Читать книгу Pulverdampf aus der Revolvermündung: Super Western Bibliothek 15 Romane und eine Kurzgeschichte - Pete Hackett - Страница 32

RANCHER–RACHE W.W.SHOLS

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IMPRESSUM

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author/ Titelbild: Klaus Dill

Redaktion und Korrektorat: Alfred Wallon

© dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

Nur weil er angeblich eine Flasche Whisky gestohlen hat, wollen einige wütende Cowboys den jungen Benny Holden aufhängen. Zum Glück kann das der Kleinrancher Bob Sloan in letzter Sekunde verhindern. Er beschließt, sich um den verwahrlosten Jungen zu kümmern – auch wenn das einigen Leuten aus der Stadt Thatcher nicht gefällt. Und natürlich erst recht nicht den Cowboys der Kendall-Ranch, die Benny noch weiterer Verbrechen bezichtigen. Aber Sloan glaubt nach wie vor an Bennys Unschuld und nimmt sich vor, die wahren Schuldigen zu finden. Dabei gerät er allerdings selbst in große Gefahr. Zuerst wird seine Ranch ein Opfer der Flammen, und dann hat man es auf ihn persönlich abgesehen. Die Luft wird verdammt bleihaltig – aber Sloan gibt trotzdem nicht auf!

Sie werden ihn aufhängen! denkt Bob Sloan verzweifelt. Sie werden ihn aufhängen, sobald Al Turner den Strick fertig hat, wenn der Knoten geknüpft ist.

Bob Sloans Kopf liegt in einer Felsmulde. Er schiebt ihn noch weiter vor. Dadurch sieht er nicht besser und nicht schlechter. Die einsame Gruppe bleibt nackte Wirklichkeit. Vier Männer, vier Pferde.

Plötzlich ist ein Fingernagel abgebrochen. Die Hand hat versucht, einen kleinen Stein zu zermalmen.

Der Stein ist stärker.

Manches ist stärker als der Mensch in Colorado.

Unter Bobs Kinn fällt der Hang steil ab. Heiß und steinig. Im Grund wächst trockenes Gras und Salbei. Hundertfünfzig Yards entfernt stehen die ersten Cottonwood-Trees. Schon der erste ist gut für einen Strick. Und stark genug, Ben Holdens Gewicht zu halten.

Benny ist ein leichter Junge. Jung und geschmeidig. Aber das weiß Bob Sloan nicht. Sloan sieht nur die Silhouetten gegen das Licht der untergehenden Sonne im Westen.

Ein Bild, das das Herz hochjagt und unter den Schlund drückt.

Seine Augen kommen nicht davon los. Sloan hat seinen Kopf zurückgezogen und ist aufgestanden. Er geht zu seinem Pferd. Der Braune erwartet ihn mit erhobenem Kopf. Zwischen den Augen glänzt ein weißer Stern.

„ Well, King, Irrtum! Hier gibt’s nichts für uns zu tun. Wir haben nichts damit zu tun, verstehst du? Wir werden reiten."

Bob Sloan steigt in den Sattel. Das Leder knarrt. Eine Sekunde wartet er. Er weiß selbst nicht, auf was. Dann rollt er die Zunge, um King das Zeichen zu geben.

Bevor King es hören kann, kommt der Schrei aus dem Tal.

„ Tut es nichtI Ich flehe euch an! Tut es nicht! Ich war... Ihr irrt euch. Ihr irrt euch, Gents! Tut es nicht!"

Sloans Rücken ist gerade geworden. Er sitzt im Sattel. Er kann sie sehen.

„ Tut es nicht!"

Ein Stiefel war leicht in Kings Flanke. Der Braune streckt sich, geht dreißig Yards wie auf einem geraden Strich und stemmt sich auf der Hinterhand herum, wo der Creek einen Hohlweg gewaschen hat, als er noch Wasser führte.

King prescht ins Tal und jagt auf die Bäume zu.

Sie hören ihn.

Al Turner lässt die Hand sinken, die die Schlinge hält. Er dreht sich um und zieht die Augenbrauen herunter.

„ Damn . .. dieser Zuwanderer!"

„ Lasst den Colt sitzen!“, sagt Fred Henderson. „Er ist allein. Der kann uns nichts.“

„ Ich werde ihn dazuhängen", zischt Turner. „Dafür gibt der Boss ein Monatsgeld."

„ Du wirst gar nichts“, sagt Ron Lighton. „Gar nichts wirst du! Täusch dich nicht im Boss! Der wird dir was anderes erzählen, wenn du ihm Schwierigkeiten machst.“

„ Der Kerl ist allein."

„ Umso besser! Wir werden ihm sagen, wo's nach Kansas langgeht."

Dann ist Sloan heran. King kommt in einer Staubwolke zum Stehen.

„ Hier rief jemand um Hilfe, Gents. Wenn ich was für Sie tun kann …?"

„ Sie könnten nach Kansas reiten, Sloan", sagt Turner hohl. Genau! Seine Stimme klingt leer, als ob er in einem Baumstamm spricht, von dem nur noch die Rinde steht. Den die Ameisen aufgefressen haben. Der keine Seele mehr hat.

„ Mir war's nicht so, als ob der Ruf aus Kansas käme. Mir war, als ob es um einen Irrtum ..."

Sloan unterbricht sich selbst.

Das hat er gelernt. Wenn ihn andere unterbrechen, sind die anderen auch im Vorteil. Wenn er sich selbst unterbricht...

Al Turner glotzt auf den schimmernden grauen Stahl.

Die Sonne steht tief im Westen und ist glutrot. Sloans 45er ist wie ein Spiegel. Das Licht sticht Al Turner in die Augen. Er zieht sie zusammen. Er blinzelt...

Henderson hat die Arme schon angewinkelt. Die Hände wandern langsam nach oben. Er ist alt genug und weiß, dass es in dieser Lage keine andere Wahl gibt.

Ron Lighton denkt, der ist ein Satan. Ein Satan aus Kansas, der hier die Pferde melken will. Erst ein Ducker, dann ein Muckser.

Ron Lighton denkt zuviel!

Er hat noch hingehört, was das Gespräch wohl ergeben wird. Und jetzt ist der graue Stahl da.

Ron Lighton denkt zuviel...

Dieser Sloan! Dieser Zuwanderer aus Kansas. Eingeschlichen hat er sich. Bis heute hat er das Maul gehalten, jetzt steht er mit einem 45 er da.

An den Kolben kommt Lighton nicht mehr heran. Er nimmt die Arme hoch.

„ Komm her, Boy!“, sagt Sloan. „Stell dich auf meine Seite! Hier ist ein Messer.“

Er drückt es dem Jungen zwischen die gefesselten Hände.

Ben Holden starrt noch einmal auf den Ast, der ihm zum Schicksal werden sollte. Dann geht er hinüber zu Bob Sloan und stellt sich neben King. Der Braune rührt sich nicht vom Fleck.

Holden hat das Messer zwischen den gefesselten Händen.

„ Das ist schwierig, Mister. Kann mir nicht einer von den Partnern helfen?"

Den drei Männern verschlägt es die Sprache.

„ Al Turner kann es", sagt Bob Sloan. „Ich schätze, er kann es so gut wie die anderen. Los, Mister Turner!"

Sloan sitzt im Sattel. Turner muss zu ihm hinaufsehen. Zuerst hat er gedacht, ein Zittern in Sloans Stimme gehört zu haben. Aber er hat sich wohl getäuscht. Und das reizt ihn noch mehr.

Yeah, zu diesem Zuwanderer aus Kansas hinaufsehen zu müssen!

„ Was Sie da in der Hand haben, Sloan, kann leicht nach hinten losgehen", knurrt er. „Sie werden sich die Finger verbrennen. Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Sie reiten dahin, wo Sie hergekommen sind. Könnte sein, dass wir dann Ihre Dummheit vergessen."

„ Der singt aber ein sanftes Lied“, meldet sich der Junge. „Gehen Sie bloß nicht darauf ein, Mister! Turner wollte mir den Strick um den Hals legen, und er wird es tun, wenn er kann. Die Kendall-Mannschaft ist eine Verbrecherbande. Die ..."

Turner macht einen Schritt vorwärts. Ben Holden verstummt sofort. Sloans Schusshand stößt um drei Zoll nach vorn. Länger kann er nicht bluffen. Das nächste Mal wird er den Finger krumm machen müssen.

Er weiß, wie das ist. Er weiß auch, dass das alles ändern würde. Es würde keine Sloan- Ranch in Colorado mehr geben. Nie mehr.

Fred Henderson tut, als ob seine Arme schwach würden. Lighton, der in der Mitte steht, schielt nach rechts und links, ob seine Partner nicht eine Idee haben.

By Gosh, denkt Bob, hinter solchen Gesichtern schlummern eine Menge Ideen. Und je länger man wartet, um so mehr werden es.

„ Los, Turner! Schneiden Sie ihm die Fesseln durch! Lighton wird schon schwach in den Armen. Er wird Ihre Ansprache nicht durchhalten."

„ Das werden Sie büßen, Sloan! Dieser Lümmel ist ein Pferdedieb und gehört an den Ast.“

„ Schneiden Sie!"

„ Kein Messer ...“

Sloan wirft ihm seins hin. Turner fängt es und geht zu Holden.

„ Dreh dich um, Junge!"

„ Der jagt mir das Ding zwischen die Rippen“, sagt Ben Holden schrill. Er hat jetzt wieder Angst. Genau wie vorhin, als er unter dem Ast stand. Zwischendurch hat er keine Angst gehabt. Da hat es frech in seinen Augen geblitzt.

Bob Sloan sieht nicht genau hin. Er achtet auf die drei Männer von der Kendall-Ranch. Auf jeden einzelnen.

Turner säbelt umständlich an den Fesseln, als ob er mit dem Rücken schneidet. Es dauert eine Ewigkeit. Aber dann hat er’s geschafft.

„ Wirf!", befiehlt Sloan knapp.

Turner will ihm das Bowiemesser hinhalten, als ob er dem anderen nicht zutraut, es zu fangen. Er müsste dazu dicht an King herantreten. Er könnte ...

„ Wirf!“, sagt Sloan noch einmal und fängt es, steckt es ein.

Ben Holden reibt sich die Handgelenke. Als Sloan ihn auffordert, die Revolver einzusammeln, hat er plötzlich keine Schmerzen mehr. Seine Finger sind flink wie die eines Taschendiebs.

Wie die eines Taschendiebs, überlegt Bob. Der Gedanke ist plötzlich wie von selbst da. Taschendieb - Pferdedieb.

Well, da kann man nichts machen. Das ist Sache des Sheriffs. Ob Pferdedieb oder nicht. Du hast es richtig gemacht, Bob Sloan.

Mit drei Colts hat Holden die Hände voll.

„ Steck sie ins Hemd“, befiehlt Bob, „und hol dein Pferd!"

King hört das leise Schnalzen. Als er vorwärtsgeht, springt Henderson zur Seite. Henderson hat ihm genau im Weg gestanden, und King geht meistens geradeaus.

Die Pferde stehen fünfzig Yards entfernt und sind angehobbelt. Holden rennt neben King und steuert auf einen schmalbrüstigen Rapphengst zu.

„ Ist das dein Gaul, Kid?", fragt Sloan, während er aus dem Sattel gleitet und sich nach hinten umsieht.

„ Auf Ehre und Gewissen, Mister, den hab’ ich schon von Wyoming bei mir! Die Kendall-Leute sind eine gemeine Lügenbande. Die haben Spaß daran, wehrlose Leute aufzuhängen, solange sie in der Übermacht sind. Ich habe die Nase voll von Colorado und werde..."

„ Gib mir die Revolver und nimm die Leine!", unterbricht ihn Bob.

Er hat inzwischen die Pferde aus den Schlingen treten lassen und die Zügel mit dem Strick zusammengebunden, den Turner vor ein paar Minuten noch für einen Fall von Lynchjustiz missbrauchen wollte.

Holden holt drei Colts aus seinem Hemd und gibt sie ab.

„ Steig auf, Kid!"

Sloan sitzt schon wieder im Sattel. „Reite voran, Kid! Durch den Creek auf die Felsplatte. Beeil dich!"

Die drei Kendall-Männer stehen noch da. Unbewaffnet haben sie auch in der Übermacht keine Chance, irgend etwas an der Lage zu ändern. Sie können sich Vorwürfe machen, sicher. Oder sie können ihre Wut in sich hineinfressen.

Da kommt so ein Kleinrancher daher, der noch keinen Winter in Colorado gesehen hat, und setzt ihnen Hörner auf! So ein Zugewanderter! So ein Gernegroß!

Und lässt den Colt aufblitzen, als er noch nicht zu Ende gesprochen hat.

„ Der Boss wird dir was erzählen, Al", presst Lighton durch die Lippen. „Wir haben den Kerl kommen sehen."

„ Wir alle haben ihn gesehen. Und ihr beiden Schlafmützen hattet nichts anderes zu tun, als ihn anzuglotzen. Ich musste mich um den Strick kümmern. Ich hatte keine Hand frei.“

„ Du kannst es Kendall ja so erzählen. Das wird einen mächtigen Eindruck auf ihn machen."

„ Wir sind noch nicht auf der Ranch", sagt er jetzt. „Und es fließt noch ’ne Menge Wasser durch Timpas River, ehe ich mit leeren Halftern und auf Schuhsohlen nach Hause gehe. Der Kansas-Mann hat euch wohl ziemlich imponiert. Aber nicht Fred Henderson!"

„ Du kannst ja sein Pferd beißen", meint Ron Lighton. „Er kommt genau auf uns zu. Yeah, mein Bruder hat immer gesagt, ich sollte mir langsam einen Derringer für den Stiefelschaft zulegen. Er hat ’ne Menge falsch gemacht im Leben. Besonders, als sie ihn zu der windigen Sache zwangen, die ihn das Leben gekostet hat. Aber das mit dem Derringer war’n Tipp, den ich mir in Zukunft merken werde."

Ben Holden ist inzwischen mit den Pferden heran. In zwanzig Yards Entfernung reitet er an ihnen vorbei. Sein Ziel ist der Steilhang.

Er zeigt ihnen die Zunge.

„ By Gosh!", stöhnt Lighton. „Dieser dreckige Lümmel, dieser..."

Wenn jetzt nicht Bob Sloan wäre!

„ Er zeigt uns die Zunge, dieser ...“

King steht noch für ein paar Sekunden. Der Mann im Sattel sieht wie ein Pater aus. So fromm guckt er ins Wetter, denkt Lighton.

Ron Lighton denkt immer so etwas, auf das die anderen nicht kommen, und meistens ist es zuviel, was er denkt.

„ Es ist nur eine Vorsichtsmaßnahme, Gentlemen", sagt Sloan. Es klingt wie eine Entschuldigung. „Ich kann das nicht machen, mit dem Jungen und Sie dann hinter mir. Sie haben eine Menge Wut auf mich."

Er macht eine Pause, als ob jetzt von den anderen einer an der Reihe wäre zu reden. Aber die Kendall-Männer starren ihn nur an.

Pokergesichter.

„ Well, klettern Sie zum Plateau hoch! In Richtung Thatcher liegt ein Steinhaufen am Weg, wo der alte Burnes immer seine Briefe für die Postkutsche versteckt. Da werden Sie Ihr Eigentum wiederfinden. Hat der Junge wirklich ein Pferd gestohlen?“

Turner und Henderson haben nicht die Absicht, noch irgend etwas zu diesem Fall zu sagen. Mit ihren Blicken reden sie schon genug. Aber Ron Lighton packt ein Schreikrampf.

Wie ein hysterisches Frauenzimmer fuchtelt er mit den Händen in der Luft, reißt sich das Flanellhemd auf, dass zwei Knöpfe abspringen und zeigt die roten Haare auf seiner weißen Brust.

„ Yeah! Habt ihr diesen scheinheiligen Bruder gehört? Ob der brave Junge wirklich ein Pferd gestohlen hat! Drei hat er gestohlen! Drei Pferde! Eins - zwei – drei!“ Er zählt es an den Fingern vor. „Zwei Tage ist er um unser Camp geschlichen, und dann waren sie weg. Mit ihm! Bessey, Loly und Hurricane. Ob er wirklich ein Pferd gestohlen hat... hahaha!"

Ron Lighton scheint die Welt nicht mehr zu verstehen. Als er Atem holen will, sagt Bob Sloan:

„ Wenn Sie Beweise haben, schlage ich vor, Sie gehen zum Sheriff. Das ist wohl der richtigere Weg. So long, Gents!"

Lighton schnappt nach Luft. Er will sich weiter aufregen. Aber dann spürt er Al Turners schwere Hand auf der Schulter.

„ Du bist jetzt ganz ruhig, Ron! Alles zu seiner Zeit. In zehn Minuten sind wir bei unseren Colts und den Pferden."

„ Wenn der die Wahrheit sagt..."

„ Schätze, der sagt die Wahrheit, dieser Kansas-Mann.“

Bob Sloan verschwindet in einer Staubwolke.

Auf dem Plateau hat er den Jungen eingeholt.

Der dreht sich grinsend im Sattel.

„ Fein gemacht, Mister! Würde Ihnen was geben, wenn ich reich wäre."

„ Nicht nötig, Kröte. Das ist nicht ganz die Richtung nach Thatcher. Halt dich genau rechts auf der Poststraße.“

„ Ich wollte nicht nach Thatcher, Mister. Hatte mehr an den Norden gedacht."

„ Das Denken habe ich für dich übernommen. Wenigstens für die nächste Stunde. Wie heißt du?"

„ Ben Holden. Meine Freunde sagen Benny zu mir?“

„ Danke, ich bin nicht dein Freund. Wie alt?"

„ Achtzehn, glaub’ ich.“

„ Glaubst du?“

„ Als ich die zweiten Zähne bekam, war ich bei Onkel Phil. Von da an haben wir ungefähr mitgezählt. Vielleicht bin ich auch zwanzig. Wenn ich bedenke, wie kindisch manche noch mit achtzehn sind. Ich als reifer Mann dagegen ...“

Benny spricht selbst nicht weiter. Das soll wohl was heißen, denkt Sloan. Er mustert den Kleinen von der Seite.

Vielleicht ist er auch erst siebzehn.

Sloan möchte wetten, dass er schon mit vierzehn so groß war wie Benny jetzt. Das ist kein Mensch für die Weide, denkt er. Der fliegt beim ersten Sprung aus dem Sattel und hat einen Hinterhuf im Gesicht.

Onkel Phil, hat er gesagt.

Sie haben ihn herumgestoßen. Er ist kein schöner Junge und erst recht kein starker. Sie haben ihn herumgestoßen, natürlich. Bis heute. Er wird nicht wissen, was Recht und Unrecht ist.

Heute hat er noch einmal Glück gehabt. Aber das wird nicht immer so weitergehen. Wenn sie ihn einsperren, wird er noch eine Weile zu leben haben. Wenn er frei herumläuft, wird er sein fünfundzwanzigstes Jahr nicht mehr erreichen.

Bob Sloan ist kein Prophet. Er kennt diese Leute, und er kennt den Westen. Das ist es!

Als er sich an den Schrei erinnert, verschluckt er die nächste Frage. Dann spricht er sie doch aus.

„ Du hast wie am Spieß geschrien, Bengel. Aber auch Diebe schreien, wenn man sie hängen will. Bist du’s gewesen?“

„ No, Mister.“

Mehr sagt Ben Holden nicht, und Bob hat keine Lust, länger über diesen rätselhaften Burschen nachzudenken.

Sein Stiefel berührt leicht Kings Flanke. Der Braune streckt sich. Holdens Rappe bleibt hinter ihm. Die drei ledigen Pferde gehen mit.

Am Steinhaufen des alten Burnes geht Sloan aus dem Sattel.

„ Die Leine!“

Benny reicht sie ihm hin. Sloan bindet sie fest an den nächsten Baum. Die drei Colts legt er an die verabredete Stelle. So hat alles seine Richtigkeit. Bei Bob Sloan hat immer alles seine Richtigkeit gehabt. So soll es bleiben!

Und wenn da eine Sache ist, die er nicht entscheiden kann, überlässt er sie den Leuten, die dafür da sind.

Zum Beispiel einem Sheriff.

*

Mit Holden hat er kein Wort mehr gesprochen, bis sie in Thatcher einreiten. Holden weiß nicht, was ihm blüht. Am meisten beachtet er die Anschriften der Saloons. Davon gibt es drei in Thatcher. Sie haben große bunte Buchstaben über der Tür. Meistens rote. Die leuchten auch noch weit genug, wenn die Dämmerung hereinbricht.

Bob merkt, wie der Junge neugierig auf die Schwingtüren starrt.

„ Lass die Augen im Kopf, Ben! Die brauchst du noch. Und was Whisky ist, darfst du noch gar nicht wissen.“

„ Whisky!", sagt Ben Holden kaum hörbar, aber es liegt eine Menge Sehnsucht darin, so viel Sehnsucht, dass es Sloan fast erschüttert.

Es tut ihm immer weniger leid, den korrekten Weg eingeschlagen zu haben, den zu Sheriff Long.

Unterwegs hat ihm immer der Schrei in den Ohren geklungen, und er ist ihn bis jetzt nicht losgeworden.

„ Tut es nicht! Ich flehe euch an! Ich war ... tut es nicht.“

So schreit ein unschuldiges Kind, aber kein Verbrecher. Nur, welches unschuldige Kind hat Sehnsucht in den Augen und Gier in der Stimme, wenn es das Wort Whisky hört?

Neben der Tür steht das Wort ,Jail'. Das ist ein ganz anderes Wort.

Hier ist auch Sheriff Longs Office. Beides unter einem Dach.

Am Hitchrail macht Sloan mit dem Zügel eine Schlinge.

„ Komm ’runter, Ben! Wir haben hier noch was zu erledigen."

Ben Holden gehorcht wie ein dressierter Hund. Er bindet Torro an die Haltestange, geht dann zu Bob Sloan hinüber. Der winkt mit dem Kopf.

Sheriff Long steht da wie ein Denkmal. Seine Figur füllt den halben Türrahmen aus.

„ Wir möchten Sie sprechen, Sheriff", sagt Bob. „Können wir hereinkommen?"

„ Bitte", sagt Long trocken und geht voraus. Sein Interesse scheint nicht groß zu sein. Jedenfalls verrät er es nicht. Er setzt sich hinter seinen Schreibtisch.

„ Setzen Sie sich, Sloan!“

Den Jungen beachtet er nicht.

„ Danke", sagt Bob und bleibt stehen. „Ich kann es kurz machen. Unterm Tahopi Plateau wollten sie diesen Mann hängen."

„ Wer wollte ihn hängen?"

Bob hebt die Schulter, als wüsste er das nicht genau.

„ Sie sagten, er wäre ein Pferdedieb, und sie wollten ihn hängen. Ich mag nicht, wenn sich jemand zum Richter aufspielt, der sich selbst dazu ernannt hat. Wir haben unsere Gesetze, Sheriff, nach denen ich mich richte. Wenn Sich auch die anderen danach richten, hat alles seine Ordnung. Sperren Sie ihn ein, Sheriff! Dafür habe ich ihn hergebracht."

Longs Blicke wandern zum ersten mal richtig zu Bob Holden hinüber. Er sieht ihn von oben bis unten an. Viel gibt’s da nicht zu sehen. Die Augen sind mit dem bisschen Mensch schnell fertig.

„ By Jove, Sloan, so ohne weiteres kann ich ihn nicht einsperren. Wir brauchen einen Kläger, am besten einen Zeugen."

„ Ich habe nichts mit der Sache zu tun, Sheriff. Es waren drei Männer, die ihn aufhängen wollten. Ich kam gerade vorbei, als sie den Strick über den Ast warfen. Sie sagten, er hätte drei Pferde gestohlen und müsste dafür hängen. Ich sagte, Lynchjustiz wäre nicht nach meinem Geschmack, und ich hätte entschieden was dagegen. Dann habe ich Ben Holden hierhergebracht. Alles andere ist Ihre Sache, Sheriff."

„ Hat er’s gestanden?"

„ Ich war’s nicht, Sheriff!“, sagt der Junge jetzt spitz und aufgeregt. „Warum sollte ich ein Pferd stehlen, wenn ich Torro habe? Das alles ist ein Irrtum oder noch mehr eine große Gemeinheit! Die Kendall-Leute sind ein Haufen Desperados, sage ich Ihnen. Die hängen einen auf, bloß, weil es ihnen Spaß macht.“

„ Also die Kendalls waren es, Sloan. Warum sagten Sie das nicht gleich? Den Kendalls hat man drei Pferde gestohlen. Jetzt sagen Sie am besten gleich alles, und ich nehme das Protokoll auf. Dann hat alles seine Richtigkeit. Sie wollen doch, dass alles immer seine Richtigkeit hat."

Noch einmal hebt Bob Sloan die Schultern und lässt sie wieder sinken.

„ Ich habe gesagt, was zu sagen war, Sheriff. Ich bin kein Kläger und kein Zeuge. Sie können mit Holden machen, was Sie wollen. Das geht mich nichts mehr an. Kann sein, dass in einer halben Stunde drei Männer auftauchen und eine Anklage mitbringen. Für den Fall habe ich gesorgt, wie es meine Pflicht ist.“

„ Zum Teufel, Sloan, Sie sind ein Dickschädel! Und es gibt ein paar Leute im County, die behaupten noch ganz was anderes über Sie."

„ Das sollen sie mir ins Gesicht sagen! Sonst interessiert es mich nicht. Ich gehe jetzt.“

Sloan nimmt seinen Hut vom Tisch.

„ Warten Sie! Einen Augenblick noch", sagt der Sheriff. „Ich habe noch eine Frage unter vier Augen. Warten Sie wenigstens fünf Minuten, zum Teufel!"

Long steht auf und rückt seinen Gürtel zurecht. Er geht auf Ben Holden zu und legt ihm die Hand auf die Schulter.

„ Kommen Sie mit, Holden! Sie sind verhaftet."

Benny windet sich wie eine Katze unter Longs schwerer Hand weg und springt einen Schritt vor.

„ Sie Bandit, Sie Feigling, Sie Halsabschneider, Sie ...“

Ihm fällt nichts mehr ein. Er zittert vor Wut. Er steht da, und seine grünen Augen sind voller Hass. Dann spuckt er Bob Sloan vor die Füße, dreht sich um und geht ruhig nach hinten zu der einzigen Tür in der Mitte des Raumes.

„ Hier geht’s wohl zum Jail, Sheriff, wie?“

Long hat inzwischen instinktiv nach dem Revolver gefasst, mit dem er offensichtlich nichts mehr anzufangen weiß. Der unberechenbare Junge hat ihn irritiert und überrumpelt. Sloan weicht seinem Blick aus und dreht sich zum Straßenfenster. Das ist deutlich genug.

„ Well, hier geht’s zum Jail", erwidert Long brummig und macht seinem Gefangenen die Tür auf.

Bob hört kurz darauf ein Eisengitter schlagen. Ein Schlüssel dreht sich.

Der Sheriff kommt zurück. Ben Holden hat kein Wort mehr gesagt.

„ Das ist ja noch ein halbes Kind, Sloan.“

„ Wenn er ein Pferdedieb ist, macht das keinen Unterschied. Sie wollten mich noch unter vier Augen sprechen, Sheriff."

„ Natürlich! Und ich hoffe, dass ich nicht jedes Wort einzeln aus Ihnen herausquetschen muss. Wie war das nun?"

„ So, wie ich’s erzählt habe."

„ Ich weiß nicht recht, was ich mit Holden anfangen soll."

„ Ich hab’s auch nicht gewusst. Aber Sie sind der Sheriff. Ich habe meine Pflicht getan."

„ Ihre Pflicht! Ihre Pflicht! Sie reden zuviel davon, Sloan."

„ Besser, als. wenn man sie mit dem Revolver ausüben muss. Das geht mich nichts mehr an, Sheriff. Ich glaube nicht, dass Sie von mir noch einen Rat brauchen."

Bob Sloan tippt mit dem Zeigefinger an den Hutrand, geht zur Tür und macht sie auf.

„ Übrigens, der Torro ist ein Klassegaul, wie Sie bemerkt haben werden. Bringen Sie ihn gut unter, solange es nötig ist. Für den Hafer können Sie mir eine Rechnung schreiben. Das bisschen will ich wohl übernehmen.“

„ Das bisschen - by Gosh, Sloan, Sie sind fast ein Rätsel wie dieser Bengel.“

„ Schon gut, ich meine ja nur für den Fall, dass er kein Geld bei sich hat. Er macht nicht den Eindruck, als ob er über ein geregeltes Einkommen verfügt."

„ Nein, den macht er nicht. Aber ich glaube, dass er Ihnen das alles nicht danken wird.“

„ Damit rechne ich auch nicht."

„ Eher wird er Sie umbringen, Sloan."

„ Hm, Sie veruchen es aber mit allen Tricks, Sheriff."

„ Als ich ihn einschloss, hat er ganz leise etwas vor sich hingemurmelt. Er hasst Sie. Sloan. Und er wird Ihnen ein Messer zwischen die Rippen jagen, sobald er wieder frei ist. Das hat er gesagt. Ich bin Ihnen wohl schuldig, dass Sie das wissen.“

„ Danke, Sheriff! Gut, dass ich es weiß. So long dann!"

„ Die Rechnung für den Hafer kann ich jetzt wohl streichen?"

„ Wie kommen Sie darauf?“

Bob Sloan geht zur Haltestange und bindet sein Pferd los. Sheriff Long steht noch eine Weile in der Tür und sieht ihm nach, bis er hinter dem nächsten Knick nach Nordwesten verschwunden ist.

*

Bob Sloan ist nicht von gestern.

Er denkt nicht an Nebensächlichkeiten. Nicht einmal an Billy Prewitt, der zu Hause sitzt und den Corralzaun hinter dem Wohnhaus repariert. Er denkt nicht an Rinder, nicht an die Ernte.

Bis zur Ranch sind es knapp acht Meilen. Sie liegt am anderen Ufer des Apishapa River. Der nächste Weg führt über den Westrand des Tahopi-Plateaus auf der alten Poststraße. Für drei Meilen wenigstens. Dann muss er links abbiegen.

Am Nachmittag war er schon einmal so weit. Dann kam ihm die Sache mit Ben Holden dazwischen.

Den Hafer werde ich für Torro zahlen, denkt Bob. Mehr kann ich nicht tun. Wenn die Kendal-lLeute Pferdediebe jagen, hält man sich am besten 'raus aus der Angelegenheit. Kendall ist der Stärkste zwischen El Moro und Timpas. Der hat seinen eigenen Kopf. Und seine Reiter bilden sich ein, sie müssten auch einen eigenen Kopf haben. Ron Lighton denkt zu viel, und bei Al Turner weiß man nie, was er im nächsten Moment tut. Anscheinend denkt der gar nicht, sondern handelt einfach.

Bei Burnes’ Steinhaufen stehen keine Pferde mehr. Auch die Colts wurden inzwischen bestimmt abgeholt.

Es hat keinen Sinn, bei Burnes vorbeizureiten und zu fragen, ob jemand dagewesen ist. Burnes ist schwerhörig. Man muss sich immer heiser schreien, wenn man mit ihm spricht, und meist versteht er trotzdem nicht, was man sagt.

Bob Sloan erreicht das ausgetrocknete Bett des Tahopi Creek. Hier fällt das Wasser in die Senke, solange es Regen gibt. Aber nicht im Sommer.

Das erste Geräusch überrascht ihn. Die Gefahr ist da, bevor er sie erkennt. Ein Gegenstand klatscht auf Kings Rücken. Der bäumt sich wiehernd auf.

Drei Schritte vor ihm peitschen Schüsse auf. Es blitzt jedes mal, wenn der Hammer die Zündung auslöst.

Bobs Stiefel rutschen aus den Bügeln. Er liegt flach auf Kings Hals, rutscht herum nach unten und lässt sich fallen.

King weiß, wohin er treten muss. Und King rennt, schlägt Haken. Die Kugeln hinter ihm verirren sich im Wind.

Es ist Nacht.

Bob hört den Atem eines anderen. Zwei sind weit vor ihm und denken, er hängt in Deckung auf der Seite des Pferdes.

Eine Winchester knallt.

Aber der Atem des einen ist ganz nah. Was der denkt und sieht, weiß Bob nicht. Es sind auch Pferde in der Nähe.

Die mondlose Nacht wirft kaum einen Schatten. Ein paar Sterne blinken. Das Schwarze vor ihm ist ein Mensch.

Ein Stiefel scharrt. Der Klang der Schritte wird leiser. Irgendwo ist Moos, das die Geräusche verschluckt.

Ein Pferd wiehert.

Sie stehen links von ihm. Der Mann ist hingegangen. Dann kommt er wieder. Steht erneut dicht vor Bob Sloan und starrt nach Norden, wo die anderen ein lediges Pferd jagen.

Der Bursche flucht laut vor sich hin.

„ By Gosh, dieser Dreckskerl! Sie haben ihn nicht...“

Es ist Ron Lightons Stimme.

Diese Bande hat sich etwas in den Kopf gesetzt.

Bob ist hinter ihm. Aufrecht und ganz nah. Lighton spürt das Eisen im Kreuz.

„ Wen haben Sie nicht, Mister Lighton?"

Der Rothaarige zuckt zusammen, nur ganz leicht. Er führt die Bewegung nicht aus, zu der er instinktiv angesetzt hat. Sie kann den Tod bedeuten.

Dann fühlt er, wie sein Gürtel leicht wird. Zum zweiten mal an einem Tag hat der Zuwanderer seinen Colt geholt. Das kann nicht gutgehen ...

„ Ich hab’ was gefragt!", sagt Bob und setzt mehr Druck hinter die Rechte. Lighton hat die Hände oben, weicht ein Stück mit der Hüfte aus und dreht sich um.

„ Sloan, wenn ich mich nicht irre, hm?"

„ Jetzt sagen Sie bloß, es war reiner Zufall. Das glaube ich dann aufs Wort."

„ Mir egal, was Sie glauben. Mit Ihnen hat keiner gerechnet."

„ Natürlich nicht. Sie waren der Meinung, ich reite über El Moro nach Hause, wie?“

„ Wir haben auf Holden gewartet. Sonst nichts. Holden kriegt ’ne Abreibung, da können Sie gar nichts machen, Kansas-Mann.“

„ Und Holden hat Ihnen gesagt, er würde wieder vorbeikommen. Genau hier, wo Sie ihn hängen wollten. Sie lassen sich wohl von einer alten Frau die Karten legen, wie? Außerdem kann Holden nicht kommen."

„ So, er kann nicht?"

Lighton lauert wie ein Schakal, der sich ein fertiges Gericht abholen will.

„ Ich habe ihn weggeschafft. Wenn Sie etwas gegen ihn vorzubringen haben, melden Sie es dem Sheriff. Der wohnt in Thatcher, falls Sie’s vergessen haben sollten. Der macht alles, wie es sich nach dem Gesetz gehört."

„ Das Gesetz steht hier", sagt eine Stimme hinter Bob. Die Nacht ist eine Weile ganz still. Doch die Weile ist zu kurz, um was Brauchbares draus zu machen.

Die Stimme gehört Turner, dem Mann, der erst handelt, bevor er denkt. Der dann schießt und immer noch nicht denkt.

„ Nimm sie hoch“, sagt Turner, „und lass das Eisen fallen.“

Es geschieht alles so, wie er es will. Noch redet er.

Lighton schnappt seinen Revolver und den anderen dazu.

Bob steht zwischen zwei Männern, von denen der eine gefährlicher ist als der andere. Den gefährlicheren hat er im Rücken.

„ Dreh dich um!“, befiehlt Turner.

Noch redet er.

Obwohl er eine 45er Remington in der Hand hält.

„ Hast du gehört, Kansas-Mann, wer das Gesetz ist? Dann sag’s!"

„ Blödsinn!", hört er sich sagen. „Der Bengel ist nicht da. Sie brauchen also kein Theater für Kinder aufzuführen. Wenn Sie aber absolut nicht wissen, Turner, wer das Gesetz ist, dann legen Sie mich um. Das Gesetz wird sich dann um Sie kümmern, und Sie werden es merken!"

Turner schießt nicht, er lacht. Etwas rau und gequält. Aber er lacht.

„ Du willst Zeit gewinnen, Kansas-Mann, wie? Das klappt nicht. Hier steht die Zeit still. Wir hatten einen Pferdedieb zum Aufhängen. Jetzt haben wir dich."

„ Sicher, auch so können Sie herausfinden, wer das Gesetz ist."

Er ist abgebrüht. Er reizt sie aufs Blut.

Das kann doch nicht wahr sein, denkt Ron Lighton verzweifelt. Der will doch nicht, dass wir ihn umbringen.

Und während er denkt, geht er um Bob Sloan herum, weil er dessen Gesicht sehen will.

Aber es ist dunkel, und man sieht höchstens das Weiße in den Augen.

Irgendwo ruft Henderson.

„ Komm her! Hier sind wir!“, ruft Turner. Keiner wendet den Blick.

Aber dann ...

Als Henderson gelaufen kommt, wiehert hinter ihm ein Pferd. Es ist King.

Jetzt drehen sie die Köpfe. Da schnellt Bob vor. Zwei Fäuste treffen. Die linke auf die Schusshand, die rechte in den Magen.

Turner stöhnt und klappt zusammen.

Lightons Revolver donnert.

„ Idiot!", schreit Turner. „Willst du mich ...?"

Der Rest der Frage fällt Bobs zweitem Treffer zum Opfer. Der Schlag schmerzt auf beiden Seiten. Beide schlucken es herunter.

Turners Kopf hat sich nach links gedreht wie eine Schwingtür, gegen die ein Stiefel tritt. Bob hat das Gefühl, gegen eine Felswand geboxt zu haben.

Turner strauchelt.

Lighton steckt den Colt weg und will einen Hechtsprung machen. Sein Missgeschick ist Sloans Verbündeter.

Die Leine an Lightons rechtem Bein hat sich gelöst. Das Halfter gerät zwischen die Beine. Lighton stolpert, will sich fangen. Aber sein eigener Schwung ist so stark, dass Sloan ihm nicht entgegenzukommen braucht.

Bob zieht mit der voll einsatzfähigen Rechten einen Haken hoch. Lighton fällt genau hinein, wirbelt um die eigene Achse und schlägt dumpf auf den Rücken.

So stürzt einer, der nicht mehr Herr seiner Sinne ist...

Turner ist wieder hoch. Hinter ihm kommt Henderson heran. Der sieht noch nicht klar. Also erst Turner.

Der kommt schon von selbst, wirbelt beide Fäuste wie Dampfhämmer. Einen deckt Bob ab, den anderen muss er nehmen.

Er rutscht aus, taumelt.

Wieder braust Turners Schatten durch die Nacht heran.

Der Bursche wittert den Vorteil. Er braucht nur noch hineinzudreschen in das angeschlagene Bündel. Ehe Sloan sich fangen kann, wird er ganz fertig sein.

Turner denkt und rechnet nicht. Er hat das Auge eines Falken und die Tatzen eines Grizzlybären. Er braucht nur seinen Körper arbeiten zu lassen.

Aber Sloan denkt.

Den Schwung ausnutzen!

Zurück kann er nicht. Hoch kann er nicht. Er kann sich nur noch fallen lassen.

Das tut er wie eine Katze. Mit eingezogenem Kopf. Zuerst schlägt die Schulter auf den Stein. Die Beine kommen hoch. Er zieht die Knie an die Brust und tritt in Richtung Turner aus.

Al Turner fällt aufs Gesicht.

Unter dem Gesicht ist nackter Fels. Turner vergisst den Schmerz. Sein Hass ist größer. Er kommt auf die Knie und die Hände. Das ist alles zu langsam.

„ He, was ist los?", schreit Henderson.

Er steht dicht vor ihnen und kann nichts erkennen. Seine Frage macht alles nur noch schlimmer für die Kendallmänner. Sloan erkennt seinen Vorteil, und er ist dicht neben Lighton, der immer noch wie ein gefällter Baum daliegt.

Er fühlt den Gürtel. Noch ein Griff, und er hat den Colt. Spannt den Hammer, drückt ab. Ein Warnschuss!

„ Keine Bewegung, Gents! Und hoch damit! Ich werde Ihre Schatten zählen.“

Bob sitzt noch in der Hocke neben Lighton und tastet weiter. In der Tasche findet er den eigenen Revolver. Der ist ihm lieber. Er tastet noch nach Lightons Kopf und fühlt den rauen, roten Bart. Kein Muskel reagiert in Lightons Gesicht.

Bob Sloan steht auf, geht um die Männer herum und sammelt die Revolver. Er macht es geschickt, obwohl er sonst andere Arbeit zu verrichten pflegt.

„ Sie werden sie unter dem Baum wiederfinden, Turner! Sie wissen, welchen ich meine. Kann sein, dass sie auch etwas auseinanderliegen, aber den Vorsprung brauch ich. Und dann kümmern Sie sich lieber um Lighton als um fremde Leute."

Er pfeift King heran, der durch sein Wiehern längst verraten hat, dass er okay ist. Dann steigt er in den Sattel und reitet an.

„ Beeil dich, King! Die Burschen sind irre vor Wut. Vielleicht laufen sie erst zu den Pferden und holen ihre Büchsen, bevor sie sich um Lighton kümmern."

King streckt sich, findet das Loch im Hang, das der Creek gespült hat, und ist schnell in der Ebene.

Unter dem Baum lässt Bob die Revolver fallen. King behält sein Tempo bei. Sie werden ihn nicht kriegen. Sie werden nicht wagen, ihn bis zum Apishapa River zu verfolgen.

Dort ist er der Herr.

Denkt Bob Sloan.

Jeder wäre überall der Herr, wenn überall das Recht wäre.

Aber was sagt Al Turner dazu?"

Und George Kendall?

*

King findet die Furt im Fluss.

Er geht langsam. Er kennt das tückische Geröll, das ihm vor einem halben Jahr eine Zerrung im rechten Vorderlauf beigebracht hat.

Vor einem halben Jahr waren sie noch neu hier. Bob, King und auch Billy Prewitt.

King gewinnt das Ufer und stemmt sich den Steilhang hoch. Dann sehen sie das Haus. Zweihundert Yards hinter dem River steht es. Daneben der Stall und ein kleiner Werkschuppen mit der Schmiede.

Links der Corral.

Es ist warm, und King wird draußen bleiben.

Bob geht aus dein Sattel, schnallt ihn los und hängt ihn über die Schulter. Als er aus dem Stall zurückkommt, steht ein Strich Mondlicht über dem Wald. Es ist weit nach Mitternacht, und es geht auf Neumond zu.

Bob schiebt die Balken zurück und lässt King einlaufen. Der Braune wiehert und wartet noch. Er braucht noch einen Klaps auf die Hinterhand. Den Gute Nacht-Gruß.

Bob tätschelt ihn, dann geht er los, läuft eine Runde und schnappt hier und da nach ein paar Grashalmen. Es ist Spielerei. Er ist satt und braucht nichts mehr. Sein Wasser hat er unterwegs im Fluss getrunken.

Bob geht ein Stück den Zaun entlang. Mit jedem Schritt wird das Mondlicht heller.

Er sieht, was Bill geschafft hat. Der Junge ist fertig geworden. Er hat eine flinke Hand, und auch eine sichere. Er muss nicht erst zweimal zugreifen, bevor eine Sache sitzt. Er hat auch ein gutes Auge. Bevor Bob ihm sagt, dass dieses und jenes zu tun ist, hat er es selbst gesehen.

By Gosh, Billy!

Andere Kleinrancher haben drei Hands im Haus und auf der Weide. Aber wenn die drei das schaffen wollen, was Billy schafft, dann müssen sie gut sein.

Bob Sloan sieht noch einmal nach dem silbernen Mond, der jetzt zur Hälfte über der Wipfellinie des Waldes steht. Dann dreht er sich um und geht ins Haus.

Gut, dass er so zufrieden über Billy nachdenken konnte. Das lenkt ab und beruhigt. Es wird Zeit, dass er auf andere Gedanken kommt. Die Arbeit wartet nicht.

Bob hat noch Hunger.

Er zündet die Kerosinlampe am Herd an. Bill hat Holz nachgelegt. Die Platte ist noch heiß, und er kann einen Topf Bohnen warm machen.

Dann findet er den Zettel auf dem Tisch. Billy Prewitt hat eine Handschrift wie ein Schulmeister.

„ Habe noch im Porkling Valley zu tun. Bin bis Mitternacht zurück. Schlaf gut! Bill."

Bob zieht die Nickeluhr an der Kette heraus und sieht sie sich genau an. Sie sagt ihm das, was er schon selber weiß. Und was der Mond verraten hat.

Für eine Weile hockt er auf dem Strohsack seines Bettes, legt sich aber nicht hin, macht nicht einmal den oberen Hemdknopf auf. Dann ist er wieder auf den Beinen, steht in der Tür und lauscht in die Nacht.

Kein Huftritt.

Es ist eins durch ...

Gesichter tauchen vor ihm auf. Nicht wirkliche Gesichter. Gesichter vom Abend und vom Nachmittag.

Ein Baum und ein Ast mit einem Strick daran. Der Junge auf dem schwarzen Pferd. Das Weiße in seinen Augen.

Wie er vor ihm ausspuckt ...

„ ... der Hafer geht auf meine Rechnung, Sheriff."

Das Recht bin ich, sagt eine Stimme hinter ihm.

„ Er wird Sie umbringen, Sloan!"

Sheriff Long ist einer von den Oldtimern. Dem macht keiner ein X für ein U vor. Von einer Drohung spricht er nur, wenn er sie selber ernst nimmt. Aber Ben Holden steckt im Jail.

Die Kendall-Männer stecken nicht drin. Nur, so schnell konnten sie nicht sein.

Es ist alles Unsinn. Er sieht Gespenster.

Jetzt hört er den Reiter. Der Hufschlag ist das einzige Geräusch in der Nacht. Es kommt genau von Westen. Ein einzelnes Pferd.

Im Westen liegt das Porkling Valley.

Es ist Bill mit seinem Schecken. Er rutscht aus dem Sattel, federt auf den angewinkelten Beinen, wirft sich herum und hat die Hand am Sattelgurt. Ein Ruck, die Schnalle ist los. Noch zwei Handgriffe und der Sattel hängt auf dem Pfosten.

Bill hat Bob längst gesehen, aber erst macht er die Arbeit. Dann wundert er sich.

„ By Gosh, Boss, du wirst doch nicht nachtwandeln! Fünf Stunden Schlaf brauchst du, hat Doc Lansdale gesagt. Du gehörst längst in die Falle."

„ Was war im Porkling Valley?", fragt Bob Sloan. .Du wolltest bis Mitternacht zurück sein.“

„ So? Muss ich neuerdings über jede Minute meiner Arbeit Rechenschaft ablegen?“

„ Rede kein dummes Zeug, Billy! Ich fand deinen Zettel... Ist alles klar?“

„ Terry hat mich hergeholt. Um neun kam er an und kläffte um meine Beine herum wie eine Furie. Die letzten Longhorns kalben jetzt. Wurde Zeit bei der einen.“

„ Wir haben in drei Tagen damit gerechnet.“

Bill Prewitt zuckt mit der Schulter.

„ Der Mensch kann sich irren. Und morgen wird’s wohl weitergehen. Einer von uns müsste jetzt draußen bleiben. Was meinst du?"

„ Ganz recht. Reite nur, Bill. Ich mach das bisschen zu Hause schon."

Prewitt steht am Herd.

„ Noch mal Bohnen? Nachthunger, wie?“

„ Ich bin gerade erst gekommen", sagt Bob, und Bill schnuppert.

„ Whisky? Saloon? Mädchen? Mein Boss wird noch leichtsinnig auf die alten Tage, wette ich. Vertrink bloß nicht unser Geld, bevor wir’s verdient haben."

„ Unser Geld?“

Die Frage klingt merkwürdig scharf. Jetzt endlich merkt Bill, dass Bob gereizt ist.

„ Entschuldige, Boss! Wem’s gehört, weißt du selbst am besten. Ich wollte dir nicht zu nahe treten. Aber das Geld interessiert mich doch."

„ Ich hab’s in der Tasche. Fünf Bullen werden bar auf den Tisch finanziert. Im nächsten Jahr haben wir eine richtige Herde, Bill. Wir werden keine Kleinrancher mehr sein, die man an die Seite drückt und vor denen man ausspuckt.“

Jetzt wird er sonderlich, denkt Bill. So hat er nie im Leben geredet. Er war nie neidisch auf die anderen, die mehr hatten. Er wusste immer, dass er eines Tages genau soviel besitzen würde, wie er für richtig hielt.

„ So, du hast das Geld?"

Die Frage klingt gedehnt und misstrauisch. Bob zieht es aus der Tasche und blättert es auf den Tisch.

„ Hier, zähl nach!"

„ Ich habe dein Geld nie nachgezählt. Und ich werde mich hüten, es jemals zu tun. Du bist der Boss, und du bist selber schuld, wenn deine Kasse mal nicht stimmt.“

„ So wird’s sein."

Damit dreht Bob sich zum Herd und nimmt die Bohnen von der Platte. Bill reicht ihm einen Teller und einen Löffel vom Regal und setzt sich daneben.

„ Guten Appetit!"

„ Danke, Billy!"

„ Jetzt erzähl mal!"

„ Was soll ich erzählen?“

„ Whisky war’s wohl nicht. Das könnte ich riechen. Und wenn ich dich ansehe, war’s ’ne Schlägerei. Also doch im Saloon gewesen, hm?"

Bob Sloan sagt nichts, weil er die Bohnen isst. Bill spinnt den Faden weiter.

„ Ich hätte nie geglaubt, dass du dich für so was hergibst."

Er will ihn damit nicht kränken. Er will nur, dass Bob endlich redet. Und er weiß, dass man ihn nur so aus der Reserve locken kann.

Als er fertig ist, steht er auf und zieht den singenden Topf Wasser von der heißen Stelle, öffnet die Ofenklappe und setzt sich wieder.

Das flackernde Feuer wirft bizarre Schatten in den großen Raum. Rot und unruhig liegt es auf ihren Gesichtern.

Bob starrt ins Feuer.

„ Was meinst du, Bill, wer hier im County das Recht hat?“

Zuerst sagt Bill gar nichts, weil er den Freund ansehen und herauskriegen muss, ob die Frage im Ernst gestellt ist. Dann:

„ Jeder hat natürlich sein Recht.“

„ Well, und wer übt es aus?“

„ Das Council, der Friedensrichter, der Marshal. Natürlich auch Sheriff Long, um den nicht zu vergessen. Bist du jetzt zufrieden?"

„ Und was ist mit George Kendall?"

„ By Gosh, Bob! Hast du dich mit denen vielleicht geschlagen?"

Billy Prewitt ist aufgestanden und beugt sich über den Tisch.

Und weil Bob wieder nichts sagt und am letzten Bissen kaut, schiebt Bill sich noch mehr über die Platte.

„ Du sagst nichts. Also habe ich recht... Bisher habe ich immer geglaubt, du bist gescheiter als die anderen, die sich von den kleinen Frechheiten dieser Kerle reizen lassen. Und dann ziehen sie den kürzeren. By Gosh, Bob, was willst du gegen den großen George Kendall unternehmen?"

„ Ich? Gar nichts! Er soll mich zufrieden lassen."

„ Er lässt keinen zufrieden. Wenigstens seine Leute nicht. Er selbst ist viel zu clever, sich offen einzumischen. Und wohl auch zu vornehm. Und du warst bis heute clever genug, seinen Leuten aus dem Weg zu gehen. Yeah, der Himmel stehe uns bei, wenn wir hier unseren Frieden nicht behalten! Du hast dein ganzes Geld in dieses Land und dieses Haus gesteckt.“

„ Dazu 5.000 Dollar, die mir ein gewisser Billy Prewitt geliehen hat!"

„ Davon rede ich jetzt nicht“, entgegnet Bill barsch. „Aber jetzt sag endlich was! Hast du dich mit ihnen geschlagen?“

„ Ich hatte das Geld von der Bank geholt und ritt nach Hause. Auf dem Tahopi-Plateau sah ich eine Gruppe Männer, die sich ganz komisch benahmen. Ich ging aus dem Sattel und schob mich hinter die Felsen am trockenen Creek..."

So kommt Bob Sloan ins Erzählen und hört nicht eher auf, als bis Bill Prewitt über jede Sekunde Bescheid weiß, die seitdem verstrichen ist.

Bill hat ihn mit keinem Wort unterbrochen, und als Bob fertig ist, sagt er immer noch nichts, sondern guckt starr in das Feuer des offenen Steinofens.

„ Well, und jetzt sage mir, was ich falsch gemacht habe!“

„ Du bist der Kleinrancher Bob Sloan. Das ist das Falsche an dir! Ich habe ja gewusst, dass sie uns eines Tages kriegen werden. Du hast Kendall das Land vor der Nase weggekauft, als er auf die Idee kam, seine Weiden über den Apishapa auszudehnen."

„ So wird es sein. Aber jetzt sitzen wir nun mal hier, und ich denke, wir werden bleiben. Was meinst du, Bill?"

„ Wenn du denkst, ich würde mir jetzt ’ne Extrawurst braten, dann weißt du noch immer nicht, wer Billy Prewitt ist. Ich würde an deiner Stelle schlafen gehen.“

Sie legen sich hin. Ihre Betten stehen in einem kleinen Nebenraum ganz dicht zusammen. Nur ein schmaler Gang ist dazwischen.

Bob wirft sich lange hin und her, weil er nicht einschlafen kann. Bill geht es genauso. Er regt sich aber mehr über Sloans Unruhe auf.

„ Mann, du bist heute nervös wie ein junges Mädchen vor der Verlobung. Kannst du nicht endlich ruhig liegen?“

„ Ich denke gerade darüber nach, ob wir noch einen Mann bei uns gebrauchen können.“

„ Wenn er was taugt. Warum nicht? Weißt du einen?"

„ Benny Holden."

Jetzt wird er verrückt, denkt Billy Prewitt. Aber er sagt nichts mehr. Er will nur noch schlafen.

*

Sheriff Long ist noch nicht einmal rasiert.

Er wohnt im Office. Er ist Junggeselle. Wo könnte er also billiger wohnen, als in einem Haus, das das Council bezahlt?

Er hat gerade sein Hemd angezogen, als es an der Außentür klopft. Er hat eine lange Nacht gehabt. Es ist spät geworden. Auch mit dem Aufstehen. Danach ist seine Laune.

„ Wer ist da?", schreit er mürrisch.

„ Sloan, Sheriff! Ich muss Sie sprechen.“

„ Mitten in der Nacht?"

„ Wenn Sie die Nacht zum Tage machen, haben Sie recht. Aber denken Sie an meine acht Meilen. Ich bin auch nicht gerade ausgeschlafen.“

„ Schon gut! Warten Sie!"

Er braucht noch eine Minute für die Morgentoilette. Er wirft sich drei Tropfen Wasser ins Gesicht, steckt das Hemd in die Hose, schnallt den Gürtel um und fährt sich mit den Fingern durch die Haare.

„ Well, kommen Sie herein!", grunzt er mürrisch und öffnet die Tür.

„ Danke, Sheriff. Guten Tag!“

„ Guten Morgen!", sagt Long mit Betonung. „Setzen Sie sich! Kommen Sie in der Sache von gestern?“

„ Ganz recht. Wegen Ben Holden."

„ Haben Sie sich’s überlegt? Werden Sie mir die Namen nennen?"

„ Was für Namen?"

„ Zum Teufel! Sie gehören zur intelligenten Sorte, Sloan. Wenn Sie sich dumm stellen wollen, können Sie verschwinden. Sie haben mich im Schlaf gestört."

„ Ich stelle mich nicht dumm. Ich bleibe bei dem, wras ich gestern gesagt habe.“

„ Aber ich brauche eine Anzeige! Verstehen Sie? Eine Anzeige mit Ihrer Unterschrift. Ich kann Holden hier nicht festhalten, weil eines Tages jemand kommen könnte, der etwas gegen ihn hat."

„ Seiner Entlassung steht also nichts im Wege? Es war keiner da, der ihn des Pferdediebstahls anklagt?"

„ Natürlich nicht! Es war keiner da. Nur dem Pferd habe ich schon zweimal Futter gegeben.“

„ Hoffentlich hat Holden auch was mitbekommen.“

Long gähnt ihn wütend an.

„ Was wollen Sie, Sloan? Reden Sie!"

„ Den Jungen!“

Die zwei Worte machen den Sheriff endgültig wach.

Er starrt den Kansas-Mann an, mustert ihn von oben bis unten. Dann setzt er sich hinter seinen Schreibtisch und wird offiziell.

„ Sie haben ihn gebracht. Sie können ihn auch abholen. Well, Sloan. Aber seit wann sind Sie lebensmüde? Jeder kennt Sie im County und weiß, wie Sie zupacken können. Sie sind kein Selbstmörder."

„ Davon ist auch gar nicht die Rede."

„ Aber Sie sind vergesslich. Oder... natürlich, Sie nehmen mich nicht ernst. Sie haben gedacht, der alte Long spinnt. Der ist schon zu lange im Amt. Der sieht kleine Männchen an der Wand, wie?"

„ Sie meinen die Drohung, Sheriff. Ich habe sie nicht vergessen.“

„ Sie haben sie nicht gehört. Nicht, wie Holden es sagte. Und wenn ich es Ihnen weiterbringe, klingt das wohl nicht überzeugend. Er macht Sie tot, Sloan. Lassen Sie die Finger von dem Jungen! Reiten Sie weg, und ich verspreche Ihnen, ich lasse ihn eine halbe Stunde später laufen."

„ Ich möchte ihn sehen, Sheriff!"

„ Well, er sitzt hinterm Gitter. Sehen Sie sich ihn an. Vielleicht glauben Sie mir dann."

Long steht auf und nimmt die Schlüssel. Er geht nach hinten. Sloan folgt ihm durch die knarrende Tür.

Benny liegt zusammengerollt hinten auf der Pritsche. Wie ein junger Jaguar. Seine stechenden Katzenaugen linsen über den vorgelegten Unterarm hinweg. Er rührt sich nicht.

„ Hallo, Benny!"

Er rührt sich nicht.

„ Hallo, Benny! Jeder von uns hat eine Nacht hinter sich. Ich habe drüber nachgedacht. Über alles... über dich und so."

Zwei Zoll hebt der Bengel den Kopf und spuckt in Richtung auf das Gitter. Er kommt nicht ganz so weit, wie er gedadit hat.

„ Das Spucken musst du noch lernen, Küken. Es gibt Leute, die schaffen die Entfernung.“

„ Sie vielleicht, Mister!"

Er hat sich gerührt und den Kopf gehoben. Und er hat diesen Satz geschrien. Mehr nicht. Sofort hat er sich wieder zusammengekringelt.

„ Ich nicht. Aber ich kenne einen, bei dem du es lernen kannst. Wenn du willst. Ich hätte aber was Besseres für dich."

Wieder macht Bob eine Pause.

Irgendwann muss der Junge doch neugierig werden. Der kann doch nicht immer mit diesem Hass in den Augen herumlaufen.

Beide sehen diese Augen. Der Rancher und der Sheriff.

„ Wo die Erziehung gefehlt hat“, sagt Long, „können Sie bei einem achtzehnjährigen Landstreicher die Versäumnisse nicht in ein paar Minuten wiedergutmachen, Sloan. Geben Sie’s auf! Reiten Sie nach Hause! Ich bring ihn an die Grenze, und wehe, er lässt sich hier noch einmal blicken!"

„ Für den Fehler haben Sie immer noch Zeit, Sheriff. Wollten Sie sich vorhin nicht rasieren? Ich schlage vor, Sie lassen uns für ein paar Minuten allein."

Long überlegt eine Weile. Dann nickt er und will verschwinden.

„ Den Schlüssel noch", ruft Bob, „den Schlüssel für die Zelle!"

„ Das ist ein Raubtier, Sloan. Da lass ich Sie nicht hinein!“

„ Holden geht Sie nichts mehr an, Sheriff. Sie müssen gleich sowieso aufschließen. Und da er für Sie ein Raubtier ist, lassen Sie mich das lieber machen. Ich bestehe darauf!"

Longs Schädel bewegt die wenigen grauen Haare hin und her. Wie Sloan das gesagt hat, ist es zwingend. Er tut ihm den Gefallen.

Er wirft sie.

Bob fängt sie.

Dann schlurft Long hinaus. Man hört die müden, latschigen Geräusche. Er trägt noch Hausschuhe und keine festen Stiefel.

Die Tür klappt.

„ Den sind wir los“, sagt Bob und öffnet das Schloss, zieht die Gittertür nach außen, hockt sich wieder auf den Holzschemel.

Keine Sekunde lang lässt er den Bengel aus den Augen.

Das geht eine Minute so, ohne dass einer etwas sagt.

„ Ich hätte was Besseres für dich", fängt Bob wieder an. „Pferde!“

Jetzt macht Ben Holden die Augen auf.

Bob bemerkt es und findet die Reaktion günstig. Er redet weiter:

„ Sie haben gesagt, du hättest Pferde gestohlen. Das ist eine Behauptung. Ich musste sie zur Kenntnis nehmen, und deshalb habe ich dich hierher gebracht. Aber heute Nacht musste ich über dich nachdenken. Ich hab’ dich wieder gesehen, wie du dich vor dein Pferd gestellt hast, wie du gesagt hast, dass ich dich an seiner Stelle erschießen soll. Du hast keine Pferde gestohlen, Benny. Das weiß ich genau. Wenn du Lust hast, reiten wir auf meine Ranch. Da ist noch Billy Prewitt und der Hund Terry. Und dann haben wir vier Pferde. Nicht viel... natürlich."

Sloan muss eine Pause machen. Nicht, dass er kurzatmig wäre. Aber lange Reden hat er nie gehalten. Und diese hier war schon sehr lang.

Im Augenblick fällt ihm auch nichts mehr ein. Er hat sowieso schon Ärger mit Bill, dass er diesen Jungen holen will. Bill kennt ihn nicht, sicher, doch aus den Erzählungen macht er sich ein Bild.

Du holst dir das Unglück auf die Ranch, hat Bill gesagt, als Bob weggeritten ist. Es ist noch früh gewesen. Ein bisschen Schlaf hat Bob im Sattel nachgeholt.

Jetzt sitzt er hier und will seinen Kopf durchsetzen. Er wird das Bild nicht los, wie Benny gestern vor seinem Schwarzen stand und die Arme ausbreitete.

Wer sich so für ein Tier aufopfert...

Plötzlich rutscht Benny von seiner Pritsche. Bob sieht, dass er barfuß ist. Der Saum seiner blauen, langen Hosen ist ausgefranst. In schmutzigen Fäden hängt er über die Knöchel.

Benny steht in der offenen Zellentür und hält sich an beiden Seiten an den Stangen fest.

Bob Sloan nimmt sein Messer.

„ Hier, fang!", sagt er und schleudert es zu Benny hinüber. Der holt es mit einer Hand aus der Luft.

Vorläufig tut Ben Holden überhaupt nichts. Das Messer hat er unbeachtet eingesteckt.

„ Komm jetzt!“, sagt Bob. „Formalitäten gibt es nicht zu erledigen. Wir gehen hinten hinaus. Da steht Torro.“

Ben Holden sagt kein Wort, aber er gehorcht. Nebeneinander gehen sie durch die Tür auf den Hof. Am anderen Ende liegt der offene Stall. Zwei Pferde stehen darin. Eins davon ist Torro.

„ Du kannst ihn satteln", sagt Bob Sloan. „Gefressen hat er."

„ Das sehe ich, Mister“, bemerkt Benny schnippisch.

Bob ist jetzt froh, dass er wieder redet.

„ Bring ihn über den Seitengang hinaus, Benny! Wir treffen uns vor dem Office, wo ich King stehen habe."

Bob geht wieder ins Haus. Der Sheriff trocknet sich gerade das Gesicht ab.

„ Alles klar", sagt Bob. „Hier sind Ihre Schlüssel. Die Sorge mit Benny sind Sie los.“

„ Und Sie haben sie am Hals!“

Bob zuckt mit der Schulter. Abwarten, denkt er.

„ So long, Sheriff. Falls doch noch jemand nach dem Jungen fragen sollte, bestellen Sie ihm, dass er bei mir ist. Es braucht sich keiner mehr um ihn zu kümmern. Benny ist kein Pferdedieb.“

„ So long!", sagt Long erleichtert. Er ist froh, alles hinter sich zu haben.

Benny kommt aus dem Nebenweg. Er führt Torro am Zügel. Auf der Mainstreet sieht er sich nach allen Seiten um. „Yeah, Torrrooo!", macht er mit seiner hohen Stimme.

Torro dreht sich und schießt auf die Mitte der Straße und steckt die Nase in den Wind.

Sekunden später ist er nach Süden verschwunden.

Bob Sloan reitet nach Süden.

Warum, weiß er selbst nicht.

Ein Stück hinter Thatcher steigt das Gelände leicht an. Auf einer Bodenwelle stehen vier Kiefern. Dort hält Bob. Von hier aus kann er weit nach Westen sehen. Am Horizont ist der Kamm des Sangre de Christo auszumachen.

Keine Spur von Benny.

Was mag diese Wildkatze sich denken?

Was bildet sie sich ein?

Er kehrt um.

*

Als er in die Stadt zurückreitet, muss er an die drei Kerle von gestern denken. Die haben sich nicht sehen lassen. Wer weiß, wie die aussehen? Ron Lighton vor allen Dingen.

Beim Jail sieht Bob nicht nach der Seite. Drei Häuser weiter steht Hinsbrocks Store. Da war noch was zu erledigen.

Bob steigt ab, bindet King fest und schaut durch die Scheibe.

Es scheint keiner im Laden zu sein. Keiner - außer Sally. Oder außer dem alten Hinsbrock.

Er geht hinein. Aus dem Hinterzimmer kommt Sally.

„ Guten Morgen, Sally!“, sagt Bob.

„ Guten Morgen, Bob! Fein, dass du mal hereinsiehst.“

„ Hm, ich brauche Nägel. Acht und Zwölf-Zöller. Je ein Paket."

„ Schon wieder? Ihr leistet schnelle Arbeit auf der Sloan-Ranch.“

„ Meinst du?"

„ Die Nägel hast du erst gestern gekauft."

„ Ich brauche genau noch einmal dieselbe Menge", sagt er störrisch. „Pack sie ein! Ich kann mich etwas setzen, oder?"

„ Der Stuhl ist ja frei“, meint sie und bückt sich unter den Tresen, um die Nägel zu holen. Sie schlingt einen Bindfaden darum.

„ Vier Dollar fünfzig macht das. Sag mal, hältst du es für richtig, dich mit den Kendalls anzulegen?"

So wechselt sie das Thema. Völlig eigenmächtig. So macht sie es immer. Ich will ja bloß ausruhen und überlegen, denkt Bob. Aber nicht mal hier kann man das.

„ Ich lege mich nicht an, mit keinem! Ich habe genug eigene Probleme."

„ Aber die verrätst du mir nicht wie?"

Bob dreht sich eine Zigarette. Dabei braucht er nicht zu reden. Dann sagt er:

„ Ich habe einen Menschen kennengelernt, aus dem ich nicht klug werde."

„ Das soll öfter vorkommen."

„ Er ist jung und dumm, glaube ich. Jedenfalls viel dümmer als ich. Er hat auch keine gute Erziehung. Trotzdem laufe ich ihm nach. Das ist mein Problem."

„ Well, und ausgerechnet ich soll dir dabei helfen?"

„ Nein, natürlich nicht. Ich muss wohl allein damit fertig werden."

„ Das denke ich auch!"

Sally sagt es merkwürdig scharf. Er blickt sie verdutzt an.

„ By Gosh, Sally, jetzt bringst du mich ganz durcheinander. Als ich vor der Tür stand, wollte ich dich fragen, ob wir wieder einmal tanzen gehen können ... zusammen."

„ Aber du hast es nicht gefragt. Du hast von einem dummen Menschen erzählt, dem du nachläufst."

„ Was hat das denn damit zu tun? Der Mensch ist ein halbes Kind."

„ Das war ich gestern auch noch."

„ Und er ist ein Mann. Oder er will es jedenfalls werden."

Sally wird knallrot. „Mein Gott, das ist ja auch ganz gleichgültig."

Bob Sloan lacht zufrieden.

„ Jetzt wohl nicht mehr. Du bist ja eifersüchtig."

Sie macht eine schnippische Handbewegung. Zufällig sieht sie dabei zum Fenster hinaus. „Da kommt übrigens Sheriff Mulligan. Was will der denn hier?“

„ Der aus Cucharas?“

Bob steht auf und dreht sich um. Sally hat die Gardine etwas hochgehoben.

„ Ja, es ist Dan Mulligan", sagt Bob. „Kollegenbesuch. Soll ja vorkommen. Übermorgen ist bei Hiller Tanz. Da hätte ich Lust."

„ Lust, wo du solche Probleme hast... mit dummen jungen Menschen?"

„ Ich glaube, ich muss ihn mir aus dem Kopf schlagen. Er hat mich nicht mal angesehen, als er eben wegritt. Dabei habe ich ihm das Leben gerettet."

„ Sprichst du vielleicht von dem schmutzigen Bengel? Das ist ein stinkiger Haufen Dreck. Der hat sich ja seit einem Jahr nicht gewaschen. Und Augen hat er - zum Fürchten. Ich wette, der gehört zu der Sorte, die einen umbringen, wenn man nur ein bisschen lacht.“

„ Dann scheinst du ihn ja besser zu kennen als ich."

„ Ich kenne ihn überhaupt nicht. Ich habe ihn nie gesehen, bis vorhin."

„ Dann bist du also ein sehr kluges Kind. Er bringt Menschen um, die lachen. Merkwürdig.“

„ Entschuldige, Bob! Natürlich kann ich mir kein Urteil über ihn erlauben. Ich habe das nur so dahergesagt. Ich fand ihn eben furchtbar schmutzig."

„ Aber du hast gesagt, er bringt Leute um, die lachen."

Bob Sloan ist aufgestanden. Er ist wütend und sieht über Sally hinweg, die erregt vor ihm steht und nach seinem Kinn fassen will.

Erregt ist er auch.

Und wie erregt er ist.

„ Übermorgen werden wir tanzen gehen, Bob. Du bist hergekommen, um mir das zu sagen. Ich will auch tanzen. Dann ist doch alles gut."

Er fasst ihren Arm und nimmt ihn herunter.

„ Ich glaube, du hast mir schon geholfen, Sally. So eine Unterhaltung läuft immer anders, als man es sich gedacht hat. Aber dann . .. trotzdem!"

„ Bob!“, sagt sie laut, dass man es im ganzen Haus hören kann.

„ Schon gut, Sally. Ich bin dir nicht böse. Natürlich werden wir tanzen gehen, jetzt erst recht. Und ich werde Benny mitbringen. Ich werde ihn unter die Pumpe im Hof stecken und ein ganzes Stück Kernseife auf ihm verreiben. Mal sehn, ob dann noch ein Mädchen in Thatcher sagt, er wäre ein stinkiger Haufen Dreck.“

„ Bob, so darfst du nicht mit mir reden! Ich nehme ja alles zurück. Ich habe um Entschuldigung gebeten. Was soll ich denn noch tun?"

„ Nichts, Sally. Warum regst du dich auf? Ich bin dir nicht böse. Genügt es nicht, wenn ich es einmal sage?"

„ Du siehst mich so an."

Er lässt sie los und setzt sich wieder auf den einzigen Stuhl in dem Raum.

„ Stell dich dahin! Ich will es dir sagen. Vielleicht verstehen wir es dann beide. Ich habe Benny das Leben gerettet. Drei Kendall-Männer mit dem Vormann wollten ihn aufhängen. Das habe ich vereitelt. Aber der Bengel hat es mir nicht gedankt."

„ Al Turner vielleicht? Und aufhängen wollten sie ihn?"

„ Unterbrich mich nicht, Sally. Sie sagten, er hätte drei Pferde gestohlen. Und für Lynchjustiz bin ich nicht zu haben. Verstehst du, oder? Ich habe ihn dann trotzdem im Jail abgeliefert, weil ich mir dachte, Kendall wird Anklage wegen Pferdediebstahls erheben."

Bob Sloan erzählt, wie es weiterging.

„ ... den Rest hast du gesehen. Er ist weggeritten, ohne mich noch einmal anzusehen. Vielleicht denkt er, ich stecke mit den Kendalls unter einer Decke. Aber jetzt ist es auch egal, was er denkt. Man kann ihn nicht dafür verantwortlich machen."

„ So, meinst du?“

„ Well. Man sagt, jeder ist verantwortlich für das, was er tut. Aber überlege mal, wie einem Menschen zumute ist, bei dem jeder so reagiert wie du vorhin. Man sieht ihn und sagt, er wäre ein Mörder."

„ Das habe ich nicht gesagt."

„ Du hast es anders gesagt, sicher. Aber du hast so gefühlt. Und ich habe überhaupt nichts gefühlt. Ich habe nur an ihm herumgeraten und alles falsch gemacht. Ihn überhaupt ins Jail zu schleppen, das war schon ein Fehler.“

„ Du hast nach dem Gesetz gehandelt, Bob. Mit Kendalls Anzeige musstest du rechnen. Die sind..."

„ Ben Holden ist kein Pferdedieb. Und wenn er Geld und Schnaps stiehlt, Pferde nie! Verstehst du?“

„ Laut genug sagst du’s ja!"

„ Ich habe dir erzählt, wie er sich vor Torro gestellt hat. Er wollte sich für ihn umbringen lassen. Wer Pferde liebt, stiehlt sie nicht. Idi werde auf keinen Fall ...“

Auf der Mainstreet steht Sheriff Long und ruft laut einen Namen.

„ Sloan! Wer hat Mister Sloan gesehen?"

Laut genug schreit er, dass man es im Store hören kann.

„ Was will der Sheriff von dir? Der brüllt ja wie ein Stier!"

„ Wir werden es gleich wissen, Sally", erwidert Bob ruhig. Er nimmt seinen Stetson und die Nägel. „Bis übermorgen bei Hiller!“

„ Bob!“, ruft Sally. Er hält noch einmal an, als er den Griff in der Hand hat. Das klingt, als hätte sie Angst um ihn.

„ Wiedersehen, Sally! Long ist nicht gefährlich, wenn du das denkst. Auch nicht, wenn er schreit. Der hat heute so viel erlebt, was er nicht begreift, dass er einfach schreien muss. Ich versteh’s ja auch gerade jetzt erst.“

Sie hat Angst um mich, denkt er, und geht auf die Straße …

*

„ Hier bin ich, Sheriff!"

Long schielt gerade auf Doc Lansdales Praxis und hat das Boardinghouse im Rücken. Er dreht sich um wie ein Kreisel.

„ Sloan! Da sind Sie, by Gosh! Kommen Sie ins Office! Wir müssen mit Ihnen reden. Der Tag beginnt so verdreht, wie er gestern aufgehört hat. So geht das nicht weiter. Dieser verdammte Dreckslümmel - dieser Tierquäler und Schinder... Sie haben verlangt, dass ich ihn laufen lasse."

Schnaubend kommt Long heran, unter dem Arm eine geladene Winchester.

Weshalb eine Winchester?

Dann sieht Bob den Sheriff von Cucharas vor dem Jail stehen.

„ Kommen Sie!", drängt Long.

„ Und ob ich komme! Mit dem, was Sie eben erzählt haben, müssen Sie aber noch mal von vorn anfangen. Ich habe kein Wort verstanden."

Bob hebt die Hand zum Gruß für Mulligan. Der antwortet mit einem finsteren Gesicht. Bob geht hinein und nimmt sich gleich den ersten Stuhl, damit er einen Sitzplatz hat. Sonst ist nämlich nur der Sessel am Schreibtisch noch vorhanden.

„ Sie haben Ben Holden angestellt, Sloan, höre ich", beginnt Mulligan sein Verhör.

Bob nickt.

„ Seit heute Morgen."

Mulligan sieht sich um und spielt nervös, bis Long auch für ihn einen Stuhl bringt.

„ Wo steckt der Bursche jetzt?“

„ Keine Ahnung. Er ist nach Süden geritten. Sheriff Long wird es Ihnen schon erzählt haben."

„ Das hat er. Aber Sie wissen mehr.“

„ Schon möglich, nur nichts über Benny."

„ Sie werden reden müssen, Mister Sloan. Es liegt eine Anzeige vor. Versuchen Sie nicht, den Täter zu decken. Sie wissen, was das für Sie bedeuten kann."

„ Ich würde sagen, Sie fangen von vorn an, Sheriff. Alle Sheriffs scheinen heute nervös zu sein."

„ Sparen Sie sich den Spott! Ich meine es verdammt ernst. Ich komme nicht zum Spaß von Cucharas herüber."

Schon möglich, denkt Bob. Es gibt Leute, denen macht das Reiten und die Arbeit keinen Spaß. Aber er denkt es nur, weil es so besser ist.

„ Sie haben Long gestern eine blödsinnige Story erzählt", fährt Mulligan fort. „Von Lynchjustiz und so. Aber eine Anzeige haben Sie nicht aufgegeben."

„ Stimmt!", sagt Bob Sloan. Mehr nicht.

Er ist sonst nicht störrisch, schon gar nicht gegenüber einem Sheriff, der für Ordnung sorgen will. Nur, wie ihn Mulligan eben begrüßt hat, das reicht schon, ihm nicht gleich alles, was er sich denkt, auf die Nase zu binden.

„ Ich habe ihm schon ein paar mal gut zugeredet“, sagt Long. „Er will die Leute nicht nennen, Mulligan.“

„ Er will sie nicht nennen, weil es sie nicht gibt!", behauptet Dan Mulligan. „Nicht weit von Ihrem Land, Sloan, wurden drei Pferde gefunden. Kendalls Pferde, Sloan! Abgeschlachtet! Von einem Irren! Es gibt Zeugen dafür, die gesehen haben, dass Ihr Angestellter Holden zuletzt mit diesen drei Pferden zusammen war. Außerdem gibt es an den Eigenschaften dieses Burschen keinen Zweifel. Dafür haben wir drei Dutzend Zeugen. Und ich schätze, Sie werden uns keine Schwierigkeiten machen, für Recht und Ordnung zu sorgen."

„ Im Gegenteil! Wenn es ums Recht geht, werde ich Ihnen helfen, Sheriff. Nur - Ben Holden ist es nicht gewesen."

Long und Mulligan starren ihn sprachlos an. Der Sheriff von Cucharas schnauft wie ein Büffel.

„ Sie reden sich um das Ansehen eines ehrlichen Mannes, Sloan! Ist Ihnen das klar? Sie wissen, wo Holden steckt."

Sheriff Long haut in die gleiche Kerbe.

„ Ich verstehe Sie nicht, Sloan. Sie haben dem Jungen geholfen, well. Und wie hat er es Ihnen gedankt? Der und Ihr Angestellter! Der hat Sie nicht einmal mehr angeguckt, als er weggeritten .ist. Wenn es Zeugen gibt, dürfte es wohl keinen Zweifel mehr geben. Wir drei wissen genau, dass Holden alles zuzutrauen ist. So ziemlich alles, by Gosh!"

„ Ich weiß nicht, wo er steckt. Das kann mir Sheriff Long bestätigen. Und er ist’s auf keinen Fall gewesen. Die Kendall-Leute haben vergessen, Ihnen zu erzählen, dass man Ben Holden gestern Nachmittag aufhängen wollte. Der wesentliche Teil fehlt in dem Bericht, den man Ihnen gegeben hat, Mulligan. Der Baum für Holdens Strick steht aber nicht drüben in Ihrem Distrikt, sondern ganz nahe beim Tahopi-Plateau."

„ Wollen Sie jetzt vielleicht noch behaupten, es waren Kendalls Männer, die Holden den Strick drehten?"

Bob zuckt mit der Schulter.

„ Sagen Sie selbst, Sheriff, was für einen Sinn es für mich hat, die Leute anzuzeigen! Sie waren zu dritt, und ich habe keinen Zeugen. Bis auf Holden, dem doch keiner glaubt. Dieselben drei Männer haben mich gestern Abend, als ich von Thatcher nach Hause ritt, überfallen, und es hat eine derbe Schlägerei gegeben. Sie können sich ja alle Burschen im County ansehen. Vielleicht trägt der eine oder andere noch ’n Denkzettel im Gesicht. Aber es ist meine Sache, ob ich eine Staatsaktion daraus mache oder nicht.“

„ Sie reden mir zuviel anderen Kram, Sloan. Bleiben Sie bei der Sache! Ich habe einen Haftbefehl für Ben Holden in der Tasche. Und ich brauche diesen Mann."

„ Dann müssen Sie ihn suchen, Sheriff!“

*

Es war eine Luft im Office, dass man nur noch ein Streichholz anzureißen brauchte, um die ganze Bude in die Luft zu jagen. Bob ist froh, dass er draußen ist.

Wenn Benny gescheit ist, denkt er, macht er sich aus dem Staub. Nach New Mexico. Oder nach Texas.

Torro ist ein Gaul, wie man ihn zwischen El Moro und La Junta nicht wiederfindet. Auf dem holt ihn keiner ein.

Aber Benny macht, was er will. Nicht, was andere denken. Wenn sie ihn schnappen, verurteilt ihn jedes Gericht.

Was hat Sally gesagt?

„ By Jove, Benny gehört zu denen, die immer schuldig sind. Ob sie’s waren oder nicht.“

Bob Sloan geht quer über die Mainstreet auf Doc Lansdales Haus zu. Er zieht an der Glocke. Die Dienerin Betty macht auf.

„ Ist der Doc da, Betty?“

„ Kommen Sie herein, Master Sloan!“

Lansdale hat das wettergegerbte Gesicht des Westens. Er war einer der ersten in Thatcher. Thatcher und Doc Lansdale gehören einfach zusammen. Das eine ist nicht ohne den anderen denkbar.

Der Arzt begrüßt ihn freundlich und fragt nach seinen Wünschen.

„ Hätten Sie sechs Stunden Zeit, Doc?“

„ Sechs Stunden? Ein bisschen viel, Sloan.“

„ Hinter meiner Berggrenze liegen drei tote Pferde. Man hat sie gestern kaltblütig abgestochen.“

„ Drei von Ihren?“

„ Sie gehören Kendall. Aber man will einem meiner Leute die Sache in die Schuhe schieben. Seit gestern arbeitet ein Neuer bei mir. Der soll es gewesen sein. Ich habe aber allen Grund anzunehmen, dass das nicht stimmt.“

„ Sie verwechseln mich mit dem Sheriff, Sloan.“

„ Ich brauche Sie als Arzt. Ich will wissen, wie lange die Tiere tot sind.“

„ Das werde ich Ihnen nicht sagen können. Ich bin kein Veterinär. Nur ein kleiner Landarzt, der froh ist, wenn er den Menschen helfen kann.“

„ Sie haben genauso vielen Tieren geholfen.“

„ Solange sie noch lebten, Sloan, natürlich. In diesem Fall bin ich wirklich nicht zuständig. Es hat keinen Zweck, dass ich mitkomme. Es wäre vergeudete Zeit.“

Dann steht Bob wieder draußen auf der Straße.

Die Sache hat sich herumgesprochen. Gegen Kendall wird keiner etwas aussagen, keiner in Thatcher - nicht mal der ehrenwerte Doc Lansdale.

Bob überquert die Straße und bindet King los. Er sieht noch einmal bei Hinsbrock durchs Fenster. Der Alte bedient eine Frau. Sally ist nicht zu sehen.

Er steigt in den Sattel und reitet an.

Der Mann, der vor einem halben Jahr nach Thatcher kam, sich Land kaufte und ein Haus baute. Der für Thatcher der Neue ist.

Kendall und Thatcher: das ist ganz was anderes.

Übermorgen werden sie tanzen gehen.

In Hiller’s Saloon.

Sally und Bob ...

Er reitet nach Westen.

Acht Meilen bis zum Apishapa River. Am Sattel hängen zwei Pakete mit Nägeln, die er nicht braucht. Oder erst im nächsten Frühjahr.

*

Die Sonne hat ihren höchsten Punkt erreicht.

Das Land ist öde, heiß und trocken.

Wie weit wird Bob Sloan gehen können, um er selbst zu bleiben? Bis gestern wusste er nicht, dass er Kendall im Wege ist. Sicher, George Kendall war wütend gewesen, als Bob Sloan im letzten Herbst fünftausend Acres Weideland links vom Apishapa River kaufte. Es war eine sehr gute Ecke. Mit drei Meilen Zaun hatte er sein Gebiet abgesichert. Im Norden und Westen bilden steile Hänge die natürliche Grenze.

Da braucht es keinen Zaun und keinen Wächter für die Rinder. Es ist ein ideales Stück Land. Aber für Kendall ist noch genug da. Kendalls Besitz reicht bis an den Distrikt von El Moro.

Alle haben genug und können noch mehr nehmen.

Was will also Kendall von ihm?

Oder AI Turner? Vielleicht ist es nur der Vormann, dem es nicht gefällt, dass man ihm einen Mann aus der Hand nimmt, für den er selbst den Strick gedreht hat. Vielleicht sind es nur diese wilden Männer von der Weide, die glauben, ihr Recht selbst machen zu können.

Man müsste zu Kendall reiten und ein offenes Wort mit ihm reden. Kendall hat es nicht nötig, ungerecht zu sein.

Kein Mensch am Tahopi-Plateau. Sie werden die Nase von gestern voll haben. Höchstens bei Nacht werden sie kommen, wenn sie auf Rache sinnen ...

Al Turner, Ron Lighton und Fred Henderson.

Bestimmt hat Ron Lighton die Nase voll. Wie er sich aufs Kreuz gelegt hat. Wie ein Sack Mehl.

Platsch! Und nicht mehr gerührt hat er sich ...

Auf der hellen Erde steht plötzlich ein schwarzer Punkt. Genau auf dem Weg zur Furt. Es ist ein einzelner Reiter, der schnell näherkommt.

„ Keine Sorge, King, der kann uns nicht gefährlich werden. Nicht ein einzelner.“

Die Poststraße macht jetzt den Bogen nach rechts. Bob Sloan biegt auf den ausgetretenen Pfad ab, der die nächste Verbindung zu seiner Ranch darstellt.

Der Reiter ist genau vor ihm. Er traktiert sein Pferd wie ein Wilder. Er hetzt daher wie auf der Flucht, aber außer ihm ist weit und breit kein Verfolger zu sehen.

„ Dem werde ich beibringen, wie man ein Pferd behandelt, by Gosh! Dieser Tierquäler! Dieser ..."

Jetzt erkennt er ihn.

Zuerst das Pferd. Die Schecke Milly. Es ist Billy Prewitt.

„ Bei Gott, Billy! Ist der Junge verrückt geworden? Fängt der jetzt .auch schon an? Was ist los in Thatcher und im County, seit Ben Holden hier aufkreuzt? Bleib’ stehen, King!"

Billy ist heran.

„ Brr, Milly! Brr!“

Die Schecke steht. Dicht vor King hält sie an und dampft und zittert.

Bill Prewitt keucht. Sein Gesicht ist eingefallen. Als ob er seit gestern fünf Pfund abgenommen hätte.

„ Bill! Bist du wahnsinnig geworden? Welcher Teufel reitet dich denn? Du richtest dein Tier zugrunde wie ein Buschklepper. Du ..."

„ Da gibt’s nichts mehr zugrunde zu richten, Bob. Wir sind fertig. Ich wollte dich noch in Thatcher erreichen. Jetzt hast du’s nicht mehr so weit."

Plötzlich lässt Bill Prewitt den Kopf hängen und scheint nichts mehr sagen zu wollen. Er atmet nur noch schwer.

Bob Sloan passt das nicht.

Solche halben Geschichten hat er heute genug gehört. Von Sally, von Long und von Mulligan.

„ Wenn man dich so sieht, müsste man glauben, dass wir fertig sind. Aber bevor ich verrückt spiele, musst du mir schon einen Grund dafür geben. Ist bei dir etwas schiefgegangen?"

„ Bei mir?"

Bill starrt ihn .an wie ein Gespenst. „Well, ich werd's dir wohl sagen müssen. Ich war bei den Rindern draußen. Zwei haben heute früh gekalbt. Es ist alles glatt gegangen. Terry und ich haben vor Freude getanzt. Dann sah ich es am Himmel...“

„ Was hast du gesehen? Muss man jedes Wort einzeln aus dir herausquetschen?“

Bill holt ein rotes Tuch aus der Tasdie und schneuzt sich. Dann steigt er aus dem Sattel, geht zu einem großen Stein am Weg und setzt sich.

Nach der irrsinnigen Hetzjagd ist eine gefährliche Ruhe über ihn gekommen.

Bob ahnt nichts Gutes. Auch er kommt herunter und setzt sich neben Billy Prewitt. Er drängt ihn nicht mehr, sondern wartet nur.

„ Sie haben die Ranch angesteckt!", sagt Bill dann heiser.

Bob ist sofort wieder hoch und herum. Einen Augenblick sieht es aus, als wollte er sich auf Bill stürzen.

„ Das Haus?", fragt Bob keuchend.

„ Ja, mit Feuer, mit richtigem Feuer! Sie haben es angesteckt und abgebrannt... alles! Das Haus, den Stall, die Schmiede. Es gibt keine Sloan-Ranch mehr!"

Bills Stimme zittert nicht mehr.

Er hat es von der Seele. Er ist auf einmal ganz ruhig. Jetzt kann Bob Sloan explodieren, kann ihn totschlagen oder sonst was. Das ändert nichts mehr, und Bill hat es von der Seele.

Er ist ganz ruhig.

„ Abgebrannt?"

„ Bis unten hin, Bob! Ich war vier Stunden draußen. Sie haben Zeit genug gehabt. Sie konnten an allen vier Ecken zugleich anfangen. Der Ostwind bläst gut heute. Ich war rein verrückt. Ich musste dich finden."

Er bricht ab und starrt auf seinen Boss.

Was der jetzt macht ...

Irgendwie muss das Unglück jetzt doch weitergehen. Es kann nicht plötzlich alles zu Ende sein. Nicht so wie vorher.

Das Haus stand in Flammen. Von oben bis unten. Der Ostwind hat hineingefegt, und die Balken sind eingestürzt, einer nach dem anderen.

Es gibt keine Sloan-Ranch mehr.

Nur Bob Sloan ist noch da.

Und er müsste jetzt explodieren, wenn er ein Mensch aus Fleisch und Blut ist.

„ Und die Rinder, Bill?"

„ Die sind in Ordnung. Ich war ja noch bei ihnen."

„ Well, wir werden sehen. Wir reiten zur Ranch, Billy. Steig auf!“

Zur Ranch! Wie das klingt!

Bob ist im Sattel. Seine Zunge gibt das Zeichen für King. Der macht sich lang.

Bob spricht nicht mehr.

Er reitet wie der Teufel, drängt King, immer noch schneller zu werden. Er lässt dem Braunen keine Ruhe.

Milly kann nicht mehr. Sie kann nicht Schritt halten. Bob Sloan treibt seinen Braunen erbarmungslos zuschanden, bis zum Apishapa River, wenn er so weitermacht.

Er ist allein und weit voraus.

Jetzt sieht er die Rauchfahne. Er hätte sie längst sehen müssen, aber es ist Ostwind. In Cuchara werden sie es sehen. Aber nicht in Thatcher.

„ Vorwärts, King! Noch eine Meile. Gleich hast du’s geschafft! Sie haben deinen Stall verbrannt. .. sie ...“

An den Ufern des Flusses stehen Bäume. Zu beiden Seiten.

Er muss noch durch den Wald, dann durch die Furt.

Jetzt sieht er es.

Ein Kloß steckt ihm im Hals. Mehr nicht. Ein Kloß.

Das heiße Feuer lässt ihn kalt. Merkwürdig kalt lässt es ihn. Er kommt sich selbst fremd vor. Er sieht die Trümmer und erschrickt vor sich selbst.

„ By Gosh, Bob Sloan! Das wirst du nicht machen!“

King erklimmt das Ufer und rennt weiter. Bis dicht vor den Haufen glühender Holzkohle. Er steilt plötzlich und wiehert. Er hasst das Feuer.

„ Ein schönes Feuer, wie, Mister?", sagt plötzlich eine Stimme.

Bob fährt herum und sieht ihn dicht vor sich ...

„ Benny!

"

*

Beim Ritt hat Bob die verrücktesten Gedanken gehabt.

Im Geist hat er die Flammen gesehen, die stürzenden Balken, die aufflackernde Glut, die der Ostwind neu entfacht. Er hat geglaubt, mitten hineinzureiten.

Die Flammen sind an ihm hochgeschlagen. An ihm und King! Sie haben alles gefressen. Und dann ist es aus gewesen. Es hat keine Probleme mehr gegeben.

Keine mit der Ranch, die erst ein bescheidener Anfang war. Keine mit dem Haus, mit Sally, mit Kendall... und keine mit Ben Holden.

Mehr kann nicht auf einmal über ihn hereinstürzen.

„ Verdammt, Benny!", sagt er rau. Seine Kehle ist glühend wie ein Brandeisen.

„ Hallo, Mister!", ruft Benny und kommt linkisch näher. Zuerst sieht er Bob frech und frei in die Augen, dann blickt er zu Boden. Er hat beide Hände in den Taschen, als er auf Bob Sloan zugeht. Er tritt wütend nach einem glühenden Stück Holz, das ihm gerade in den Weg fliegt. Dann hat er Spaß daran, dass seine Stiefelspitze dem Ding einen tollen Schwung gegeben hat. Es fliegt hoch in die Luft, und er bückt sich und rennt, um es nicht auf den Kopf zu kriegen.

Wie er vor Bob steht, keucht und lacht er.

„ Yeah, Boss, ich bin da!“

„ Das sehe ich, du Narr! Und jetzt hör endlich zu grinsen auf! Ich verdresche dich, bis du liegenbleibst und dein Leben lang das Aufstehen vergisst. Wenn du ... by Gosh, no!"

Eine Sekunde lang hat Bob Sloan diesen schockierenden Gedanken gehabt, der noch schmerzlicher ist als der Anblick des brennenden Hauses.

Wenn du es gewesen bist, schlage ich dich tot! wollte er sagen.

Aber er sagt es nicht. Doch Benny scheint es in seinen Augen zu lesen.

„ Ach, so ist das, Mister!"

Sein Grinsen ist wie weggeblasen.

Die Hände fahren aus den Taschen, die Rechte schnell zum Gürtel, und schon ist das Messer da. Die Klinge spiegelt sich rot in der Glut.

„ Jetzt mache ich dich fertig, Mister! Verdammter Hund! Du denkst, was für ein Riese du bist, was? Und so ein feiner Mensch, der Pferdediebe vor dem Galgen rettet, weil auch die Lynchjustiz ein Verbrechen ist. Stell dich hin, Mister! Schiel nicht so ins Feuer. Dein Haus ist hin. Du brauchst es auch nicht mehr. Gleich brauchst du es nicht mehr.“

„ Keinen Schritt weiter, Benny!“, sagt Bob gefährlich ruhig.

Benny steht gebückt zum Sprung.

Eine Katze!

Er keucht wütend, aber er bleibt stehen.

Bob rührt sich nicht. Kein Muskel bewegt sich bei ihm. Seine Hände sind leicht vom Körper abgewinkelt. Die Rechte fünf Zoll vom Colt entfernt.

„ Well, Mister, ich weiß, du willst mich erschießen. Du denkst, eine Kugel ist schneller als mein Dolch. Das wirst du nicht mehr lange denken. No, Mister, du wirst das Ding gar nicht sehen. Kaum, dass ich mich rühre, hast du’s in deinem ..."

„ Ich wusste gar nicht, dass du dir Mut madien musst, Kröte."'

„ Sag nicht noch einmal Kröte, Mister!“

„ Dann sag du nicht Mister, verstanden? Ich habe einen Namen.“

„ By Gosh, den brauchst du nicht mehr! Oder willst du ein Holzkreuz aufs Grab ... mit Bob Sloan darauf, wie?"

„ Steck das Messer weg, Benny! Du bist verrückt. Nimm dich endlich zusammen und werde vernünftig! Wir haben jetzt verdammt andere Sorgen."

Ben Holden lässt ein schrilles Lachen los, aber er verändert seine Stellung nicht dabei. Er gibt sich nicht die geringste Blöße. Sein Auge flackert nicht.

Und Bob weiß, dass er das Messer gebrauchen wird.

Der Bengel will es ausfechten, und es gibt keine Macht der Welt, die ihm das ausreden kann.

„ Hast wohl Angst, wie?"

„ Die meisten sterben, weil sie zu wenig Angst haben. Sie fühlen sich wie Helden. Genau wie du jetzt! Sie denken, der kann mir nichts. Und dabei denken sie falsch. Eben das bisschen zu falsch, das sie dann das Leben kostet I"

„ Hast wohl Schulmeister gelernt, wie? Hört sich prima an, die Story. Für kleine Jungen ... Ein schönes Feuer, was? Haben die Burschen kunstgerecht angelegt. Man soll eben keine Pferdediebe vor dem Galgen retten. Macht sich nicht bezahlt, Mister Sloan!"

„ Ich weiß, dass du die Pferde nicht gestohlen hast."

Benny faucht.

„ Noch so ein frommes Wort, Mister! Du zitterst ja am ganzen Leibe. Ich mach’s kurz.“

„ Deine Hand muss erst vorschwingen. Du kannst wirklich schlecht rechnen, Benny. Mein Weg zum Halfter ist nicht ein Viertel so weit. Und ich schieße aus der Hüfte. Wie schnell eine Kugel ist, brauche ich dir ja wohl nicht zu erklären. Das wissen auch die Dümmsten in der Schule. Vorausgesetzt, du hast jemals eine kennengelernt."

„ Heuchler! Jetzt leg ich dich.,.“

Das Messer ist schon unterwegs. Wegducken geht nicht mehr. Für die kurze Entfernung hat Bob das auch gar nicht einkalkuliert.

Er hat von Anfang an gewusst, dass er schießen muss, und manchmal ist es ihm direkt gleichgültig gewesen, wer von beiden der Schnellere sein würde.

Wenn er Benny richtig eingeschätzt hat, wäre er es wert, weiterzuleben. Doch im entscheidenden Augenblick haben solche Gedanken keinen Platz mehr.

Wie von selbst fliegt der 45er aus dem Halter. Er schwebt nur ganz leicht in der Hand. Ein Donner dicht vor seinen Augen.

Der Dolch fängt den Schlag ab, gerät in eine schnelle Drehbewegung und fährt singend in den Boden.

Bob Sloan steckt die Waffe zurück.

Benny bekommt den Mund nicht mehr zu. Er ist fertig. Seelisch und moralisch fertig. Soviel Zauberei gibt es nicht. •

Dann packt ihn der Schüttelfrost. Er jagt die sieben Schritte auf Bob zu, wirft sich vor ihm auf die Erde und umklammert seine Beine.

„ Ich bin ein ganz gemeiner Schurke, Mister. Ich bin ein elender Nichtsnutz. Ich habe noch nie was getaugt, und ich habe auch die Kendall-Leute bestohlen. Es ist alles wahr, Mister! Warum hast du mich nicht getötet?"

„ Weil du deshalb wahrscheinlich nicht hergekommen bist.“

„ No, natürlich nicht. Trotzdem ..."

„ Steh auf und nimm dein Messer! Well, was hast du den Kendall-Leuten gestohlen?“

„ Eine Flasche Whisky, Mister Sloan."

„ Ich heiße Bob. Erzähl, wie es gewesen ist!“

„ Wie? Erzählen soll ich? Bei diesem Feuer? Kannst du jetzt zuhören, was Ben Holden für eine Story bringt?"

„ Der Ranch ist nicht mehr zu helfen. Da sind wir eine halbe Stunde zu spät gekommen. Wir werden ganz von vorn anfangen müssen, Benny.“

„ Wir?"

„ Ich denke doch. Oder willst du weiterreiten? Ich könnte es verstehen. Die Leute in dieser Gegend sind kaum deine Freunde.“

„ So viele Freunde braucht man nicht, Bob. Ich glaube, meistens genügt schon einer, wenn er was taugt. Yeah, ich möchte gern hierbleiben, wenn ich darf. Ich möchte sehen, wie es den Verbrechern an den Kragen geht."

„ Welche Verbrecher meinst du?"

Benny kneift ein Auge zu. „Kommst wohl nicht selbst darauf, wer das gewesen ist, wie?"

„ Nun, die Auswahl ist ja nicht groß. Aber wir können nichts beweisen."

„ Ich weiß, wer es war, Bob. Ganz einwandfrei. Ich habe sie gesehen."

Bobs Augen werden ganz schmal. Wenn Benny es gesehen hat...

„ Wen hast du gesehen? Und was hast du gesehen?"

„ Es waren drei. Genau die drei von gestern: AI Turner, Ron Lighton und Fred Henderson. Sie ritten nach Südwesten, am Apishapa River hoch."

„ Wann hast du sie entdeckt? Waren sie hier?"

„ Sie waren eine halbe Meile weg. Aber kein Zweifel, dass sie von hier kamen. Die Fährte dürfte noch frisch sein."

„ Die Fährte dürfte noch frisch sein ..." überlegt Bob Sloan laut. „Sie reiten flussabwärts ... Wenn sie am Low Creek rechts abbiegen, sind sie auf meiner besten Weide. Yeah, Benny, hol dein Pferd. Hast du eigentlich keinen Revolver?"

„ Wozu? Ich habe noch nie im Leben geschossen. Ich habe ein Messer."

Der letzte Satz klingt so überzeugend, dass Bob Sloan keine weitere Frage mehr stellt. Er muss an die Rinder denken.

Die Männer, die dieses Feuer gelegt haben, schrecken vor nichts zurück.

Er steigt in den Sattel.

In diesem Moment kommt ein Reiter ans andere Ufer. Der Wald hat den Hufschlag gedämpft. Jetzt hört man ihn.

Benny greift wild nach dem Messer und starrt hinüber. Als ob er die Entfernung schätzt.

„ Keine Dummheiten, Benny! Das ist mein Freund Billy Prewitt. Seine Milly hat auf den letzten Meilen das Tempo nicht mehr ganz durchgehalten.“

„ Schon gut, ich erkenne ihn. Das ist der Mann, der bald vor Entsetzen ins Feuer gerannt wäre. Ich habe mich versteckt, als er kam."

„ Das war das beste, was du tun konntest."

„ Hm, so gefährlich sieht der gar nicht aus.“

„ Das ist ja das Gefährliche an ihm. Hallo, Bill!“

Milly kommt durch die Furt und die Uferböschung herauf. Langsam trabt sie heran. Bill geht sofort aus dem Sattel, um es ihr leichter zu machen. Die Stute dampft und zittert. Der Anblick des Feuers macht sie nicht gerade ruhiger.

„ Hallo, Bob, da bin ich! Dieser... das ist wohl Benny, wenn ich mich nicht irre, wie?“

„ Ja, das ist Benny. Ich habe ihn bei uns eingestellt. Er versteht viel von Pferden. Wie er mit Rindern zurechtkommt, muss ich erst sehen."

„ Nicht gut, Bob", sagt der Junge sofort. „Macht euch keine Hoffnungen. Vor Rindern habe ich Angst, weil sie so groß sind."

„ Sind Pferde kleiner?"

„ Pferde sind nicht plump und nicht unberechenbar."

„ Ich heiße Bill Prewitt", sagt jetzt der Freund. „Gib mir die Hand, Benny, und lass uns reiten. Ich sehe, dass ihr was vorhabt."

Auch Bill scheint nicht zu sehen, dass hier die Ranch abbrennt, in die sie ein halbes Jahr Arbeit und eine Menge Geld gesteckt haben.

Bobs Unruhe hat nichts mit diesem Feuer zu tun.

„ Benny sagt, er habe Turner, Lighton und Henderson in der Nähe gesehen. Sie sind den Fluss hinaufgeritten.“

„ Er hat sie gesehen? By Gosh, dann sind die Halunken reif für den Sheriff! Kendall-Leute! Ich hätte mir vor drei Tagen nicht träumen lassen, dass es einmal so weit kommen würde.“

„ An allem bin ich schuld“, sagt Benny fast demütig, und trotzdem flackert es wild in seinen Augen. Der Zorn ist nach innen gerichtet. „Aber wenn wir jetzt nicht reiten, vergreifen sie sich noch an euren Rindern."

„ Komm du langsam nach", sagt Bob zu Bill Prewitt. Doch der hängt sich sofort an ihre Hufe. Er hat Milly auf den letzten drei Meilen ausruhen lassen. Sie geht den Galopp mit.

*

Die Fährte der drei Reiter ist in dem weichen Uferboden leicht zu erkennen. Bis zum Low Creek ist alles klar. Dann biegt die Fährte nach Süden ab. Bob Sloan hält an.

„ Sie sind nach Hause geritten. Aber wir werden trotzdem nachsehen.“

Sofort reitet er wieder an. Bill und Benny folgen ihm dichtauf.

Sie erreichen den Weidezaun, der Sloans Land nach Süden abgrenzt. Dann sehen sie die ersten Longhorns.

Hinter einem Felsen taucht Terry auf. Bellend kommt er herangejagt und springt an Milly hoch. Es ist ein Freudengruß. Demnach ist auf der Weide alles in Ordnung.

Sie reiten bis zu der Felskuppe, die noch eine Meile vor dem Steilhang steht. Dahinter grasen die beiden anderen Pferde. Sie sind frisch und ausgeruht.

„ Ich sollte Nose nehmen", sagt Bill Prewitt. „Und auch dir könnte ein Pferdewechsel nicht schaden, Bob.“

Der nickt und wechselt schon den Sattel.

Kurz darauf reiten sie weiter zu den Rindern. Im Trab umkreisen sie die Herde. Als sie bei den beiden Kälbern ankommen, steigt Bob ab. Er geht zu den jüngsten seiner Erdenbürger hin und streichelt sie. Bockig versuchen sie auszuweichen.

Benny hört mit Staunen, dass Bob Sloan lachen kann.

Immer noch!

Es ist ein kurzes Lachen.

Sie reiten weiter, vollenden die Runde und kehren an den Felsen zu den Pferden zurück.

„ Wir werden diese Nacht hierbleiben", entscheidet Bob. „Dicht bei der Herde. Für den Fall, dass der Krieg weitergeht.“

„ Er geht weiter!", sagt Ben Holden. „Glaubst du etwas anderes, Boss? Dann bist du ein armer Irrer. Und wenn die anderen nicht kommen, sind wir an der Reihe. Was meinst du, wie herrlich es aussehen wird, wenn wir erst auf Kendalls Ranch ein Feuer legen?“

„ Wir werden kein Feuer legen, Benny! Keiner von uns. Kein Mitglied der Sloan Ranch."

„ Wenn dich dein Gewissen plagt, kann ich diese Nacht noch reiten. Ich bin Benny Holden, sonst nichts. Ich habe ihnen Whisky geklaut, als sie nicht aufpassten, und dafür wollten sie mich hängen. Für eine halbe Taschenflasche Whisky, Gents!“

„ Man stiehlt auch keinen Whisky!“, brummt Billy Prewitt.

„ Ihr seid ja merkwürdig ehrlich, das muss ich schon sagen. Aber ehrliche Leute sind nicht immer schlecht.“

„ Sieh mal an!“

„ Lachst du vielleicht über mich, Bill Prewitt?“

„ Ich staune nur, Boy. Du willst also die Kendall-Ranch anstecken?“

„ Sie wird ein herrliches Feuerchen geben! Ein Feuerchen, an das alle Desperados dieser Crew ihr Leben lang denken werden."

„ Die Kendalls sind keine Desperados!", entgegnet Bob knapp.

„ Sie sind welche. Wer dem Nachbarn das Haus ansteckt, ist ein Bandit."

„ Und was ist einer, der fremden Leuten Whisky stiehlt?“

Benny springt auf und hat das Messer in der Hand.

Bill dafür den Revolver.

„ Sag das noch mal!", zischt Benny. „Sag das noch ein einziges Mal!"

„ Es war eine Frage."

„ Du kannst sofort reiten, wenn du willst", unterbricht Bob Sloan das seltsame Gespräch. Er sitzt mit angezogenen Knien auf der Erde und hat nur einen Grashalm in der Hand. Sehr gefährlich sieht er nicht aus.

Trotzdem...

Benny zuckt zusammen und zieht den Kopf zwischen die Schultern. Wie er es immer tut, wenn er sich wie eine Katze duckt.

„ Ich wäre dann also mein freier Mann?"

„ Frei bist du immer, auch bei mir. Aber nie so frei, dass ich dich nicht zur Rechenschaft ziehen würde, wenn du auf Kendalls Ranch auch nur eine kleine Flamme entzündest."

„ Das begreife, wer will!“, stöhnt Benny, dem es nicht in den Kopf will, dass seine einfache Auffassung vom Leben den anderen so unverständlich ist.

„ Wenn mir einer was antut, nehme ich Rache. Wer nicht Rache nimmt, ist mitschuldig."

„ Das begreife ich nun wieder nicht“, knurrt Billy. „Woran mitschuldig?“

Bennys Messer steckt schon wieder im Gürtel. Wer lange mit ihm redet, kann ihn einwickeln, möchte man denken.

„ Wer Banditen nicht bestraft", sagt er mit altklugem Gesicht, „sorgt dafür, dass sie sich ausbreiten. Also werde ich Feuer bei Kendall legen!"

Das klingt wie eine beschlossene Sache, an der keiner mehr was ändern kann.

Bob Sloan spielt noch immer mit dem Grashalm. Er sieht auch nicht auf, als er jetzt redet.

„ Wer von euch Kendalls Ranch anzündet, wird mich auf der Fährte haben. Und wenn er bis Sonora reitet. Ich werde ihn einholen!"

Auch das klingt wie eine beschlossene Sache. Benny sackt in sich zusammen. Er starrt zu Bob hin wie auf ein anschleichendes Raubtier. In seinen wasserblauen Augen steht die Erinnerung an das Duell, das noch keine zwei Stunden her ist.

Er weiß es: dieser Mann, der ihn einmal überwunden hat, wird ihn immer wieder schaffen. Gegen Bob Sloan ist er machtlos.

Bob starrt auf den Grashalm zwischen seinen Fingern, aber Benny weiß, dass er nie im Leben so scharf beobachtet worden ist.

Sein krummer Rücken spannt sich. Er stützt sich nach hinten auf beide Hände.

„ Schade, Bob. Du wirst dich nicht rächen. Es tut dir nicht weh, das Feuer, wie? Ich habe lange dabei gesessen, Männer, und es hat mich fertig gemacht."

„ Du hast gemeint, es ist ein schönes Feuer."

„ Es hat mich fertig gemacht. Das geht mir immer so, wenn etwas schön ist. Whisky ist schön und Frauen sind schön. Aber dieses Feuer! Wenn das mein Haus gewesen wäre, ihr Narren, ich wäre genauso ausgebrannt! Ich wäre innen ganz hohl."

„ Er spricht wie ein Dichter“, sagt Billy rau.

„ Vielleicht ist er einer", meint Bob. „Wir wissen es nur nicht. Du könntest Holz sammeln, Benny. Wir werden heute Nacht bei der Herde bleiben.“

„ Ich gehe mit", sagt Bill Prewitt.

„ Wir gehen alle", erklärt Bob Sloan und steht auf.

*

Später sitzen sie am Feuer und starren in die Glut. Sie haben ein Kalb geschlachtet. Irgend etwas müssen sie essen.

Dieses Feuer ...

Keiner sagt es. Jeder denkt bestimmt was anderes, aber irgendwo kommen diese Gedanken zusammen.

Dieses Feuer ...

„ Du hast ihnen Whisky gestohlen, und dann wollten sie dich hängen", fängt Bob nach einer langen Pause wieder an. „Wie kamst du eigentlich dazu?“

„ Well, zuerst dachte ich, ich könnte mir ein paar Dollars verdienen, als Pferdejunge oder so. Ich bin ihnen zwei Tage lang nachgeritten, bis sie sagten, ich sollte mich zu ihnen setzen. Aber kaum langte ich nach einer Keule, um richtig ’reinzubeißen, da sagte einer hinter mir: Dieses Scheusal! Dem möchte ich nicht im Dunkeln begegnen. Ich fuhr herum und hatte auch schon das Messer in der Hand. Aber da standen sechs Weidemänner auf einem Haufen, und alle grinsten. Ich hätte es getan, das sage ich euch. Hätte ich! Aber sechs Mann... Und dann sollte ich Wasser holen. Wahrscheinlich noch ’ne Menge mehr. Ich sagte: Moment, da hat mein Gaul noch einen Wunsch. Ich hin zu den Pferden. In einer Satteltasche steckte eine Flasche. Die ist mitgegangen, als ich losritt. Nachher haben sie’s bemerkt. Einen Tag später kamen sie an, von allen Seiten. Und Al Turner behauptete, ich hätte drei Pferde gestohlen.“

„ Und du hast jetzt nichts vergessen?"

„ No, Partner! So war’s. Wenn es nicht so war, kannst du mich zum Teufel jagen. Al Turner, Ron Lighton und Fred Henderson, die haben deine Ranch auf dem Gewissen, Boss. Mach sie fertig!"

„ Well, ich werde beweisen, dass sie es waren. Und dann hat der Sheriff das Wort.“

„ Was, der Sheriff soll das machen?"

„ Wenn ich’s bewiesen habe!"

„ Dann nimm mich als Zeugen, und wir reiten. Um Mitternacht sind wir in Thatcher. Sag ihm, Ben Holden habe es gesehen. Ben Holden unterschreibt es. Mal sehen, ob dann der Friedensrichter kommt und eine Jury zusammenruft.“

„ Danke, Benny. Aber das siehst du falsch. Dich will der Sheriff aus Cucharas haben. Du bist kein Zeuge fürs Gericht. Wir haben überhaupt keine Zeugen."

„ So haben sie es gedeichselt", sagt Bill. „Wir können nichts beweisen. Gar nichts. Nicht, wie sie dich hängen wollten, nicht, wie sie Bob am Tahopi-Plateau auflauerten und zusammenschießen wollten. Ich weiß nicht, was plötzlich in die Kendall-Männer gefahren ist.“

Bob aber weiß es.

Er sagt es nur nicht.

Benny wird ein Unglück nach dem anderen heraufbeschwören, wenn nur einer im County ihn damit in Zusammenhang bringt.

Sie starren ins Feuer.

Die Flammen machen Benny verrückt. Wenn die Funken zischen, zuckt es in ihm.

„ Mann, Boss, was wirst du überhaupt tun? Du kannst doch nicht dasitzen und diesen großen Haufen Asche vergessen!"

„ Vergessen? Nein, Benny. Ich werde das Haus wieder aufbauen. Genau an der gleichen Stelle, wo es war. Bis zum Winter kann ich damit fertig sein, wenn ihr mir helft."

„ Yeah, er will ein Haus bauen! Einfach ein Haus bauen. Sonst fällt ihm nichts ein. Hast du das gehört, Billy Prewitt?"

„ Übermorgen gehe ich tanzen", sagt Bob Sloan. „Bei Hiller.“

*

„ ... und jetzt noch die Rinder“, sagt Al Turner.

Das klingt nach Gier und Vernichtung, denkt Ron Lighton. Dem Kleinrancher muss es wahrhaftig in den Ohren sausen. Soll es! Bei Al ist die Sache in den richtigen Händen. Al wird ihn rächen.

Ron Lighton sitzt in einem Lehnstuhl auf der Veranda des Bunkhauses. Seine Hüften sind mit einem ellenlangen Tuch eingeschnürt. Ein anderer Verband sitzt straff um den Nacken.

„ Wenn Sie sidi nicht streng nach meinen Anweisungen richten, Lighton“, hat Doc Lansdale gesagt, „übernehme ich für nichts die Garantie. Sie können für Ihr Leben eine Lähmung des Rückgrats damit einhandeln. Was Sie dann als Weidereiter noch wert sind, brauche ich Ihnen wohl nicht zu erklären?“

Das war vor sechs Stunden.

Das andere ist länger her. Nur scheint es Ron so, als geschehe es gerade jetzt. Jetzt und immer wieder.

Diese Pest von Kleinrancher! Dieser hochmütige Coyote, der sich vor lauter Rechenschaft nicht mal krumm machen kann!

So war es gewesen.

Sloan hat ihn aufs Kreuz gelegt. Platt auf die Steine. Wie tausend Doldie ist es ihm durch die Knochen gefahren, und dann haben sie ihn nach Hause gebracht.

Es ist Nacht gewesen, und der Boss hat nichts bemerkt.

Ron Lighton hat sich von seinem Strohsack hochgestemmt und es nicht hingenommen. Irgendwo war der Wurm drin in seinem Kreuz, aber als er vom Bunkhaus zur Schmiede gegangen ist und dann zurück, hat es plötzlich einen Knacks zwischen den Schulterblättern gegeben.

Wie ein richtiges Wunder ist es gewesen, und Lighton hat in die Nacht geflucht: „Du Satan bist nicht meine Endstation! Du nicht, Sloan!"

Eine Weile ging es gut.

Er hat sich hingelegt und geschlafen. Am nächsten Morgen ist er aufgestanden, als hätte es nie ein Handgemenge auf dem Tahopi-Plateau gegeben.

Ron Lighton ist in den Sattel gestiegen und losgeritten. Die Schmerzen hat er sich verkniffen, so gut es ging. Die Idee war stärker.

„ Was hältst du von einem großen Feuer, Al, das man von Thatdier bis Cucharas sieht?“, hat er gefragt.

„ Da musst du aber ’ne Menge Holz zusammentragen“, war Al Turners Antwort.

„ Das hat Sloan schon getan. Ich kenne einen Haufen Holz an der Furt beim Apishapa River. Ich würde ihn gern anstecken. Wenn man noch etwas Öl darauf gießt...“

Ganz tief bei Al Turner hat es gefunkt. So lange, wie man zweimal atmet, hat er geguckt. Dann war alles klar gewesen.

Die Begeisterung hat Ron Lighton im Sattel gehalten. Bis zur Kendall-Ranch hat er es geschafft. Am letzten Corralzaun war es dann zu Ende.

Er war aus dem Sattel gerutscht und hingeschlagen wie gestern. Er hat sich zwei Stunden lang nicht gerührt. Auf seinem Strohsack ist er wach geworden, und Doc Lansdale hat neben ihm gestanden.

Sie haben ihn in den Lehnstuhl gepackt und nach draußen getragen.

So weit sind sie, und nach diesen Worten denkt jeder still für sich weiter.

„ Die Rinder!"

Das ist eine gute Idee. Keine neue. Auch der Boss wird nichts dagegen haben. Seit Sloan am River sitzt, hat Kendall gehofft, dass alles nur ein Traum sein würde. Aber ein Tag ist nach dem anderen vergangen, und so lange träumt man nicht.

Eine Sache, die so lange dauert, ist nackte Wirklichkeit.

Aber es wäre schon gut, wenn die Rinder weg wären. Und mit ihnen Sloan.

George Kendall ist nie ein zimperlicher Bursche gewesen. Als er vor fünf Jahren hier anfing, haben es die Leute gespürt. Heute hat sich das alles eingerenkt. Kendalls Vormachtstellung ist eine Tatsache, mit der sich jeder abgefunden hat. Vor allem die Menschen in Thatcher.

Solange Kendall Geld hat, hat auch Thatcher Geld.

Keiner muckt auf.

Kendall ist nicht arrogant oder größenwahnsinnig. Er hat sich damit begnügt, der Mächtige zu sein. Bis Sloan kam ...

Seitdem bohrt es in ihm. Und seine Männer wissen es.

Den rauesten unter seinen Leuten hat er die Zügel lockerer gelassen. Allen voran dem Vormann Al Turner.

„ ... und jetzt noch die Rinder!“, hat Al Turner gesagt.

Kendall nimmt vier Zigarren aus der Tasche. Ganz feierlich macht er das. Das Etui aus Büffelleder ist mit einem Goldfaden abgesteppt. Er öffnet den Druckknopfriegel und hält seinen Männern die Zigarrentasche hin. Turner, Lighton und Henderson greifen zu.

Im vornehmen Benehmen ist der Boss ihnen weit voraus. Es wirkt linkisch, als sie zugreifen und feierlich tun. Mit Colt und Lasso können sie besser umgehen.

Dann rauchen sie.

Ron Lighton hat sich etwas zuviel bewegt. Er stöhnt und sitzt ganz vorsichtig da.

„ Dieser Kleinrancher, dieser ..."

„ Ich sage ja, dass er weg muss!“, hakt Turner sofort wieder ein. „Die Ranch ist wohl durch Funkenflug abgebrannt", sagt er unschuldig. „Jetzt noch die Rinder, und Sloan verliert die Nerven. Entweder er stellt sich, oder er verduftet stillschweigend. Aber wenn wir die Chance nicht ausnutzen ... nächste Woche ist es zu spät, schätze ich.“

„ Nicht die Rinder“, erwidert George Kendall gedehnt, als ob er noch nachdenkt.

„ Well“, poltert Turner. „Ich werde ein Wort mit dem Sheriff unter vier Augen reden. Er soll bloß nicht auf irgendwelche Gerüchte hören. Wir werden uns schon zu wehren wissen, wenn man hinter unserem Rücken gefährliche Sachen erzählt.“

„ Keinen Druck auf den Sheriff“, meint Kendall. „Wir haben das nicht nötig. Und Long ist nicht Mulligan."

„ Mulligan hat versagt, Boss.“

„ Ich werde ihm die Daumenschrauben anlegen."

„ Und wenn der Dreckslümmel schon über alle Berge ist?"

„ Sloan ist dumm genug, ihn als seinen Angestellten anzuerkennen. Ich werde Sloan öffentlich bloßstellen, wenn er nicht verrät, wo sich der Junge aufhält."

„ Der weiß es ja selbst nicht. Sloan ist nicht richtig im Kopf. Setzt sich für Holden ein, wenn der ihm noch ins Gesicht spuckt. Ich wette meine rechte Hand, dass der Lümmel längst aus dem County verschwunden ist. Aber Sloan ist da, Boss. Und heute Abend geht er tanzen.“

Jetzt grinst George Kendall.

„ Und ihr?"

Al Turner blickt mitleidig auf den Partner im Lehnstuhl. Man kann nicht sagen, wie weit dieses Mitleid echt ist. Bestimmt denkt der Vormann an ganz andere Dinge. An Dinge, die ihn aufregen.

„ Hiller hat einen großen Saal, Boss. Und der ist heute voll. Aber es kann ja sein, dass wir Sloan zufällig treffen. Ich werde ihn dann mal fragen, wo der Whiskysäufer steckt.“

*

Der alte Johnson packt den Sack und wirft ihn sich über die Schulter.

„ Good bye, Miss Hinsbrock!“, sagt er und lässt das Stück Kautabak von einem Mundwinkel in den anderen wandern.

„ Warten Sie, Mister Johnson.'“

Sally läuft um den Tresen herum und hält ihm die Tür auf.

„ Danke, Sally", sagt er und kneift ein Auge zu.

„ Good bye, Mister Johnson!"

Sie will die Tür schließen, als Mrs. Summer davor steht. Sie gehört zu den kleinsten und dicksten Frauen in der Stadt, was sie nicht hindert, auch zu den lebhaftesten zu zählen.

Außerdem sagt man von ihr, dass sie scharfe Augen hat und das Gras wachsen höre.

„ Augenblick, Miss Hinsbrock! Ich brauche nur Salz, Zucker und Graupen. Lassen Sie mich noch kurz herein, ja? Danke, das ist nett von Ihnen."

„ Aber selbstverständlich, Mrs. Summer. Sah es so aus, dass ich Sie nicht hereinlassen will?“

„ Bewahre! Natürlich nicht. Aber ich sehe, dass Sie sich schon für den Abend zurecht gemacht haben. Sie werden heute früher schließen wollen.“

„ Bitte!", sagt Sally und lässt die dicke Dame an sich vorbei.

„ Sie wissen doch: wer klopft, wird immer bedient. Mein Vater ist ja noch da.“

„ Einmal noch jung sein! Einmal noch im Tanz sich drehen können und von den starken Männern umschwärmt werden."

Sie schlägt in Verzückung die Augen nach oben, breitet die Arme aus und versucht sich zu drehen. Die Einkaufstasche baumelt wie eine riesige Schaukel an ihrem ausgestreckten Arm.

Rede du mir von starken Männern! denkt Sally. Dein Eheknecht war immer ein dünnes, langes Reck ohne Rückgrat und hat in den letzten fünfundzwanzig Jahren bei dir zu Hause nichts an Stärke dazugewonnen.

Die Tasche ist leer. Aber der Schwung zerrt an Mrs. Summers Körper und bringt ihn ins Wanken.

„ Huuuch!", jammert sie und kann sich gerade noch am Tresen festhalten.

Langsam stemmt sie sich wieder nach oben.

„ Nichts für alte Leute, Miss Hinsbrock. Aber Sie hätten mich sehen müssen, als ich noch jung war.“

Mein Gott, ja, du hattest nicht so viele Falten. Aber klein und dick warst du immer.

„ Ich glaub’s Ihnen, Madam. Wieviel sollte es sein?"

„ Warte, mein Kind! Von jedem vier Unzen, denke ich."

Geizig war sie schon immer, denkt Sally.

„ Vier Unzen Salz, Zucker und Graupen. Die Graupen sind pfundweise abgepackt. Kann ich’s Ihnen so geben?"

„ Ein Pfund, natürlich ... Ihr Kleid ist ein Gedicht, mein Kind! Sie werden begehrt sein bei den rauen Burschen. Und Ihr Haar! Mein Gott, damals ... Es gibt Kerle darunter, die halten Sie sich am besten vom Leib. Ich bin eine alte Frau, ich darf Ihnen das sagen. Aber Sie haben ja den Kleinrancher. Der wird schon auf Sie aufpassen."

„ Wen habe ich, Mrs. Summer?"

„ Verzeihung, entschuldigen Sie vielmals! Man sagt es so hin. Sie alle sagen es, und er hat ja auch gerade erst angefangen, dieser Mister Sloan. Wenn er nur nicht schon wieder am Ende ist, der Arme!"

„ Ich verstehe Sie nicht.“

„ Aber, mein Kind, Sie werden es doch gehört haben. Sie werden doch nicht behaupten, nichts davon zu wissen. Ein Mann ist von Cucheras herübergekommen. Sagen Sie nicht, dass ich so grob war.“

„ Ich weiß, Mrs. Summer. Die Ranch ist abgebrannt. Sie haben mich nicht erschreckt."

Trotzdem sieht die dicke Dame die Tränen und atmet schwer, als ging es um ihr eigenes Schicksal.

„ Der krumme Grath hat erzählt, keiner hätte Sloan seitdem zu Gesicht bekommen, und ob er wohl schon nach Kansas zurück wäre."

„ Ja, natürlich, schon möglich, Mrs. Summer. Er hat es ohnehin schwer gehabt in Thatcher. Aber es gibt ja noch mehr starke junge Männer auf der Welt. Vier Unzen Zucker, vier Unzen Salz, ein Pfund Graupen. Das macht siebenundneunzig Cents."

Mrs. Summer legt mit traurigem Blick einen Silberdollar auf den Tisch und lässt sich drei Cents herausgeben.

„ Trotzdem viel Spaß, mein Kind!"

Halb fröhlich, halb geknickt vor Erinnerungen, rauscht sie aus der Tür.

Sallys Kopf liegt auf dem Tresen.

„ Hallo, Kind, warum heulst du?", fragt da der alte Hinsbrock hinter ihr.

Sie schreckt hoch.

„ Daddy!"

„ Und fein gemacht hast du dich. Jetzt schon um sieben?“

„ Daddy, ich dachte, du könntest heute Abend hierbleiben. Ich wollte ... es ist Tanz bei Hiller. Du hast nie etwas dagegen gehabt.“

„ Ich habe auch heute nichts dagegen. Aber es stört mich, dass du weinst. Eine Hinsbrock weint nicht. Auch nicht um einen Kleinrancher!"

„ Er heißt Sloan!", sagt sie heftig. „Bob Sloan! Wie ihr alle das immer sagt. Der Kleinrancher. Und die alte Ziege."

„ Beherrsch dich, Sally! Ich wusste gar nicht, dass du so viel für ihn übrig hast."

„ Ich liebe ihn!“

Wieder sagt sie das lauter, als man es sonst von ihr gewohnt ist. Sie stampft sogar mit dem Fuß dabei auf. Jerry Hinsbrock schluckt erst einmal.

„ Du liebst ihn? Weißt du, was du da sagst?“

„ Du hast es ja gehört und auch ganz richtig verstanden. Und jetzt vergisst du, wie du selbst über ihn gesprochen hast. Er ist ein aufrichtiger Kerl, hast du gesagt; Und: So müssten sie alle hier sein, dann brauchte keine Tür in Thatcher mehr ein Schloss. Diese alte Ziege! Du hast doch gehört, was sie geredet hat."

„ Ich hab’s gehört, sicher. Wenn Sloan das Land verließe, könnte ich’s ihm nicht verübeln."

„ Das glaubst du doch selbst nicht! Außerdem - warum sollte er verschwinden, bloß weil er einmal Pech gehabt hat? Oder denkst du vielleicht, es war nicht nur Pech?“

„ Ich glaube gar nichts. Ich höre nur, was die Leute sagen. Die sagen, es ist alles abgebrannt. Solange die Dinge so liegen, würde ich dir nicht raten, allzu lange auf Bob Sloan zu warten. Der hat jetzt bestimmt andere Sorgen."

„ Er hat gesagt, dass er zum Tanzen kommt."

„ Als er noch keine Sorgen hatte!"

„ So, meinst du? Bevor alles abbrannte, hatte er keine Sorgen, wie? Da kennst du ihn aber schlecht."

Wie ihr Kopf an seiner Sdiulter liegt, kann er nur zupacken und sie festhalten. Sie hat ihren eigenen Kopf, aber sie braucht seine Hilfe.

Auch Jerry Hinsbrock braucht Hilfe.

Das ist immer so, wenn Eltern feststellen, dass ihre Kinder plötzlich aus dem Nest herauswachsen.

Jetzt sagt er nur: „Sally!“

„ Er wird kommen. Er hat es mir gesagt. Kann ich jetzt die Fenstergardinen herunterlassen?"

„ Ja, tu das, Sally. Es ist schon spät genug. Bei Hillers werden sie ...“

„ Da ist er schon!“, ruft Sally. Sie hat ihn durchs Fenster gesehen.

*

Bob Sloan kommt die Mainstreet herunter.

Er weiß nicht, wie viele Augen ihn beobachten. Sie tun es heimlich.

Am Hitchtrail des Boarding Houses bindet er King fest. Dann drückt er die Klinke. Die mechanische Klingel schlägt zweimal an.

„ Hallo, Mister Hinsbrock! Freut mich, Sie zu sehen. Ich wollte Sally zum Tanzen abholen, wenn Sie nichts dagegen haben."

Natürlich ist es nicht wie früher.

Bob spürt es sofort.

Mit Jerry Hinsbrock hat sich immer gut reden lassen. Man geht auch zu ihm, wenn man gerade nichts nötig hat. bloß um guten Tag zu sagen.

Wenn er die Sache mit der Ranch weiß, müsste er eigentlich Mitleid haben. Hinsbrocks Blick aber ist eher feindlich.

Seit Benny aufgetaucht ist, sind die Menschen im County anders geworden. Komisch, sogar Jerry Hinsbrock, der immer eine eigene Meinung gehabt hat und sich so schnell nichts einreden lässt.

Sally lächelt verlegen. Wenigstens ihr Kleid verrät, dass sie die Verabredung nicht vergessen hat.

Jerry Hinsbrock steht stocksteif hinter der Theke.

„ Sally hat mir heute gesagt, dass sie erwachsen ist. Jedenfalls sollte das wohl so heißen. Fragen Sie sie selbst."

Bob sieht sie an.

„ Du willst heute vielleicht nicht tanzen, Bob", meint sie. „Bestimmt hast du jetzt andere Sorgen.“

Sloan lacht rau.

„ Weshalb sollte ich andere Sorgen haben? Kannst du mir das sagen?"

„ Nun, wegen der Ranch. Man weiß hier alles in der Town."

„ Alles weiß man wohl kaum. Ich denke mir, die Leute erzählen mehr als sie wissen. Aber deshalb bin ich nicht gekommen."

„ Wie ist es passiert?", fragt Jerry Hinsbrock hinter der Theke.

Bob zuckt die Achseln. „Es ist Feuer ausgebrochen. Als Bill Prewitt es merkte, war es zu spät, noch was zu retten. Wissen Sie mehr, Mister Hinsbrock?“

„ Ich? Wie kommen Sie darauf?"

„ Nur so. Kann Sally jetzt mitkommen? Es wird voll werden. Um acht sind die besten Plätze besetzt."

„ Viel Spaß!“, brummt Jerry Hinsbrock, dreht sich um und geht nach hinten.

Als sie allein sind, fällt die verkrampfte Zurückhaltung von Sally ab. Sie läuft zu ihm hin und hängt sich an ihn.

„ Bob", sagt sie nur, „mein Gott, Bob, was soll jetzt werden?“

„ Wir wollen tanzen, Sally. Komm! Ich stelle King in den Hof, und dann gehen wir zu Hiller hinüber."

„ Die Leute reden so viel, weißt du. Die meisten sagen ganz offen, das kann nur der Messer-Bengel gewesen sein. Keiner glaubt daran, dass es ein Unglücksfall war."

„ War es auch nicht."

„ Also ist Benny in der Nähe gewesen und nicht nach Süden geritten?“

„ Benny war es nicht!"

„ Das sagst du, als sei es ganz sicher."

„ So sicher, wie er keine Pferde gestohlen und getötet hat. Die Täter werden sich selbst verraten. Darauf kannst du dich verlassen. Und deshalb werden wir tanzen gehen. Komm, Sally."

„ Was hast du .vor, Bob?"

Sie sieht das Feuer in seinen Augen. Sie weiß, dass er nicht nur zum Tanzen geht. „Das darfst du nicht tun, Bob!“, fleht sie ihn an. „Wir wollen vor die Stadt gehen. Wir zwei ganz allein. Wir haben uns so viel zu sagen."

„ Ein anderes Mal, Sally. Heute ist Tanz bei Hiller!"

Er geht hinaus, macht King los und führt ihn hinter das Haus in den Hof. Sally kommt mit und schüttet Hafer in den Trog. Sie widerspricht nicht mehr.

*

Weit vor Hillers Saloon hören sie den Lärm des elektrischen Klaviers und der Leute. Bob tritt zuerst durch die Schwingtür.

Links die Theke, hinter der Hiller persönlich bedient. In der Mitte und rechts stehen die Tische. Hinten an der Stirnwand hängt ein großes Gemälde, das allein deshalb teuer gewesen sein muss, weil sehr viel Farbe darauf liegt und der Maler eine Leiter gebraucht hat. Das Motiv: zwei Tanzmädchen, die sich auf ihrem Zimmer zum Auftritt fertig machen.

Solange echte Tanzmädchen auf der Bühne ihre Kunst zeigen, wird das Gemäde von keinem beachtet. So ist es auch heute.

Sechs Girls tanzen den neuen Can Can.

Die meisten Männer sind aufgestanden, um besser sehen zu können. Einige klatschen den Takt dazu.

Es ist noch keine acht, aber die Stimmung geht bereits ihrem ersten Höhepunkt entgegen.

Die Tische an der Tanzfläche sind schon alle besetzt. Sie finden noch Platz in der zweiten Reihe.

Mrs. Hiller hat sie entdeckt und kommt ihnen entgegen. Sie stellt freundlich zwei Stühle zurecht.

Bob Sloan bestellt Bier.

Sallys Augen sind heller geworden. Als ob die neue Umgebung auch einen neuen Menschen aus ihr machen könnte.

Sie sieht, dass Bob lacht.

Männer lachen immer, wenn sie solche Tanzmädchen sehen. Komisch ...

„ Gleich sind wir dran“, sagt Bob. „Can Can. Ein neuer Tanz aus Frankreich. Kennst du ihn schon?"

„ Natürlich. Aber getanzt habe ich ihn noch nicht. Wer wird auch die Beine so hoch anziehen? Das ist mehr was zum Zusehen."

„ Abwarten!“

Mrs. Hiller bringt das Bier. Das Klavier ist verstummt, die Mädchen verbeugen sich und huschen mit raschelnden Kleidern die Treppe hinauf. Die Männer grölen und klatschen.

Sally und Bob trinken einen Schluck.

Die Walze im elektrischen Klavier läuft weiter und intoniert die ersten Takte einer Polka. Sofort sind drei Paare auf den Brettern der erhöht angebrachten Bühne. Auch Sally und Bob gehen die drei Stufen hinauf.

Nach der Polka folgt ein schneller Walzer. Sally beugt ihren Körper weit zurück und macht die Augen zu. Bob dreht sie und hält sie fest.

Sie schwebt wie auf Wolken.

Als ob es keinen Benny und keine abgebrannte Ranch gäbe. Als ob der Mann, den sie liebt, zu den Einflussreichen im County gehöre.

Sie gehen durch die Reihen an ihren Tisch zurück. Sally sieht verstohlen nach allen Seiten, ob jemand von der Kendall-Ranch da ist.

Einer ist da!

Er sitzt an ihrem Tisch.

Sie möchte stehen bleiben, zurücklaufen, auf die Bühne springen und wieder tanzen.

Sie möchte Bob Sloans kräftige Arme in den Hüften spüren und sich stark gegen die ganze Welt fühlen. Statt dessen spürt sie seine Finger an ihrem Unterarm.

Finger wie Handschellen. Wie Klammern aus Eisen.

Bob drückt sie einfach zurück. Sie sieht nur noch den Schatten seiner breiten Schultern vor sich.

Aber seine Hand hält sie immer noch.

Er zieht sie nach vorn. An den besetzten Tisch.

Hinter ihnen läuft die Maschine. Das elektrische Klavier spielt einen neuen Tanz.

Die anderen drängen auf die Bühne.

Heute ist Tanz bei Hiller. In Hillers Saloon.

An ihrem Tisch sitzen zwei Männer.

Al Turner und Fred Henderson.

„ Gestatten Sie, Gentlemen. Das ist unser Tisch. Sie sitzen vor unseren Getränken.“

Bob Sloan hat keine Sekunde gezögert. Er ist einfach darauf zugegangen, um den Irrtum aufzuklären.

Turner und Henderson unterhalten sich. Sie hören gar nicht hin.

Bob macht den letzten Schritt. Er steht genau zwischen den beiden. Immer noch hält er Sally fest und drückt sie hinter sich. Er allein ist breit genug, denkt er.

Er legt seine Hand auf Hendersons Schulter.

„ Zeigen Sie mir Ihr ärztliches Attest, Henderson!"

Die Worte könnte der Weidemann überhören. Aber nicht die Hand auf seiner Schulter. Er dreht sich um.

„ Finger weg, Mister!“

„ Ohren auf, Henderson! Ihr ärztliches Attest, bitte!“

„ Wovon reden Sie, Mister?“

„ Ich denke, Sie haben es schriftlich, dass Sie sich an fremde Tische setzen dürfen. Oder irre ich mich?"

„ Verschwinde, Sloan! Fang keinen Streit an! Du liegst schief genug.“

Das ist offen. Bob hat mit allen Tricks gerechnet, aber nicht mit dieser Offenheit.

Irgendeiner hat die Leitung für das elektrische Klavier unterbrochen. Mitten im Takt stirbt die Melodie ab. Es ist still im Saal.

Sie starren ihn an. Ihn und Sally.

„ Mrs. Hiller!", schreit Bob Sloan, der Kleinrancher. „Wer ist der Boss in diesem Haus?"

Das ist eine völlig neue Lage.

Die meisten haben bis heute gewusst, dass Hiller stark unter dem Pantoffel steht. Doch jetzt wird Henry Hiller einfach vorgeschoben.

Als Boss des Saloons.

!n den Reihen der Gäste macht sich Bewegung bemerkbar. Sie weichen zurück. Er muss sprechen. Die Stille lässt ihm keine andere Wahl.

„ Sie wünschen, Mister Sloan?"

„ By Gosh, diesen Tisch! Ihre Frau hat uns hier mit Bier bedient. Die Gläser sind noch halb voll, wie Sie sehen. Diese Gentlemen müssen sich geirrt haben. Miss Hinsbrock und ich kamen um dreiviertel acht. Ihre Frau hat uns diesen freien Tisch angewiesen. Es muss sich also um einen Irrtum dieser beiden Gents handeln.“

„ Yeah."

Mehr sagt Hiller nicht. Er kratzt sich am Kopf, schielt von Bob zu den beiden Weidereitern.

Henderson grinst ihn breit an und sagt kein Wort.

Hiller nimmt einen neuen Anlauf.

„ Die Gents suchen wohl einen guten Platz, Mister Sloan. Ich werde noch zwei Stühle holen. Sie können dann zu viert..."

„ Der Tisch reicht gerade für zwei Personen, Mister Hiller! Das weiß außer Ihnen jeder Gast. Nebenan ist noch genug Platz. Ich bitte Sie, die Sache in Ordnung zu bringen.“

„ Du kommst dir wohl sehr gescheit und vornehm vor, Sloan, was?"

Das sag Al Turner grob und breit. Henry Hiller steht sofort drei Schritte weiter im Hintergrund. Er hat gleich bemerkt, dass er nicht der richtige Mann ist, diesen „Irrtum" aus der Welt zu schaffen.

Im Hintergrund wird Gelächter laut. Bob hält Sally noch immer hinter sich am Arm. Die erste Runde hat er verloren. Man lacht über ihn, weil er sich hinter der Autorität des Saloonbesitzers verstecken will.

So sieht es jedenfalls aus.

„ Wie ich mir vorkomme, Turner, wollen wir hier nicht untersuchen. Ich verlange mein Recht, und Sie wissen inzwischen, dass Sie sich geirrt haben!“

Dass Turner ihn plötzlich als Luft behandelt, ist schon eine Herausforderung zum Duell.

Er sieht an ihm vorbei.

„ He, Fred! Hast du was von einem Irrtum bemerkt?"

„ No! Aber er verlangt sein Recht, hat er gesagt. Das habe ich ganz deutlich verstanden. Er verlangt sein Recht, by Gosh!“

Henderson legt den Kopf nach hinten, hält sich die Brust und führt einen Lachanfall vor.

Sally fühlt einen kurzen Druck am Handgelenk, der sie ein Stück nach hinten zwingt. Dann hat Bob sie losgelassen.

„ Halt, Bob!“, ruft sie. „Lass dich nicht darauf ein, Bob!“

„ Wenn du schon vom Recht faselst", sagt Turner kühl, „dann geh hin und bring deinen Gauner von Pferdedieb her, der in drei Counties gesucht wird. Wenn du dann eine reine Weste hast wie die übrigen Gentlemen hier..."

Eins ist Bob Sloan von Anfang an klar gewesen: sie halten sich für schnelle Männer. Sie warten auf den Augenblick, dass er zieht.

Die übliche Notwehrmasche soll es werden. Zeugen sind genug da. Und sie sind zu zweit - und vorbereitet.

Für sie kann nichts schiefgehen.

Sie brauchen sich nicht an den Rindern zu vergreifen. Das Land fällt George Kendall von selbst zu. Sie haben es sich gut zurechtgelegt mit dem Kleinrancher.

Die andere Möglidikeit: Sloan nimmt Sally und seinen Hut und geht.

Das wäre für alle Zeiten eine Abschiedsvorstellung.

Sie wollen, dass er zieht. Und dass er tot hinausgetragen wird.

Seine Schläge auf dem Tahopi-Plateau müssen nicht von schlechten Eltern gewesen sein.

Wenn du eine reine Weste hast, wie die übrigen Gentlemen hier ...

Er steht fast zwischen ihnen. Aber doch nicht ganz. Der Tisch verhindert es.

Turner sitzt ihm schräg links gegenüber, Henderson genau rechts neben ihm. Hendersons Hände kann er sehen, Turners nicht.

Wenn du eine reine Weste hast ...

Turner kriegt die Tischkante vor die Brust. Die kommt heran wie ein gefällter Baum. Sie knickt seinen Körper an einer Stelle ein, wo es die Natur sonst nicht vorgesehen hat. Etwas zu hoch über der Hüfte.

Hendersons Hände liegen dadurch ganz frei.

Die unerwartete Bewegung verleitet ihn zu einer Reflexbewegung. Er stößt die Hände nach unten zur Hüfte. Als er sie hochnehmen will, liegt ein Gewicht darauf, als ob eine Bergspitze aus den Rocky Mountains abgebrochen und darauf gefallen wäre.

In der Stille hört man das leiseste Stöhnen. Und jetzt stöhnen zwei Männer gleichzeitig.

Turner ist mit dem Stuhl nach hinten gekippt. Er ist nicht mehr ganz trocken, weil die beiden halb vollen Biergläser mitgekommen sind. Die Tischplatte liegt wie ein Schutzschild für Bob Sloan da.

Seine Fäuste liegen auf Fred Hendersons Fingern, die zwei Kolben umfassen und hochziehen wollen. Zwei Sekunden lang geht es nicht, weil Bob sein ganzes Gewicht drauflegt. Dann aber reißt er selbst daran.

Zwei Colts fliegen aus den Halftern. Viel zu schnell und viel zu hoch. Bob Sloans Kopf stößt in Hendersons Magen. Der kann nicht so schnell, weil er sitzt.

Henderson hat falsch kalkuliert, weil er Al Turner für den Frecheren hielt. Er hat geglaubt, dass er erst in zweiter Linie an die Reihe käme. Und jetzt hat er den Berg von einem Mann über sich.

Er will die Colts nach unten holen, in die richtige Schussposition.

Gleich zwei auf einmal. Ehe seine Finger aber wieder den richtigen Griff haben, schleudern Sloans Unterarme auf beiden Seiten nach oben.

Die Colts poltern zu Boden. Der nachrollende Schlag landet mitten auf der Brust. So unerbittlich wie ein Hurrican.

Henderson war schon halb hoch, aber der Orkan wirft ihn dahin, woher er gekommen ist. Die Wucht und sein Gewicht sind zuviel für den Stuhl.

Das Ding kracht zusammen wie eine Streichholzschachtel.

Fred Henderson brüllt wie ein Tier.

Ein gebrochener Holm ist ihm gegen den linken Oberarm gefahren.

Nach dem Schrei ein instinktiver Griff nach der Wunde. Keine Hand sucht die verlorenen Revolver.

Die Schüsse kommen aus der anderen Richtung.

Von Al Turner.

Der hat noch die Tischkante auf den Oberschenkeln. Er muss es im Liegen schaffen, denn Sloans Schnelligkeit lässt ihm keine andere Wahl.

Er hat gezogen und geschossen.

Die Kugeln jagen in die Decke. Bob Sloan liegt längst hinter der Tischplatte. Und noch immer denkt er nicht daran, zur Waffe zu greifen.

So heiß ist sein Eisen nicht.

Die Hitze steckt in ihm selbst. Im Kopf und in den Fäusten.

Rechts und links von ihm ragen die Tischbeine hoch. Den Rücken hat er Henderson zugekehrt. Das Risiko muss er hinnehmen.

Er greift die beiden hochliegenden Tischbeine und schiebt das Instrument vor sich her. Den Tisch für zwei Personen, um den es von Anfang an ging.

Jedenfalls sah es so aus.

Die Kante der Tischplatte wandert über Al Turners Brustkasten und drückt ihn weiter nach unten. Als sie seinen Hals erreicht hat, schreit der Vormann wie ein Tier im Feuer.

Seine Hände lassen die Revolver los und kommen instinktiv zur Abwehr hoch. Dieser Tisch will ihn erdrücken. Die Kante drückt gegen sein Kinn. Er muss sich zur Seite rollen ...

Bob schleudert die Tischbeine nach oben. Die Platte fliegt auf Al Turner zu. Seine Körperdrehung kommt gerade rechtzeitig genug, um zu verhindern, dass das schwere Eichenholz sein Gesicht trifft.

„ Hände hoch!", schreit Sally dicht hinter Bob.

Allein die Tatsache, dass Sally schreit, reißt ihn herum.

Er sieht einen Henderson, der sich trotz der teuflischen Schmerzen im Arm zu einem Entlastungsangriff für Al Turner aufgerafft hat. Dem es gelungen ist, einen der am Boden liegenden Revolver zu fischen.

Fred Henderson hätte geschossen. Ganz sicher!

Und niemand im ganzen Saal hätte etwas dagegen unternommen ...

Bis auf Sally.

Typen wie Henderson tragen zwei Revolver. Diesen zweiten hat Sally und drückt ihn dem Kendall-Mann ins Kreuz.

Bob Sloan spürt Stolz, Freude und Enttäuschung im selben Augenblick.

Dann streckt er die Hand aus.

„ Gib ihn her, Henderson! Du brauchst ihn heute nicht mehr."

Bob kassiert den Colt. Sally reicht ihm den anderen. Dann sammelt Bob Sloan die beiden Kanonen von Al Turner auf.

Wenn jetzt nicht noch einer von diesen beiden Halunken einen Derringer im Ärmelfutter versteckt hat, sind sie für diesen Abend bedient.

Bob Sloans Peacemaker steckt noch immer im Halfter. Er hat nicht gezogen. Und er wird heute auch nicht mehr ziehen.

Er atmet unauffällig zweimal durch, dann hat er sich gefangen.

Er rückt den Gürtel gerade.

„ Stehen Sie auf, Turner! Ich kann mir nicht denken, dass Ihre Tanzfreudigkeit erheblich gelitten hat. Schließlich sagt man von Ihnen, dass Sie ein harter Bursche sind.“

Der Tisch bewegt sich. Der Kendall-Vormann arbeitet sich Stück für Stück darunter vor und kommt auf die Beine. Keuchend, krumm und schielend steht er da, als ob er getrunken hätte. Noch etwas wacklig auf den Beinen.

„ Morgen bringe ich dich um, Sloan! Du elender Kleinrancher! Einmal verlässt dich das Glück. Du elender Partner von Pferdedieben!"

„ Al!“

Das kurze Wort sagte Fred Henderson. „Hör auf, Al! Wir haben heute verloren. Kapierst du das nicht?"

Turners Gesicht wirkt wie eine rote Kugel. Gefüllt mit Blut. Erregt.

Aber sein Halfter ist leer. Soweit begreift er tatsächlich.

„ Well, Gentlemen“, sagt er plötzlich besonnen. „Auch das Recht hat mal eine schwache Minute. Aber es wird sich auf die Dauer durchsetzen."

Er dreht sich zur Tür. Hendersons gesunden Arm auf seiner Schulter. Sie gehen hinaus.

„ Sie haben etwas vergessen!“, ruft Bob ihnen nach und zeigt Turners Revolver. „Ich möchte die Dinger nicht mit der Post nachschicken."

Der Vormann dreht sich um und fängt sie.

Eine aufregende Gelegenheit. Aber Bob Sloan weiß, dass er nicht schießen wird. So verrückt ist er nicht. Es wäre glatter Mord.

Es wird eine bessere Chance geben. Turner muss nur noch etwas nachdenken. Kendall ist kein Freund von Dingen, denen man von weitem ansieht, dass sie nicht sauber sind.

Al Turner wird nachdenken, wenn er weniger wütend ist. Heute ist es schiefgegangen. Mal sehen, was der Boss sagt.

Henderson war mit dabei und kann dem Alten klarmachen, dass bei der Tanzerei heute doch keine gute Gelegenheit war.

Well...

*

Zwei Pferde traben davon. Im Salon hat das Schweigen ein Ende. Von draußen hört man nichts mehr. Henry Hiller hat seinen Girls einen Wink gegeben, und sie sind wieder da.

Das Fest geht weiter.

Bob steht noch, nachdem er den Tisch wieder aufgestellt und die Stühle zurechtgerückt hat.

„ Wie ist es, Sally, noch Lust?“

„ Ich hatte furchtbare Angst, Bob."

„ Und jetzt?"

„ Ich tue, was du willst.“

„ Dann bestellen wir neu. Vielleicht sind die beiden nächsten Gläser gratis. War ja eigentlich nicht unsere Schuld, dass das Bier unter den Tisch kippte."

Hinter Bob kichert jemand. Es ist Johnson, der bestimmt nicht zum Tanzen hergekommen ist.

„ Ich denke, der schlaue Henry hat die nächsten Gläser schon in der Mache, Mister Sloan. Es hätte schlimmer kommen können für ihn. Noch mal glimpflich abgelaufen,

die Angelegenheit. Hallo, Henry! Das Brautpaar hat noch Durst!“

Einige lachen und beachten die Tanzgruppe auf der Bühne gar nicht. Das will schon eine Menge heißen. Erst jetzt merkt Bob, dass er und Sally noch immer der Mittelpunkt im Saloon sind.

Sie setzen sich. Als die letzten Neugierigen noch immer herüberstarren, fasst Bob sie scharf ins Auge. Die meisten halten seinem Blick nicht stand und drehen sich verlegen nach der Bühne um. Langsam kommt wieder Stimmung in den Saal. Sie ist etwas gedrückt und nicht ganz echt. Man sieht nach der Bühne. Aber die reizenden Beine der Show erkennt man nicht. Man hat immer noch den umgekippten Tisch vor Augen.

Und zwei der besten Männer aus Kendalls Mannschaft, die vor Sloan am Boden gelegen haben.

Sloan hat nicht ein einziges Mal seinen Revolver angefasst. Der Kerl muss Nerven wie ein Lasso haben. Und dabei steckt er mit diesem Halunken von Pferdedieb unter einer Decke.

So denkt man. Aber man sagt es nicht. Man verrenkt sich etwas zu der Hillbilly Show.

Es sind bildhübsche Mädchen dort auf der Bühne. Die Musik ist spritzig. Doch es gibt keinen im Saal, der nicht zwischendurch immer wieder an Bob Sloan denkt.

So ein Rätsel hat es in Thatcher noch nicht gegeben.

Bob denkt nur: sind das nun alles Feinde, oder könnte man vielleicht Verständnis bei ihnen erwarten?

Jetzt bringt Henry Hiller tatsächlich zwei neue Gläser und betont sofort, dass sie auf seine Rechnung gehen. Er entschuldigt sich mit vielen Worten, sagt aber nicht, wofür.

Einen Augenblick später sind das alles keine Probleme mehr.

Ein Mann ist durch die Schwingtür eingetreten und breitbeinig stehengeblieben. Die Menschen bilden sofort eine Gasse.

Es wird ihnen schlagartig bewusst:

Dieser Mann ist bestimmt nicht zum Tanzen gekommen.

„ Ist Mister Sloan hier?"

Bob hat Dan Mulligan längst erkannt, gibt aber keine Antwort. Der Mann soll sich gefälligst benehmen. Das hier ist nicht sein Distrikt. Da bemüht man sich schon selber, auch als Sheriff.

So denkt Bob Sloan. Und wer es sich richtig überlegt, muss eigentlich genauso denken.

Mulligan sieht ihn jetzt. Das ist keine Kunst. Die Gasse ist noch breiter geworden, und alles starrt auf das Paar an dem kleinen Tisch, der gerade wieder auf die Beine gekommen ist.

Mulligan stampft vorwärts.

Henry Hiller seufzt. Er winkt den Mädchen auf der Bühne zu, dass sie weitermachen sollen. Doch irgendeiner hat etwas am Klavier gedreht. Die Musik bricht ab. Auf der Bühne rührt sich nichts mehr.

Der alte Johnson philosophiert: „Man lässt Ihnen heute wohl keine Ruhe, mein Junge. Halten Sie die Ohren steif! Das ist das Leben."

„ Warum melden Sie sich nicht, Sloan?“, brüllt Mulligan wie ein Bulle.

„ Sie haben mich ja auch so gefunden, Sheriff. Was wünschen Sie also?“

„ Sie halten Ben Holden versteckt, Sloan! Ich weiß es genau. Und Sie wissen, dass ich ihn suche. Das Gericht kennt auch Strafen für illegale Begünstigung. Sie sind verpflichtet, mir diesen Jungen auszuliefern. Was haben Sie mir also in dieser Angelegenheit zu sagen?"

Bobs Optimismus erhält einen derben Stoß. Seine Gedanken überschlagen sich.

Mulligans Behauptung stimmt. Aber wer hat es ihm verraten? Wie sind sie überhaupt dahintergekommen?

Die Kendall-Männer hätten nicht lange gefackelt, wenn sie Benny aufgestöbert hätten. Sie wären wieder sehr schnell mit dem Strick zur Hand gewesen.

Oder blufft Mulligan nur?

Sallys Gesicht glüht wie ein überhitzter Steinofen. Ihre Hand liegt auf Bobs Arm. Doch nur ihr Gesicht verrät, wie sehr sie sich wünscht, dass Bob jetzt die Nerven behält.

Warum reitet ihn ausgerechnet jetzt der Teufel?

Damned, das kann nicht gutgehen!

„ Cheers, Darling!“, sagt Bob Sloan und hebt sein Glas. Es müsste Champagner sein, denkt er. Der wäre noch eindrucksvoller als Bier. Aber wir haben Bier, ganz solides Bier. Und das werden wir trinken ...

Weshalb ist nicht Long gekommen, der Sheriff aus Thatcher? Weshalb schicken sie den Mann aus Cucharas vor? Das ist ein Fehler.

Mulligan möchte dazwischenspringen. Genauso steht er da. Aber er ist eine Amtsperson. Er hat sich noch in der Gewalt. Dieser Kleinrancher vom Apishapa River wird ihn nicht zur Unvorsichtigkeit verleiten.

Obwohl er kurz vor dem Überkochen ist.

„ Mister Sloan, ich habe Sie etwas gefragt!"

„ Gehört und verstanden, Sheriff! Aber bitte - nehmen Sie sich doch einen Stuhl, setzen Sie sich zu uns! Ich rede gern in Ruhe über solche Dinge. Besonders, wenn ich mich amüsieren will. Für Geschäfte ist überhaupt eine schlechte Zeit."

„ Die Zeit bestimmt das Gesetz, das ich vertrete. Ich habe Sie etwas gefragt, Mister Sloan!"

Mulligan macht keine Anstalten, sich zu setzen. Er stellt nur die Beine etwas breiter und schiebt das Kinn noch mehr vor.

„ Well", erklärt Bob Sloan gelassen. „Ich weiß, dass Sie Benny suchen. Und Sie wissen, was ich darüber denke."

„ Das steht nicht zur Debatte. Ich habe einen Haftbefehl in der Tasche. Darüber können Sie nicht bestimmen. Sie haben mich nur zu unterstützen, wenn Sie ein loyaler Bürger des County sind."

„ Die Aufklärung war überflüssig. Ich weiß, was meine Pflicht ist, Mulligan. Ben Holden befindet sich bei mir in einem legalen Anstellungsverhältnis. Solange er nicht verurteilt ist, kann mich niemand daran hindern, ihn weiter zu behalten."

„ Ich will ihn haben!“, brüllt Mulligan. „ Und Sie werden mir sagen, wo er steckt, verstanden?“

„ Ich kann es nicht sagen, Mulligan. Ich tanze hier mit meiner Braut. Irgendwo sind meine Männer unterwegs.“

Wie er das sagt, denkt der alte Johnson - und wahrscheinlich noch mancher andere.

Meine Männer!

Dabei hat er nur zwei, wenn er den Drecklümmel tatsächlich dazu zählt.

Habt ihr sein Gesicht gesehen? Diese unruhigen Augen!

Und Sloan deckt ihn. Sloan deckt einen Verbrecher!

Die Menschen von Thatcher sind vollkommen ausgeschaltet. Sie wissen nicht, wessen Partei sie ergreifen sollen. Bob Sloan macht den besten Eindruck. Er hat es sogar den Großmäulern von der Kendall-Ranch gezeigt. Und das lässt viele kleine Herzen in Thatcher höherschlagen. Wenn auch nur aus Neid gegen den Großrancher.

Aber dann deckt er diese Ausgeburt von einem Satan. Dieses blutrünstige Tier, das drei edle Pferde verschleppt und draußen auf der Prärie absticht.

Warum redet er nicht offen? Warum sagt er nicht, dass Holden nach Süden geritten ist? Dass er nicht weiß, wo er steckt?

Dann kommt Mulligans entscheidende Frage:

„ Haben Sie Ben Holden gesehen, Mister Sloan, nachdem er vorgestern nach Süden davonritt?“

Zwischen Frage und Antwort liegt nur ein ganz kurzer Augenblick. Trotzdem hält Thatcher den Atem an.

„ Ja", antwortet Bob knapp und nimmt einen Schluck aus seinem Glas.

„ Wo?", stößt Mulligan nach.

„ Auf meiner Ranch, an meinem verbrannten Wohnhaus, an der abgebrannten Scheune und an den Trümmern der Werkstatt.

Dort fand ich ihn, obwohl ich nicht ahnen konnte, dass er zu mir zurückkommt."

Mulligan greift hinter sich und zieht einen Stuhl heran. Jetzt setzt er sich doch noch. Auch sein Gesicht ist viel weicher geworden.

„ Da haben Sie's, Sloan! Das ganze County wundert sich über Ihren unbegreiflichen Wahn. Sie schützen einen Mann, der Ihnen persönlich nichts als Schaden zufügt..."

„ Moment, Sheriff! Das stimmt nicht. Er schadet mir nicht. Sie wissen sehr gut, dass ich ihm vertraue."

„ Aber es liegt auf der Hand, dass es Brandstiftung war. Dass Holden Ihre Ranch in Schutt und Asche legte."

„ Irrtum, Sheriff! Benny hat die drei Pferde nicht getötet. Er hat auch nicht mein Haus angesteckt. Er hat nur drei Reiter gesehen. Drei Reiter, denen sehr daran lag, mein Land am Apishapa River zu verlassen, ehe der Eigentümer oder sein Verwalter auf den Schaden aufmerksam wurde.“

„ Teufel, warum wollen Sie diesen Bengel reinwaschen, Sloan?“

„ Eigentlich hätte Ihre Frage jetzt diesen drei Reitern gelten müssen, Sheriff“, entgegnet Bob rau.

„ Holdens Zeugenaussagen interessieren mich nicht“, erklärt Sheriff Dan Mulligan. „Ich will ihn nur verhaften."

„ Dann dürfte unser Gespräch hiermit beendet sein, Sheriff."

Bob Sloan dreht sich weg. Ihn reitet der Teufel.

Sallys Augen warnen ihn. Das sieht er nur im Unterbewusstsein. Auch Sally hat den Jungen falsch eingeschätzt. In der Beziehung sind sich alle Menschen in Thatcher einig. Sie mögen Benny nicht. Sie trauen ihm alles Schlechte zu.

Es wird nicht mehr lange dauern, dann trauen sie Bob Sloan dasselbe zu. Wer sich mit Verbrechern anfreundet...

Dan Mulligan ist wieder aufgestanden und rückt seinen Gürtel gerade.

Bestimmt erwarten einige Zuschauer, dass er jetzt ein letztes Machtwort spricht. Sie sind gespannt, wie Sloan mit einem Sheriff fertig wird. Aber sie werden enttäuscht.

Mulligan schleudert noch einen giftigen Blick auf den Kleinrancher und dreht ab. Die Schwingtür öffnet er mit dem Stiefel. Dann ist er draußen.

Im Saal wird es langsam wieder lauter.

Aber wenn man über Bob Sloan redet, tut man es weiterhin leise in seiner Ecke, damit er nichts hören kann.

Jetzt hat er sogar einen Sheriff auflaufen lassen. Erst die Sache mit den beiden Kendall-Männern und jetzt dies!

Ein toller Kerl, dieser Bob Sloan, dieser Kleinrancher. Der wickelt sie alle um den kleinen Finger.

Wetten, dass sie alle Angst vor ihm haben?

Bob allein weiß, dass das mit der Angst ganz anders ist.

Dieser breite Rücken, dieser Dan Mulligan ist nur hinausgegangen, um wiederzukommen. Der ist Sheriff und weiß, wie weit er gehen darf.

Er kann keinen zur Aussage zwingen, wenn der schon gesagt hat, er wüsste nicht, wo Ben Holden nun wirklich steckt.

Dan Mulligan wird wiederkommen, yeah!

Und im nächsten Moment sind zwei andere da. Das wird den dritten Tanz geben. Diesmal mit Hank Traber und Lester Durfee.

Es ist, als ob sie sich abgesprochen hätten, gegen Sloan eine Attacke nach der anderen zu reiten. Bis er umfällt.

Selbst die Naiven merken, dass Traber und Durfee nur wegen Bob Sloan gekommen sind. Sie fragen nicht lange nach Whisky. Gucken sich nur um und stampfen bis in die Mitte des Saales. Dann haben sie Sloan erkannt.

Henry Hiller steht am Klavier. Bestimmt hat er vorgehabt, die Walze wieder in Gang zu bringen, aber seine Hand bleibt drei Zoll neben dem Schalter kleben und rührt sich nicht.

Wer wird jetzt schon tanzen wollen?

Bob Sloan scheint hier eine Extra-Party zu geben. Andauernd erscheinen Gäste, die nur seinetwegen kommen. By Gosh!

Und gleich werden die Kanonen hochfliegen!

Jeder sieht die gespreizten Hände von Hank Traber und Lester Durfee. Und wie sie Bob Sloan erkannt haben, werden ihre Gesichter zu steinernen Masken. Ihre Rücken werden krumm, und ihr federnder Gang wird langsamer.

Mein Gott! Was ist in die Kendall-Männer gefahren? Ist denn der Boss nicht da? So wie heute haben sie noch nie gewütet. Freilich, wenn’s darum ging, ihre Vormachtstellung zu beweisen, sind sie nie zimperlich gewesen. Aber sie haben nie das Recht verletzt. Keiner kann behaupten, dass die Kendal-lReiter Revolvermänner sind.

Es muss an diesem roten Teufel liegen, an diesem sommersprossigen jungen Bengel. Der hat sie alle verrückt gemacht. Kendalls Männer und auch den Kleinrancher.

Und was tut dieser Sloan?

Er rührt keinen Finger. Er sitzt neben Sally Hinsbrock, die plötzlich seine Braut sein soll. bloß, weil sie einmal mit ihm tanzen gegangen ist. Oder zweimal.

Sally hat aus ihren weißen Händen kleine Fäuste gemacht und hält sie dicht vor der Brust. Sie kann nur einen Gedanken haben! Nichts falsch machen. Nichts sagen.

Sobald sie eingreift, wird es ein Missverständnis geben. Wenn dann der Sheriff seine Fragen stellt, weiß keiner mehr, wie es eigentlich richtig gewesen ist. Schuld haben dann die Toten.

Und plötzlich hält sich Lester Durfee den Bauch vor Lachen. Er biegt sich nach hinten und hebt sich auf die Zehenspitzen. Auch Traber lacht mit. Nur nicht so laut und versessen wie sein Partner. Doch sie lachen!

Die anderen möchten gern mithalten. So ein Lachen entspannt die Nerven, und wer hat das hier nicht nötig? Trotzdem wagt es noch keiner.

So einfach kann dieses Duell nicht vorübergehen. Und es ist ein Duell! Bob weiß das am besten.

Durfee steht ganz nah. So nah, dass man das Öl seines frisch geputzten Colts riechen kann.

In Bob kocht es. Wenn das eine Herausforderung sein soll So ähnlich fangen sie es immer an. Auf die ganz dumme Tour. Mit einer klaren Beleidigung, ohne dass sie ein einziges Wort sagen.

„ Lachen Sie mal ’n bisschen in einer anderen Richtung“, sagt Bob.

Durfee dreht sich zu Traber um, als ob er brav gehorcht.

„ Es passt ihm nicht, Hank. Hast du gehört? Oder er weiß es noch nicht. Wetten, dass er keine Ahnung hat, worüber wir uns so herzhaft freuen?"

Durfee spielt den Betrunkenen. Doch Bob sieht nur Klarheit in seinen Augen. Dieser Bursche weiß genau, was er sagt.

„ Wetten“, sagt Traber, „er weiß es nicht. Er denkt, gleich würde einer von uns zum Eisen packen. Es zuckt ihm schon in den Fingerspitzen.“

Es zuckt ihm in den Fingerspitzen ...

„ Narren!", poltert Bob Sloan. „Ihr seht, dass ich in Damenbegleitung bin. Verschwinden Sie von unserem Tisch! Wenn Sie glauben, irgend etwas mit mir austragen zu müssen, dann melden Sie sich morgen früh. Sie können die Uhrzeit nennen, und ich werde zur Stelle sein. Zeugen sind genug da."

Durfees Lachen ist wie weggewischt, als ob er sich eine Maske vom Gesicht gerissen hätte. In seinen Augen ist nur noch das stahlgraue Glitzern. Durfee triumphiert, als habe er schon gewonnen.

„ Sie sind im Irrtum, Mister Sloan", sagt er trocken. „Zwischen uns gibt’s nichts mehr auszutragen, wenn Sie sich nicht selbst einen Grund ausdenken. Wir von der Kendall- Ranch und alle Leute in Thatcher sind quitt mit Ihnen. Sie waren ein passabler Bursche - bis vor ein paar Tagen ... Sie wissen, was ich meine. Diesen Dreckslümmel meine ich. Sheriff Mulligan hätte sich seinen Weg zu Ihnen sparen können."

Die Andeutung lässt Durfee in der Luft hängen. Jeder will, dass er weiter redet. Aber er tut es nicht.

„ Mann, Lester, spann uns nicht auf die Folter!“, sagt einer in der Menge. „Hast du eine tolle Nachricht, dann rück ’raus damit!"

„ Well, Ladies and Gentlemen!", verkündet Durfee wippend. „Der rote Lausejunge ist tot. Kein Grund mehr zur Aufregung. Er hat sein ..."

Bob Sloan ist so schnell auf den Beinen, dass sogar der gerissene Durfee nicht zu Ende kommt. Jetzt scheint es genau umgekehrt mit der Herausforderung zu werden.

„ Sag das noch mal, Durfee!", zischt Bob.

Der Kendall-Mann zuckt mit der Schulter.

„ Es hat wirklich keinen Sinn mehr, sich aufzuregen, Mister Sloan. Den armen Bengel hat es erwischt. Hank Traber ist mein Zeuge, dass ich die Wahrheit erzähle."

„ Weiter! Das kann doch noch nicht alles sein! Wer war es? Und wo?"

„ Hoh! Sie schlagen einen Ton an, Sloan, als hätten Sie einen von uns in Verdacht. Aber so war es nicht. Wir kamen ganz zufällig vorbei und sahen den seltsamen Schatten unter dem Baum. Als wir näher hinreiten, sehen wir, dass es Ihr Weidereiter Ben Holden ist. Er hing an einem Ast, einen Strick um den Hals. Mausetot, Mister Sloan. Jetzt können sie sich wohl denken, weshalb wir keinen Grabgesang anstimmen für diesen Pferdedieb.“

„ Wo war das?"

„ Genau da, wo Sie Ihren ehrbaren Weidereiter heute verlassen haben, Mister Sloan. Es war ein schöner starker Ast."

Plötzlich dreht Sloan den Kendall-Männern den Rücken zu.

„ Komm, Sally, wir gehen!"

Er legt echtes Silbergeld auf den Tisch. Sally Hinsbrock hängt an seinem rechten Arm, als sie beide hinausgehen. Wie ein Stück von ihm selbst.

Zwei Menschen, die zusammengehören. Und doch ist Bob Sloan in dieser Stunde einsam wie nie zuvor.

*

Ihm weht der Nachtwind ins Gesidit.

King trabt nach Westen. Bob treibt ihn nicht stärker an. Er will nur reiten ...

Man kann den Tod nicht einholen, wenn er schon dagewesen ist. Vorbei ist vorbei.

Alter Junge, Benny!

Sally!

Verrückt kann man werden.

Wie er sie abgeliefert hat. Bis zum Haus haben sie kein Wort gesprochen. Sally immer an seiner Seite, seine Finger fest um ihren Unterarm gekrallt.

„ Du tust mir weh!“, hat sie gesagt. nicht laut. Es war kein Schrei. Nur eine Feststellung.

Dann hat er sie losgelassen. Mit irgendeiner dummen Entschuldigung.

„ Ich muss jetzt reiten, Sally. Sie haben Benny umgebracht. Gute Nacht."

Dann hat er King aus dem Hof geholt und Sally stehen lassen. Sie hat ihm nachgeblickt, bis er die ganze Mainstreet hinter sich hatte. Aber das weiß er nicht.

Alter Junge, Benny! Jetzt haben sie dich da, wo sie dich haben wollten. Du hast nie im Leben Freunde gehabt. Bestimmt hast du das nicht. Und ich? Red’ bloß nicht von Bob Sloan! Wir haben uns kaum gekannt, und du warst schon am Ende der Dinge.

King wiehert und wirft den Kopf. Als ob er wüsste, was dieser Ritt bedeutet.

Du kriegst ein Grab, Kid. Darauf kannst du dich verlassen. Bei uns in der Familie soll mal so ein Fall vorgekommen sein. So ein Außenseiter bei den Eltern der Großeltern. Der hat sich totgesoffen. Und in den ganzen letzten Jahren hat sich keiner von uns mehr bei ihm blicken lassen. Er gehörte nicht mehr dazu, weißt du. Er hatte sich selbst ausgestoßen. Eines Tages haben fremde Leute erzählt, er läge zu Hause in einer Blutlache.

No, kein Schuss hatte ihn getroffen. Keiner hatte ihn geschlagen. Er war nur tot, und dabei war er aufs Gesicht gefallen.

Einer von uns hat ihn begraben. Ich weiß nicht, wer. Wir waren eine große Familie. Einer von uns hatte wohl die Idee, dass es für den Hass und die Gleichgültigkeit eine Grenze gibt. Und der hat ihm ein Kreuz gezimmert und eine Blume aufs Grab gestellt. Und seinen Namen hat er auf das Querholz gebrannt.

Dich kenne ich kaum.

Du hast von Whisky gefaselt, wenn du nur einen Saloon auf drei Meilen gerochen hast. Aber ich weiß nicht, ob du ein Trinker warst. Ich weiß nur, dass du die Pferde geliebt hast. Vielleicht, weil die Menschen nichts von dir wissen wollten.

Vielleicht.

By Gosh, du kriegst ein Kreuz aufs Grab. Bob Sloan wird es dir zimmern und deinen Namen einbrennen.

Sloan weiß nicht, wohin er reitet. Er denkt zuviel. King lässt sich nur von seinem Instinkt leiten. Deshalb finden sie den Weg.

Sie kommen an die Furt. Vorsichtig sucht der Braune seinen Weg. Bald wird der Mond aufgehen und alles heller machen.

Am anderen Ufer hält Bob Sloan die Zügel straffer.

Es riecht nach kalter Asche. Selbst bei Nacht ist der schwarze Fleck zu sehen, auf dem vor drei Tagen noch die Häuser der Ranch gestanden haben. Und die Asche riecht immer noch.

Wie in einem Wahn ist Bob Sloan geritten. Jetzt merkt er, dass er überlegen muss. Was hat Lester Durfee gesagt?

Genau da, wo Sie Ihren ehrbaren Weidereiter heute verlassen haben.

Was weiß Durfee eigentlich über uns? Wie will er herausbekommen haben, dass ich dich in ein Versteck gebracht habe? Diese Coyoten sind unberechenbar.

Nach einer halben Meile lenkt Bob seinen Braunen nach Norden. Die Weide wird zu einem sanften Tal. Dann kommt ein Hohlweg. Am Ende wartet eine kleine Felsgruppe, die von hochstämmigen Cottonwoods getarnt ist.

In der Nacht werden seine ersten Rinder sichtbar. Er bringt King zum Stehen.

„ Hallo, Billy!“, ruft er leise.

Aus dem Schatten schält sich eine Gestalt.

„ Hallo, Boss! So früh zurück? War nichts los bei Hiller, wie?"

„ Hast du eine Ahnung, was los war. Hast du geschlafen?"

„ Kein Stück!"

„ Dann wirst du wissen, dass auch hier was los war."

„ Hier? Wenn du Mulligans Besuch meinst..."

„ Damn...! Mulligan war hier? Und sonst?"

„ Keiner. Wer sollte auch?“

Bill Prewitt kommt drei Schritte näher, weil Bob keine Anstalten macht, aus dem Sattel zu steigen. „Sag mal, Boss, willst du mir nicht verraten, was passiert ist?"

„ Hast du dich mal um Benny gekümmert?"

„ Wie komme ich dazu? Gegen dein Verbot unternehme ich nichts. Der sitzt bestimmt noch in seiner Ecke hinten im Fichtenwald. Vorausgesetzt, er richtet sich nach deinen Anweisungen."

„ Well, und Mulligan war hier. Von wo kam er? Was wollte er?“

„ Er sucht den Jungen. Das weißt du ja selbst. Er kam aus Richtung Cucharas. Ich habe natürlich den ahnungslosen Engel gespielt."

„ Und?"

„ Dann ritt er nach Thatcher.“

„ Hm, das kommt hin. Bei Hiller hat er uns den ganzen Abend verdorben. Er wollte mich in die Zange nehmen. Auf die moralische Tour, weißt du? Er wollte wissen, wo Benny steckt. Er kann es also nicht gewesen sein.“

„ Wenn ich jetzt wüsste, wovon du redest.“

„ Durfee hat behauptet, sie hätten Benny hängen sehen. An einem Ast auf meinem Land.“

„ Das sind aber grobe Scherze für einen Tanzabend. Du glaubst doch nicht..."

„ Ich will gar nichts glauben, ich will es wissen! Wenn du nichts bemerkt hast, war es ein gemeiner Handstreich. Hat Muliigan lange mit dir gesprochen? Wollte er dich vielleicht ablenken? Wenn ich herausbekomme, dass dieser Sheriff mit den Verbrechern gemeinsame Sache macht..."

„ An dem Ding stimmt doch was nicht. Bob. Wie käme Durfee dazu, vor aller Öffentlichkeit zuzugeben, dass er Benny aufgehängt hat?"

„ Er hat gar nichts zugegeben. Er hat nur gesagt, dass sie ihn hätten baumeln sehen. Er und Hank Traber. Und das war fünf Minuten, nachdem Mulligan den Saloon verlassen hatte. Das sind ganz durchtriebene Burschen. Sie sind’s gewesen. Einwandfrei! Aber Beweise kriegen wir niemals in die Hand. Der Sheriff von Cucharas - by Gosh!"

„ Der hängt keine Leute in der Wildnis auf, wenn er einen Haftbefehl für sie hat."

King spürt die Stiefel in den Flanken.

„ Ich komme mit, Bob, warte!"

„ Du bleibst hier, wie es abgemacht war! Einer wacht bei der Herde. Wenn du mir folgst, zahle ich dich aus, Bill!"

Billy Prewitt gehorcht knurrend.

Einer muss bei der Herde bleiben. Jetzt erst recht. Wenn die Leute in der Nähe sind, die die Ranch niedergebrannt haben, ist nicht damit zu rechnen, dass sie das Vieh ungeschoren lassen.

Wenn sie Benny ...

King galoppiert dumpf über den weichen Boden. Sein Hufschlag wird stärker, als er den felsigen Grund erreicht, hinter dem der Fichtenwald liegt. Dann verebbt das Geräusch.

Bob riecht Tannennadeln und frisches Holz. Unter den Baumkronen ist es wieder dunkler geworden. Der Mond kommt erst später, und das Sternenlicht lässt die Konturen in der Prärie nur schwach erkennen.

Aber Bob kennt den Wald. Er gehört ihm. Es sind seine Bäume - jeder einzelne.

Hier hat er am Vormittag Ben Holden verlassen.

Hör zu, Benny, hat er gesagt. Ich werde nach Thatcher reiten, wie ich es Sally versprochen habe. Ich werde tanzen gehen. Die Mordbrenner sollen nicht glauben, dass sie mich getroffen haben ... Natürlich haben sie mich getroffen. Dir brauche ich nicht zu sagen, wie es unter dem Hemd bei mir aussieht. Aber außer dir und Bill hat das keiner zu wissen. Wie es um deinen Hals steht, brauche ich auch nicht extra zu erwähnen. Dich und Torro stecke ich in ein Loch. Und dort bleibt ihr, bis ich wieder da bin. Verstanden?

Seltsam, Benny hat keine Schwierigkeiten gemacht. Er hat ihm in die Hand versprochen, sich genau so zu verhalten, wie er es wünscht. Sie haben sich noch einmal angesehen, und Bob ist weggeritten.

Keiner hat gewusst, was für ein langer Abschied das werden konnte.

Ich werde sie umbringen, denkt Bob. Einen nach dem anderen. Ich werde genau das aus mir machen, für was sie Benny immer gehalten haben. Sie sollen ihren Dreckslümmel haben. Und zwar einen, an dem sie sich die Zähne ausbeißen.

Wenn sie den ehrlichen Kampf um die Weide nicht wollen, gut!

Er ist mitten im Wald, wo die größten Bäume stehen.

Wen hängt man an einer Fichte auf?

Plötzlich überschlagen sich seine Gedanken. Dann hört er das Rauschen über sich.

Als das Geräusch verstummt, knallt es wie ein Stein auf ihn herab.

Ein Mann sitzt hinter ihm auf King, zwei Arme stoßen vor, umklammern ihn von rechts und links, ln der rechten Hand blitzt eine Klinge.

Bob sieht es nur ungenau. Es ist zu dunkel. Und weil er nicht weiß, was das Blitzen zu bedeuten hat, vollendet er seine Bewegung.

Bestimmt hat der andere geglaubt, er wird versuchen, aus dem Sattel zu rutschen, nach rechts oder links.

Aber Bob Sloan fällt nur in sich zusammen, bringt die Arme von beiden Seiten hoch und faltet sie hinter dem Genick. nicht hinter dem eigenen. Es steckt noch ein fremdes dazwischen.

Das fremde Kinn landet auf seiner Schulter. Er dreht sich halb nach rechts und zieht noch einmal an dem kleinen Kopf. Die Haare fühlen sich wie trockenes Weidegras an.

Als der schmächtige Körper zu Boden rutscht, hat er ihn erkannt.

„ Alter Junge - Benny!“

„ Boss?“, fragt Benny.

Er hat noch immer das Messer in der Hand. Wie eine Katze ist er zu Boden gegangen und glatt auf die Beine gekommen. „Was denkst du denn?“

„ Erst dachte ich, das sei einer, der nicht hierher gehört. Du bist heimlich gekommen wie einer von den Kendall-Männern. Ich hätte dich umbringen können, verstehst du? Eines Tages werde ich dir noch beibringen, dass man erst dann handelt, wenn man die Folgen absehen kann. Man stürzt sich nicht auf jeden, der gerade vorbeikommt."

„ Du redest heute nicht sehr gescheit, Boss. Dies hier ist mein Versteck, in dem ich mich von keinem überraschen lassen soll. Also schlage ich erst einmal zu. Wenn ich erst lange denken soll, ist es irgendwann zu spät. Aber reg dich nicht auf! Du lebst ja noch. Weshalb bist du hergekommen?“

Bob Sloan steigt aus dem Sattel und führt King unter den nächsten Baum. Dort macht er ihn fest. Und er sagt gar nichts, bis er zurückkommt. Dann steht er vor Ben Holden.

„ Lester Durfee hat behauptet, man hätte dich hier aufgehängt. Das war eine elende Lüge. Und das hat er nicht nur so dahingesagt, Benny. Hol dein Pferd! Wir werden von hier ...“

„ Sie werden gar nichts!", sagt plötzlich Dan Mulligans Stimme unter den Bäumen. „Nehmt sie hoch und geht nach rechts, Gents! Wenn ihr eine falsche Bewegung macht, werden an sechs Revolvern die Finger krumm. Ihr seid umzingelt!“

Sechs Colts...

Das können sechs Mann sein.

Oder auch nur drei.

Oder ein Bluff. Bob sieht nur den Schatten eines Mannes. Es ist zu dunkel unter den Bäumen. Trotzdem gehorcht er.

Er versucht, alles einzukalkulieren. Aber der Weg ist zu kurz. Für eine ausreichende Kalkulation wird er ihm nicht mehr viel Zeit lassen.

Nach den Worten des Sheriffs ist es totenstill. So still, dass man sogar Bobs Schritte auf dem weichen Waldboden hört, obwohl sie nur wie ein Hauch sind.

Der Schrei, der dann folgt, scheint mitten aus der Hölle zu kommen. Und danach ist auch gleich die Hölle los.

An der Stimme hat Bob erkannt, dass es wohl Hank Traber gewesen ist. Im selben Augenblick fliegt Benny an ihm vorbei nach vorn. Hinter ihm krachen kurz nacheinander zwei Revolverschüsse.

Hank Trabers Schrei hat ihn schon zu einer Bewegung veranlasst. Vielleicht ist auch die Nacht schuld, dass Mulligan ihn nicht trifft.

Jedenfalls lebt er noch, als der Schrei in ein Stöhnen übergeht, und er läuft jetzt nicht mehr nach rechts, sondern in entgegengesetzter Richtung.

Gleichzeitig ist sein Colt aus dem Halfter.

Dicht neben ihm hat sich etwas vollendet, das er nicht ganz erkennen kann. Benny ist auf Traber zugesprungen und hat sich sein Messer aus dessen Arm geholt. Das Messer und den Colt.

„ Lauf weg, Boss.“ kommt jetzt seine Stimme aus der Richtung schräg hinter Bob. Drei Schüsse liegen zwischen dieser Aufforderung und dem folgenden Versprechen.

Sie verirren sich in der Nacht.

„ Lauf, Boss. Ich mache sie allein fertig. Die haben keine Chance heute bei mir. Ich ..."

Es klingt wie ein Lachen. Höhnisch.

Bei Mulligans Posse hat es wieder geknallt. Bennys verächtliches Echo kommt schon wieder aus einer ganz anderen Richtung.

Traber stöhnt einen Fluch dazwischen.

Bob versucht, Deckung hinter dem nächsten Baum zu finden, aber er weiß nicht, ob er sich in der richtigen Richtung tarnt. Auch hinter ihm können sie stecken.

Das Geräusch beweist ihm, wie richtig dieser Verdacht ist.

Es ist das Spannen eines Hammers.

In der Regel folgt diesem Laut der tödliche Sdiuss.

Er fährt herum, und in der Bewegung stößt er die Hand nach vom. Dabei weiß er, dass alles viel zu langsam geht, dass der andere einen Vorsprung von einer ganzen Ewigkeit hat.

Doch der Schuss fällt nicht.

Benny liegt dazwischen.

Bob Sloan kann nur ahnen, was sich drei Yards von ihm entfernt abspielt. Er sieht die Menschen nicht, er spürt nur ihre Nähe.

Benny hat Lester Durfee beim Wickel.

Der konnte nicht ahnen, dass die Nachtkatze ihn schon ausgemacht hat.

Sein Arm wird nach unten gepresst. Der Schuss geht in den Waldboden. Dann haben ihm flinke Finger den Revolver aus der Hand gedreht. Die Waffe fällt dumpf zu Boden.

Benny macht einen Hechtsprung auf Bob zu, reißt ihn um.

„ Wenn du jetzt nicht liegen bleibst, Boss, bist du ein toter Mann!"

Wie eine Fledermaus flattert er davon.

„ He, Sheriff!", kommt es aus einer Ecke. „Ich schlage vor. Sie reiten nach Hause. Über so was unterhält man sich besser bei Tageslicht."

Benny wechselt die Stellung und fliegt hinter den nächsten Baum. Wo er gesessen hat, schlägt eine Kugel ein.

Drei Mann sind es, überlegt Bob Sloan. Mehr auf keinen Fall. Er kommt auf die Knie und macht sich hinter der Fichte gerade.

Lester Durfee steht genau neben ihm. Ohne Waffe.

„ Hallo, Sheriff!", ruft er. „Pfeifen Sie Ihre Männer zurück! Ich übernehme sonst keine Verantwortung für das, was hier geschieht!"

Das ist das erste klare Wort.

„ Wenn du einen Finger rührst, Durfee, bist du ein toter Mann!“, flüstert eine Stimme in der Nähe. Darauf wird Lester Durfee steif wie ein Felsen.

Das ist Benny gewesen.

„ Ich bin gekommen, um Holden zu verhaften", sagt Dan Mulligan wie aus weiter Ferne. Er steht noch immer da, wo er vor einer Minute aufgetaucht ist.

„ Das ist Ihr gutes Recht“, gibt Bob Sloan zurück. „Aber Sie werden wohl einsehen, dass wir bei der augenblicklichen Situation mehr Menschenleben aufs Spiel setzen, als es sich lohnt. Pfeifen Sie Ihre Männer zurück, Mulligan! Wir werden verhandeln."

Mulligan hat das Eisen hoch und schießt in die Richtung, aus der die Stimme kommt. Die Kugel verfängt sich in einem Baum, trifft in spitzem Winkel auf und jagt als surrender Querschläger davon.

„ Ich habe mitgezählt, Sheriff", zischt Ben Holden. „Jetzt ist Ihre Trommel leer."

Klick! Das ist die Bestätigung.

Mulligan flucht.

Bob Sloan hat einige Sekunden Vorsprung.

„ Ich könnte jetzt schießen, Sheriff, aber ich tu’s nicht. Ich will nicht, dass auf meinem Boden ein Duell ausgetragen wird. Ich stehe zu demselben Recht, das Sie vertreten. Kommandieren Sie Ihre Leute zurück. Dann werden wir verhandeln!“

Neben Bob steht Lester Durfee. Und neben Durfee steht Benny.

„ Wenn du einen Finger rührst, Durfee, bist du ein toter Mann!", verspricht Benny.

„ Mach keinen Unsinn, Benny!", ruft Bob.

„ Das lass nur meine Sorge sein, Boss. Sie haben sechs Revolver gegen uns, wie Mulligan behauptet. Und ich möchte noch etwas leben. Sag ihnen, dass ich ihnen das Fell gerbe, wenn sie nicht sofort nach Hause reiten."

„ Du hältst dich jetzt 'raus, Kid!"

„ Sie wollen mich umbringen. Und ich bin unschuldig. Ich mache sie fertig, wenn sie nicht sofort verschwinden."

Hank Traber stöhnt in seiner Ecke. Er liegt zwanzig Schritt weiter und kann nicht mehr.

„ Hier stellt keiner ein Ultimatum", erwidert Bob Sloan ernst. „Ausgenommen ich. Dies ist mein Land. Du wirst mich jetzt reden lassen, Benny! Verstanden?"

„ Ich bin gespannt, was dabei herauskommt, Boss!“

„ Wenn du jetzt noch ein Wort sagst, bist du entlassen."

„ Gewalt geht vor Recht. Jetzt kann ich wohl gehen, wie? Und mich hinterrücks abknallen lassen... Well, ich sehe, du bist nicht besser als die anderen. Die Kerle machen sich ein bequemes Leben. Vielleicht werden sie dir helfen, die Ranch wieder aufzubauen, wenn du mich an den Galgen geliefert hast. Du hast dir ja alles nur meinetwegen eingebrockt. Glaube nur nicht, dass ich ein dankbarer Mensch bin! Kannst zu ihnen überlaufen..."

„ Kein Wort mehr, Benny! Ich breche dir alle Knochen einzeln, wenn Mulligan mir noch Gelegenheit dazu gibt.“

„ Ich habe dir das Leben gerettet! Vergiss das nicht, wenn ich mir den Salbei von unten angucke.“

„ Benny!"

Das bringt ihn endlich zum Schweigen. Keinen Ton sagt der Junge mehr. Wer guckt sich schon gern den Salbei von unten an?

Kein Schuss ist mehr gefallen.

Bob Sloan beginnt wieder zu kalkulieren.

Zwei Mann hat Benny unschädlidi gemacht. Traber und Durfee. Dann ist noch Mulligan da. Aber sonst niemand.

Es hat noch keine schwärzere Nacht als diese gegeben. Sheriff Mulligan hat seit einer Minute kein Wort gesagt. Er hat ein paar mal versudit, den Finger krummzumachen. Doch es ist nichts dabei herausgekommen.

Sie alle suchen den Gegner in der Nacht. Aber es gibt keine dunklere Nacht als unter den Fichten auf Bob Sloans Land in der nordwestlichen Ecke, wo die steilen Felsen nach Westen eine natürliche Grenze ziehen.

„ Ich verblute!", schreit Hank Traber. „Sie müssen mich verbinden, Sheriff! Wenn Sie diesen Zirkus nicht augenblicklich abblasen, werde ich reden ... Ich sterbe nicht für Ihren Privatkrieg mit dem Boss!"

„ Hören Sie, Sloan!", sagt jetzt Dan Mulligan keuchend und schwer. „Ich werde mit Ihnen reden. Aber ich brauche die Garantie, dass Ben Holden keinen Finger mehr rührt."

„ Die haben Sie!“

„ Das will ich von dem Bengel selbst hören.“

„ Ich bin sein Boss, und mein Wort gilt!"

„ Sei nicht so stur, Boss!", sagt Benny. „Merkst du nicht, dass er scharf auf meine Stimme ist? Ich bin euch allen über bei Nacht. Ihr seid blind. Aber ich bin es nicht. Er soll mit Durfee verschwinden. Dann werden wir uns um Traber kümmern. Das ist nur ein Vorschlag."

Benny steht arglos neben Bob. Der packt ihn jetzt mit einer Hand im Genick. Seine Finger sind wie Schraubzwingen.

„ Das ist jetzt meine letzte Aufforderung, Benny. Du hältst dich ab sofort heraus. Kein Wort mehr von dir, klar?"

„ Klar, Mister!"

Benny rutscht ihm aus der Hand und setzt sich auf den feuchten Boden, der über und über mit Tannennadeln bedeckt ist.

„ Durfee", sagt Bob, „Sie können jetzt zum Sheriff hinübergehen. Aber machen Sie schnell!“

Der Kendall-Mann wechselt sofort die Stellung, stellt sich neben Mulligan auf. Seine Hände sind leer.

„ Wenn Sie Wert darauf legen“, erklärt Bob, „bin. ich morgen Mittag bei Ihnen, Sheriff. Aber jetzt reiten Sie. Um Traber werden wir uns kümmern."

„ Abgemacht", erklärt der Sheriff von Cucharas. „Aber wenn Sie bis morgen Mittag nicht dagewesen sind, geht die Jagd von vorn los. Wenn Sie nicht kommen ..."

„ Ich werde kommen, Mulligan. Es gibt kein Wenn. Steigen Sie in den Sattel und verschwinden Sie!“

Zwei Schatten huschen zurück. Die Pferde stehen weit hinten in der Deckung. Mulligan und Durfee steigen in die Sättel und reiten an.

„ Torro!", zischt Ben Holden und rennt zu seinem Pferd. Er ist nicht mehr zu halten. Er bleibt Mulligan und Durfee auf den Fersen. Als er in den Fichtenwald zurückkehrt, hat Bob Sloan Trabers Arm verbunden. Der Kendall-Mann weiß kaum noch, was in seiner Umgebung vorgeht. Er ist halb besinnungslos. Halb schläft er.

*

„ Sie sind weg, Boss", brummt Benny.

„ In Ordnung“, sagt Bob Sloan. „Inzwischen ist auch Traber versorgt. Ich denke, er wird nicht verbluten. Komm her und fass mit an! Wir werden ihn auf sein Pferd binden. Dann hält er’s aus, bis wir bei Billy sind.“

Eine halbe Stunde später sind sie bei der Herde.

Bill Prewitt ist noch wach, als er die Freunde hört.

Wie er Hank Traber erkennt, ahnt er, dass sich etwas ereignet hat. Er fragt aber nicht. Bob und Benny sind unverwundet. Trotz der vielen Schüsse, die gefallen sind.

Bob erzählt unaufgefordert, was passiert ist.

„ Gut, dass noch einer auf das Vieh aufpasst", meint Billy. „Ihr schießt euch herum ...“

„ Ich habe nicht geschossen!", unterbricht ihn Bob hart.

„ Und ich auch nicht“, versidiert Benny. „Keiner von uns. Dafür haben wir ihnen aber die Furcht eingejagt."

„ Für den Stich in den Arm wirst du dich noch verantworten müssen", fällt ihm Traber ins Wort. Und zu Bob Sloan: „Ich verstehe nicht, Kleinrancher, dass Sie sich für diesen Kerl in die Nesseln setzen. Ob Sie nach Cucharas reiten oder nicht, Mulligan hat Sie so oder so festgenagelt."

„ Dieser Coyote!", zischt Benny. Er ist aufgesprungen und hat das Messer in der Hand. Er zittert vor Wut.

By Gosh, er lernt es nie, denkt Bob. Aber irgend etwas hält ihn davon ab, jetzt einzugreifen. Er kann schließlich nicht immer wie ein Vater hinter ihm herlaufen und aufpassen, dass er keine Dummheiten macht.

Er sagt nicht mal ein Wort. Nur die Hand hat er am Revolver, um im Notfall etwas zu unternehmen.

Eine ganze Weile steht Benny so da. Zitternd und zu Tode beleidigt. Aber dann dreht er sich um.

„ Es lohnt wohl nicht, diesen Narren überhaupt noch anzuhören. Vor einer halben Stunde hätte ich ihm das Maul stopfen sollen. Bin bloß gespannt, wie lange du dir noch diese Frechheiten bieten lassen willst."

„ Das lass nur meine Sorge sein! Es war ein guter Trick, Traber, mit dem Sie mich bei Hiller hereingelegt haben. Durfee hätte Schauspieler werden sollen.“

„ Er hat öfter solche Ideen“, meint Hank Traber grinsend. Sein Spaß scheint größer zu sein als sein Schmerz im Arm.

Die Männer haben sidi eng um das kleine Feuer geschart, das Billy Prewitt seit der Dämmerung unterhält. In ihren Gesichtern spiegelt sich die rote Glut.

„ So ähnlich habe ich es mir gedacht", sagt Bob. „Durfee scheint überhaupt der Gescheitere von Ihnen zu sein."

So dumm ist Traber allerdings auch nicht, dass er die Beleidigung nicht heraushört. Sein Kopf ruckt hoch.

„ Ich bin verwundet und habe keinen Revolver. Da fühlen Sie sich wohl mächtig stark, Sloan, wie?"

„ Den Revolver kriegen Sie gleich wieder. Dann können Sie wegreiten. Aber ich rate Ihnen, den kürzesten Weg zu wählen, der von meinem Weideland wegführt."

„ Das können Sie haben, Sloan!", brummt Traber wütend und steht auf.

„ Augenblick, Traber!", sagt Bob. „Ich hab' noch eine Frage."

„ Da bin ich aber neugierig."

„ Im Fichtenwald haben Sie vorhin eine interessante Bemerkung gemacht. Was sollte das heißen, dass Sie nicht für Mulligans Privatkrieg mit dem Boss sterben wollen?“

„ Pah! Sie fantasieren wohl?"

„ Ich könnte mir vorstellen, dass es für Sie besser wäre, Traber, sich nicht dumm zu stellen. Dass in Ihrer Mannschaft nicht mehr alles in Ordnung ist, weiß wohl jeder im County. Wenn Sie eine einigermaßen reine Weste haben, sollten Sie jetzt reden.“

„ Sicher, Traber", meldet sich Benny erregt. „Ich war ja dabei und hab’s genau gehört. Ich nehme es dir verdammt nicht übel, wenn du mit diesem Krieg nichts zu tun haben willst. Mach für eine Minute den Mund auf und sage uns, wer die drei Pferde abgestochen hat."

„ Der Bursche ist verrückt!", krächzt Traber.

„ Wir sind ganz unter uns", meint Sloan. „Es macht also nichts aus, wenn wir mal alle die Wahrheit reden. Ich weiß, dass Benny mit der ganzen Sache nichts zu tun hat. Glauben Sie vielleicht, ich hätte mich sonst für ihn eingesetzt? Sie wissen eine Menge mehr als ich in dieser Sache, Traber. Und Ihre Liebe zur Kendall-Mannschaft hat ihre Grenzen, wie ich vorhin selbst gehört habe. Also, wie ist es?“

Hank Traber steht noch immer vor dem Feuer.

„ Kann ich jetzt meinen Colt haben, Mister Sloan?“

„ Was ist zwischen Mulligan und Kendall? Sagen Sie's, Traber! Und Sie wissen auch, wer für den Tod der drei Pferde verantwortlich ist."

„ By Gosh, Sloan, es gibt Leute, die meinen, Sie wären nicht ganz richtig im Kopf. Jetzt merke ich, dass die recht haben. Erst jagt mir dieser Bengel ein Messer in den Arm, und dann glauben Sie, ich werde zum Dank dafür alles verraten.“

„ Yeah, Boss, hast du das gehört? Soweit haben wir ihn schon. Er gibt wenigstens zu, dass es was zu verraten gibt. Bei meinen toten Eltern, Boss, ich werde ihn noch ein wenig mit der Klinge kitzeln, dann machen wir in drei Minuten einen ehrlichen Mann aus ihm."

„ Augenblick, Benny! Im Grunde scheint er ein ehrlicher Kerl zu sein. Er wird auch so reden. Also, Traber ...“

„ Ich werde ..."

Ein Schuss zerreißt die Stille der Nacht.

Hank Traber steht noch zwei Sekunden am Feuer. Die zuckenden Flammen lassen schwarze und rote Schatten über sein Gesicht tanzen.

Von irgendwoher hat sein Körper einen Schlag bekommen, wird geschüttelt und steht immer noch.

In den aufgerissenen Augen hat Hank Traber nur eine einzige Frage. Er wird nie mehr eine Antwort darauf bekommen.

Der Schlag war zu stark. Er holt ihn aus den Stiefeln.

Im Sand bleibt er liegen.

Keiner der anderen drei kann sich die Zeit nehmen, Hank Traber Beachtung zu schenken. Sie werfen sich hin, rollen weg, haben Colt und Messer bereit, ehe das Echo des Schusses verklungen ist.

Sie sichern nach Süden, denn die Richtung ist klar auszumachen gewesen. Sie wissen auch, dass es ein Schuss aus einer schweren Büchse war - und aus größerer Entfernung.

Der zweite Schuss wird ihn verraten.

Bob ist ganz sicher. Und er wird diesen Mann finden.

Doch der zweite Schuss kommt nicht. Sie warten einige Atemzüge lang. Dann hören sie, wie ein Pferd anreitet, wie es aus dem Stand sofort in einen höllischen Galopp fällt.

Bob Sloan erkennt einen undeutlichen Schatten. Die Entfernung kann fünfzig Yards betragen. Aber es ist Nacht, und es kann auch mehr oder weniger sein.

„ Die Pferde!", ruft Bob Sloan. „Du reitest mit, Benny!"

„ Und ich?“, fragt Billy Prewitt verstört.

„ Das weißt du genau, Bill. Wo ist übrigens Terry?“

„ Bei den Rindern im Norden. Ich konnte ja nicht wissen, dass wir heute unbedingt einen Hund ...“

Benny läuft, um die Pferde zu holen. Bob geht zu Hank Traber, fasst ihn an der Schulter und dreht ihn auf den Rücken.

Die Augen verraten alles.

Hank Traber ist tot. Über dem Herzen ist das Hemd dunkel und feucht.

Bob lauscht in die Nadit.

Wenn er diesen Mörder erwischt hat, wird alles viel klarer sein.

Aber Benny macht zuviel Lärm mit den Pferden. Bob rennt King entgegen. Als er sich in den Sattel zieht, hat Benny mit Torro bereits hundert Yards Vorsprung.

Sie reiten nach Süden. Langsam holt King auf. Benny reitet noch verhalten, bis sie gleichauf sind.

Der Weg nach Thatcher!

Ist er richtig?

Wer zur Kendall-Ranch reitet, wird nach einer Meile rechts abbiegen. Aber wird ein Kendall-Mann den nächsten Weg nach Hause wählen, wenn er einen Mord auf dem Gewissen und die Verfolger hinter sich hat?

Benny stöhnt einzelne wütende Worte im Sattel. Der Wind reißt sie ihm von den Lippen.

Er redet von Rache und seinem Messer. Von Halunken und Leuten, die sein Gesicht und seine wilden wasserblauen Augen nicht mögen.

*

Ein ganzes Stück oberhalb der abgebrannten Ranch sind sie über den Fluss gegangen, nehmen das Ufer mit seiner steilen Böschung. Oben hält Bob sein Pferd an.

„ Bleib’ stehen, Benny!"

Der zügelt Torro. Das Tier schnaubt.

„ Beruhige ihn, zum Teufel! Ich will hören, was hier los ist.“

Benny legt seinem Gaul die Hand auf die Mähne. Torro wird still. So still wie die Nacht, die nichts verrät.

„ Wir haben ihn verloren. Oder er steckt ganz in der Nähe und wartet, bis wir verschwunden sind“, meint Benny. „Eine dunklere Nacht konnte er sich nicht aussuchen.“

„ Aber du siehst immer noch etwas. Wie war das unter den Bäumen vorhin, Benny!"

„ Natürlich, ich sehe ganz gut im Dunkeln, besser als die meisten. Wie ein Vampir ungefähr."

„ Und du hast den Reiter gesehen?“

„ Er war ja nahe genug. Er ist nach Süden geflohen. Darauf kannst du Gift nehmen! Nach Thatcher oder zur Kendall-Ranch.“

„ Well, dann weiter!“

Sie reiten an, Richtung Thatcher. Nach einer Meile biegen sie zur Ranch ab. Es gibt hier einen ausgefahrenen Weg.

Und es gibt einen rot-weiß markierten Grenzpfahl, den Kendall klar und deutlich am Straßenrand aufgestellt hat. Ab hier gehört das Land ihm.

So weit, wie man sehen kann.

King fällt in Trab und bleibt stehen. Benny dreht sich um.

„ Was ist los, Boss! Traust du dich nicht?"

„ Ich zweifle nicht, dass du weiterreiten würdest, wenn ich nicht bei dir wäre. Aber ich bin nun mal dabei und deswegen wirst du auch nicht so schnell zu deiner Beerdigung gehen."

„ Die werden mich schon nicht erwischen."

„ Es wäre nicht das erste Mal. Du vergisst wohl, dass du schon mal ihren Strick am Hals hattest. Außerdem bist du nicht mitgekommen, um mir deinen Mut oder Leichtsinn zu beweisen. Wir brauchen den Mörder, und den findest du hier nicht mehr."

„ Well, kehren wir um, Boss. Vielleicht ist er ja auch einen ganz anderen Weg geritten."

Damit rechtfertigt sich Benny vor sich selbst. Nur zu tun, was der Boss verlangt, daran muss er sich erst noch gewöhnen. Er hat noch nie einen richtigen Boss gehabt, dem er sich unterordnen konnte.

Fünf lange Meilen sind es bis zu der Wegegabelung nach Thatcher. Sie reiten langsam, um die Pferde nicht zu überfordern. Die Jagd hat ihren Sinn verloren. Es ist spät genug, um ans Schlafen zu denken.

Es ist Nacht...

Und es gibt einen Mörder! Auf Bob Sloans Land liegt ein Toter mit einem blutgetränkten Hemd. Den werden sie nicht verheimlichen können.

Bob Sloan hat keine guten Ahnungen. Er behält sie aber für sich. Wenn er erst Benny auf die Idee bringt, wird der Junge nicht mehr zu bändigen sein.

Ein Mann aus Kendalls Mannshaft ist erschossen worden. Auf Sloans Grund und Boden. Soweit ist die Sache klar. Alles andere kann man nicht beweisen. Genauso wenig wie die Brandstiftung.

Es wird nur Vermutungen geben. Oder sogar falsche Aussagen.

Bob Sloan hat keine guten Ahnungen. Wirklich nicht. Je länger er nachdenkt, um so klarer wird ihm, dass er in einer ganz fatalen Klemme steckt.

Alles geht schief, seit er sich zu Ben Holden bekannt hat. Man müsste abergläubisch sein. Dann gäbe es Erklärungen genug. Dann könnte man vom Teufel reden und von seinem schmutzigen kleinen Jungen, der ein Messer statt eines Revolvers trägt. Der damit auf die gleichen Entfernungen genauso gut trifft...

*

Vor ihnen liegt die Wegegabelung.

„ Tshshsh!", maht Benny plötzlich, und das Messer ist automatisch in seiner Hand.

Bob bringt King zum Stehen und starrt in die Nacht. Er hat noch nichts Verdächtiges erkannt. Aber er weiß, dass Benny kein mondsüchtiger Nachtwandler ist.

„ Was ist los?"

„ Vor uns! Jetzt kommt er. Pass auf! Ein ganz gerissener Bursche. Aus Richtung Thatcher kommt er. Er ist weitergeritten und dann umgekehrt. Hat sich doch wohl nicht nach Thatcher ’reingetraut um die Zeit. Hast du dein Eisen klar, Boss?"

„ Wie du dein Messer. Aber halt dich zurück, Junge! Den Mörder will ich lebendig haben ... wenn er es ist.“

„ Es ist ein einzelner Reiter. Und so was gibt’s hier heute nicht außer dem Mörder. Gleich wird er uns sehen.“

Bob Sloans rechte Hand hält den 45er. Der Daumen hat den Hammer schon gespannt. Er wird nur schießen, wenn der Bursche Schwierigkeiten macht.

Jetzt hört er deutlich das dumpfe Geräusch der Hufe in dem weichen Sandboden.

Jetzt sieht er den schwarzen Schatten ...

Er reitet genau auf sie zu.

Wie eine Falle warten Bob und Benny zu beiden Seiten des Weges.

Der Reiter zügelt sein Pferd. Der Colt ist draußen.

„ Keine Bewegung, Mister!", zischt Bob Sloan.

„ By Gosh!", stöhnt Benny. „Der... Sheriff!"

„ Ah, Sie sind’s", sagt Long. Es klingt erleichtert.

Wenn man seine Stimme gut verstellt, klingt sie immer so, wie sie soll, denkt Bob. Er will es noch nicht schlucken, dass ausgerechnet Sheriff Long vor ihm steht.

Was ist das für ein Krieg zwischen Mulligan und Kendall? Hat auch der Sheriff von Thatcher damit zu tun?

Hier gibt’s noch eine Menge zu klären, by Gosh. Fragt sich nur, ob es dafür genug ehrliche Leute im County gibt.

In diesem Moment ist Bob Sloan soweit, dass er keinem mehr traut.

Long kommt näher.

„ Jetzt stehenbleiben!", kommandiert Bob. „Und stecken Sie Ihr Eisen wieder weg, Sheriff! Wir sind die Übermacht. Gegen meinen Colt und Bennys Messer haben Sie keine Chance."

Der Reiter gehorcht.

Seine Stimme bleibt ruhig.

„ Jetzt bring mir einer bei, wie es weitergehen soll. Man muss tatsächlich nachts losreiten, um zu begreifen, dass die Leute die Wahrheit geredet haben, und dass die eigene Menschenkenntnis verdammt wenig taugt. Wenn Sie mich umlegen wollen, kann ich's nicht ändern, Sloan. Ich habe ’ne Menge Jahre auf dem Buckel. Für einen Sheriff schon ganz schön. Ich habe auch nie daran gezweifelt, dass ich mal im Sattel sterben würde."

„ Pah, wie feierlich der scheinheilige Kerl reden kann", zischt Benny wütend. „Der Sheriff von Thatcher, Boss! Damit hast du wohl am allerwenigsten gerechnet, wie?“

„ Es ist eine verzwickte Sache mit den Sheriffs hier. Der aus Cucharas scheint auch keine reine Weste zu haben."

„ Machen Sie’s kurz, Sloan!", sagt Long rau. Er hat etwas in der Stimme, das Bob stutzen lässt. So kann sich keiner verstellen. Der Mann ist tatsächlich bereit zu sterben. Aber nicht wie ein Mörder. Eher wie einer, der gerade seine größte Enttäuschung erlebt.

„ Es liegt an Ihnen, Mister Long, die Sache kurz zu machen. Sie können jetzt eine Beichte ablegen."

„ Eine Beichte? Das hört sich ziemlich wirr an."

„ Wenn Sie denken, wir könnten Ihnen nichts beweisen, dann haben Sie sich mächtig geirrt. Erzählen Sie, was Sie heute Abend seit Einbruch der Dunkelheit gemacht haben. Mehr wollen wir nicht wissen."

Die Pferde stehen sich gegenüber. Die Köpfe sind zehn Yards voneinander entfernt.

„ Und Sie, Sloan? Wann werden Sie erzählen? Ich wüsste vorher noch gern Bescheid, ehe es zu Ende geht. Holden lebt noch. Dieser Spuk mit dem Aufhängen ... By Gosh, wenn ich an Sally Hinsbrock denke, wird mir übel. Sie haben das arme Ding..."

„ Wollen Sie endlich reden? Es ist nicht meine Absicht, auf diesem Weg die ganze Nacht zu verbringen."

„ Well, Gents, Sie sind die Stärkeren. Was in Hiller’s Saloon geschehen ist, brauche ich ja wohl nicht zu wiederholen."

„ Das weiß ich selbst besser. Also weiter!"

„ Sie haben Miss Hinsbrock nach Hause gebracht, als der Abend erst schön werden sollte.“

„ Das ist meine Privatangelegenheit. Sie sollen von sich erzählen. Sheriff."

„ Sie können ja abdrücken, Kleinrancher, und sich dann meine Geschichte selbst erzählen, wenn Sie sie besser kennen."

„ Dem kannst du nichts mehr vorschreiben, Boss!“, kichert Benny. „Der steht mit einem Bein im Grab."

„ Well", sagt Bob Sloan. „Was war nun?"

„ Ich schlafe in meinem Office, wie Sie wissen. Man hatte gemunkeit, dass Sie zum Tanzen gehen würden. Ganz Thatcher fand das merkwürdig, nachdem Sie mit Ihrem Haus gerade so ein Pech gehabt haben."

„ Pech kann man auch dazu sagen.“

„ Wenn du ihn dauernd unterbrichst, wird er noch wütend", giftet Benny.

„ Ich habe mich also angezogen aufs Bett gelegt. Mit Absicht wollte ich mich nicht im Saloon sehen lassen. Das hätte die Unruhe erst recht gesteigert. Dann kam ein Mann an mein Fenster und rief herein, dass Turner und Henderson einen Tanz mit Ihnen versucht hätten. Ich wollte 'raus, aber der Kerl sagte, es wäre schon zu spät. Die Kendall-Männer hätten sich inzwischen entschieden, nach Hause zu reiten. Ich bin dann wohl eingeschlafen. Aber dann war der Mann wieder da. Er ist ein kleiner Herumtreiber und steckt mir oft Sachen zu, die mich gar nicht interessieren. Manchmal hat er aber auch brauchbare Tipps. Die Sache mit Mulligan wurmte mich schon lange. Klar, ich bin mit ihm einig geworden. Aber in Thatcher darf er nur in meiner Begleitung Amtshandlungen durchführen. Borden, so heißt er, erzählte mir, was Mulligan im Saloon wollte. Da bin ich aufgestanden und habe einen Spaziergang gemacht. Das muss in der Minute gewesen sein, als Durfee erzählte, man hätte Holden an einem Baum hängen sehen. Ich habe gesehen, wie Sie mit Miss Hinsbrock herauskamen, und wie Sie weggeritten sind. Ich habe dann mein Pferd gesattelt, um Ihnen nachzureiten. Dann ist Sally gekommen ...“ „Sally? Zu Ihnen?“

„ Genau! Sie war schon im Haus, hat es sich dann über anders überlegt. Sie wollte mich sprechen. Dann hat mich verschiedenes aufgehalten. Miss Hinsbrock bat mich um meine Hilfe.“

„ Ausgerechnet um Ihre?“

Nach dieser Unterbrechung macht Long eine Pause. Obwohl jeder vom anderen nur die Silhouette von Pferd und Reiter sieht, weiß Bob, dass der Sheriff wütend ist und noch längst nicht ans Sterben denkt. Dass er einen Augenblick sucht, in dem noch eine Chance für ihn herausspringt.

Bob spannt jetzt den Hammer. Das gibt ein metallisches Geräusch.

„ Weiter, Mister Long!"

„ Sally hat Angst um Sie, Sloan. Sie liebt Sie immer noch. Kenne sich einer mit den Weibern aus! Ich habe nie eine geheiratet, weil sie mir immer zu rätselhaft waren. Dann hat sie mir die Ohren vollgeheult. Mir erzählt, was für ein wunderbarer Kerl Sie sind, und dass Sie jeder im County falsch einschätzt. Auch Benny wäre etwas ganz anderes, als die Leute meinen. Miss Hinsbrock hat alle Welt schlecht gemacht. Al Turner wäre an allem schuld, weil man ihn erwischt hat, als er das Recht auf eigene Faust ausüben wollte. Und außerdem hätte Holden gar keine Pferde gestohlen, sondern nur eine Flasche Whisky.“

„ Das stimmt aufs Haar!“, bestätigt Benny Holden aufgeregt. „Es war eine Flasche Whisky. Und dabei nicht mal ’ne große. So ein kleiner flacher Taschenmann ist es gewesen. Aber den Leuten hat mein Gesicht nicht gefallen, und deshalb ist mir die ganze Kendall-Posse nachgeritten und hat mich geschnappt. Wie sie mich unter dem Baum hatten, kam Mister Sloan vorbei und hat mir das Leben gerettet. So ist es gewesen und nicht um einen Zoll anders!"

„ Halt dich zurück, Benny!“, sagt Bob. „Der Sheriff ist jetzt an der Reihe. Du brauchst dich hier nicht zu rechtfertigen. Hier nicht, mein Junge!“

Das ist ein Mann, der befehlen kann, denkt Sheriff Long mit der Erfahrung seiner Jahre. Vor einem halben Jahr ist er gekommen, und er hat mir von Anfang an gefallen. Bis auf die letzten Tage.

Und jetzt?

Man muss nur seine Stimme hören. Dieser Kleinrancher könnte ein Großrancher sein. Er könnte eine Crew von vierzig Männern zusammenhalten und jeden einzelnen in der Hand haben wie sein Pferd.

Aber er kommt in der Nacht. Er hat einen Narren an diesem Benny gefressen, und das hat ihn verrückt gemacht.

Er wird mich töten, wenn ich es zulasse. Vielleicht ist er von Grund auf ehrlich. Aber da ist noch sein dicker Schädel.

Und da sind die dicken Schädel der Kendall-Mannschaft.

Er ist übergeschnappt, dieser Bob Sloan. Man hat ihm seine Ranch abgebrannt, und jetzt sieht er rot. Er ist nicht mehr normal. Er bringt jeden um, der ihm in den Weg tritt.

Nur weil man ihm Unrecht zugefügt hat.

Und deshalb ist er nicht besser als alle anderen.

*

Über der Prärie im Osten geht der Mond auf. Wie er sich mit einem Schimmer seiner silbernen Scheibe über den Horizont schiebt, wird es heller.

Gleich wird es noch heller sein.

„ Na los, erzählen Sie weiter, Long!", sagt Bob Sloan.

Sheriff Long reißt sich aus seinen Gedanken, die am Ende eines langen Lebens kein Luxus gewesen wären. Er darf ja wohl noch einmal Bilanz ziehen?

„ Well, Miss Hinsbrock war also bei mir. Ich habe mir alles angehört und sie mit tröstenden Worten ins Bett geschickt. Mulligans Eigenmächtigkeiten wurmen mich schon lange, habe ich zu ihr gesagt, und ich werde mit Mister Sloan sprechen. Ein Zeuge ist vor dem Gericht so gut wie jeder andere, habe ich gesagt. Kann sein, dass wir den jungen Holden alle falsch eingeschätzt haben. Wenn ihn einer aufgehängt hat, wird der Mörder dafür hängen. Das sind wir Mister Sloan und dem Jungen schuldig. Nach Westen bin ich aus der Stadt geritten. Ich war aber noch nicht ganz draußen, als Melroy und Henderson mir über den Weg kamen. Wie sie sich benahmen, hatten sie beide stark über den Durst getrunken. Sie haben mich buchstäblich vom Pferd gezogen und verlangt, dass ich mit ihnen den letzten Rest aus ihrer Flasche teile. Es war Whisky, wie ich bald bemerkte."

Benny steht fast in den Steigbügeln und wiederholt das Wort.

„ Whisky!", brummt er. „ln diesem Fall kann ich die Leute begreifen. Aber dann haben Sie Ihre Fäuste gebraucht, Sheriff, oder?"

„ Sie haben mich aufgehalten, das ist alles. Ich habe Miss Hinsbrock versprochen, nach dem Rechten zu sehen. Ich hatte keine Ahnung, dass Holden noch lebt. Aber Sie, Sloan, Sie wären zu allem fähig gewesen. Jetzt weiß ich es ganz genau."

„ Schon gut! Keine Lobeshymnen, Sheriff! Sie ritten also aus Thatcher fort?"

Der Mond ist inzwischen höher gestiegen. Er malt weißes, kaltes Licht auf die Gesichter. Jeder der drei Männer sieht aus wie ein Toter. Aber noch leben sie.

„ Well, ich ritt fort. Bis hierher. Und jetzt sitze ich in der Falle.“

„ Wenn das bis jetzt die volle Wahrheit wäre, hätte ich keinen Grund, von Ihnen Rechenschaft zu fordern“, sagt Bob Sloan. „Aber Sie haben etwas verschwiegen, Sheriff.“

„ Zugegeben."

„ Siehst du, Boss. Jetzt kommt die große Beichte!"

„ Sie haben den Weg zweimal gemacht, Sheriff - war's so? Die Meinungsverschiedenheit mit Mulligan war eine Story. Oder Sie haben ganz auf eigene Faust gehandelt. Der Rancher George Kendall ist Ihr Freund, oder?"

„ Ich bin jedermanns Freund. Wenn Sie glauben, dass mir Kendall besonders gut schmeckt, sind Sie auf dem Holzweg, Sloan!"

„ Aber Sie haben sich an unser Camp herangeschlichen. Sie haben gesehen, dass Hank Traber unser Gefangener war. Sie haben mit Ihrer Winchester im Hinterhalt gelegen und den Finger krumm gemacht, als die Gefahr bestand, dass er zu viel reden würde."

„ Ich verstehe Sie nicht, Sloan! Bei Gott, ich weiß nicht, wovon Sie reden! Ich komme auf geradem Weg von Thatcher.“

„ Aber Sie geben zu, etwas verschwiegen zu haben?"

„ Natürlich, da war noch eine Kleinigkeit. Auf dem Ritt zum Apishapa ist mir ein Mann begegnet, ein einzelner Reiter. Wie ein Irrer hat er seinen Gaul traktiert. Ich sah ihn schon von weitem und habe mich hinter einem Felsen versteckt. Er hat mich nicht gesehen, und ich habe mich auch nicht zu erkennen gegeben."

Benny steht plötzlich in seinem Sattel.

„ Hallo, Boss, merkst du was? Dieser Sheriff Long sagt von hinten bis vorn die Wahrheit, oder er ist ein guter Märchenerzähler."

„ Das können Sie halten, wie Sie wollen, Gentlemen! Ich habe Ihnen erzählt, was ausgemacht war. Und jetzt sind Sie dran! Traber war Ihr Gefangener, sagen Sie. Und wahrscheinlich hat der Mann, der mir begegnete, den Schuss auf ihn abgegeben. Wo ist Traber jetzt?“

„ Da, wo es ihn erwischt hat. Er ist tot.“

„ Well, ich verstehe. Sie haben den Schützen erkannt und verfolgt. Das heißt, Sie wissen nicht, wer es ist, sonst hätten Sie mich nicht verdäditigt. Aber Sie haben ihn gesehen."

„ Und seine Spur verloren. Jetzt wird er längst in Thatcher untergetaucht sein."

„ Das dürfte ihm schwerfallen'', sagt Sheriff Long gedehnt. Jedes seiner Worte hat Gewicht. „Ich will mal annehmen, Sloan, dass Sie von Anfang an recht hatten, dass Sie und Benny mir immer nur die Wahrheit erzählt haben.“

„ Das ist ja direkt ein Wunder", meckert Benny. „Jetzt, wo Sie damit rechnen müssen, dass vor unserem Colt und unserem Messer Ihre Endstation ist, werden Sie einsichtig, wie?“

„ Sie sind noch sehr jung, Holden. Sie machen den Fehler, sich schon als Sieger zu fühlen, bevor die Entscheidung gefallen ist. Und Ihr Boss kann sich keinen Mord an einem Sheriff leisten. Oder wie hatten Sie sich das gedadit, Mister Sloan?“

„ Der Reiter könnte eine Erfindung sein.“

„ Ist es aber nicht. Ich kann Ihnen seinen Namen nennen!"

„ By Gosh, der wäre?"

„ Es war Kendalls Vonnann, Al Turner!“

*

Die Sichel des Mondes steht jetzt hell über dem Horizont.

Bob Sloan schiebt den Colt in den Halfter.

„ Ich schlage vor, Benny, du steckst auch das Messer weg. Wir müssen uns unbedingt ein paar Minuten mit Mister Long unterhalten."

„ Ich finde, das tun wir schon sehr lange. Lasst mich wenigstens bei dieser Debatte draußen Ich könnte inzwischen schnell was Wichtiges erledigen."

„ So wichtig wird es nicht sein, dass du es mir nicht verraten kannst.“

„ Ich werde Al Turner fangen!“

„ Das ist meine Aufgabe!“, erklärt der Sheriff.

„ Aber Sie haben noch eine Menge anderes zu tun. Sie könnten Hilfe brauchen, denke ich.“

Seltsam, wie dieser Bengel sich plötzlich ändern kann, denkt Long. Dabei ist er genauso geblieben wie sonst auch. Es klingt nur alles vernünftiger, was er sagt.

„ Ich müsste Mulligan finden. Er kann nicht tun und lassen, was er will, solange er in meinem Distrikt arbeitet."

„ Von Mulligan könnten wir Ihnen was Interessantes erzählen. Sag’s ihm, Boss!"

Bob Sloan berichtet kurz, was in Wahrheit hinter dem Bluff gesteckt hat. Wie der Sheriff von Cucharas plötzlich im Hinterhalt lag, und wie Hank Traber zu seiner Verwundung kam, bevor er zu den Toten ging.

Das Bild rundet sich ab, denkt Long. Er muss eben nur von der Überlegung ausgehen, dass Bob Sloan und Ben Holdens Wort nicht weniger gilt als das jedes anderen im County.

„ Was soll denn das für ein Privatkrieg zwischen Mulligan und Kendall sein?"

„ Das hat Traber gewusst. Und Al Turner weiß es auch. Torro ist schon ganz unruhig. Lass mich nach Thatcher reiten, Boss.“

„ Was will Turner um diese Zeit in Thatcher?“

„ Das weiß der Himmel, und ich will es herausfinden. Eine andere Lösung gibt es nicht.“

„ Wie war das mit der Whiskyflasche, Holden?", fragt Long plötzlich.

Benny weiß genau, welche Flasche Long meint. Die, für die sie ihn hängen wollten. Er sagt es ihm.

„ Begreifen Sie jetzt, Sheriff, dass sich ein ehrlicher Mensch über so etwas aufregen kann? Ein Strick für eine Flasche Whisky? Und das ohne Gerichtsverhandlung?"

Long überlegt ein paar Sekunden. Dann: „Ich traue Ihnen, Holden. Aber sonst gibt es eine Menge mit Vorurteilen gegen Sie in der Stadt."

„ Ich habe schon ein bisschen Angst, wenn Sie das meinen. Aber damit muss ich auch allein fertig werden. Lassen Sie sich inzwischen von Sloan erzählen, wer ihm die Ranch angesteckt hat.“

Damit sitzt Benny schon im Sattel und reitet. Schnell verhallen Torros Hufschläge in der Nacht.

„ Ich sollte mit ihm kommen“, überlegt Bob Sloan laut. „Und Sie am besten auch."

„ Warum haben Sie ihn dann erst reiten lassen?“

„ Es gibt Augenblicke, da kann ich ihm nichts abschlagen."

„ Dann ist es ja gut. Er wird auch nicht viel Schaden anrichten können um diese Zeit. Wenn er in der Stadt ankommt, liegt auch der letzte Zecher im Bett. Aber Mulligan wird noch in der Nähe sein. Außerdem muss ich den Toten sehen. So verlangt es das Gesetz.“

*

Im Camp überzeugt sich der Sheriff, dass Hank Traber durch einen Schuss in die Brust getötet wurde. Der Schütze hat vielleicht zwanzig bis dreißig Yards entfernt gelegen, wie Billy Prewitt aussagt. Er hatte ein paar Sekunden Zeit, sich zurückzuziehen und sein Pferd zu erreichen, das weiter im Hintergrund stand.

Long sagt nur wenig zu allem. Er lässt die anderen reden. Als er alle Informationen zusammen hat, fragt er:

„ Warum haben Sie mir von Bennys Beobachtung nicht früher erzählt, Sloan?“

„ Hätte das was genutzt?“

„ Hm, die Frage ist berechtigt. Sie haben gemeint, das wären alles keine Beweise. Holden wurde von Mulligan gesucht - und auch von mir.“

„ Genau, und jetzt ist es mit einem Schlag anders. Sie haben Turner erkannt, Sheriff. Erst wollte ich nicht an das Wunder glauben. Auch jetzt haben Sie nichts anderes als die Aussagen meiner Leute."

„ Als Turner an mir vorbei ritt, wusste ich, dass etwas nicht stimmt. Kendall hat seine Mannschaft zwar immer in guter Zucht gehabt. Aber dass Turner ein Dickschädel ist, der das Recht gern nach seinem Willen auslegt, ist auch bekannt. Sie haben geglaubt, Sloan, dass Kendalls Geld die Stadt regiert, und dass ich der Sheriff von seinen Gnaden bin. Das war Ihr einziger Fehler. Jetzt möchte ich nur noch mit Mulligan ...“

Long bricht ab.

Draußen auf der Weide ist ein Geräusch gewesen. Jetzt kommt es wieder. Ein Hund bellt wütend durch die Nacht.

„ Terry!“, sagt Bill Prewitt. „Da stimmt was nicht.“

Das Bellen wird lauter. Kurz darauf jagt ein schwarzes Etwas heran und springt an Prewitt hoch.

„ Still, Terry! Sei ruhig! Was ist los?“

Der Hund wedelt mit dem Schwanz, zieht ein paar Kreise im Gras und läuft nach Norden. Ein Stück weiter bleibt er stehen und dreht den Kopf.

Prewitt ist schon bei der Schecke Milly.

„ Ich werde nachsehen. Kommt ihr mit?“

Sloan und der Sheriff steigen auf. Sie reiten nach Norden, an der Flanke der Herde vorbei. Terry ist gehorsam und gibt keinen Laut mehr von sich. Er führt sie genau dorthin, wo ihn die Fremden aufgeschreckt haben.

Sie reiten in der Deckung einer Mulde. Nur ihre Köpfe ragen über die Böschung. Sie können gut sehen, ohne selbst erkannt zu werden.

Dann entdecken sie die Reiter.

Es sind drei.

Silhouetten.

Schwarze Schatten auf silberblauem Grund.

„ Mulligan“, murmelt Sheriff Long. Er scheint ihn sehr genau zu kennen.

„ Sie kommen genau auf uns zu. Halten wir sie auf?“

„ Wir können mit ihnen reden, mehr nicht. Ich habe nur noch darauf gewartet, dass sie sich an der Herde vergreifen. Den Gefallen tun sie uns nicht.“

„ Du hast aber fromme Wünsche“, erwidert Prewitt rau.

„ Ruhe!", zischt Long. „Meinen Sie, Prewitt, dass uns der Hund nicht verrät?"

„ Der sagt keinen Mucks, wenn ich es will."

„ Well, dann reiten wir zurück bis zu der Felsgruppe. Im Trab, Gents!“

Mulligan und die beiden anderen sind noch weit genug zurück. Long, Sloan und Prewitt schaffen es. Sie erreichen das Versteck und drücken die Pferde rückwärts hinein. Drei Minuten später passieren die anderen die Mulde.

Sie reiten einen leichten Galopp. Ihr eigener Lärm verhindert, dass sie das Scharren und Schnaufen der fremden Pferde vernehmen.

„ Ich habe Durfee erkannt", sagt Bob. „Der dritte könnte Henderson gewesen sein."

„ Er war es. Ich schlage vor, wir folgen ihnen in größerem Abstand.“

„ Bis in ihr Bunkhouse?“, fragt Billy. „Ich kann mir was Besseres vorstellen. Heute spielt sich doch bestimmt nichts mehr ab."

„ Sie reiten nicht zur Ranch“, behauptet Long. „Mulligan ist dabei. Der hat keinen Schlafplatz bei Kendall. Die haben was anderes vor."

„ Um diese Zeit?"

„ Wir werden es sehen. In drei Minuten folgen wir ihnen."

Jeder zählt im stillen die Sekunden. Schließlich gibt Long das Zeichen. Er drückt seinen Gaul aus dem Versteck und reitet in die Mulde. Die anderen folgen. Ihre Aufmerksamkeit ist nach Süden gerichtet.

Nach Thatcher und der Kendall-Ranch.

In dem Augenblick erhebt sich eine Gestalt hinter ihnen.

„ Hallo, Sheriff!", ruft der Mann.

Ihre Rücken werden krumm und steif. Eine Stimme von hinten bedeutet nie etwas Gutes. Es kann immer ein Colt oder eine Winchester dabei sein.

„ Was wollen Sie, Kendall?", fragt Sheriff Long, ohne den Kopf zu wenden. Auch Bob Sloan hat die Stimme erkannt.

*

Torros Hufe sind zu laut. Als Benny die ersten Häuser sieht, gleitet er aus dem Sattel und bindet sein Pferd an.

Dann ist er nur noch ein Schatten. Ein Schatten mit einem Messer. Thatcher schläft. Benny bewegt sich wie eine Schlange.

Sheriff Long ist draußen. Trotzdem muss es einen Mann geben, der auch jetzt, zwei Stunden nach Mitternacht, noch nicht schläft.

Natürlich könnte er das County verlassen haben. Vielleicht ist er nur durch die Stadt geritten und weiter nach Süden, über die Berge nach Raton. Das liegt schon in New Mexico.

Welche Chance könnte sich sonst ein Mörder ausrechnen?

Aber Al Turner weiß nicht, dass Long ihn erkannt hat. Al Turner geht von ganz anderen Voraussetzungen aus.

Hank Traber war ein Mann aus seiner eigenen Mannschaft. Auf ihn wird der Verdacht zuletzt fallen. Was der Kleinrancher und seine beiden Gehilfen dazu sagen, ist sowieso Nebensache. Die sind unglaubwürdig. Kein Geschworener in Thatcher wird auf deren Aussage etwas geben.

So etwa wird Al Turner kalkulieren.

Was will er also in Thatcher?

Benny Holden drückt sich in den Schatten der Gartenhecken. Im Zentrum um die Mainstreet herum gibt es dann keine Hecken mehr. Dafür stehen ein paar alte Geräte herum, zwei Wagen, ein Wasserbrunnen mit einer langen hölzernen Tränke.

Er kriecht unter die Kutsche vor Melloways Apotheke. Von hier aus kann er die ganze Hauptstraße überblicken. Sie ist hell vom Mondlicht erleuchtet. Man könnte eine Maus sehen.

Aber nicht mal eine Maus ist da.

Und kein einziges Geräusch.

Thatcher schläft.

Was hat Al Turner hier gewollt, wenn er sich sicher fühlt?

Vielleicht die Bank ausrauben? Es gibt nicht viele Möglichkeiten für Männer von seiner Sorte. Nicht um diese Zeit. Die Saloons sind geschlossen. Whisky muss er schon bei sich haben, wenn er trinken will.

So langsam wird es sinnlos, hier zu hocken und auf etwas zu warten, das nur in seiner Fantasie existiert.

Benny kriecht unter der Kutsche hervor und stellt sich mitten ins Mondlicht auf die Mainstreet. Als ob er Geister herausfordern will.

Auch das hilft nichts.

Thatcher schläft. Ganz Thatcher. Keinem Bürger fällt es ein, aufzustehen und ihm Gesellschaft zu leisten.

Und mit den Geistern ist das so eine Sache.

Früher ist Benny überzeugt gewesen, dass es welche gibt. Später hat diese Zuversicht nachgelassen. Heute wünscht er sich, daran glauben zu können. Die innere Stimme, die ihn hierher gebracht hat, hat unrecht gehabt. Er hat keine Lust, sich den Fehler selbst einzugestehen.

Er geht weiter.

Hillers Saloon liegt hinter ihm. Rechts hinter der Apotheke wohnt Doc Lansdale. Er hat eine Veranda mit sieben Stufen vor der Tür.

Schräg gegenüber Hinsbrocks Boardinghouse. Dahinter das Sheriff Office. „JAIL“ steht in großen Buchstaben daran.

Benny dreht sich auf dem Absatz, um nach hinten zu sehen, ln diesem Moment lässt ihn ein Geräusch zusammenfahren.

Ein trockener kurzer Schlag auf Holz.

Das Messer macht eine Drehung in seiner Hand.

Er geht auf Hinsbrocks Laden zu. Dort ist es gewesen.

Vorn ist nichts zu sehen. Er geht weiter bis zu dem Nebenweg.

Jetzt wieder der Schlag. Ganz nahe ist er. Aber Revolver sind nicht aus Holz. Es kann auch nichts mit einem Pferd zu tun haben.

Es ist ein Fensterflügel, den der leichte Wind gegen die Hauswand gedrückt hat.

By Gosh, so was Lächerliches.

Benny will umdrehen, aber plötzlich hat er sehr viel Zeit. Alles ist schiefgegangen und sinnlos. Warum nicht nach dem Fenster sehen?

Es liegt zu ebener Erde im Hinterhaus. Aus dem dunklen Zimmer weht ihm ein merkwürdiger Duft entgegen. Es riecht nach Frauen, denkt Benny. So viel versteht er davon. Die kaufen sich die unmöglichsten Essenzen aus dem Drugstore und verspritzen sie in ihrer Umgebung.

Die Luft im Zimmer ist warm.

Hinsbrock hat nur die einzige Tochter im Haushalt. Das weiß Benny von seinem neuen Boss. Es muss Sallys Zimmer sein.

Das Mädchen hat Mut, bei offenem Fenster zu schlafen. Und sie ist wohl auch etwas nachlässig. Sonst hätte sie wenigstens den Haken festgemacht.

Benny reißt ein Schwefelholz an und hält es in den Raum. Er sieht ein Bett. Es ist zerwühlt und leer.

By Gosh. Sally ist nicht zu Hause. Und der Boss hat gesagt ...

Benny überlegt nicht mehr. Das Fenster ist weit offen. Im nächsten Augenblick steht er in dem Zimmer. Noch ein Streichholz.

Ziemlich unordentlich hier.

Irgend etwas ist mit dem Mädchen nicht in Ordnung. Warum hat der Boss Sally auch so früh nach Hause gebracht? Heute wollten sie tanzen, und dann war alles ganz schnell vorbei. Junge Frauen sind eigen in solchen Dingen.

Was wollte Bob Sloan eigentlich? Richtig, er wollte den toten Ben Holden vom Strick schneiden. Wenigstens das wollte er tun, und deshalb ist er so früh von dem Fest verschwunden.

Auf dem Tisch liegt ein beschriebener Zettel. Benny nimmt ihn auf.

„ Sucht nicht nach mir, Daddy! Es würde für einige Leute den Tod bedeuten. Sag es auch Bob, wenn er kommt. Sally!“

*

„ Drehen Sie sich um, Gents!“, ruft George Kendall.

Kann ich mir denken, überlegt Bob Sloan. Er ist zu fein, um Leute von hinten zu erschießen. Billy Prewitt denkt nicht viel anders.

„ Sie kriegen höchstens einen von uns, Rancher!", sagt er klar und deutlich in die Nacht. „Zwei werden übrigbleiben, Kendall. Und einer davon ist gut genug, Sie zu erwischen.“

„ Sie denken wieder mal falsch, GentsI Ich habe nur die Zügel in der Hand und will mit Ihnen sprechen. Möchte wissen, wie Sie auf die Idee kommen, dass ich hier den Wegelagerer spiele.“

Bob Sloan dreht sich als erster um. George Kendall steht keine fünfzehn Schritt entfernt mit seinem Wallach. Jetzt kommt er näher heran.

Zum ersten Mal in ihrem Leben stehen die beiden Männer so dicht voreinander. Kendall wirkt tatsächlich nicht gefährlich. Von seinen Händen bis zum Colt ist ein weiter Weg. Da könnte ihm mancher in der Dunkelheit zuvorkommen, wenn er wollte.

„ Wohl nur eine kleine Verzögerungstaktik, wie?“, fragt Bill.

„ Ich weiß nicht, was Sie damit meinen, Mister Prewitt.“

„ Damit wir schnell dahinter sind, will ich’s Ihnen sagen. Sie reiten zwei Minuten hinter Ihren Leuten her, um herauszukriegen, ob sie verfolgt werden. Jetzt wissen Sie es."

„ Nicht schlecht. Aber ich gebe zu, dass ich Pech hatte. Wo ist der Bengel?“

„ Waaas?"

„ Ich suche den Lümmel von einem Pferdedieb. Das wissen Sie genau."

„ Mit derartigen Typen haben wir nichts zu tun, Rancher. Sie müssen schon mit Namen herausrücken."

„ By Gosh, Sie wissen genau, dass ich von Holden rede."

„ Von Mister Holden! Well, das klingt schon besser."

„ Sheriff. So geht es nicht. Sie sind die offizielle Person. Ich darf mich wohl an Sie halten?“

„ Das dürfen Sie, Mister Kendall. Ich bin allerdings genauso in Eile wie meine Begleiter."

„ Soll das heißen, dass Sie mit ihnen gemeinsame Sache machen?“

„ Gemeinsame Sadie mit dem, der im Recht ist. Sie kennen mich doch."

„ So wie jetzt leider nicht, Sheriff. Das Recht ist auf meiner Seite. Und die Kleinrancher decken einen Verbrecher.“

„ Das sagen Sie nicht noch einmal, Kendall!", droht Billy. „Unsere zarten Gemüter darf man schon etwas unterschätzen, aber dann ist doch irgendwo eine Grenze. Kommen Sie und reiten Sie mit uns! Wir werden Ihnen etwas zeigen, das Ihnen sogar bei Nacht die Augen öffnet."

George Kendall reitet mit ihnen.

*

Beim Camp holen sie die anderen Reiter ein. Es scheint völlig klar zu sein, dass keiner von ihnen bisher etwas von Hank Trabers Tod gewusst hat.

Als sie Sloan und Prewitt erkennen, regt sie das kaum auf. Lester Durfee kniet bei dem Toten. Ein paar mal hat er seinen Namen gerufen. Dann gibt er es auf und kommt wieder auf die Beine.

Erst jetzt scheint er die anderen zu erkennen. Seine Finger spreizen sich. Der Mond steht so hoch, dass man jede Bewegung erkennen kann.

„ Wer war’s, Kleinrancher? Los, reden Sie! Bis jetzt war alles nur eine kleine Schnitzeljagd. Aber jetzt geht es euch an den Kragen! Wir haben zwei Sheriffs dabei."

„ Und einen Schädel voll Stroh!", brummt Bill Prewitt.

„ Ach, der Bengel war’s wohl, wie? Und ihr habt ihn natürlich versteckt. Das zählt genau wie..."

„ Ben Holden schießt nicht, wenn Sie den meinen", erwidert Bob. „Benny hat nur ein Messer. Und Hank Traber starb an einer Kugel aus einer Winchester."

„ Hier liegt ein Toter!", schreit Lester Durfee wütend. „Ich verlange, dass Sie den Täter finden, Sheriff!"

Sein Blick wandert zu Dan Mulligan. Doch Long schiebt sich vor ihn.

„ Wir wollen nicht vergessen, dass das hier mein Distrikt ist, Gents. Wir sind uns einig, Dan, hm?"

Der Sheriff aus Cucharas gibt heiser sein Einverständnis. Er sieht nicht mehr klar. Mit einem stummen Blick will er sich bei George Kendall Rat holen. Bei dem kommt er auch nicht weiter.

Der Großrancher ist in sich selbst hineingekrochen. Und in diesem Augenblick kommt Sheriff Long auf ihn zu und bleibt erst stehen, als sie gegenseitig ihren Atem spüren.

„ Hör zu, George! Wir haben uns immer gut verstanden. Stimmt das?"

„ So wird’s wohl sein", sagt Kendall verschlossen.

„ Und wir waren uns immer einig, dass wir auf der Seite des Rechts stehen?"

„ Willst du mir eine Predigt halten, Jerry?"

„ No, Partner. Ich will reinen Tisch haben in Thatcher, und auch draußen auf der Weide, soweit sie dazu gehört. Wir sind gerade alle zusammen, die die Sache was angeht."

„ Die Hauptperson fehlt."

„ Das ist wohl ein Irrtum. Ben Holden gehört nicht dazu. Durch den habt ihr euch bloß alle den Kopf verdrehen lassen, weil er euch in manchen Dingen überlegen ist. Oder auch nur etwas anders, als ihr euch einen Mann von der Weide vorstellt. Durch eure verdammten Vorurteile habe ich mich lange genug in die Irre führen lassen."

„ He, Sheriff, das geht ja wohl etwas zu weit!", ruft Durfee. „Hier liegt mein Freund Hank Traber. Ich werde nicht eher ruhen, bis sein Mörder dafür bezahlt hat."

„ Dann sind wir uns ja einig. Der Mörder ist mir längst bekannt.“

Jerry Long macht eine Pause. Er weiß, dass seine Worte gewirkt haben. Sie sollen noch mehr wirken. Er will endlich wieder Ruhe im County haben. Und die wilden Männer sollen ruhig mal ein paar Sekunden nachdenken.

„ Wer ist es?", stöhnt Durfee wütend. „Ich will seinen Namen wissen, Sheriff! Wie Sie es sagen, scheint es fast so, als wäre dieser Holden auch noch unsdiuldig daran.“

„ Alles der Reihe nach", sagt Long. „Es gibt noch mehr zu klären, als diesen Mord. Und ich will reinen Tisch haben - in allem! Was ist das für ein Privatkrieg zwischen euch?"

Long nennt keinen Namen, aber seine Blicke wandern zwischen Kendall und Mulligan hin und her. Die wissen genau, wer gemeint ist.

„ Wie kommst du denn auf die Idee?"

„ Traber hätte es fast verraten. Aber der Tod schloss ihm den Mund.“

Der Großrancher überlegt nicht lange.

„ Da ist irgendwo ein Trugsdiluss, Jerry. Zugegeben, zwischen Dan Mulligan und mir ist was. Aber das gehört nicht hierher. Das ist privat. Und vielleicht mehr Freundschaft als Feindschaft. Wir haben uns vor Jahren im Krieg schon gut gekannt. Es gehört nicht hierher, verstanden?"

Bob hat die beiden genau beobachtet.

Mehr Freundsdiaft als Feindschaft. Well, die beiden haben ein Geheimnis. Bob weiß genau, dass sie das heute nicht lüften werden. Vielleicht nehmen es die beiden mit ins Grab.

Jerry Long hat anders gerechnet. Aber er ist ein cleverer Mann. Er weiß, wann er in eine Sackgasse geraten ist. Er greift sofort von der anderen Seite an.

„ Yeah, George, hier liegt ein Toter. Aber da ist noch mehr. Drüben in Mulligans Distrikt liegen drei tote Pferde. Mister Sloans Ranch wurde in Brand gesteckt. Ein bisschen viel Aufregung für die letzten Tage, wie?“

„ Rede schon! Ich habe keine Ahnung, worauf du hinaus willst.“

„ Bob Sloan wird es dir sagen. Hallo, Sloan!"

Long dreht sich nach dem Kleinrancher um, der mit seinem Pferd plötzlich aus dem Kreis drängt.

„ Hallo, Sloan, was soll das?“

„ Ihr Palaver dauert mir zu lange. Ich muss nach Thatcher. Sie wissen, weshalb.“

„ Wir haben ein paar Stunden versäumt“, knurrt Long bedrohlich. „Jetzt werden Sie auch noch fünf Minuten dranhängen, klar?“

„ Das können wir morgen besprechen. Es geht um den Mörder."

„ Ich denke, Sie halten nichts von Lynchjustiz."

„ Das stimmt."

„ Aber Sie wollen allein losreiten und Rache nehmen.“

„ Wer redet von Rache?"

„ Prewitt hat es gesagt. Sie haben Rache geschworen, Sloan. Und Ihr Vormann lügt nicht.“

„ Rache und Rache ist zweierlei.“

„ By Gosh! Eine Sekunde, Sloan. Jetzt werden Sie bei der Wahrheit bleiben und nicht feige kneifen. Man hat Ihnen übel mitgespielt. Jetzt sagen Sie es den Männern ins Gesicht. Wer hat die drei Pferde erstochen? Wer hat Ihre Ranch angesteckt?"

„ Über die Pferde weiß ich nichts. Es liegt nur klar auf der Hand, dass die Täter sie absichtlich in den Distrikt von Cucharas hinübergetrieben haben und erst dort abschlachteten. Benny Holden hat nichts damit zu tun."

„ Wieso nicht?“

„ Weil ich Bennys Tageslauf selbst meistens verfolgt habe. Außerdem hat er stundenlang bei Ihnen im Jail gesessen. Benny kann es nicht gewesen sein, weil eine genaue Rekonstruktion der Ereignisse schon dagegen spricht."

„ Das ist aber eine überzeugende Beweisführung!“, meldet sich Durfee wütend. „Kann man uns nicht endlich mit Beweisen kommen?“

„ Natürlich“, antwortet Bob Sloan. Er sagt es so ruhig, als ob er gar keine Eile mehr hätte. „Drei Männer aus der Kendall-Mannschaft haben meine Ranch in Schutt und Asche gelegt."

„ Aus meiner Mannschaft!“, schreit George Kendall gereizt.

„ Ich habe einen Zeugen dafür, Mister Kendall. Der hat sie alle drei erkannt. Einer von ihnen war Hank Trabers Mörder.“

„ By Gosh!", meldet sich plötzlich Fred Henderson, der bis jetzt keinen Ton gesagt hat. „By Gosh, das war Al Turner!“

„ Sieh an!", meint Billy Prewitt grinsend. „So verrät man sich!"

Doch ehe Sheriff Long seinen Triumph damit auskosten kann, hat Bob Sloan seinem Braunen die Stiefelabsätze in die Flanken geschlagen. Er ist schon weit voraus.

„ Yeah, wir müssen alle nach Thatcher reiten. Bevor wir nicht in Thatcher sind, ist mit diesem Mann kein vernünftiges Wort zu reden."

*

„ Torro!“

Das Wort kommt leise und verbissen. Benny flüstert es fast, obwohl ihm keiner zuhört... bis auf Torro.

Er ist im Sattel und reitet nach Süden.

New Mexico!

Daton, die Stadt, die das Vergessen hoffen lässt.

Es ist nicht lange her, dass Benny Holden dasselbe Problem beherrschte. Er weiß genau, wie es in Al Turner aussieht. Er hat es selbst erlebt. Er braucht nicht nach Spuren zu suchen.

Der Brief verrät alles.

Benny Holden ist achtzehn Jahre alt. Oder auch neunzehn. So genau lässt sich das heute nicht mehr feststellen. Es gibt keinen Menschen, den er danach fragen kann.

Torro streckt sich und fliegt über die Mainstreet.

Nach Süden!

In Thatcher flieht man nach Süden, wenn man Angst hat. Jeder Sheriff kann seinen Stern ablegen, wenn er weiter reitet, als wo die Quellen des Timpas River liegen ...

Torro spürt die groben Zähne der mexikanischen Sporen in den Flanken. Aber sie schmerzen nicht. Benny drückt nur ganz leicht an. Seine Stimme ist stärker.'

„ Los, Torro! Fang ihn! Los!“

Die Straße verläuft flussaufwärts.

„ Fass den Mörder, Torro!"

Benny liegt flach auf dem Hals des Pferdes. Seine Finger halten den lockeren Zügel. Torro hat volle Bewegungsfreiheit. Torro frisst eine Meile nach der anderen.

Turners Vorsprung muss längst zusammengeschrumpft sein. In Thatcher hatte er Aufenthalt. Dieser Brief musste geschrieben werden. Er musste Sally Hinsbrock aus dem Haus holen.

Sally ist niemals freiwillig mitgegangen.

Noch steht die Sichel des Mondes am Himmel. Aber ihr Licht erblasst vor der aufgehenden Sonne. Im Osten liegt ein gelber heller Streifen über dem Horizont.

Torro hat Schaum vor dem Maul, ist am Ende seiner Kräfte.

Dann sieht er sie.

Und Al Turner hört es.

Er dreht sich um, sieht den Schatten auf sich zufliegen.

Sein Colt fliegt heraus.

„ Stehen bleiben! Ich bringe das Girl um!"

Benny hört es nicht.

Torro fliegt weiter.

Du hast Angst in den Hosen, aber du bringst kein Girl um? Deine Sorte kenne ich. Du wolltest eine Geisel haben, aber wenn sich keiner darum kümmert, seid ihr verloren.

Benny weiß nicht, was er Sally antut, welcher Gefahr er sie aussetzt. Eine Viertelstunde trennt ihn von dem Mörder. Und Torro taumelt weiter.

Jetzt geht die Sonne auf.

Al Turner macht den Finger krumm und spannt. Drei Kugeln verfehlen ihr Ziel. Wie heiße Luft zischen sie an Benny vorbei.

Das ist noch zu weit. Du kriegst mich nicht.

Fünf Kugeln sind aus dem Lauf. Al Turner muss nachladen. Wie er soweit ist, steht Benny auf Messerwurfweite.

Er ist aus dem Sattel geglitten. Torro bleibt fauchend zurück.

„ Wirf das Eisen weg, Turner! Oder ich bringe dich um!“

Sally ist wie erstarrt.

Turner hat nachgeladen, hebt die Hand und drückt ab. Benny hat es gewittert, rollt zur Seite, bleibt mit ausgestreckten Armen im Sand liegen - wie ein Toter.

Turner lässt die Hand sinken, weil er sich als Sieger fühlt.

Da fliegt die Klinge heran und trifft das Pferd. Das Tier steigt auf und bricht auf der Hinterhand zusammen.

Al Turner verliert Sekunden, weil er sich aus dem Sattel lösen muss. Er hechtet zur Seite. Dann ist Benny heran. Seine sehnigen Finger bohren sich in das Genick des Vormannes.

„ Lass los, Turner! Schmeiß das Eisen weg, oder dein Genick ..."

Al Turners Körper wird schlaff. Der Revolver fällt in den Sand. Bennys flinke Finger fischen einen Derringer aus Turners Hosentasche.

Da wirft sich Turner herum ...

Mit blanken Fäusten stürmt er auf den Jungen ein. Er hat das doppelte Gewicht und die Erfahrung. Er wird den Dreckslümmel erdrücken.

Aber er fällt in einen Schlag, den er bisher nicht kannte. Es ist, als ob ein Dolch in seinem Rückgrat steckt. Sein Körper wird gefühllos und steif. Er liegt im Sand.

Benny steht über ihm!

„ Gib's auf, Turner! Entweder du stirbst hier, oder du machst dir noch Hoffnungen, vor einem Gericht..."

Sally Hinsbrock hat sich den Derringer geholt und steht daneben.

„ Stehen Sie auf, Benny! Dieser Mann gehört mir. Von Ihnen brauche ich keine Beweise mehr, dass Sie mein Freund sind."

Benny gehorcht. Er geht zu Turners Pferd und holt sich sein Messer wieder.

„ Well, Miss Hinsbrock, endlich mal eine Lady, die mich nicht für eine Ausgeburt der Hölle hält. Ich möchte Ihnen gern behilflich sein, wenn Sie jetzt nach Hause reiten."

„ Das können Sie haben, Benny. Nehmen Sie Turner auf Ihr Pferd und reiten Sie nach Thatcher! Ich werde ein Stück hinter Ihnen bleiben.“

*

Die Nacht ist herum, als die drei Menschen auf zwei Pferden in die Stadt einreiten. Vor zehn Minuten sind die Männer vom Apishapa River angekommen.

Die beiden Sheriffs, Kendall, Bob Sloan und Bill Prewitt, Durfee und Henderson. Es ist eine schweigsame Posse. Man ist sich noch nicht schlüssig.

Vor dem Jail haben sie die Pferde angebunden und sind in Longs Office gegangen.

Die Stadt schläft noch. Die ersten Frühaufsteher erwachen gerade. Bob möchte gern zu den Hinsbrocks gehen. Aber die Zeit ist wohl nicht ganz passend.

„ Ich möchte reinen Tisch machen", sagt Long zum zehnten Mal. „Ich möchte, dass bei uns alles seine Ordnung hat. Dazu brauchen wir Turner. Wenn ich nur genug Leute hätte.“

„ Du kannst meine ganze Mannschaft haben", erklärt George Kendall.

Long traut der Sache nicht ganz. „Ausgerechnet deine Leute sollen Turner jagen?"

„ Meine Leute tun das, was ich ihnen befehle!"

„ Du hast die Anklage gegen die drei Brandstifter gehört, aber Henderson ist es bis jetzt nicht eingefallen, ein Geständnis abzulegen.“

Als der Mann seinen Namen hört, dreht er sich wieder weg und stellt sich in die offene Tür. In diesem Augenblick sieht er sie kommen.

„ By Gosh!“, stöhnt er. „Da sind sie! Holden hat Turner geschnappt!“

Die anderen drängen heran und schieben Henderson aus der Tür.

„ Sally!", schreit Bob und läuft ihr entgegen.

Benny gleitet aus dem Sattel und zerrt Turner vom Pferd. Er ist bewusstlos.

„ Er hat Schwierigkeiten gemacht, Gentlemen. Da musste ich ihn etwas härter anfassen. Aber jetzt bin ich froh, dass ich ihn loswerde. Sie können ihn haben, Sheriff. Ich hoffe, es wird in Thatcher noch einen Strick für Trabers Mörder geben ... Yeah, da ist ja auch Fred Henderson. Hat er schon ein Geständnis abgelegt?“

Der Beschuldigte stößt mit der Hand vor. Dann bleibt er entsetzt stehen, als Benny eine bedrohliche Haltung einnimmt.

„ Turner hat schon alles gesagt. Auch das mit den drei toten Pferden. Und die Sache mit der Ranch am Apishapa River."

„ Well, dann wird er auch gesagt haben, dass er der Anstifter war. Er und Ron Lighton!“

Benny hat nur geblufft. Aber wie so oft, hilft diese Methode auch hier. Jetzt kommt alles ins Rollen. Eine Wahrheit nach der anderen kommt ans Tageslicht.

Da ist Sallys Brief, den sie geschrieben hat, weil Turner sie dazu zwang. Er hat sie aus dem Bett geholt und ihr den Mund zugehalten. Von dieser Minute an war sein Revolver in ihrem Rücken.

„ Du kommst mit nach New Mexico, Mädchen! Den Streich werde ich diesem verdammten Kleinrancher noch spielen. Und jetzt schreibst du ...“

So ist es gewesen.

Al Turner wollte nach Süden reiten und für immer verschwinden. In Thatcher hat er keine Chance mehr gesehen.

Fred Henderson redet wie ein Buch. Sogar die Sache mit der gestohlenen Whiskyflasche gibt er zu.

„ No, es war kein Pferdediebstahl. Wir alle haben diesen Jungen nur gehasst. Wir haben die drei Pferde in den Distrikt von Cucharas gelockt. Auch das war Turners Idee. Der Boss hat nichts davon gewusst."

„ Wirklich nicht, George?“, fragt der Sheriff. „War es nicht deine Idee, unseren Freund Mulligan einzuschalten, weil du mit dem vielleicht besser fertig wirst?"

„ Henderson sagt die Wahrheit. Aber was meine Schuld anbetrifft, so geht das wohl nur meinen Nachbarn und mich an."

Bob hat nur Bruchstücke des Gesprächs mitbekommen, weil er zu sehr mit Sally Hinsbrock beschäftigt gewesen ist. Jetzt dreht er den Kopf.

„ Sprachen Sie von mir, Mister Kendall?"

„ Allerdings. Wenn Billy Prewitt nicht phantasiert hat, so haben Sie mir nach dem Brand Rache geschworen.“

„ So wird es wohl gewesen sein. Aber es scheint so, als hätten Sie persönlich doch nichts mit der Angelegenheit zu tun.“

„ Hm, immerhin bin ich verantwortlich für meine Männer. Darf ich Ihnen ein Angebot machen, Mister Sloan?“

„ Ich höre, Mister Kendall."

„ Ich zahle Ihnen fünftausend Dollar für verloren gegangene Werte, die wir selbst nicht ersetzen können. Ich liefere das Holz für ein neues Haus, und ich stelle laufend drei. Männer ab, die Ihnen beim Aufbau zu helfen haben.“

Die beiden Männer sehen sich offen an. „Ist das nicht ein bisschen viel für einen Unschuldigen?“

„ Von meiner Unschuld wollen wir nicht reden. Gemessen an der Größe meiner Ranch, halte ich den Ausgleich für gerecht. Außerdem will Sheriff Long Frieden im Distrikt haben.“

Mit Handschlag unter Zeugen wird die Sache abgemacht.

„ Und jetzt sollten wir dem Sheriff helfen, dass diese beiden Gauner schnellstens im Jail verschwinden", meldet sich Benny. Er zeigt auf Turner und Henderson. Aber damit ist Bob Sloan nicht einverstanden.

„ Einen Moment, Sheriff! Ich denke, es genügt, wenn Sie sich um Turner kümmern, wie?“

„ Das denke ich nicht, Sloan. Henderson hat mitgemacht, auch wenn er mit dem Mord an Traber nichts zu tun hat."

„ Für ihn kommt also eine leichtere Strafe in Frage, wie?“

„ Anzunehmen. Aber ich bin nicht der Richter."

„ Vielleicht hat Henderson uns selbst einen Vorschlag zu machen.“

Der lange Reiter aus Kendalls Mannschaft ist noch nie so in der Klemme gewesen. Verlegen blickt er vor sich in den Sand.

„ Hm, wie ist es?", fragt Long. „Wenn die beiden geschädigten Rancher keine Anklage erheben, könnte ich Sie laufen lassen, Henderson.“

Der Mann kämpft noch mit sich. Dann hebt er plötzlich den Kopf.

„ Ich könnte einer von denen sein, die Ihr neues Haus mit aufbauen werden, Mister Sloan. Ich meine, wenn es Ihnen recht ist.“

„ Warum nicht?"

„ By Gosh!“, lacht Benny Holden aus vollem Halse. „Ich hätte mir nicht träumen lassen, dass man sich auf solch eine Art und Weise rächen kann. Aber mein Boss ist immer schon eine Klasse für sich gewesen. He, Boss, du nimmst den Vorschlag doch hoffentlich an?“

„ Was bleibt mir sonst übrig? Wir müssen vor dem Winter mit dem Haus fertig werden.“

„ Warum ausgerechnet vor dem Winter? Hängt das vielleicht mit dem Termin der Hochzeit zusammen?"

ENDE

Pulverdampf aus der Revolvermündung: Super Western Bibliothek 15 Romane und eine Kurzgeschichte

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