Читать книгу 15 Western Koffer Sommer 2018 - Gegen das Gesetz und 14 andere Romane - Pete Hackett - Страница 18

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Ein einsamer Mann schlendert durch die dunklen Straßen von Shelby. Nach Jahren der Gefangenschaft und des ruhelosen Umherirrens ist er endlich in dieser Town gelandet. Aber er ist nicht an seinem Ziel angelangt — noch lange nicht.

Nur kurze Zeit war Sam einmal in Shelby. Vor fünfzehn Jahren, als Nancy mit ihrer Familie aus Texas hier heraufzog. In Texas lernte er sein Mädchen kennen. Nancy wollte gleich mit ihm kommen. Doch Sam redete es ihr aus. Er hatte immer Pech gehabt und wollte nicht, dass ein Mädchen wie Nancy darunter zu leiden hatte.

Dann war Nancy eines Tages mit ihrer Familie weg. Und Sam erkannte, dass seine Liebe zu ihr nie erlöschen würde. Kurzentschlossen ritt er ihr nach Montana nach. Und dann zogen sie beide in die Einsamkeit der Wildnis und waren glücklich. Bis zu jenem verhängnisvollen Tag ...

Die Jahre im Staatsgefängnis waren die Hölle für Sam. Jeder andere Mann mit seinem Schicksal hätte in dem Loch schneeweißes Haar bekommen. Er glaubte mit unheimlichem Starrsinn an die Zukunft — an seine Zukunft mit Jake, der das Letzte war, was ihm von Nancy blieb.

Im State Prison gab es Aufruhr und Totschlag unter den Zellengenossen. Doch Sam Mahone beteiligte sich nie daran. Er war schlau. Er legte ein vorbildliches Betragen an den Tag. Er ließ sich sogar von den Gefängniswärtern schikanieren. Immer zeigte er ein freundliches Gesicht. Aber hinter dieser Maske wünschte er allen die Pest an den Hals. Und er schwor sich, eines Tages zu Jake zurückzukehren, ihn mitzunehmen und dieser Welt den Rücken zu wenden.

Wegen guter Führung schenkten sie ihm vier Jahre der Strafzeit.

Als Sam dann unter der Sonne stand, schwanden ihm fast die Sinne, so groß war die Leere in seinem Gehirn — und in seiner Seele. Erst jetzt spürte er richtig, wie sehr ihm Nancy fehlte. Und jäh überfiel ihn ein unsinniger Hass auf jemanden, dem er plötzlich an allem die Schuld zuschrieb — auf Jake, seinen Sohn. Wäre er nicht geboren, hätte Sam nicht jenen letzten Coup zu landen brauchen. Dann wäre alles anders gekommen. Jake hatte Nancy's Leben abgelöst, doch für Sam war der Junge kein Ersatz — nur der Stachel eines tückischen Schicksals.

In hilfloser Wut ritt Sam, wohin ihn der Wind trieb.

Doch schließlich sah er ein, wie verrückt sein Hass war. Und irgendwo, zu irgendeiner Stunde, überraschte ihn ein starkes, heißes Gefühl: Er sehnte sich nach dem Jungen. Das war irgendwo am Missouri, und bis Texas war ein weiter Weg.

Unterwegs schloss er sich einer Revolvercrew an, die einem eigensinnigen Geschäftemacher diente. Doch Sam Mahone hatte Pech — wieder einmal. Die Crew stieß auf härtere Gegner, wurde aufgerieben, und Sam musste New Mexico verlassen, ohne einen Penny seines Auftraggebers erhalten zu haben. Außerdem wurde er steckbrieflich verfolgt, weil man ihm einen Mord anhängte. Niemand hätte geglaubt, dass es ein faires Duell gewesen war.

Einmal, in Utah, versuchte er sich im Spiel — mit zwei Dollar Einsatz. Er gewann zwanzigtausend Dollar. Da glaubte er, der geborene Spieler zu sein.

In Idaho spielte er wieder — und verlor fünf Zehntausend Dollar. Er schwor, nie wieder die Karten anzurühren. Fünftausend blieben ihm, und das ist für einen Tramp eine Menge Geld, mit dem er sich mehrere Jahre über Wasser halten kann.

Jetzt ist Sam hier in Shelby. Er hat Jake gesehen, und sein Entschluss, mit ihm fortzugehen, ist noch stärker geworden. Der Gedanke, dass sein Sohn in einer jämmerlichen Siedlerstadt aufwachsen soll, lässt wilden Zorn in ihm aufwallen. Wuchtig stößt er die Schwingtür von Bert Surrat's Saloon auseinander und betritt sporenklirrend den Saal.

Nur gedämpftes Stimmengewirr drang heraus. Jetzt ist es augenblicklich still. Ein Dutzend Siedler sitzt müde an Surrat's gescheuerten Tischen. Sie glotzen den Fremden an. Und ihre Blicke drücken das Missfallen aus, das sie über Sam's tiefhängenden Colt empfinden.

„Ein Glas Bier!“, sagt Sam laut und legt die Arme auf den Tresen.

Der Salooner hat offenbar nicht verstanden und poliert weiter an seinen Gläsern herum, die genauso blinken wie seine Glatze. Er ist fleischig und Ende der fünfzig, ein früher Siedler.

Sam blickte in den fliegenbeschmutzten Spiegel hinter der Bar. Er sieht darin die Siedler, die noch immer auf seine Waffe schielen. Jetzt erheben sich zwei der Männer lautlos, legen eine Münze auf den Tisch und verlassen den Raum.

Jammerlappen, denkt Sam Mahone. Und wieder befällt ihn Wut bei dem Gedanken, dass sein Sohn zwölf Jahre unter diesen jämmerlichen Siedlern gelebt hat. Zornig haut er die Faust auf den Tresen.

„Bier, verdammt! Wie lange soll ich denn noch warten?“

„Hier herrschen Ruhe und Ordnung, Mister“, brummt er gereizt. „Sie sind fremd hier, und wenn Sie länger bleiben wollen, gewöhnen Sie sich daran.“ Unwillig schiebt er Sam ein Glas zu. „Es gab mal hier einige Größen, wie Big Hat und Cross Four, die ihr Maul aufreißen durften, aber die Zeiten sind vorbei, Mister ...“

Mit Genugtuung hört Sam die lauernde Frage nach seinem Namen heraus, und er antwortet gedehnt: „Mahone, Sam Mahone.“

Stille herrscht, als müsse der Klang des Namens erst wirken. Dann werden Stühle gerückt. Münzen klirren, Schritte stampfen zum Ausgang. Nur vier Gäste bleiben zurück, die tuschelnd die Köpfe zusammenstecken.

Bert Surrat legt den Lappen weg und beugt sich über den Tresen.

„Mann, Mahone, Sie sind das!“, keucht er. „Sicher, jetzt erkenne ich Sie wieder. Waren vor langer Zeit mal für einige Monate hier. Habe Sie nicht vergessen, und auch nicht die Geschichten, die ...“

„Bekomme ich jetzt mein Bier?“

Achselzuckend gießt Surrat das Glas voll. Die Schwingtüren geraten ins Wippen. Neue Siedler strömen in den Saloon, lachend und lärmend.

Sam's Haltung versteift sich. Mit den Siedlern fing alles an, denkt er bitter und trinkt das Glas in einem Zug leer. Er reißt den Kragen auf und rümpft die Nase, als sei die Luft plötzlich dick und dreckig geworden.

Die Männer verteilen sich an den Tischen, einige bauen sich am Tresen auf. Nachdem Surrat sie bedient hat, gesellt er sich wieder zu Sam.

„Im Grunde tut es mir verdammt leid, dass Männer wie Sie aus Shelby verschwunden sind“, gibt er raunend zu. „Seit damals ging's ziemlich abwärts mit meinem Geschäft. Well, vielleicht bekommt Shelby einen Eisenbahnanschluss. Man redet viel davon.“

„Es ist nur Gerede“, erwidert Sam. „Warum sollte die Eisenbahn ihre Gleise in diese gottverlassene Gegend legen?“

Surrat zuckt die Schultern.

„Na, es ist doch noch verdammt viel Vieh hier in der Gegend. Die Town würde einen ausgezeichneten Verladebahnhof für diesen Teil von Texas abgeben.“

„Glaub das nur nicht! Shelby wird langsam weiter sterben, bis man es eines Tages begraben muss, damit es nicht so verdammt stinkt.“

Surrat blickt beleidigt drein, obgleich auch er der Town flucht, weil sie die Herden vertrieben hat. „Wenn Shelby so übel ist, warum sind Sie dann zurückgekehrt, Sam?“

„Das ist 'ne lange Story, Bert.“

Als Sam schweigt, erhebt sich Surrat stöhnend von seinem Hocker und watschelt zum Ende der Bar. Sekunden verstreichen, dann beginnt dort ein eifriges Tuscheln.

Plötzlich verstummt jeder Laut, und in die Stille hinein sagt ein hünenhafter, muskelbepackter Siedler in Overalls und Hemdsärmeln: „Wisst ihr das Neueste? Der kleine Criss Bagley soll Leibschmerzen haben. Genau an der Stelle, wo ihn das Messer des jungen Mahone erwischte, sagt sein alter Herr. Seiner Meinung nach sind es Nachwehen dieser Wunde. Verrückt, wie? Aber immerhin hat Jake Mahone dem armen Criss einen ganz hübschen Schnitt verpasst. Und wenn ihr mich fragt, so sollten wir dem Rotzlümmel endlich mal tüchtig das Fell gerben. In unserer Town brauchen wir Giftkröten genauso wenig wie irgendwelche Revolverschwinger. Das sollten wir diesem Schnösel Mahone einhämmern, ehe er erwachsen ist und sich 'ne Kanone umbindet!“

Sam halt das Glas mit einer Hand umkrampft. Das Gehörte ist eine unverhohlene Herausforderung. Im Übrigen ist sein Name in den Dreck getreten worden — von einem Burschen, der nicht wert ist, den Boden vor Jake's Füßen reinzulecken. Und im „Loch“ hat sich Sam geschworen, rücksichtslos jede Spitze zu brechen, die sich gegen einen Mahone richten sollte.

Ein hartes Lächeln steht in seinem Gesicht wie in eine Granitwand gemeißelt, als er sich zur Seite wendet, unheimlich langsam.

Die Siedler prallen vor diesem Anblick zurück wie vor einer zustoßenden Sandviper.

„Du reißt nie wieder dein stinkiges Maul gegen einen Mahone auf!“ Sam spricht es tonlos. Man merkt ihm die Wut nicht an, die in seiner Brust tobt. Er füllt sich sein Glas selbst wieder, geht zwei lässige Schritte und schüttet dem Stänkerer das Bier mitten ins Gesicht. Das Glas wirft er achtlos zur Seite, es zerschellt klirrend auf den Dielen.

„Hölle!“, ächzt der Siedler. Seine Augen blinzeln durch den Tränenschleier. Er reißt die Fäuste hoch und wankt wie ein Ochse auf zwei Beinen auf Mahone zu.

Sam bleibt stehen, reglos. Er bewegt sich erst, als die Fäuste des Kerls wie Schmiedehämmer auf ihn loszischen. Da duckt er sich unter den Pranken durch und landet eine blitzschnelle Gerade in der Magengegend des Bullen. Es ist, als stoße er in einen prallen Sandsack.

Der Siedler lacht rau auf, umklammert Sam blitzartig mit seinen langen Affenarmen und wirft ihn wie einen Schuljungen auf den Tresen. Alles geht zu schnell für Sam. Als er krachend aufprallt, ist er für einen Rückschlag viel zu benommen. Der Siedler hält ihn mit einer Faust an der Hemdbrust fest, die andere holt aus zu einem vernichtenden Schwinger. Der Schlag trifft Sam wie der Tritt eines Elefanten zwischen den Rippen. Er segelt vom Tresen und kracht gegen ein Regal hinter dem Schanktisch. Flaschen fallen klirrend und zerschellend auf die Dielen, während das Regal bedrohlich schwankt.

Mit verblüffender Geschmeidigkeit wirft sich der Hüne über den Tresen. Er beugt sich über Sam, der sich stöhnend hochrappelt, und grinst diabolisch. Wieder holt er aus, aber langsam — zu langsam.

In Sam's Augen blitzt es auf. In Brusthöhe ballt er die Hand zur Faust. Er reißt den Ellenbogen zurück, schießt seine Faust wie einen Rammbock vor und trifft den Siedler genau auf das Kinn. Ein rasender Schmerz schießt durch seinen Arm bis ins Gehirn. Seine Faust ist auf dem Kinn des Hünen wie auf einem Felsblock gelandet. Der Siedler röchelt und geht in die Knie, aber er fällt nicht. Sam muss die Linke hinterher setzen, um ihn endgültig zu Boden zu bringen. Danach sind seine Arme fast gelähmt. Keuchend steht er über dem Hingestreckten.

Die übrigen Siedler spritzten auseinander, als der Fight begann. Stumm glotzend drücken sie sich an die Tische. Nervös bewegen sie die Finger, als Mahones Blick langsam zu ihnen hinüberwandert. Selbst Bert Surrat zuckt zusammen, als er dem glühenden Blick des Mannes begegnet. Kein Zweifel, Sam Mahone kann Schrecken einjagen, wenn er es will!

Nach zehn Sekunden öffnet der bullige Siedler die Augen. Er ist trotz des schweren Niederschlags ziemlich klar. Eine schwerfällige, vor Wut brodelnde Verwünschung spuckt er Sam entgegen. Dessen Gesicht ist hart, kalt und entschlossen. Doch ehe er irgendetwas weiteres tun kann, ist die nüchterne Stimme in seinem Rücken.

„Genug, Mahone!“

Sam wendet sich langsam um. Der Stern fällt ihm zuerst ins Auge. Der matt blinkende Orden eines Marshals. Dann sieht er ...

„Kommen Sie, Mahone!“ Wieder diese einschläfernde Stimme.

Aber weder der Ton noch die Bedeutung der Worte ist es, was Sam plötzlich aufreizt. Es sind die Handschellen, die der Marshal trägt — blitzende, nagelneue Handschellen.

Dieser Anblick zaubert vor Sam's geistiges Auge einen purpurnen Schleier, in dessen Mitte er mit betäubender Klarheit eine Szene erblickt. Er sieht sich selbst in dieser Szene. Und er sieht Männer, die ihm Arme und Beine festhalten, als er sich wild sträubt. Ein anderer legt ihm Handschellen an, dann Fußfesseln. Und dann stoßen sie ihn in das düstere Loch im Staatsgefängnis ...

Die Szene liegt nun schon lange zurück — acht Jahre. Sie spielte sich ab, als Sam im State Prison eine Gelegenheit zur Flucht wahrnehmen wollte. Es war zu einer Zeit, als die Sehnsucht nach der Freiheit jeden Nerv zittern ließ. Damals schwor er sich, lieber zu sterben, als noch einmal eine Nacht in Fesseln zu liegen.

Die Szene verschwimmt in dem Schleier vor Sam's Augen. Wieder zittert jeder Nerv in ihm. Kalter Schweiß bricht aus den Poren. Der Schleier vor seinen Augen zerreißt, und sein Blick fällt wieder auf die blitzenden Handschellen, die der Marshal trägt. Sind sie für ihn bestimmt? Wenn nicht, warum muss er sie dann tragen, gerade jetzt?

In aufwallender Hitze schießt Sam seine Faust los. Der Stoß schleudert Buck Travis zurück. Er landet mit dumpfem Dröhnen auf den Dielen, richtet sich auf den Ellenbogen hoch und starrt den Mann ganz verdattert an. Als er zu den Handschellen greifen will, die klirrend neben ihm zu Boden fielen, sieht er Mahones Colt auf sich gerichtet.

„Fassen Sie sie nicht an, Marshal!“, keucht der Outlaw. „Oder ich schieße Sie zum Krüppel!“

„Mann, sind Sie noch zu retten?“, krächzt Buck Travis. „Was haben ...?“ Er hält inne und kommt ächzend auf die Füße. Dann steht er gebeugt da und sagt eine halbe Minute lang gar nichts. Er starrt Mahone nur nachdenklich an. Er ist ein weiser Mann, ein guter Menschenkenner.

Die Siedler sind noch mehr zurückgewichen. Der bullige Kerl hat sich grunzend erhoben. Er lehnt sich neben Surrat an den Tresen und sagt feixend: „Er ist ein tollwütiger Hund, Marshal. Den schaffen Sie nicht im Alleingang. Aber wenn wir alle zusammen auf ihn losgehen, kann er höchstens einen oder zwei von uns ankratzen. Wir anderen geben ihm dann das, was ihm gebührt.“

Buck Travis gibt die Antwort ohne den Blick von Mahone zu wenden: „Halt dein ungewaschenes Maul, Jenkins! Ich stand an der Tür und habe das Ganze von Anfang an gesehen. Habe auch mitbekommen, wie du Mahone mit deiner Lästerzunge gestochen hast. Kurz und klar: Was Criss Bagley vor zwei Jahren passierte, war 'ne Notwendigkeit. Jake Mahone trifft so gut wie keine Schuld. Bohr dir das endlich in deinen verdammten Dickschädel, Jenkins! Und was den Stunk von gerade anbelangt: Es gibt Dinge, die ein Mann sich nicht unter die Nase reiben lassen kann, um sie dann zu beniesen und mit einem Dankeschön zu verkraften. So ein Ding hast du Mahone vorhin verpasst, Jenkins. Und da ich Jake Mahone und die Story dieses Mannes vielleicht besser durchschaue als manch einer, rate ich dir, Jenkins: Halte die Zunge zwischen den Zähnen, bevor ich wild werde!“

Unentwegt starrt der Marshal bei diesen Worten auf den Punkt zwischen Sam's Augenbrauen.

„Nun zu Fall drei“, fährt er mit leicht gehobener Stimme fort. „Sie haben mich niedergeschlagen, Sam Mahone, und dafür könnte ich Sie eine Woche lang ins Jail stecken. Da es jedoch noch nie vorgekommen ist, dass Buck Travis in einem Katzendreck herummistete, und da es außerdem wohl klar ist, dass Sie in jener verrückten Sekunde das Gift noch nicht los waren, das Ihnen Jenkins' Stachel einimpfte, will ich ins Taschentuch weinen. Mit anderen Worten, Sie können gehen, Sam Mahone!“

Verwirrt und halb belustigt, steckt dieser die Waffe zurück. Erst als Buck Travis sprach, hat Sam den Marshal wiedererkannt, der schon vor dreizehn Jahren in Shelby den Stern trug.

„Buck Travis“, sagt Sam ein wenig verlegen. „Ich bedaure sehr, dass wir uns so unglücklich wiedersehen, und ich bekenne offen, dass ich Ihre Ausdauer hier in Shelby bewundere.“

„Große Ehre“, erwidert Travis spöttisch. Er bückt sich und hebt die Handschellen auf. Als er das kurze Aufflackern in Sam's Augen sieht, bemerkt er: „Die Dinger trage ich zufällig bei mir. Mullard hat sie eben aus Yellow Fork mitgebracht. — Well, Sam, hatte Sie eigentlich in mein Office einladen wollen. Wollte Sie über einige Dinge aufklären. Aber ich schätze, wir verschieben den Speech auf einen besseren Zeitpunkt. Haben an diesem Abend genug Worte verschwendet.“

Sam Mahone neigt den Kopf.

„Guten Abend, Marshal“, sagt er freundlich und stakst hinaus.

„Sam?“

Mahone hat die Tür erreicht. Er dreht den Kopf über die Schulter. „Yeah, Buck?“

„Habe in meinem Alter nicht mehr viel zu erwarten. Aber wenn ich noch sähe, wie Sie mit Jake in Frieden zusammenleben, könnte mein Herz ein wenig schneller schlagen.“

Sam schluckt.

„Danke, Marshal“, sagt er rau und geht hinaus.

Buck Travis steht noch einige Sekunden reglos da. Auch um ihn rührt sich niemand.

Dann murmelt er wie zu sich selbst: „Er war ein Outlaw, aber er hat dafür gebüßt. Wenn er von sich aus Ärger in die Town trägt, wird ihn mein Arm erreichen. Aber wenn ich sehe, dass er mit seinem Sohn ehrlich Frieden sucht, wird meine Hand für ihn da sein. Und wenn irgendjemand versuchen sollte, diesem Mann auf seinem Weg zum Guten einen Stiefel vorzuwerfen, so wird diese lausige Town erfahren, dass auch ein alter Marshal mit Rheumatismus wilder als tausend Teufel werden kann!“

Die Siedler glotzen dem Marshal wenig freundlich nach, als er mit wuchtigen Schritten den Raum verlässt.

Jake ist noch wach, als die hohen Hacken auf dem Weg vor Slaughter's Haus klacken. Sam Mahones Radsporen klingeln in der Nacht, und einen Augenblick fühlt sich Jake an die Cowboys erinnert, die er so sehr bewundert hat.

Sam Mahone steht auf der Veranda. Durch das Fenster kann Jake ihn sehen. Er steht da, ein großer, dunkler Mann, der sich gegen die Nacht abhebt, als müsste er sich erst entschließen, in das Haus zu gehen, in dem Sarah und Will auf ihn warten. Er stöhnt leicht, bevor er die Tür öffnet.

„Bist du schon zurück, Sam?“, fragt Onkel Will mit falscher Herzlichkeit.

Jake hört das Geräusch von etwas Festem, das auf Holz aufschlägt. Da weiß er, dass sein Vater den Revolver an den Haken gehängt hat.

Nachsichtig bemerkt Sam: „Abends ist in dem Nest nicht viel los.“

„Aber Bert Surrat hat wohl noch auf, was?“, fragt Sarah spitz.

„Yeah“, erwidert Jake's Vater, und seine Stimme klingt müde. „Bert hat noch auf. Was ist mit dem Jungen?“

„Jake schläft.“ Es ist Will, der antwortet. „Warum setzt du dich nicht, Sam? Wir können doch noch ein wenig sprechen, bevor wir ins Bett gehen.“

„Über mich?“

„Well ... well, yeah, Sam. Sarah und ich ... well ... wir wissen nicht ...“

„Ihr wisst nicht, warum ich nach Shelby zurückgekehrt bin, und was ich mit dem Jungen vorhabe, wie?“ Sam Mahones Stimme klingt tonlos, aber es liegt etwas Stechendes in ihr, das Jake förmlich fühlen kann.

„Ich schätze“, fährt er fort, „die Antwort wird von Jake kommen. Wenn ihr nichts dagegen habt, richte ich mir jetzt meinen Wigwam her.“

Jake hört Tante Sarah aufschluchzen und in die Küche laufen. Dann murmelt Will Slaughter:„Komm einen Moment hinaus, Sam!“

Jake sieht ihre schattenhaften Gestalten, als sie auf die Veranda treten.

„Hör zu, Sam!“, raunt Will heiser. „Sarah und ich, wir lieben den Jungen. Wir wollen ihn behalten. Es ist auch besser für Jake. Denke nur an ...“

In dem Moment kommen Sam's Gefühle, die er in der Gegenwart der Slaughters bisher unterdrückte, jäh zum Durchbruch.

„Zwölf Jahre, Will!“, faucht Mahone. „Zwölf Jahre lang habe ich jeden Tag, jede Stunde an nichts anderes gedacht als daran, wie ich mit meinem Sohn das Leben weiterführen könnte, das ich mit Nancy begann. Zwölf Jahre, Will! Kannst du dir das vorstellen? Jetzt ist die Stunde für mich gekommen, und da sagst du mir so etwas! Jake ist ein Teil von mir, so wie es Nancy war. Ich kann mich nicht irgendwo ruhig niederlassen mit dem Wissen, dass Jake unter diesem jämmerlichen Pack heranwächst, dass er sich in dieser Welt durch Lug und Trug hindurchquälen muss. Mein Sohn eine sich abplagende Krämerseele! Niemals! Der Gedanke würde mich verrückt machen!“

„Aber Sam, das ist doch alles ...“

Da wird Sam noch wilder. Er packt Will, der völlig verdattert ist, bei der Hemdbrust, wirbelt ihn herum und stößt ihn vor sich her über die Veranda.

Vor Überraschung hätte Jake beinahe einen lauten Pfiff ausgestoßen. Er denkt: Donnerwetter, das ist mein Vater!

„Ich glaube, du gehörst auch zu den Kerlen, denen man alles mit Prügeln in den Dickschädel hämmern muss“, zischt Sam. „Und jetzt Schluss mit dem Gefasel, Will. Ich sagte schon, die Antwort wird von Jake kommen!“

Da senkt Slaughter das Kinn, und Mahone lässt ihn los. Schweigend gehen sie ins Haus zurück.

Verwirrt lässt sich Jake auf das Bett zurückfallen.

Bei allen Kuhschwänzen!, denkt er. Warum können sie mich nicht in Ruhe lassen?

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