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Schon von Weitem sahen sie die Menschenmenge am Ende der Mainstreet - dort, wo sich das State Capitol, die Verwaltungsgebäude und auch der Bahnhof der Northern Pacific Railroad befanden.

Fahnen waren gehisst worden, und sogar einige Girlanden hatte man gespannt.

Die Stadt war wie ausgestorben; das gesamte Leben konzentrierte sich auf die Stelle, wo zweifellos der Präsident der Vereinigten Staaten zu sehen und zu hören war. Ein Ereignis, von dem die Menschen, die es miterlebten, noch ihren Enkeln und Urenkeln erzählen würden.

Frank leinte Hobo am Haltebalken eines Saloons an, der so leer war wie alle anderen Stätten des Vergnügens. Das Einzige, was zu dieser Stunde zählte, war der Besuch des Präsidenten.

Präsident Hayes nutzte die Vorteile der Eisenbahn. Sie brachte ihn schnell von einem Ort zum anderen, und sie ermöglichte es ihm als erstem Inhaber seines Amtes, an die Westküste zu reisen, ohne für dieses Vorhaben zu einer mehrmonatigen abenteuerlichen Expedition aufbrechen zu müssen.

In dem roten, knöchellangen Seidenkleid war White Feather atemberaubend schön.

Frank hatte damit gerechnet, dass sie Aufmerksamkeit erregen würde, sobald sie in der Stadt eingetroffen waren. Doch das würde nun wohl erst geschehen, wenn sie die Menschenmenge erreichten, sich einen Weg bahnten und die Sicherheitskräfte um ein Gespräch mit dem Präsidenten baten.

Frank und seine Gefährtin benutzten den Gehsteig auf der Schattenseite der Straße. Zügig schritten sie auf die Schar der Menschen zu. Gut zweihundert Yards hatten sie noch zurückzulegen.

»Hoffentlich werden wir nicht abgewiesen«, sagte White Feather.

»Ganz bestimmt nicht«, erwiderte Frank zuversichtlich. »Präsident Hayes ist ein Politiker, der die Menschen ernst nimmt.«

»Vielleicht ist es besser, wenn du allein gehst«, erklärte White Feather zweifelnd. »Ich meine, ich habe ja eigentlich gar kein Recht, hier zu sein.«

»Unsinn«, antwortete Frank überzeugt. »Du wirst meinen Worten sogar besonderes Gewicht verleihen. Außerdem bist du meine Zeugin für all die ungeheuerlichen Vorfälle, die ich dem Präsidenten beschreiben werde.«

White Feather antwortete nicht.

Frank war von Eile getrieben. Er musste unbedingt an Ort und Stelle sein, bevor der Präsident wieder in die Bahn stieg und weiterfuhr.

Plötzlich stutzte Frank.

Das feurige Rot fehlte am Rand seines Blickfelds.

Er blieb stehen, drehte sich um. Vielleicht hatte White Feather mit seinem Tempo nicht mithalten können.

Schreck fuhr ihm in die Knochen wie ein Huftritt.

Sie war verschwunden.

Frank lief zurück, zog den Kavallerie-Revolver.

»White Feather!«, rief er. »Wo bist du?«

Nur drei Schritte waren erforderlich, und er hatte die Antwort.

Eine schmale Seitenstraße öffnete sich, und das Rot sprang ihm förmlich ins Auge.

White Feather stand zwanzig Yards entfernt.

Doch sie stand nicht freiwillig dort.

Craigh, der Fuchs war es, der sie festhielt.

Mit der linken Hand presste er ihr den Mund zu. So musste er sie auch von Franks Seite weggerissen haben, ohne dass sie noch einen Laut von sich geben konnte.

Mit der Rechten hielt Craigh den Revolver, presste ihr die Mündung an die Schläfe.

Frank schämte sich für Seinesgleichen. Die Bleichgesichter galten bei den Indianern als feige und hinterhältig. Dies hier, in einer Seitenstraße von Helena, war ein erneuter Beweis dafür.

Craighs verzerrtes Gesicht war neben White Feathers schwarzem Haar zu sehen.

»Die Waffe weg!«, schrie er. »Oder sie stirbt auf der Stelle!«

Frank verharrte. Seine Gedanken jagten sich. Und er konnte den Blick nicht von White Feathers Augen wenden - der Todesangst in ihren Augen, aber auch der Mitteilung darin, die sie ihm zu machen suchte.

Wo war Ryan Pratt?

Kaum durchzuckte diese Frage Franks Kopf, begriff er, was White Feather ihm zu sagen versuchte.

Ihr Blick wanderte von ihm weg, an irgendeinen Punkt zu seiner Linken, kehrte zurück und wanderte wieder dorthin, flackernd und in wachsender Panik.

Frank spürte einen Impuls im Nacken, etwas, das er nicht in Worte fassen konnte.

Er reagierte blitzartig. Wirbelte herum. Warf sich zur Seite. Und feuerte im Fallen.

Sengend raste eine Kugel über ihn hinweg.

Das Krachen der Schüsse vereinte sich.

Dreimal hintereinander zog Frank durch.

Dann kippte die Gestalt aus einem Durchgang zwischen zwei Häusern - schwer und vierschrötig.

Mit dem Gesicht zuerst schlug Pratt auf den Gehsteig.

Frank rollte sich weg. Er wusste, dass er keine Zeit zum Aufspringen hatte.

Und prompt hieben die Kugeln exakt dort in den Straßenstaub, wo er eben noch gelegen hatte.

Nach einer Körperdrehung sah er, was geschehen war.

Wutentbrannt hatte Craigh die Indianerin weggestoßen; sie war gestürzt, kroch von dem Kerl weg.

Er hob den Colt erneut.

Frank hatte die Beine angezogen.

Einen winzigen Moment bevor Craigh feuerte, stieß er sich ab, schnellte aus der Schussbahn, schlug eine Rolle auf dem Boden, von einer weiteren Kugel verfolgt.

Im Hochfedern feuerte er zurück.

Und leerte die Trommel.

Craigh zuckte unter den Einschlägen.

Langsam, unendlich langsam, sank er in sich zusammen. Er war tot, noch bevor er zu Boden schlug.

Frank verlor keine Zeit. Er half White Feather auf die Beine, und sie rannten los. Im Laufen lud Frank den Revolver nach. Doch sie stoppten ihre Schritte schon nach ein paar Yards.

Die Menschenmenge löste sich auf. Gleich darauf war eine Tribüne zu sehen.

Leer.

Vom Bahnhof ertönte die Dampfpfeife einer Lokomotive.

Pulverdampf aus der Revolvermündung: Super Western Bibliothek 15 Romane und eine Kurzgeschichte

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