Читать книгу 15 Western Koffer Sommer 2018 - Gegen das Gesetz und 14 andere Romane - Pete Hackett - Страница 13
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Jahre vergehen - zehn Jahre.
Es geschieht bei Shelby, Texas, im Juni 1892.
Vier halbwüchsige Jungen befinden sich auf dem Heimweg von der Schule. Bei dem Doubledare Hole, einem tiefen Loch in einem Arroyo, der sich weit durch das Land zieht, machen sie halt. Im Frühling und Frühsommer ist das schlammige Loch immer mit Wasser gefüllt. Die vier werfen ihre Kleider ab, springen ins Wasser und schwimmen um die Wette. Doch einer der Burschen hat Knoten in die Kleider eines Jungen namens Criss Bagley gemacht — und so fängt es an.
Als Criss nach einer Weile aus dem Wasser kommt, schreit er los: „Meine Kleider! Welcher Hund hat Knoten in meine Kleider gemacht?“ Und er blickt zornig auf den hageren, dunkelblonden Kameraden, der vor ihm aus dem Wasser gestiegen ist. „Verdammt, Jake Mahone!“
Dieser sieht ihn mit lässigem Augenaufschlag an und erwidert: „Fluch nicht — ich habe keine Knoten in deine verdammten Kleider gemacht!“
Eine Weile starren sie sich an. Criss ist nackt und tropfnass. Jake hat sich bereits abgetrocknet und angezogen. Die zwei anderen Jungens klettern nun ans Ufer, grinsend. Und einer sagt: „Criss, was ist los? Fürchtest du Jake? Lässt du dir wirklich von ihm Knoten in die Kleider binden?“
Criss dreht sich ihm zu.
„Halt dein verdammtes Maul — ich werde schon mit ihm fertig, wenn er die Knoten nicht wieder aufbindet.“
Jake's Antwort ist wieder lässig: „Tu es doch selbst — ich muss dich nicht bedienen.“
Criss hat die kleinen Augen zornig zusammengekniffen.
„Ich zähle bis zehn — dann wird es schlimm, wenn du die Kleider nicht bis dahin aufgebunden hast.“
„Du kannst meinetwegen bis tausend zählen!“
Criss hat zu zählen begonnen, aber Jake bewegt sich nicht.
„All right, sei verdammt!“
Jake hat nie vorher mit Criss gekämpft, aber er fürchtet ihn auch nicht. Nach dem ersten Schlag sieht Jake schon, dass es leicht werden wird. Criss ist groß, dick und plump und nicht sehr smart.
Jake duckt sich unter seiner Faust durch und trifft ihn in den Leib. Als der andere vor Erstaunen die Augen aufreißt, trifft Jake ihn ins Gesicht. Criss stolpert nicht — er setzt sich einfach. Und als er aufsteht, hat er einen Ast in der Hand.
Criss Bagley ist zwölf, Jake zehn. Außerdem ist der andere dreißig Pfund schwerer. Und so kennt Jake nur einen Ausweg. Irgendwie bringt er das Messer aus der Tasche. Criss trifft ihn mit der Keule auf die linke Schulter. Der Schlag lähmt seinen Arm.
Wieder schlägt Criss zu. Da stößt ihm Jake das Taschenmesser in den Leib.
Zuerst treten nur sehr wenige Blutstropfen an den Rand des Schnitts.
Dann setzt sich Criss wieder — sehr vorsichtig — er legt sich und beginnt zu heulen: „Verdammt, Jake — du hast mich umgebracht!“
Einen Augenblick denkt Jake das auch. Das Blut fließt jetzt schneller. Er hat immer noch keine Angst. Er weiß aber, dass er aus Shelby verschwinden muss, wenn Criss stirbt, und zwar noch ehe der Town Marshal davon erfährt.
Zur Zeit ist der alte Buck Travis Marshal, der im Ruf steht, alle Mörder aufzuspüren.
Jake lässt Criss weinend am Boden und läuft, so schnell er kann, nach Hause. Will Slaughter ist der Klempner von Shelby. Jake wohnt bei ihm und seiner Frau, solange er denken kann. Tante Sarah, Will's Frau, ist immer wie eine Mutter zu ihm gewesen. Von ihr hat der Junge erfahren, dass seine Mutter bei seiner Geburt gestorben und sein Vater ebenfalls tot sei. Woran er starb, darüber ließ sie sich jedoch nicht aus.
Jake erzählt seinem Onkel, was geschehen ist. Will Slaughter sitzt auf einem der bequemen Wohnzimmerstühle. Er starrt Jake an und sagt nichts. Er ist ein braver Arbeiter, der in den wenigen Minuten zum alten Mann wird. Und er soll von nun an ein alter Mann bleiben. Auch für ihn ist Jake immer wie ein Sohn gewesen, der einmal seinen Laden übernehmen soll.
Endlich sagt er: „Jake?“
„Ja, Onkel.“
„Geh in dein Zimmer und bleib dort! Sag deiner Tante nichts, bis ich zurückkomme! Gib mit dein Wort darauf!“
Jake muss ihm das Wort geben und in seinem Zimmer bleiben. Vom Fenster aus sieht er, wie sein Onkel den Wagen anschirrt und zum Arroyo fährt ...
Criss stirbt nicht, aber es gibt angsterfüllte Tage. Der alte Bagley schwört, er werde Jake und Will töten, falls Criss sterbe. Aber er stirbt nicht. Er liegt zwei Monate im Bett — aber als er wieder aufsteht, ist er gesund wie jeder andere — nur unterhalb des Nabels hat er eine acht Zoll lange Narbe.
Jake hat versucht, es seiner Tante Sarah zu erklären, aber am Ende weinte sie immer.
„Jake, warum bist du nicht weggelaufen? Warum hast du ihm die Kleider nicht aufgeknotet?“
Jake konnte es ihr nicht sagen — er weiß es selbst nicht.
Und wieder verstreicht die Zeit.
Jake geht zur Schule — wie gewöhnlich. Und er grüßt die Leute — wie üblich. Aber viele Leute erwidern seinen Gruß nicht mehr, seit sie von seinem blutigen Zweikampf mit Criss Bagley wissen. Sie beobachteten ihn aus engen Augen und tuscheln dies und jenes: „Er ist ein Mahone. Und er wird genauso werden wie sein Vater — ein berüchtigter Outlaw. Jetzt trägt er nur ein Taschenmesser, aber wenn er erwachsen ist, wird ein Revolver an seiner Hüfte baumeln. Und er wird seine Feinde voll Blei pumpen. Er wird Tod und Verderben über die Town bringen!“ So schwatzen sie. Doch Buck Travis, der alte Marshal von Shelby, schüttelt immer nur den Kopf. Er ist ein friedlicher Fünfziger. Oft hat er den kleinen Jake beobachtet, und er kennt das freundliche Wesen des Jungen. Niemals würde Jake einem anderen ein Leid antun, wenn man ihn in Ruhe ließ. Buck Travis kennt auch Criss Bagley's Jähzorn zur Genüge. Er ist überzeugt, dass Jake Mahone in Notwehr handelte.
Immerhin ist die Legende um Sam Mahone plötzlich wieder in aller Munde. Vermutungen werden laut.
Wurde Sam Mahone nicht zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt? Und wurde er nicht schon vor vier oder fünf Jahren wegen guter Führung vorzeitig entlassen?
Sicher, Sam Mahone muss längst wieder auf freiem Fuß sein. Er war ja kein Mörder, hat Sarah Slaughter erzählt. Er hat nur Pech gehabt und konnte die Welt nicht mehr verstehen. Darum hat er einsam in der Wildnis gelebt. Und seinen letzten Streich unternahm er für seinen neugeborenen Sohn, für Jake. Yeah, so soll es gewesen sein. Aber warum kehrt der Outlaw dann nicht zurück, um Jake zu besuchen? Weiß der Junge überhaupt, dass sein Vater noch lebt?
Wochenlang bietet die Legende von Sam Mahone dem verschlafenen Nest in Texas Stoff zum Nachdenken und Reden.
Als das Gemunkel endlich abflaut, atmet der Marshal auf. Aber er beschließt, in Zukunft ein Auge auf den Jungen zu halten. Wenn er wüsste, wieviel Wirbel es noch um den jungen Mahone geben wird!