Читать книгу Pulverdampf aus der Revolvermündung: Super Western Bibliothek 15 Romane und eine Kurzgeschichte - Pete Hackett - Страница 20

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First Lieutenant Nicholas saß in einem bequemen Klappstuhl, die Ellenbogen auf die Lehnen gestützt und die Hände vor dem Oberkörper gefaltet. Seine Haltung hatte was von den altrömischen Kaisern, wie sie auf Gemälden zu sehen waren.

Vier Lieutenants flankierten den Kommandanten, jeweils zwei auf einer Seite. Ihre Stühle waren etwas weniger bequem.

Frank Harrison folgte den beiden Watschelnden, ihm selbst folgte der Eingreiftrupp in einem lockeren Halbkreis. Frank fühlte sich unbehaglich. Er wusste, dass er nichts mehr zu lachen hatte. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass von überall aus dem Camp Gelächter zu hören war.

Auch aus dem streng bewachten Bereich der Gefangenen wehten Laute der Heiterkeit herüber.

Während sie auf die Offiziere zueierten, wandten der Corporal und der Soldat die Köpfe nach rechts. Irgendetwas dort, bei der Wagenburg der Nez Perces, schien ihre Blickrichtung magisch anzuziehen.

Frank spähte ebenfalls hinüber, und sofort sah er, was die Aufmerksamkeit der Hosenlosen fesselte.

Zwischen zwei Frachtwagen drängten sich junge Indianerinnen, an vorderster Stelle Little Bird, die dralle und glutäugige Schönheit, die White Feather beschrieben hatte.

Frank stockte der Atem.

Little Bird hatte längst bemerkt, dass die beiden halb entblößten Kerle sie anstarrten. Und die junge Indianerin zögerte nicht, der Demütigung der Männer die Krone aufzusetzen.

Little Bird machte eine Reihe von eindeutigen Gesten, und als Abschluss hob sie ihren Rock.

Das Ergebnis war herausragend.

Im wahrsten Sinne des Wortes.

Der Corporal und der Soldat salutierten vor den Offizieren und standen stramm.

Ebenso stramm standen ihre Glieder.

Geradezu herausfordernd reckten sie sich dem First Lieutenant entgegen.

Frank hörte das unterdrückte Glucksen hinter sich, und auf einmal wurde ihm klar, dass auch den Sergeant der Teufel geritten haben musste. White Feather hatte in ihrem Bericht nicht ausgelassen, dass Little Bird ihr geschildert hatte, was den First Lieutenant plagte.

Auch die Lieutenants hatten große Mühe, ihren Drang zum Grinsen zu unterdrücken.

Jeder in der Kompanie wusste offenbar vom Größenproblem des Commanders.

Frank hätte fast Mitleid mit ihm empfunden, wenn er nicht gewusst hätte, was für ein Schinder dieser Bursche war.

Was ihm durch die Entscheidung des Sergeants hier vorgeführt wurde, musste Nicholas vor Neid und Scham in Grund und Boden versinken lassen.

Denn es waren in der Tat zwei enorme Prügel, die da vor ihm Männchen machten.

Und Little Bird, die es aus der Entfernung ausgelöst hatte, kicherte hinter vorgehaltener Hand.

Doch schon bald, in allerkürzester Zeit, würde es hier nichts mehr zu lachen geben. Frank wusste es, ohne dass er dafür hellseherische Gaben benötigt hätte.

Lange, als wäre er in eine Art Starre verfallen, stierte der First Lieutenant auf die doppelte Größe, die ihm hier präsentiert wurde. Zu allem Überfluss zeigten die beiden Recken keinerlei Ermüdungserscheinungen.

Little Birds frivole Handlangerei hatte sie zu dauerhaftem Durchhaltevermögen angestachelt.

Unvermittelt erwachte der Kommandant aus seinen von Missgunst erfüllten Betrachtungen.

»Sergeant!«, kreischte er. »Schaffen Sie mir diese unverschämten Kerle aus den Augen! Zehn Tage Arrest! Für beide!«

»Aber Sir!«, protestierten die Entblößten unisono.

»Jawohl, Sir!«, überbrüllte sie der Sergeant. »Und was ist mit dem Zivilisten, Sir?«

»Festnehmen!«, schrillte die Stimme des First Lieutenants. »In Eisen legen. Und ab in den Arrestwagen!«

Gewühl entstand.

Corporal Flanagan und sein Leidensgenosse versuchten, nun endlich die Hosen hochzuziehen. Die neiderfüllten Blicke ihres Commanders begleiteten das Unterfangen, das sich wegen der unverändert machtvollen Ständer als schwierig erwies.

Die Pferdehufe wühlten den Sandboden auf.

»Absitzen!«, brüllte der Sergeant seine Männer an. »Sergeant Flanagan, den Soldaten Flanagan und den Zivilistenarsch festnehmen!«

Frank Harrison wusste, dass ihm nur noch eine winzige Chance blieb. Nur jetzt, in dieser Sekunde.

Und er nutzte diese Chance, ohne mit der Wimper zu zucken. Der Kerl, den es traf, hatte es nicht besser verdient, denn er war der niederträchtigste Hurensohn zwischen Himmel und Erde.

Bevor die Soldaten ihn packen konnten, war Frank aus dem Sattel. Mit einem gewaltigen Satz stieß er den Corporal und den Soldaten beiseite. Aus dem Schwung heraus sprang er den Commander an, schnappte ihn sich mit angewinkeltem linkem Arm.

Nicholas stieß einen quiekenden Laut des Entsetzens aus, als sich die eisenharten Muskeln um seinen Hals schlossen.

Die Lieutenants wichen reflexartig zurück.

Noch bevor sie ihre Schrecksekunde überwunden hatten, war Frank hinter dem Kommandanten, zog den Revolver und drückte ihm die Mündung an die Schläfe.

Der First Lieutenant erstarrte, wagte nicht einmal mehr, den kleinen Finger zu bewegen.

Keiner rührte sich - weder die Offiziere noch die Soldaten. Mit hervorquellenden Augen verfolgten sie das Unglaubliche, wie es sich abspielte.

»Alright, Hombres«, sagte Frank kalt. »Ich nehme an, euch allen liegt es am Herzen, dass es dem Commander gut geht. Also greift nicht zur Waffe und macht auch sonst keine Dummheiten. Ich werde ihn natürlich nicht gleich erschießen, den armen Kerl. Und wenn er euretwegen eine Kugel ins Bein oder sonst wo hin kriegt, wird er euch hinterher ganz schön Feuer unter dem Hintern machen. Als Vorgesetzter kann er euch alle zur Sau machen, habe ich Recht?«

Frank neigte den Kopf, sodass er dem First Lieutenant ins Ohr sprechen konnte.

»Bestätigen Sie das mal kurz, Commander. Alles, was wir beide brauchen, ist freier und ungestörter Abzug. Und sobald ich in Sicherheit bin, lasse ich Sie zu Ihrem verkommenen Haufen zurückkehren.«

Der First Lieutenant wand sich wie unter körperlichen Schmerzen. Aber er gehorchte.

»Ihr habt gehört, was der Mann verlangt!«, ächzte er. »Also richtet euch danach. Keine Bewegung, keiner greift zur Waffe.«

»Und keiner verfolgt uns«, fügte Frank hinzu.

»Und keiner verfolgt uns«, sprach ihm der Kommandant mit bebender Stimme nach.

»Alle sollen sich zurückziehen, auch die Offiziere«, bestimmte Frank weiter. »Bis zu den Wagen da drüben, wo ihr Hurensöhne die Indianer eingepfercht habt. Nur mein Pferd bleibt hier.«

First Lieutenant Nicholas wiederholte auch diese Anweisung, nur die Bemerkung über die Hurensöhne und die eingepferchten Indianer ließ er weg.

Während die Männer sich auf den Abzug vorbereiteten, erklärte Frank seinem Faustpfand: »Sowie ein Schuss fällt, kracht es auch bei uns beiden, First Lieutenant, und der Leidtragende sind Sie. Das sollen sich alle hier im Camp hinter die Ohren schreiben. Alle!«

»Keiner greift zur Waffe, keiner schießt!«, schrie der hagere Bärtige folgsam. »Es darf kein Schuss fallen, verstanden!«

Frank bemerkte, dass etliche der Soldaten im Weggehen grinsten.

Er wartete, bis genügend Distanz zwischen ihm und den Soldaten entstanden war, dann marschierte er mit dem First Lieutenant zu Fuß los. Dem Braunen bedeutete Frank mit einem Schnalzen, ihnen zu folgen.

Erst als sie außer Sichtweite hinter einem Hügel waren, ließ Frank den Commander aufsitzen und schwang sich hinter ihm auf den Rücken des Braunen. Nach einem Zickzack-Kurs durch eine Reihe von Bodensenken benutzte Frank den Bachlauf, um keine weiteren Spuren zu hinterlassen.

Er verließ den Creek an der Wagenroute nach Westen. Dort, im aufgewühlten Sand zwischen den Spurfurchen, waren die Hufabdrücke Hobos nicht mehr auszumachen.

Kurze Zeit später erreichte er das Versteck, in dem White Feather auf ihn wartete.

Der First Lieutenant erbleichte, als er die junge Indianerin sah.

»Die haben noch nichts unternommen«, berichtete White Feather. »Ich habe das Lager die ganze Zeit beobachtet. Es sind keine Verfolger aufgebrochen.«

»Wundert mich überhaupt nicht«, erwiderte Frank und ließ sich zu Boden gleiten. Nach wie vor hielt er Nicholas mit dem Revolver in Schach. »Die wünschen diesen Kerl wahrscheinlich dahin, wo der Pfeffer wächst. Und am liebsten wäre es ihnen, wenn er gar nicht zurückkehren würde.«

Der First Lieutenant schien zu schrumpfen, als er dies hörte.

»Absitzen!«, befahl Frank in dem Ton, den der Commander und seinesgleichen gewohnt waren.

Nicholas gehorchte wie eine Marionette an unsichtbaren Fäden. Mit gesenktem Kopf blieb er neben dem Pferd stehen. Er vermied es die Indianerin anzusehen.

Frank dirigierte ihn mit dem Revolverlauf auf einen Baum zu. White Feather befolgte die Anweisung ihres weißen Freundes, holte Stricke aus den Satteltaschen seines Braunen und schnürte ihm die Handgelenke zusammen, nachdem Frank ihn angewiesen hatte, den Baumstamm zu umarmen.

Anschließend verzurrte White Feather auch die Beine des Offiziers, indem sie mehrere Seilwindungen um seine Kniekehlen schlang.

Er lehnte die Stirn an die Ahornrinde, als würde er auf diese Weise Zuflucht finden - zumindest vor den direkten Blicken seines Bezwingers.

Nicholas war nicht bewaffnet. Mit schwerem Gerät an der Hüfte brauchte ein Mann wie er sich nicht abzuplagen, so lange er von einer waffenstarrenden Einheit umgeben war.

Frank Harrison holsterte seinen Sechsschüsser und steckte sich eine Zigarette an. Er trat von der Seite her auf den Gefangenen zu.

»Ist Ihnen klar, weshalb Sie hier sind?«, fragte Frank.

»Nein«, antwortete der Kommandant. Seine Stimme war belegt. Er räusperte sich angestrengt.

White Feather stellte sich neben Frank, und er spürte zu seiner großen Freude, wie sie ihre Hand auf seine Schulter legte und sich bei ihm anlehnte. Ein unbekanntes Gefühl durchflutete ihn, eine Wärme wie er sie noch nie erlebt hatte.

Er musste sich auf das konzentrieren, was er dem arroganten Bastard zu sagen hatte.

»Sie sind eine Schande für unser Land«, sagte er. »Sie und Ihre Horde da unten haben es nicht verdient, die Uniform unserer Armee zu tragen.«

Nicholas stieß einen verächtlichen Laut aus. »Ich denke nicht daran, mich von einem Kuhtreiber belehren zu lassen.«

Frank spürte, wie White Feather den Atem anhielt.

Die Verächtlichkeit dieses Kerls war so schwindelerregend wie seine Selbstherrlichkeit.

White Feather schmiegte sich enger an Frank.

»Lass es sein«, bat sie flüsternd. »Er wird es niemals begreifen. Du kannst ihn nicht überzeugen.«

Erneut und noch intensiver spürte Frank jene Wärme, die White Feather in ihm auslöste. Sie war zum »Du« übergegangen, wie selbstverständlich. Am liebsten hätte er sie in die Arme geschlossen, sie geküsst. Doch die Anwesenheit des Hurensohns in Uniform machte eine solche Zärtlichkeit unmöglich.

»Ich will ihn nicht überzeugen«, knurrte Frank voller Grimm. »Ich will nur, dass er über seine Lage nachdenkt.«

Der First Lieutenant hatte es gehört. »Dass ich nicht lache!«, zischte er gegen die Baumrinde. »Für diese Tat wird man Sie bis ans Ende der Welt jagen, Kuhtreiber.«

Frank lachte trocken. »Sind Sie da so sicher, Menschenschinder? Ich werde jedenfalls dafür sorgen, dass Sie vor Gericht gestellt werden. Sie haben den Tod unschuldiger Menschen zu verantworten. Zeugen dafür gibt es genug.«

»Menschen?«, höhnte Nicholas. »Was für Menschen? Sie reden doch wohl nicht von den roten Schmarotzern! Schlimm genug, dass man sie in Reservate steckt, wo sie dann auf unsere Kosten leben. Wenn Sie so schlau sind, wie Sie tun, müssten Sie doch den alten Grundsatz kennen: ‘Nur ein toter Indianer ist ein guter Indianer’.«

Frank spannte die Muskeln, es war wie ein Reflex. Er war drauf und dran, sich auf den zynischen Schweinehund zu stürzen und ihm ein Ding zu verpassen, an das er sich noch lange erinnern würde.

Doch White Feather hielt ihn fest.

»Bitte«, wisperte sie. »Tue es nicht. Er ist es nicht wert.«

Frank schnaufte zornig. Doch er sah es ein. »Du hast Recht«, erwiderte er und staunte ein wenig über sich selbst, wie leicht ihm das »Du« über die Lippen kam. Es war, als würden sie sich schon seit langer Zeit kennen und so vertraut miteinander sein wie zwei Menschen, die sich ein gemeinsames Leben geschworen haben.

First Lieutenant Nicholas lachte dumpfe. »Ihre rote Schlampe ist cleverer als Sie, Kuhtreiber. Passen Sie bloß auf. Die wird Ihnen erst den Kopf verdrehen und Ihnen dann ein Messer in den Rücken stoßen, wenn Sie am allerwenigsten damit rechnen. Dieses hinterhältige Pack ...«

Frank explodierte.

»Schweigen Sie!«, donnerte er den Mistkerl an. »Oder ich stopfe Ihnen das Maul!«

White Feather schaffte es kaum noch, ihn festzuhalten.

»Ich habe dieses Gespräch nicht angefangen«, stellte Nicholas herablassend fest.

Frank hatte das Gefühl, um Atem ringen zu müssen. Alright, Gewalt war keine Lösung, aber dieser Mistkerl verstand die Sprache der Menschlichkeit nicht.

»Bitte!«, flehte White Feather. »Mach dich nicht unglücklich. Nicht wegen so eines abartigen Schweins.«

Nicholas zuckte zusammen wie unter einem Peitschenhieb.

Er presste sein Gesicht an die Baumrinde.

Schwieg.

»Ich hätte es nicht zur Sprache gebracht«, sagte Frank voller Verachtung. »Ich weiß alles über Sie. Aber ich wollte normal mit Ihnen reden, weil ich gehofft hatte, Sie würden ein paar Dinge einsehen. Aber in Ordnung - das werden wir jetzt vergessen.«

Nicholas antwortete nicht.

Gemeinsam mit White Feather trat Frank nun doch auf den Mann zu.

»Schreiben Sie sich eines hinter die Ohren«, sagte Frank ruhig. »Indianer und Kuhtreiber sind auch Menschen, und gelegentlich kann man sogar von ihnen lernen.«

Danach wechselten weder er noch White Feather ein Wort mit dem Offizier. Frank erneuerte die Fesseln und legte sie so an, dass Nicholas sich in spätestens zwei Tagen aus eigener Kraft befreien konnte.

Frank verriet ihm nicht, wohin er mit White Feather reiten würde. Und Nicholas würde sich nicht einmal im Traum vorstellen können, dass der Kuhtreiber und Indianerfreund zusammen mit seiner roten Gefährtin ausgerechnet die Höhle des Löwen aufsuchen würde.

Fort Maginnis.

Von dort stammte die Kavallerieeinheit, die den Transport der Nez Perces begleitete. White Feather hatte es aus Gesprächen der Soldaten herausgehört.

Und Frank hatte sein Ziel klar vor Augen.

Er musste den Regimentskommandeur dazu bewegen, dass die Indianer menschlich behandelt wurden. Schließlich waren sie keine Verbrecher. Wobei man zu der Ansicht gelangen konnte, dass sogar die Verbrecher in den Gefängnissen der Vereinigten Staaten oft besser dran waren als die Ureinwohner und rechtmäßigen Eigentümer dieses großen Landes.

Frank und White Feather ließen den First Lieutenant zurück und ritten zunächst nach Westen, um später, nach etwa drei Meilen, die Wagenroute zu verlassen und die nördliche Richtung einzuschlagen.

In Abständen nutzte Frank geeignete Hügelkuppen, um nach Verfolgern Ausschau zu halten.

Es war wie er vermutet hatte.

Die Kavalleristen unter dem Kommando des First Lieutenant Nicholas waren ein verkommener Sauhaufen.

So gründlich Frank während der kommenden Tage das Hügelland auch mit Blicken absuchte, er konnte keine Verfolger entdecken.

Offiziere wie Soldaten hatten sich einen Dreck um ihren Commander gekümmert. Und als es ihm dann irgendwann gelungen sein musste, sich zu befreien, war er vermutlich wie ein geprügelter Hund ins Camp geschlichen.

Seine Autorität war dahin. Offiziell ließen sie ihn vermutlich noch herumtönen, aber inoffiziell würden die Lieutenants das Kommando übernommen haben. Garantiert nannten sie ihn nun ganz offen bei dem Indianernamen, den sie bisher nur heimlich benutzt hatten, wenn sie von ihm geredet hatten.

Kleiner Schwanz.

Pulverdampf aus der Revolvermündung: Super Western Bibliothek 15 Romane und eine Kurzgeschichte

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