Читать книгу Pulverdampf aus der Revolvermündung: Super Western Bibliothek 15 Romane und eine Kurzgeschichte - Pete Hackett - Страница 38
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ОглавлениеWillow’s Bend unterschied sich kaum von zahlreichen anderen Städten des Westens. Die imposantesten Gebäude waren das Hotel, der Saloon und ein tiefrot gestrichener dreistöckiger Bau, den man anhand der leicht geschürzten Girls auf den Balkonen als jenes Etablissement erkannte, in dem sich liebeshungrige Männer entspannen konnten.
Als Jim Hogan in Willow’s Bend eintraf, hatte er sich eigentlich nur nach einem heißen Bad, einer kräftigen Mahlzeit und einem weichen Bett gesehnt. Doch als er dann in einem Zuber mit heißer Seifenlauge planschte und sich den Staub und den Schweiß aus den Poren schrubbte, wurde er sich seiner Erregung bewusst. Er lehnte sich zurück und stellte sich vor, wie die Girls auf den Balkonen ohne ihre Kleider aussehen mochten.
»Sie haben wohl auch die Ladys gesehen, was, Mister?«, dröhnte eine Stimme, unterbrochen von Schnauben und Prusten.
Hogan hob ein Augenlid. Undeutlich erkannte er den Sprecher in einer Ecke der von Dampfschwaden erfüllten düsteren Badestube.
»Sieht man mir das an?«
»Wenn Sie aufstehen würden, bestimmt. Hier gibt es wirklich tolle Weiber. Wenn die mal ein Tanzfest in Willow’s Bend veranstalten, sind neun von zehn Weibsbildern garantiert Huren. Sie sollten dann mal die Kerle sehen, die wie gestriegelte Gockel um die Hühner ’rumtanzen. Ccchhhhh!« Das Kichern des Gesprächspartners klang, als würde man mit einer Radspore über ein Waschbrett kratzen.
Hogan tauchte unter und rieb sich gleich darauf die Seifenlauge aus dem Gesicht. Er streckte die Beine über den Rand des Zubers und räkelte seine müden Glieder in der Lauge. Die Mädchen gingen ihm nicht mehr aus dem Sinn. Seine geschwollene Manneszierde ermahnte ihn, sich nach dem Bad doch auch etwas Entspannung zu gönnen.
»Wäre verteufelt gut, wenn uns ein paar dieser Wildkatzen Gesellschaft leisten könnten«, ließ sich der andere Badegast wieder vernehmen. »So ein nacktes Engelchen könnte mir den Rücken schrubben. Und auch noch was anderes ... Ccchhhhh!«
»Sie werden es abwarten können, mein Freund«, murmelte Hogan.
»Freund hat mich noch kaum jemand genannt«, dröhnte der Bursche. »Hab zu wenige davon. Will ja auch keiner mit Bantam Ripley befreundet sein. Na, wer es trotzdem mit mir wagen will, soll mir willkommen sein. Und wer es nicht will, kriegt so eins auf die Nase, dass er durch seine Nüstern den Dixie pfeifen kann ... Ccchhh!«
Hogan ging auf Tauchstation. Er hatte keine Lust, sich auf endlose Diskussionen einzulassen. Hoffentlich vergisst er, dass ich ihn als Freund bezeichnet habe …
Als er hochkam, schaute er verstohlen zu seiner Zufallsbekanntschaft hinüber und riss verblüfft die Augen auf, als er die Umrisse einer riesigen Gestalt sah.
Das gibt’s nicht!, ging es ihm durch den Kopf. Solch ein Ungetüm passt doch niemals in einen Zuber …
Er machte sich so klein wie möglich, als die hünenhafte Gestalt heran stapfte. »Wir sehen uns vielleicht im Puff, mein Freund«, erklang die Reibeisenstimme. »Ganz bestimmt sogar, wenn man deinem kleinen vorwitzigen Freund glauben darf ... Cccchhh!«
Hogan schaute nach unten und sah, dass seine pulsierende und zu voller Größe aufgerichtete Manneszierde aus dem Wasser ragte.
Er hielt es nicht allzu lange allein in der Badestube aus, nachdem der Hüne gegangen war. Hastig kleidete er sich an, verließ den Barbierladen und überquerte die Straße. Er war sich seines Aussehens bewusst. Einige Frauen warfen ihm bewundernde Blicke zu.
Er war muskulös, mit breiten Schultern. Die Strähnen des dichten rotblonden Haares fielen wirr in seine Stirn und den Nacken. Das weinrote Hemd spannte sich um seine Muskeln.
Eine dicke Calico-Jacke verdeckte den patronengespickten Revolvergurt mit dem langläufigen 44er.
Vor dem Lucky Gambler Saloon blieb er stehen und betrachtete das breite, in leuchtendem Rot und Gold prangende Schild über dem Eingang. Er las den Namen des Eigentümers, verzog die Lippen und schob sich durch die Pendeltüren …
... um sofort wieder rückwärts aus dem Schankraum zu taumeln! Ein schmächtiger, nach Whiskey stinkender Bursche war, von einem derben Schwinger getroffen, gegen ihn geprallt.
Hogan hakte gedankenschnell seinen Arm um einen Vorbaubalken, wich zur Seite aus, und der Geprügelte stolperte die Stufen hinab. Er verlor den Boden unter den Füßen und fiel in den Staub.
»Verdammte Brut!«, zischte er und kam hoch. »Ich mach sie fertig. Ziehen einem das Geld aus der Tasche und finden es auch noch lustig. Ich stopfe diesem verfluchten Aasgeier die Dollars in den gierigen Rachen, dass er sich dran verschluckt und sie in lauter harten Cents wieder auskotzt!«
Der Mann stand nicht sehr fest auf den Beinen. Wie ein Schilfrohr im Wind wiegte er sich, stürmte mit gesenktem Kopf los und nahm die drei Vorbaustufen, um direkt in eine geballte Faust zu laufen.
Im Eingang des Saloons war ein vierschrötiger Mann erschienen. Der betrunkene Krakeeler ließ seine Arme wie Windmühlenflügel wirbeln, doch sein Gegner verabreichte ihm ohne große Anstrengung zwei, drei harte Haken.
Und dann ging der Schläger in die Offensive, rammte seinen Fuß in den Leib der Schnapsdrossel und prügelte ihn gnadenlos zusammen.
Der Schläger hatte den Schnabel des Schluckspechtes ziemlich verbogen. Ein Auge war zugeschwollen. Blut tropfte aus mehreren Platzwunden.
Und noch war kein Ende der einseitigen Schlägerei abzusehen.
Hogan gefiel das Spiel nicht. Aber es war nicht sein Kampf.
Noch nicht.
Es dauerte nicht lange, bis der Betrunkene völlig zerschlagen am Boden lag, zu einem Pferdetrog kroch und sich daran emporzog. Er wollte sein glühendes Gesicht kühlen, doch dagegen schien der Prügler etwas zu haben. Mit wenigen Schritten stand er dicht hinter dem ermatteten Gegner und trat zu.
Sein Opfer hatte mehr Glück als Verstand. Im allerletzten Moment wich der Betrunkene aus und der Stiefel rammte gegen den Rand des Troges.
Die Schnapsdrossel reagierte instinktiv, drehte den Fuß herum und brachte den Vierschrötigen aus dem Gleichgewicht. Das bereute er aber gleich darauf, denn nun hatte er sich erst recht den Zorn des Schlägers zugezogen.
Die Hiebe und Tritte prasselten auf ihn nieder. Passanten und Gäste des Saloons waren stehengeblieben und schauten dem ungleichen Kampf zu.
Eine Frau drehte angewidert den Kopf weg, als die Lippe des Mannes unter einem harten Schwinger aufplatzte.
Der Schläger zerrte sein Opfer zum Trog und drückte dessen Kopf ins Wasser. Der Schluckspecht schlug wild mit den Armen um sich, aber, er konnte sich nicht mehr helfen.
»Ich denke, er hat genug, Mister.«
Die Blicke der Zuschauer richteten sich auf Jim Hogan, der die Worte ruhig gesprochen hatte.
Der Schläger stierte Hogan wütend an, schnaubte wie ein wild gewordener Büffel, und machte sich daran, sein Opfer abermals unterzutauchen.
»Ich wiederhole mich ungern, Mister«, sagte Hogan ruhig. »Er hat genug.«
Der Vierschrötige richtete sich langsam auf. »Ich entscheide, wann es ihm reicht«, stieß er brummend hervor. »Halt lieber die Schnauze, Sonny, wenn du am Leben bleiben willst.« Er beugte sich über den prustenden und röchelnden Schluckspecht, der triefend neben dem Trog kauerte. Die mächtigen Hände krümmten sich zu Krallen.
»Lass ihn los! Sofort!«
Hogans Stimme klang laut und scharf. Der Befehl eines Sergeants auf dem Kasernenhof hätte nicht schärfer klingen können.
Der Schläger richtete sich zu voller Größe auf. Seine Hände krochen in die Nähe der Revolvergriffe. »Falls du dich zum Beschützer dieser Ratte aufspielen willst, Sonny, hast du einen verdammt undankbaren Job übernommen. Der Kerl wird nicht alt, und sein Beschützer erst recht nicht!«
Hogan bewegte sich lässig, ohne jede Hast. Er trat zur Seite, bis der vor dem Hitchrack stand, wo drei Pferde angeleint waren.
Als der Schläger zum Angriff überging, wich Hogan mit einer geschmeidigen Drehung zur Seite, packte den Kerl am Kragen und rammte den kantigen Schädel auf den Querbalken des Hitchracks.
Es klang, als hätte man mit einem Schmiedehammer auf den Balken eingedroschen. Der Schläger verdrehte die Augen. Er hieb nach Hogan, traf ihn aber nicht.
Hogan war nämlich hinter ihm, zerrte ihn an seinem Halstuch zum Trog und stieß seinen Schädel ins Wasser.
»Rühr ihn nicht noch mal an, Mister«, zischte er dem Schläger ins Ohr. »Das ist nur ein gut gemeinter Rat. Falls du ihn nicht annimmst, lasse ich dich die Brühe bis auf den letzten Tropfen saufen.«
Hogan half dem Schluckspecht auf die Beine und geleitete ihn zum Eingang des Saloons.
»Mächtig anständig von Ihnen, Mister«, nuschelte der Bursche. »Dafür trinke ich einen auf Ihr Wohl. Sie haben es sich verdient.«
Er hielt inne, tastete Hose und Weste ab und hob in hilfloser Geste die Schultern.
»Der Drink geht auf mich, Partner«, meinte Hogan grinsend.
Das Raunen der Menge und der leise Angstschrei einer Frau warnten Hogan.
Er stieß die Schnapsdrossel zur Seite, sprang nach rechts, kreiselte dabei herum und hatte bereits den Jackenschoß zurückgeschlagen, um den 44er zu ziehen, als …
Das metallische Knacken des Revolverhahns ging im gellenden Schmerzensschrei des Vierschrötigen unter. Er hatte den Colt bereits auf Hogan angelegt, als sein Arm hochgerissen wurde. Hinter ihm stand ein wahrer Hüne von einem Mann.
Eine dicht beharrte Pranke presste die Hand des Schlägers zusammen, bis dieser die Schmerzen nicht mehr ertrug und den Revolver fallen ließ.
»Wenn Bantam Ripley in der Nähe ist, schießt man niemandem in den Rücken, Mister«, dröhnte der Riese. »So machst du dir keine Freunde. Ich geb’ dir gern ein paar Nachhilfestunden in gutem Benehmen und fairem Verhalten, mein Junge. Das würde dir bestimmt gefallen. Bantam Ripley ist ein strenger, aber guter Lehrer ... Ccchhh!«
Der Schläger wankte gegen einen der wartenden Gäule und wollte die Winchester aus einem Scabbard ziehen. Er war zu allem entschlossen.
»Schluss jetzt, Lanky!«
Der Kerl zögerte kurz, schob den Karabiner in den Sattelschuh zurück und drückte sich wie ein geprügelter Hund an seinem Boss vorbei in den Schankraum.
Der Mann, der die Schießerei verhindert hatte, stand im Eingang des Saloons. Er war groß, kräftig, trug einen maßgeschneiderten grauen Anzug, ein rüschenbesetztes weißes Hemd mit goldenen Manschettenknöpfen, ein seidenes Halstuch und einen flachkronigen schwarzen Hut. Zwischen seinen blütenweißen Zähnen steckte eine dünne Zigarre.
Hogan stand auf und ging auf den Saloonbesitzer zu.
»Lange nicht gesehen, Jim«, sagte der Elegante und streckte Hogan die Hand entgegen.
Jim übersah sie. »Du hast deinen Traum verwirklicht, Wade«, entgegnete er. »Aber du hast einen verdammt hohen Preis bezahlt.«
»Ach, lass doch dieses sentimentale Gesülze. Trinken wir lieber einen auf unser Wiedersehen. Du bist selbstverständlich eingeladen.«
»Ich bin es gewöhnt, für meine Drinks zu bezahlen, Wade.«
Er folgte Wade in den Schankraum. An der Pendeltür schaute er zurück und suchte nach Bantam Ripley, doch er war nicht mehr zu sehen.
»Eine Flasche vom Feinsten, Sam!«, bellte Wade, um die Geräusche des Saloons zu übertönen.
Der Schankraum war zum Bersten voll. Das Glücksrad ratterte. Ein Pianist klimperte auf seinem Instrument herum. Begleitet wurde er von einer einsamen Sängerin, deren Geträller niemand lauschte, und einem Fiedler, der seiner Geige wimmernde Töne entlockte.
Schwaden blauen Tabakrauches zogen sich in Kopfhöhe durch den Raum und ließen Hogans Augen tränen.
Einige grell geschminkte Animiergirls betrachteten ihn. Augenscheinlich gefiel ihnen, was sie sahen. Sie flatterten herbei wie Krähen, die sich um eine leckere Beute streiten wollten.
Wade verscheuchte sie mit wilden Handbewegungen. Er drückte Jim ein Glas in die Hand, prostete ihm zu und trank.
Jim betrachtete den goldbraunen Whiskey in seinem Glas. »Er war drauf und dran, den Burschen zu ertränken, Wade«, sagte er vorwurfsvoll. »Du hättest nichts dagegen unternommen.«
»Und du warst kurz davor, ihn zu erschießen«, kam Wades Vorwurf zurück.
»Er hatte das Schießeisen schon in der Hand.«
»Er war dir nicht gewachsen, Jim. Das wäre eiskalter Mord gewesen!«
»Wie würdest du es bezeichnen, einen Mann im Pferdetrog zu ertränken?«
»Ungeziefervernichtung!«, stieß Wade hervor. »Die Ratte liegt mir seit Wochen auf der Tasche. Das Maß ist voll. Aber du hast ja keine Ahnung!«
»O doch.« Jim hob das Glas. »Ich hab dem alten Starbuck nicht glauben wollen, Wade. Aber du hast dich verändert. Dir bedeutet das Leben eines Menschen nichts mehr. Tut mir Leid, aber du bist nicht die Gesellschaft, mit der ich gerne trinke, Bruderherz!«
Jim Hogan ließ den teuren Whiskey auf den Boden rinnen.
Sein langer Trail hatte ihn zu seinem Bruder Wade geführt, der immer so etwas wie ein Vorbild für ihn gewesen war.
Aber konnte er diesen kaltblütigen Mann noch Bruder nennen? Oder hatte er einen Teufel in Menschengestalt vor sich, dem er nur mit glühendem Eisen begegnen durfte?
Jim Hogan fürchtete sich vor der Antwort auf diese Fragen.