Читать книгу 15 Western Koffer Sommer 2018 - Gegen das Gesetz und 14 andere Romane - Pete Hackett - Страница 15
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Die Zügel des Pferdes sind an den Haken der Kuhstalltür gebunden. Das Tier ist prächtig — schwarz wie Kohle und gut gepflegt. Jake achtet besonders auf den verzierten Ledersattel.
Yeah, so etwas will Jake sich eines Tages anschaffen. Seine Hände ziehen die Winchester aus dem Scabbard und streicheln sie. Er kann seinen Blick nicht vom Pferd abwenden, als er Bessie in den Stall führt und ihr das Futter vorwirft.
Zum Geier, denkt er, warum wohl ein Mann, der solch einen Reichtum besitzt, die Slaughters aufsucht!
Tante Sarah hat nichts für Waffen übrig, auch nichts für jene Männer, die sie tragen. Auch Onkel Will nicht.
„Wer mit dem Schwert lebt, wird durch das Schwert sterben“, pflegt sein Onkel zu sagen. Jake denkt dann immer: Beim Satan, das ist verrückt! In meinem ganzen Leben habe ich in Shelby nie einen Mann mit einem Schwert gesehen!
Aber so sind sie nun mal. Besonders Tante Sarah. Wenn man etwas tut, was ihr nicht gefällt, so hat sie immer ein geeignetes Zitat zur Hand, um zu beweisen, dass es böse ist.
Jake wirft noch einen letzten bewundernden Blick auf das schöne Gewehr, dann marschiert er auf das Haus zu.
„Jake, ist die Kuh im Stall? Hast du ihr zu fressen gegeben?“
Es ist seine Tante Sarah. Sie ist eben an die Küchentür gekommen, um nach ihm auszuschauen. Sie ist eine kleine Frau mit grauem Haar, das dünn wird, und durchdringenden grauen Augen.
Nur ein einziges Mal hat Jake Farbe in ihrem Gesicht gesehen. Das war vor Jahren, als sie mit Fieber daniederlag. Normalerweise ist ihr Gesicht grau wie in Lauge gebleichtes Leder.
Sarah's Mund erinnert Jake an eine zugeschnappte Falle, besonders dann, wenn sie ärgerlich ist. Und das ist sie in dem Augenblick.
„Yeah, Tante“, sagt Jake leiernd. „Bessie ist im Stall. Wer ist denn da zu Besuch?“
„Du hast sie doch nicht etwa den Weg hinuntergetrieben?“, fragt Tante Sarah, indem sie seine Frage übergeht.
„Nein, Tante“, erwidert Jake, indem er sich den Staub auf der Schwelle von den bloßen Füßen stampft.
„Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie Cowboys Kühe gejagt haben“, sagt die Frau entrüstet. „Es ist eine Sünde und ein Verbrechen, eine Kuh zu jagen, wenn sie schwer mit Milch geht. Komm rein, das Essen ist gleich fertig!“
Jake betritt die Küche. Es riecht nach gebratenem Huhn, und das Wasser läuft ihm im Mund zusammen. Niemand in der Welt kann kochen wie Tante Sarah. Verdammt, hoffentlich mag der Gast den Magen nicht, denn den isst er am liebsten.
Jake wird unbehaglich. Was hat der zusammengekniffene Mund seiner Tante zu bedeuten?
Im Geiste forscht er nach, was er wohl falsch gemacht haben kann. Es fällt ihm nichts ein — jedenfalls hat er in letzter Zeit keinen Bock geschossen.
Einen Herzschlag lang steht Sarah's Mund offen, um dann aber gleich wieder zuzuklappen. Sie packt Jake am Arm und schiebt ihn auf das Wohnzimmer zu.
„Komm mit, Jake! Es ist jemand da, den du ... den du kennenlernen musst.“
Die Tante benimmt sich verflucht seltsam, denkt der Junge. Misstrauisch geht er in das kleine, ordentliche Wohnzimmer. Sein Onkel Will mit dem herabhängenden Schnauzbart und der glänzenden Glatze sitzt steif und aufrecht auf seinem bequemen Wohnzimmerstuhl. Es sieht aus, als zwinge ihn jemand mit der Waffe, in dieser Haltung zu verharren. Er blinzelt, als Jake ins Zimmer tritt, und er versucht, sich aus seiner Verkrampfung zu lösen.
„Jake“, sagt er und räuspert sich. „Komm doch mal her! Hier ist jemand, der dich sprechen möchte.“
Und dann erblickt Jake den Mann, der in der anderen Ecke des Zimmers sitzt. Es ist ein großer Mann von dunkler Hautfarbe, mit rauchgrauen Augen, wilden schwarzen Brauen und einem breiten Mund.
Als der Mann aufsteht, scheint das ganze Zimmer zu wachsen.
Mit weicher Stimme beginnt er: „So, du bist also Jake!“
Das ist alles, was er spricht, und er steht dort mit herunterhängenden Armen. Jake weiß nicht, was er entgegnen soll. Deshalb schweigt er.
Jake kann das Ticken der alten Uhr auf dem Kaminsims hören, und noch immer fällt kein Wort.
Von dem Augenblick an, da der Fremde von seinem Stuhl aufstand, weiß Jake unbestimmt, dass irgendetwas nicht in Ordnung ist. Das Bild ist noch nicht vollständig. Irgendwie hat er das Gefühl, als fehle noch etwas. Aber er weiß nicht, worum es sich handelt, bis er den Patronengurt sieht, der im Flur hängt. Da weiß er Bescheid. Dieser Mann trägt eine Waffe.
In Tante Sarah's Haus trägt er sie nicht, das ist richtig. Aber man kann sehen, dass er sich nicht wohlfühlt ohne das schwere Gewicht des Colts an seiner Hüfte. Das wirkt so sehr überzeugend, wie etwa ein Mann, der ohne Hemd zur Kirche geht.
Schließlich meint der Fremde: „Miss Sarah, wollen Sie diesem Jungen nicht sagen, wer ich bin?“
Sarah's Gesicht ist grauer, als Jake es je gesehen hat, und ihre Lippen hat sie zusammengepresst.
Nun räuspert sich Onkel Will, der sich unbehaglich fühlt: „Jake“, sagt er. „Er ist dein Vater.“
Das ist so wenig sinnvoll, dass Jake denkt, sein Onkel scherze. Allerdings scherzt Onkel Will nie. Dieser grauäugige Fremde soll sein Vater sein?
Mit gleichbleibend ruhiger Stimme fragt der Fremde: „Hast du dazu nichts zu sagen, Jake?“
Der Junge räuspert sich. Nie zuvor ist er in einer solchen Lage gewesen. Er fürchtet sich. Er meint, der Fremde könne seiner spotten. Überraschend laut äußert er endlich: „Ich schätze, Sie sind an die falsche Adresse gekommen, Mister. Mein Vater ist tot.“
Der Blick des Fremden trübt sich, als er Sarah ansieht.
„Haben Sie ihm erzählt, ich wäre tot, Miss Sarah?“
Jake's Tante blickt ihren Ehemann an.
„Nein, das habe ich nicht getan“, keucht sie.
„Komisch, wie? Ich frage mich, woher er wohl die Idee hat.“
„Ich habe Jake gesagt, Sie wären ... wahrscheinlich tot“, erklärt Tante Sarah mit strenger Miene. „Was soll man schließlich glauben ... nach zwölf Jahren?“
Einen Augenblick lang ist der Fremde sehr ruhig. Dann durchquert er mit vier großen Schritten das Zimmer und richtet sich vor Jake auf.
„Mein Name ist Sam Mahone. Vor fünfzehn Jahren etwa verband ich mich mit dem schönsten Mädchen in Südwest-Texas. Es war die jüngere Schwester deiner Tante Sarah — es hieß Nancy Burton, bevor es mich ... heiratete. Nancy war deine Mutter, Jake. Und ich bin dein Vater. Möchtest du mir die Hand reichen?“
Jake kann seinen Blick nicht vom Gesicht des Fremden wenden. Er entgegnet: „Sie nehmen mich doch nicht etwa auf die Schippe, Mister?“
„Frage deinen Onkel, Jake! Frage deine Tante!“
„Ich habe Sie nie zuvor gesehen. Wie können Sie denn mein Vater sein?“
Jake richtet den Blick auf seine Tante, und er weiß, dass es wahr ist. Er fühlt sich ein wenig unbehaglich, und er weiß nicht, was er tun soll.
Der Fremde streckt seine starke, aber schlanke Hand aus, und Jake starrt sie mehrere Sekunden lang an. Dann ergreift er sie.