Читать книгу 15 Western Koffer Sommer 2018 - Gegen das Gesetz und 14 andere Romane - Pete Hackett - Страница 16

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Das Abendessen verläuft unerfreulich. Es ist das erste Mal, seit Jake sich erinnern kann, dass Onkel Will nicht über den Laden spricht. Tante Sarah erwähnt nicht einmal ihre Furcht vor den Stinktieren, die ihre Hühner auffressen können. Sie beschäftigen sich mit dem gebratenen Huhn, als sei es eine Angelegenheit auf Leben und Tod.

Sam Mahone fragt Jake über die Schule aus. Aber bald schon erstirbt die Unterhaltung in der gespannten Atmosphäre.

Danach geht Sam in dem kleinen Wohnzimmer auf und ab, und schließlich sagt er: „Schätze, ich werde jetzt mal in die Stadt gehen, um zu sehen, wie sie sich verändert hat.“

Er wirft Jake einen Blick zu. „Möchtest du mitkommen?“

„Es ist schon zu spät“, bemerkt Sarah mit fester Stimme.

Sam's Augen werden schmal.

„Na, vielleicht morgen, Junge.“

Dann streckt er sich, als fürchte er, das Haus würde ihn erwürgen. Er nimmt seinen Revolver vom Haken, wie ein anderer vielleicht seinen Hut ergreifen würde.

„Wartet nicht auf mich!“, sagt er. „Ich baue mir mein Bett in der Küche.“

Als er gegangen ist, fragt Jake: „Tante Sarah, warum hast du mir nie von ihm erzählt ...?“

„Er ist dein Vater“, keucht die Tante. „Du kannst ihn ja auch so nennen. Ich habe dir nichts von ihm erzählt, weil ich nichts über ihn wusste. Das heißt ...“

Sie stockt, als sie Will's scharfen Blick auffängt. Dann fährt sie fort: „Er ist ... abgehauen, als du noch ein Baby warst. Es ist ein Wunder Gottes, dass du nicht gestorben bist wie deine Mutter. Und wer weiß, wo du gelandet wärst, wenn nicht Onkel Will und ich gewesen wären.“ Sie dreht sich um und geht in die Küche. Eine Minute später kehrt sie mit einer Pfanne gebackener Bohnen zurück.

„Willst du nicht ins Bett?“

„Bin schon auf dem Weg.“ Jake geht hinaus und wäscht sich die staubigen Füße in einem Eimer Wasser. Er hört seinen Onkel sagen: „Well, er ist zu Bert Surrat gegangen.“

Sarah erwidert: „Was dachtest du denn?“

Jake kann fast das Achselzucken seines Onkels sehen.

„Ich hoffte immer, er würde sich ändern, aber das kann er wohl nicht. Wie er seine Waffe trägt — ich mag das nicht.“

„Zwölf Jahre“, entgegnet Jake's Tante, „und die ganze Zeit ist es mit ihm bergab gegangen, wenn du meine Meinung hören willst. Warum ist er denn jetzt erst zurückgekehrt? Sie haben ihn doch schon vor vier oder fünf Jahren —“ Ihre Stimme bricht ab, als dürfe sie die letzten Worte nicht aussprechen.

„Well, Sarah, sei nicht zu hart zu ihm. Er hat es sich sehr zu Herzen genommen, als Nancy starb. Man kann nie genau wissen, was in solchen Augenblicken im Kopf eines Mannes vor sich geht.“

„Zwölf Jahre“, wiederholt Sarah nochmals. „Zeit genug, um das zu überstehen, was einem Kummer macht. Nancy war meine jüngere Schwester, wie du weißt, aber ich habe es überstanden.“

„Ich möchte ihn nicht rechtfertigen, aber ...“

In dem Augenblick betritt Jake das Zimmer, und Will ist augenblicklich still.

„Zeig mal deine Füße her!“, verlangt Tante Sarah.

Tausend Fragen möchte Jake stellen, aber er weiß, dass sie nicht beantwortet würden. Er geht in sein Zimmer, als seine Tante ihre Inspektion beendet hat. Im Bett strengt er seine Ohren an, um zu hören, was seine Tante und sein Onkel sich erzählen, aber sie sprechen mit gedämpfter Stimme.

Jake schließt die Augen und versucht sich vorzustellen, was sein Vater wohl jetzt bei Surrat macht. Insgeheim aber weiß er, dass es so nicht hergeht. Oft ging er an Surrat's Saloon vorbei und hörte nie ein Geräusch.

Jake richtet sich im Bett hoch. Im Nebenzimmer wird gesprochen. Will und Sarah haben das Thema immer noch nicht gewechselt.

„Das Schießeisen macht mir Sorge“, sagt Will. „Wenn man ihn ansieht, so gewinnt man doch den Eindruck, als ob er sich fürchtet, ohne die Waffe auszugehen. Sarah, glaubst du, dass er in Schwierigkeiten ist?“

„Sam Mahone ist sein Leben lang in Schwierigkeiten gewesen, immer hat er Sorgen gehabt“, erwidert Jake's Tante. „Je älter er wird, desto größer werden seine Sorgen. So widerfährt es immer Leuten wie ihm.“

Jake hört, wie der Schaukelstuhl im Wohnzimmer knarrt.

„Vielleicht sollten wir nicht so schnell Rückschlüsse ziehen“, meint Will Slaughter gedankenvoll. „Vielleicht kommt er dort unten vom Süden, wo es immer noch normal ist, eine Waffe spazieren zu tragen.“

Jake's Tante aber zischt: „Mit einem einzigen Blick sehe ich, wie weit es mit ihm gekommen ist. Ich würde gar nicht erstaunt sein, wenn ich jetzt hörte, er hätte irgendjemanden beraubt oder ermordet.“

„Sarah!“

„Ich meine alles so, wie ich es sage!“

Das Knarren des Schaukelstuhls setzt einen Augenblick aus.

„Aber ich glaube, es ist bereits viel zu spät, um noch irgendetwas für Sam Mahone zu tun“, fügt sie voller Bitterkeit hinzu. „Wegen des Jungen mache ich mir Sorgen. Die Vorstellung ängstigt mich, er könnte Jake schlecht beeinflussen, wenn er erst einmal sein Vertrauen gewonnen hat. Mein Gott, vielleicht will er uns Jake wegnehmen!“

„Ich glaube nicht, dass wir uns deswegen Sorgen zu machen brauchen“, erwidert Will.

Jake kann sich vorstellen, wie sie einander anblicken und sich die Gedanken von den Gesichtern lesen.

Seltsam, denkt der Junge, als er mit offenen Augen im Bett liegt. Dieser Mann mit den grauen Augen ist sein Vater, das stimmt. Tante Sarah hat das zugegeben. Aber nach zwölf Jahren muss man sich an den Gedanken erst gewöhnen.

Jake hat nur ein kleines Zimmer. Er starrt aus dem Fenster und lauscht auf die nächtlichen Geräusche von Shelby.

Warum mag Tante Sarah meinen Vater nicht?, denkt er. Warum glitzern ihre kleinen Augen jedes Mal, wenn sie Sam Mahone anblicken? Und wo ist sein Vater während der ganzen Zeit gewesen?

Er muss Shelby unmittelbar nach dem Tod seiner Mutter verlassen haben. Niemand hat ihn seither gesehen. Davon hätte Jake sicher gehört — oder?

Jake liebt den Gedanken nicht wenig, einen eigenen Vater zu haben. Es scheint ihm auch nicht wichtig, dass Sam sich zwölf Jahre lang nicht um ihn kümmerte.

Er ist richtig froh, dass sein Vater sich entschlossen hat, nach Shelby zurückzukehren ...

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