Читать книгу Pulverdampf aus der Revolvermündung: Super Western Bibliothek 15 Romane und eine Kurzgeschichte - Pete Hackett - Страница 11

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Vor drei Tagen hatten sie den Teton River durchfurtet. Sie wussten nicht, wie viele Tagesmärsche noch vor ihnen lagen. Auch die einfachen Soldaten hatten keine Ahnung. White Feather hatte längst festgestellt, dass es sich um einfältige Burschen handelte, tumbe Befehlsempfänger allesamt.

Nur die Offiziere schienen Bescheid zu wissen. Offenbar war es so üblich. Die unteren Ränge erfuhren nur das, was sie zum Ausführen der Befehle unbedingt wissen mussten.

An diesem Abend, noch während der Dämmerung wurde das Nachtlager am Ufer eines Creeks aufgeschlagen, einer willkommenen Tränke für die Pferde.

Die uniformierten Kutscher fuhren die Planwagen zu einem Kreis zusammen, ähnlich jenen Wagenburgen, mit denen sich die ersten weißen Siedler beim Vordringen ins Indianerland geschützt hatten.

Doch hier, auf dem Transport der Nez Perces, diente das Innere des Kreises als Aufenthaltsbereich für die Gefangenen. Schwerbewaffnete Doppelposten sorgten dafür, dass die alten Leute und die jüngeren Frauen auch hier keinen Kontakt zueinander aufnehmen konnten.

Wer ohne ausdrückliche Erlaubnis außerhalb der Wagen auftauchte, musste damit rechnen, auf der Stelle erschossen zu werden.

White Feather hatte für das alles nur die eine Erklärung: Die Bleichgesichter hatten selbst vor Greisen, Frauen und Kindern noch Angst.

Rings um die Wagenburg schlugen die einfachen Soldaten ihre kleinen Zweimannzelte auf. Einige von ihnen waren wie üblich dafür abkommandiert, die drei größeren Offizierszelte zu errichten.

Der Kommandant des Transports, First Lieutenant James Nicholas, war ein hagerer, düster aussehender Mann mit dichtem schwarzen Vollbart. Die Hände auf den Rücken gelegt, stolzierte er durch das Lager und nutzte das versiegende Tageslicht zur üblichen Inspektion. Mit hoch erhobenem Kopf machte er zudem noch einen überaus blasierten Eindruck.

Zwei Leibwächter folgten ihm mit respektvollem Abstand, einfache Soldaten, die er selbst zu seinem persönlichen Schutz abkommandiert hatte.

Weitere Soldaten waren damit beschäftigt, Holzpflöcke in die Erde zu schlagen und Seile zu spannen. Auf diese Weise entstanden Gassen für die Kontrollgänge der Wachen. Gleichzeitig wurden die Nez Perces in drei Gruppen eingeteilt: alte Frauen und Männer, Frauen mit Kindern und Frauen ohne Kinder.

First Lieutenant Nicholas beobachtete das Geschehen weder interessiert noch wohlwollend. An seiner Miene ließ sich einfach keine Regung ablesen. Alles was sich um ihn herum abspielte, schien für ihn die größte Selbstverständlichkeit zu sein. Dennoch konnte er innerlich nicht völlig unbeteiligt sein. Was geschah, musste zumindest eine gewisse Bedeutung für ihn haben.

White Feather konnte sich einfach nicht vorstellen, dass einen Mann von Rang das Schicksal wehrloser und geschundener Menschen völlig kalt ließ.

Außerhalb des Forts hatte er überdies die seltene Gelegenheit, als ranghöchster Offizier zu glänzen. Das nutzte er weidlich aus. So beanspruchte er eines der drei Offizierszelte ganz für sich allein.

Unter den Soldaten wurde gemunkelt, dass Nicholas dort im Zelt jede Nacht seinen Harem beherbergte.

White Feather und ihre Leidensgefährtinnen wussten, dass dieses Gerächt der Wahrheit entsprach.

First Lieutenant Nicholas ließ sich nicht dazu herab, eine Frau zu vergewaltigen. Dazu war er einfach zu vornehm und zu fein. Nein, in seiner Sprache, und erst recht in seinem dienstlichen Jargon klang das so trocken und nüchtern, als würde es sich um eine Passage aus einem Gesetzestext des Großen Häuptlings in Washington handeln.

Weibliche Gefangene werden täglich nach Einbruch der Dunkelheit zu persönlichen Ordonnanzdiensten für den Transportkommandanten abgestellt. Die erforderliche Auswahl erfolgt durch den Kommandanten selbst.

»Er hat ein Problem«, sagte Little Bird, eine dralle und glutäugige Schönheit. »Im Grunde ist er ein armes Schwein.«

»Ja?«, erwiderte White Feather mit mäßigem Interesse. »Wirklich?« Sie hatte das Glück gehabt, noch nicht als »Ordonnanz« für den finsteren Hochmütigen ausgewählt worden zu sein. Little Bird dagegen hatte bereits zwei Nächte im Kommandantenzelt verbracht. Dafür hatte sie sich sogar freiwillig gemeldet.

Kleiner Vogel hatte schon in normalen Zeiten als allzu freizügig und frivol gegolten. Deshalb hatte sie auch von keinem der Krieger im heiratsfähigen Alter ein Eheversprechen erhalten. Stattdessen hatte sie sich älteren verwitweten Männern in den Tipis hingegeben, und sie hatte minderjährige Jungen verführt.

Die beiden jungen Frauen saßen auf einer Proviantkiste, mit dem Rücken an die Speichen eines Wagenrades gelehnt. Wie die anderen, die in Gruppen beieinander hockten, drehten sie sich von Zeit zu Zeit verstohlen um und sahen, wie die Soldaten die Pferde für die Nacht versorgten und auf einem Platz am Ufer des Creeks Feuerholz aufschichteten.

Dort würde es in der Dunkelheit wieder hoch hergehen. Whisky würde in Strömen fließen, raues Gelächter würde zur Wagenburg herüberwehen, und immer wenn es die betrunkenen Kerle danach gelüstete, würden sie sich gewaltsam eine Frau holen und über sie herfallen.

»Ja, er hat wirklich ein Problem«, rief Little Bird sich in Erinnerung. Sie wedelte mit der Hand vor White Feathers geistesabwesenden Augen.

White Feather kehrte in die Gegenwart zurück.

»Hat er dir anvertraut, was ihn bedrückt?«, erkundigte sie sich. »Sieht er deswegen so unnahbar aus, weil er dieses Problem hat?«

»Kann schon sein«, antwortete Little Bird. »Willst du wissen, was es ist?«

»Ja.« White Feather unterdrückte ein Gähnen. Seit dem Tod von Bold Eagle war ihr Interesse an den Dingen erloschen. Es gab nur noch wenig, was für sie wichtig war. Wieder bei ihren Eltern sein zu dürfen, ja, das zählte schon. Auch wenn es im Reservat sein würde, so würde sie doch wenigstens ihrem Vater und ihrer Mutter helfen können, den Winter zu überstehen.

Zurzeit konnten sie nur gelegentliche Blicke oder ein Winken austauschen. Dabei hätte White Feather sich so sehnlich gewünscht, dass ihre Eltern sie in ihrer Trauer um Bold Eagle trösteten.

»Er hat einen kleinen Schwanz«, sagte Little Bird.

»Was?« White Feather schrak auf. »Wer?«

»Na, der da.« Little Bird deutete mit einer Kopfbewegung auf den First Lieutenant.

»Und es macht ihm zu schaffen?«

»Und wie!« Little Bird machte ein fachmännisches Gesicht. »Deshalb braucht er jede Nacht drei von uns. Damit will er sich irgendwas beweisen. Vielleicht, dass er besser ist als einer mit einem dicken Knüppel. Und natürlich dürfen wir nicht über sein bleiches Dingelchen lachen. Denk daran, wenn er dich aussuchen sollte. Mach dich bloß nicht über ihn lustig.«

White Feather spürte, wie ihr eine Gänsehaut den Rücken herauf kroch. Aus den Augenwinkeln heraus sah sie, dass das Lagerfeuer brannte. Das Tageslicht schwand, es würde bald völlig dunkel sein. Vom Feuer brachen die ersten Soldaten auf, zu den Wagen hin, die Oberkörper noch nackt von der Arbeit mit den Pferden und dem Feuerholz.

Diese Kerle wollten die Ersten sein, konnten es nicht abwarten.

White Feather wandte sich wieder ihrer Freundin zu.

»An mir wird er keine Freude haben«, sagte sie energisch.

Little Bird schüttelte mitleidig den Kopf. »Du wirst ihn nicht daran hindern können. Er nimmt sich, was er haben will.« Sie deutete auf eine der jungen Frauen, die nur wenige Schritte von ihnen entfernt stand. »Dark Cloud hat’s versucht. Sie wollte sich nicht ausziehen, und die Beine breit machen wollte sie schon gar nicht. Da ließ er sie ausziehen und festbinden, die Beine weit auseinander.«

White Feather wollte etwas erwidern, doch plötzlich entstand Tumult im Lager der gefangenen Nez Perces.

Pulverdampf aus der Revolvermündung: Super Western Bibliothek 15 Romane und eine Kurzgeschichte

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