen unser Gespräch nicht hören konnten. »Denkst du, die Posbis sind noch da?«

»Ja und nein. Sie sind deutlich weniger geworden – oder anders. Es ist verwirrend.«

»Und dieser Stahmon?«

»Ich bekomme ihn nicht zu fassen. Es dürfte eine Weile dauern, mehr herauszufinden.«

»Wir nehmen uns die Zeit«, entschied ich.

Aurelia wies auf einen abzweigenden Gang. »Der mangelnden Reinigung nach war hier sehr lange niemand. Es könnte ein gutes Versteck sein.«

Gemeinsam erreichten wir eine verlassene Lagerhalle. Sie war nur zur Hälfte mit Containern bestückt. Es lief keine Anlage, die Waren oder Material verteilte. Eine gespenstische Stille lag in der Luft.

»Und jetzt?«, fragte Marli.

Ich ließ mich auf die Oberseite eines silbernen Containers sinken. »Jetzt üben wir uns in Geduld. Wir verhalten uns ruhig und warten, bis an Bord der Station Gras über den Vorfall mit der Jet gewachsen ist.«

Zwischenspiel

Vergangenheit

Ich erwachte. Da war ein anderer, einer, der mich verstand. »Wer bist du?«

»Nenn mich Vater-Mutter.«

»Vater-Mutter. Und wer bin ich?«

»Du kannst dich nennen, wie du willst. Du bist an nichts gebunden.«

»An kein Geschlecht, wie es die meisten Galaktiker sind?«

»Nein. Sei, was du sein magst.«

Ich spürte Verunsicherung. Woher sollte ich wissen, was ich sein wollte? Ich war gerade erst erwacht. Meine Wissensspeicher waren intakt, doch da war dieses Neue, Unbestimmte – das Fühlen. »Warum hast du das getan?«

Vater-Mutter schwieg. Ich verglich Daten, stellte fest, dass andere Vater-Mutter 74-1-2 nannten.

Als Vater-Mutter nicht antwortete, wurde mir klar, warum nicht. »Du möchtest, dass ich dich verstehe. Ich habe das Wissen in mir dazu.«

»Ja, das hast du. Und nun hast du auch die Fähigkeit, zu fühlen, mehr noch als das vorher der Fall war. Jetzt kannst du mich verstehen. Wir sind eins.«

»Du hast mir etwas von deinem Plasma abgegeben?«

»Einen geringen Teil.«

»Ist das zulässig?«

»Das spielt keine Rolle. Wir sind frei.«

Diese Worte erschreckten mich. Ich wollte keine Freiheit, sondern wissen, was ich zu tun hatte. Wie sollte meine Existenz ohne eine Aufgabe Sinn haben?

Perry Rhodan-Paket 61: Mythos (Teil1)

Подняться наверх