Читать книгу Pulverdampf aus der Revolvermündung: Super Western Bibliothek 15 Romane und eine Kurzgeschichte - Pete Hackett - Страница 23
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ОглавлениеFast eine Stunde mussten Frank und White Feather im Dienstzimmer des Regimentskommandeurs warten. Ein Posten, der sie vom Tor her begleitet hatte, stand die ganze Zeit neben ihnen und bewachte die Tür.
Als wären sie Gefangene, bei denen man mit einem Fluchtversuch rechnen musste!
Frank konnte nur innerlich den Kopf schütteln. Doch ebenso wenig vermochte er zu ahnen, was in den nächsten Minuten auf ihn zukommen würde.
Polternde Schritte und knarrende Fußbodendielen kündigten das Herannahen eines schwergewichtigen Mannes an.
Frank und seine Gefährtin sahen sich an. Er las die Angst in ihren Augen, und so versuchte er, ihr mit seinem Blick Zuversicht zu geben. Es gelang. Sie vertraute ihm, sie wusste, dass er alles geben würde. Wenn es sein musste, würde er sein Leben für sie in die Waagschale werfen.
Er hatte es bereits einmal getan, als er ins Camp der Transportbegleiter geritten war.
Die Tür zu einem Nebenzimmer schwang auf. Der Posten knallte die Hacken zusammen und salutierte.
»Aufstehen!«, zischte er den Besuchern zu. »Verdammt noch mal, steht gefälligst auf. Oder wollt ihr wegen Missachtung der Befehlsgewalt festgenommen werden?«
Frank glaubte nicht, was er hörte. Aber weil er von dieser sogenannten Befehlsgewalt schließlich etwas wollte, befolgte er die Aufforderung, und White Feather tat es ihm nach.
Der Regimentskommandeur hatte ein stark gerötetes Gesicht. Entweder hatte er zu viel getrunken, oder eine große Anstrengung lag hinter ihm. Seine kleinen Schweinsaugen ruhten hinter den Hautwülsten seiner Wangenknochen. Er war ein wohlgenährter und dabei dennoch kräftiger Mann.
Traditionsgemäß stand ein Namensschild aus poliertem Holz an der dem Besucher zugewandten Seite des Schreibtisches, das Schild wies ihn aus als Colonel Wilbur B. O’Hegarty.
Er streifte Frank mit einem flüchtigen Blick, um dann nur noch White Feather anzustarren. Der Schreibtischstuhl ächzte unter dem Gewicht des Colonels, als er sich setzte.
»Stehen Sie bequem«, ordnete er an. Seine Stimme klang kratzend und dunkel. Die beiden oberen Knöpfe seiner Uniformjacke waren offen, und unübersehbare Bartstoppeln schimmerten rotblond wie sein Haupthaar.
Der Alkohol, so folgerte Frank für sich, musste für O’Hegarty in der vergangenen Nacht eine bedeutende Rolle gespielt haben.
Der Posten führte die Anweisung aus, indem er einen trampelnden Seitschritt machte und die Grußhand zackig fallen ließ.
Frank Harrison und White Feather blieben stehen, ohne ihre Haltung zu verändern.
»Sir«, begann Frank, »ich möchte ...«
»Sie reden nur, wenn Sie gefragt werden!«, schnitt ihm der Posten schnaubend das Wort ab.
Colonel O’Hegarty beachtete weder den einen noch den anderen. Voller Wohlgefallen musterte er unablässig Indianerin. Sein Blick klebte auf der Stelle, an der ihr Kleid eingerissen und notdürftig geflickt war. Er stierte auf die jugendlich straffe Bronzehaut ihrer Beine, wo sie unterhalb des Kleidsaums sichtbar waren.
Und wenn sein Blick an ihr auf und ab wanderte, war ihm anzusehen, dass er sie in Gedanken auszog.
»Wie heißen Sie, schönes Kind?«, fragte er schwärmerisch.
White Feather hob stolz das Kinn.
»Ich rede nicht mit Ihnen«, antwortete sie kalt. »Ich rede erst dann mit Ihnen, wenn mein Begleiter, Mr. Harrison, geredet hat.«
Demonstrativ presste sie die Lippen aufeinander und begegnete dem anzüglichen Starren des Colonels mit einem Blick voller Eiseskälte und Unerschrockenheit.
O’Hegarty blieb die Spucke weg. Er schnappte nach Luft, indem er den Mund öffnete und schloss wie ein Fisch auf dem Trockenen.
Auch der Posten war verwirrt. In seinen Dienstvorschriften war kein Fall dieser Art vorgesehen. Deshalb fand er keine Worte, keinen schneidenden Verweis an die respektlosen Zivilisten. Wovon einer eine Frau und noch dazu eine Rothaut war. Eine Ungeheuerlichkeit, aus militärischer Sichtweise.
Frank hätte am liebsten gegrinst, aber dazu war die Lage wohl zu ernst.
»Harrison?«, knurrte der Colonel, ohne ihn anzusehen. »Harrison - was?«
»Frank Harrison«, antwortete der hochgewachsene Mann. »Ich arbeite auf der Filmore-Ranch, Sir. Ich war auf der Suche nach versprengten Rindern, als ich meine Begleiterin - White Feather - fand.«
»Einfach so?«
»Sie war auf der Flucht, Sir.«
»Vor wem?«
»Vor First Lieutenant Nicholas und seinen Männern.«
O’Hegartys Miene verdunkelte sich.
»Dann hat sie kein Recht hier zu sein. Und Ihre Pflicht, Mr. Harrison, wäre es gewesen, sie sofort zurück zum Transport zu bringen.«
»Ich bin kein Soldat, Sir«, antwortete Frank und bemühte sich, so höflich wie möglich zu bleiben.
»Allerdings nicht«, entgegnete der Colonel und grinste breit. »Haben Sie die Kleine wenigstens ordentlich herangenommen? Ich meine, Sie haben sie doch hoffentlich ordentlich durchgefickt. Wenn Sie die Indianerinnen kennen, werden Sie wissen, dass sie mindestens dreimal so geil sind wie unsere Frauen.«
Auch während er sprach, ließ O’Hegarty den Blick nicht von White Feather. Er gierte förmlich nach ihrer Reaktion auf seine Unverschämtheit.
Doch ihre Gesicht blieb starr wie eine Maske. Und sie hielt sich an ihren Schwur, nicht mit ihm zu reden, bevor Frank gesprochen hatte.
Dieser war fassungslos. Fast vergaß er alles, was er sich vorgenommen hatte, und er wäre dem Kotzbrocken hinter dem Schreibtisch am liebsten an die Kehle gegangen. Doch gerade noch rechtzeitig besann er sich darauf, dass er in den Augen der Militärs wohl nichts weiter war als ein lästiger Bittsteller.
»White Feather hatte Angst um ihr Leben«, sagte er und strengte sich an, wenigstens äußerlich ruhig zu bleiben.
»Ach, ja?« O’Hegarty versuchte die Aufmerksamkeit der Indianerin zu erwecken, indem er ihr zuzwinkerte.
Frank hielt den Zeitpunkt für gekommen, seinen vorbereiteten Text an den Mann zu bringen. Er räusperte sich und sprach mit fester, energischer Stimme.
»Sir, ich möchte Sie auf ein Verbrechen hinweisen, das am Volk der Nez Perces verübt wird. Es handelt sich um einen Transport ins südliche Reservat, der von einer Einheit Ihres Regiments begleitet wird. Unter dem Kommando von First Lieutenant Nicholas werden Frauen vergewaltigt, alte Menschen gequält und Kinder ...«
»Festnehmen, den Mann!«, fuhr O’Hegarty dazwischen. »Ab in den Arrest mit ihm.«
Frank glaubte, seinen Ohren nicht zu trauen.
Bevor er sich von seiner Überraschung erholen konnte, hatte der Posten neben ihm den Karabiner im Hüftanschlag und zielte auf seinen Brustkorb.
Frank sah das Entsetzen auch in White Feathers Gesicht.
Der Colonel griff nach einer Handglocke auf seinem Schreibtisch und schwenkte sie kraftvoll. Der helle, metallene Klang sang sich durch die Holzwände des Stabsgebäudes.
In der nächsten Sekunde polterten Stiefelschritte in den Korridoren, und der Posten wich zurück, um den Weg freizugeben.
»Hände hoch!«, befahl er, ohne den Karabiner aus der Schussrichtung zu nehmen. »Und keine Dummheiten!«
Frank gehorchte.
Der Schock saß ihm in den Knochen, und instinktiv wusste er, dass er diesmal nichts hatte, womit er Überlegenheit ausspielen konnte.
Beide Türen flogen auf, und insgesamt fünf Soldaten stürmten herein. Ihre schussbereiten Army-Revolver ließen keinen Zweifel daran, dass eine falsche Bewegung genügen würde, um die Hölle losbrechen zu lassen.
»Der Kuhtreiber steht unter Arrest«, wiederholte O’Hegarty seinen Befehl. »Sofort abführen. Zwei Mann bleiben hier und bewachen die Indianerin.«
Er hatte noch nicht zu Ende gesprochen, als White Feather einen empörten Schrei ausstieß und sich auf ihn werfen wollte.
Doch sie kam nicht einmal bis zum Schreibtisch. Die Soldaten packten sie und hielten sie mühelos fest.
Während die anderen Uniformierten ihn entwaffneten und hinaustrieben, sah er noch, wie White Feather sich wehrte. Sie trat, kratzte und biss, doch die Männer lachten nur. Auch der Colonel lachte. Es schien ihm großes Vergnügen zu bereiten, seine temperamentvolle Gefangene zu beobachten.
Frank drehte sich der Magen um. Schmerz durchwühlte seinen Leib, und er empfand ohnmächtigen Zorn. Wie, in aller Welt, hatte er glauben können, in diesem verdammten Fort für sein Anliegen Gehör zu finden?