Читать книгу Pulverdampf aus der Revolvermündung: Super Western Bibliothek 15 Romane und eine Kurzgeschichte - Pete Hackett - Страница 40
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Оглавление»Wie steht es zuhause?«, nahm Wade Hogan das Gespräch wieder auf.
Er war etwas größer als sein jüngerer Bruder. Er trug kurzes, pechschwarzes Lockenhaar, und ein schmaler Schnurrbart zierte seine Oberlippe. Er war aber nicht weniger muskulös als sein Bruder, und auch der Anzug konnte dies nicht verbergen.
»War schon lange nicht mehr da«, antwortete Jim.
»Hast dich in der Gegend ’rumgetrieben, hm?«
»Kann man so nicht sagen. Hab nach der Armee meistens mit Rindern und Pferden gearbeitet. War auch mal Jäger und Shotgunner. Als Rumtreiben würde ich das nicht gerade bezeichnen.«
»Tut mir Leid, Kleiner.«
»Das nehme ich dir nicht ab. Du amüsierst dich. Du gibst mit diesem Nobelschuppen an, als wärst du der König dieser Stadt. Bist du wahrscheinlich auch. Wade, du hast diesen Saloon mit Blutgeld aufgebaut. Starbuck hat mir einiges erzählt.«
»Der Alte ist schlimmer als ein Waschweib«, zischte Wade abfällig. »Ich sollte ihm mal ...«
»Lanky schicken?«
Wades Kopf flog herum. »Was hatten wir denn damals schon? Wir haben Dreck gefressen! Wir haben tausendmal geflickte Kleider getragen! Wir hatten nicht mal löchrige Stiefel und mussten im Winter barfuß gehen. Ich hab mir damals geschworen, dass ich nie wieder barfuß gehen und Dreck fressen würde. Und ich hab es geschafft, Bruder!«
»Wie viele Männer mussten dafür sterben? Starbuck sagte, dass du immer noch verflixt gut mit der Kanone umgehen kannst. Du hast als Kopfgeldjäger gearbeitet, nicht wahr?«
»Ich brauchte Geld. Es war die einzige Möglichkeit, sehr schnell sehr viele Dollars zu verdienen.«
»Blutgeld.« Jim Hogan spuckte beinahe aus.
»Verdammt, Kleiner, wenn du nur gekommen bist, um den Moralapostel zu spielen und mir altkluge Vorträge zu halten, hättest du dir den Ritt sparen können. Greif dir eines der Girls, amüsier dich, besauf dich meinetwegen auch. Aber spar dir und mir die Mühe, mich auf den rechten Weg bringen zu wollen!«
Man sah Wade an, dass er vor Wut kochte. Sein Gesicht war krebsrot angelaufen. Sein breiter Brustkorb hob und senkte sich unter schweren Atemzügen.
Abrupt wandte er sich ab und winkte einige Girls heran. Die Mädchen umringten Jim und schmiegten sich an ihn.
»Willst du mir deinen Freund nicht vorstellen, Wade?«, erklang eine rauchige sinnliche Stimme.
Die Girls wichen schmollend zurück.
Und da stand sie wie ein leibhaftiger Engel!
Das weizenblonde Haar trug sie hochgesteckt. Sie hatte einen Hauch zu viel Make-up aufgetragen und einen Schönheitsfleck am rechten Mundwinkel aufgelegt, aber das tat ihrer Anmut keinen Abbruch.
Ihre scharf gezeichneten Augenbrauen hoben sich, als sie Jim interessiert musterte.
»Das ist mein kleiner Bruder Jim«, erklärte Wade Hogan. »Lorraine Waterman. Meine Geschäftsführerin.«
»Deine Partnerin«, verbesserte Lorraine. Sie reichte Jim eine schmale Hand. »Ich freue mich, Jim.«
Lorraine entführte ihn zu einem Tisch in der hintersten Ecke des Saloons und goss Drinks ein. »Bei mir verschütten Sie den Whiskey hoffentlich nicht«, meinte sie.
»Nein, Ma’am. Ich werde mich hüten.«
Sie prostete ihm zu und sie tranken. Jim nickte anerkennend. »Mein Bruder gönnt sich offenbar nur das Feinste vom Feinen.«
Lorraines Blick verschleierte sich. »Stimmt. Das trifft auf den Whiskey zu. Und auf die Frauen. Und ...«
Jim folgte ihrem Blick zu Lanky, der immer noch seine gequetschte Hand massierte, um sie wieder geschmeidig zu machen.
»Es gefällt Ihnen wohl nicht, wie er seinen Laden führt«, hakte Jim nach.
»Anfangs schon«, erwiderte Lorraine. Jim konnte nicht übersehen, dass sie schmerzlich berührt war. »Ich habe mich bei ihm eingekauft. Der Lucky Gambler ist eine Goldgrube. Ich hätte damals keinen besseren Partner als Wade Hogan finden können. Er hat sich einen Traum erfüllt, und mir ging es genau so. Ich wollte weg von den anrüchigen Amüsiermeilen der großen Städte, von stinkenden Hafenkneipen und schmuddeligen Betten. Wade bot mir die Freiheit, die ich mir ersehnte.«
»Aber nicht lange, hm?«
»Es dauerte nicht lange, bis man ihm den Lucky Gambler streitig machen wollte. Von dem Tag an veränderte er sich. Er wurde hart, unnachgiebig, gnadenlos. Nicht nur zu anderen, sondern vor Allem zu sich selbst. Es war, als sei jedes Gefühl, jede menschliche Regung aus ihm gewichen. Er scharte Lanky und seine Schläger und Schießer um sich. Mittlerweile kontrolliert er Willow’s Bend, und niemand wagt sich ihm entgegen zu stellen.«
»Und was ist mit Ihnen?«
»Ich liebe ihn«, hauchte Lorraine. »Er konnte so zärtlich sein, Jim. Als ich ihm begegnet bin, wusste ich, dass ich den Mann meiner Träume gefunden hatte. Inzwischen hat er sich als Dämon entpuppt, der mir schlaflose Nächte bereitet.« Sie leerte ihr Glas auf einen Zug, ohne die Miene zu verziehen. »Aber ich liebe ihn ...«
Jim betrachtete sie lange. Zoll für Zoll tasteten seine Blicke ihr Gesicht ab, die bloßen Arme, die zarten Hände, die Brüste. Er berührte ihre Wange, fühlte die Schwellung.
»Er schlägt Sie«, stellte er überflüssigerweise fest.
Sie entgegnete nichts.
»Ich knöpfe ihn mir vor: Egal ob er mein Bruder ist oder nicht. Niemand hat das Recht, eine Frau zu schlagen!«
»Bleib sitzen, Cowboy«, bat sie leise. »Er wartet doch nur darauf. Dein Bruder ist zu einem streitsüchtigen Mann geworden, der sich jeder Herausforderung stellen und sich vor den Gästen profilieren muss. Er würde auch vor seinem eigenen Bruder nicht Halt machen.«
»Zieht er immer noch so schnell wie früher?«
»Ich weiß nicht, wie gut er damals war, aber ich kenne niemanden, der so geschickt mit dem Revolver umgeht wie er.«
»Du kennst mich«, sagte Jim ruhig, trank seinen Whiskey aus und erhob sich. Er führte Lorraine zum Tresen zurück, wo Wade Hogan ihnen abwartend entgegenblickte.
Jim strahlte über das ganze Gesicht. »Du kannst deine Girls vergessen, großer Bruder!«, rief er. »Nichts für ungut, aber deine Partnerin ist das verführerischste Weibsbild, das mir seit Langem vor die Augen gekommen ist.«
Lorraine wurde bleich und wollte zurückweichen, aber Jim hielt sie fest.
Wade Hogans Brauen zogen sich zusammen. Sein Gesicht verfinsterte sich.
»War ein mächtig feiner Zug von dir, mich mit ihr bekannt zu machen. Ich denke, du wirst mich noch eine Weile ertragen müssen, Bruderherz.« Er wandte sich an das Mädchen. »Wir werden eine wunderbare Zeit miteinander verbringen, Lorraine.«
Sprach’s, drückte sie an sich und küsste sie glühend und leidenschaftlich.
Er spürte die Anspannung in Lorraines Körper. Steif wie ein Brett hing sie in seinen Armen.
Wade zog Lorraine mit einem Ruck von Jim weg und schickte einen Schwinger auf die Reise.
Jim zeigte, dass er blitzschnell reagieren konnte. Er ließ sich auf die Knie fallen, und Wades Schlag wischte über ihm hinweg.
Aber Wade schien auf jede Situation vorbereitet zu sein. Sein Tritt erwischte Jim vor der Brust. Jim fiel auf den Rücken und Wade setzte nach.
Jim rammte ihm beide Füße in den Leib und hebelte ihn über sich hinweg.
Katzengleich kamen die beiden Kontrahenten wieder auf die Beine. Jim Hogan war fest entschlossen, seinem Bruder eine Lektion zu erteilen. Aber er kam nicht mehr dazu, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen.
Starke Arme schlossen sich um seinen Leib. Bärenkräfte pressten seine Arme gegen den Brustkorb und erschwerten ihm das Atmen.
Ein hässliches Grinsen lag auf Wades Gesicht. Es schien ihm Vergnügen zu bereiten, seinen Bruder zusammenzuschlagen.
»Nicht, Wade! Bitte, lass ihn in Ruhe. Er ist dein Bruder!«, mischte sich Lorraine ein und stellte sich Wade in den Weg.
»Eben darum. Jemand muss das nachholen, was unser Vater versäumt hat.« Der Saloonbesitzer schob Lorraine achtlos zur Seite und stürmte fäusteschwingend auf Jim ein.
Jim riss die Beine hoch und empfing Wade mit einem Tritt, der ihn zurücktrieb.
Dafür verstärkte Lanky, der Jim umklammert hielt, seinen Druck und warf ihn gegen die Bar.
Jims Lungen brannten. Er wusste, dass er nicht viel länger gegen Lanky ankämpfen konnte.
Mehrere Männer aus Wade Hogans Truppe umringten Lanky und Jim. Auch sie wollten verhindern, dass sich Jim seinem Bruder widersetzen konnte.
»Zu viele Schläger verderben den schönsten Kampf!«, erscholl ein ohrenbetäubendes Dröhnen hinter ihnen. »Da sorgt der kleine Bantam Ripley mal eben rasch für ausgleichende Gerechtigkeit.«
Einer der Prügelknaben schaute über die Schulter zurück und stieß einen gellenden Entsetzensschrei aus.
Und schon ließ der hünenhafte Ripley seine schaufelartigen Pranken wirbeln.
Er musste nur Ohrfeigen verteilen, aber die genügten vollauf. Den Getroffenen klingelten die Lauscher, und vor den Augen zerplatzten glühende Sterne.
Der Druck um Jims Brust ließ nach. Er setzte sich auf den Hosenboden und konnte zum ersten Mal jenen Mann deutlich sehen, von dem er in der dämmrigen Badestube lediglich die Umrisse erkannt hatte.
Bantam Ripley war eine Schreckgestalt!
Er trug ein Wildledergewand, einen Pelzumhang und Mokassins. Langes schwarzes Haar fiel weit über seine Schultern. Das finster dreinblickende Gesicht wurde von einem pechschwarzen Bart bedeckt. In dem Gestrüpp bildete eine breite Öffnung den Mund, eine gerötete Nasenspitze lugte hervor, und eisgraue Augen lagen unter buschigen Brauen, die über der Nasenwurzel zusammengewachsen waren.
Wenn man Ripley so sah, wusste man nicht, ob man einen Menschen oder einen ausgewachsenen Grizzly vor sich hatte.
Ripley fegte die Gegner zur Seite und wartete auf Lanky, der wutentbrannt heranstürmte, es sich aber überlegte und nach seinem Colt langte.
Ripley brauchte nur einen einzigen Schritt. Drohend wuchs er vor Lanky empor. »Du schon wieder!«, dröhnte er. »Hätte gute Lust, die deine Schießeisen in den Hintern zu schieben und dir mit deinen blauen Bohnen die Eingeweide durchzuputzen. Aber ich will den Ladys hier den Anblick ersparen!«
Lanky hatte die Kanone erst halb aus dem Leder, als ein mächtiger Plattfuß auf seine Zehen niedersauste.
Ein wimmernder Laut löste sich aus Lankys Kehle. Tränen schossen aus seinen Augen. Vergessen waren die Revolver. Nur noch der Schmerz war von Bedeutung.
Ehe er es sich versah, hatte der Hüne ihn empor gehievt und schleuderte ihn weit in den Schankraum hinein.
Lanky krachte auf einen Pokertisch nieder, der unter dem Aufprall zersplitterte. Chips, Karten und Gläser flogen in alle Richtungen. Die Spieler spritzten auseinander.
»Die Partie geht wohl an mich, Gents«, brummte Ripley.
Wade Hogan lehnte schreckensstarr am Geländer der Treppe, die ins Obergeschoss führte. Nur langsam erholte er sich von dem Schreck. Seine Hand kroch unter das Jackett, aber ein metallisches Klicken ließ ihn innehalten.
Verdutzt blickte er in die Mündung von Jims 44er.
»Wir wollen hübsch vernünftig bleiben, Bruderherz. Mein Freund Ripley und ich werden uns anderweitig vergnügen, aber wir bleiben ganz in deiner Nähe, Wade. Wenn du Dummheiten machst, werden wir dir auf die Griffel klopfen!«
Bantam Ripley ließ seine Hand krachend auf Jims Schulter fallen, was den jungen Mann in die Knie zwang. »Ich bin froh, einen Freund wie dich zu haben, Mister!«, dröhnte er. »Ja, das müssen wir feiern. Lass uns Spaß haben!«
Jim konnte sich zwar angenehmere Freundschaften vorstellen, aber der Riese hatte ihn immerhin zweimal vor Schwierigkeiten bewahrt. Er würde schon mit ihm zurecht kommen.
Die beiden ungleichen Kämpfer verließen den Saloon.