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Ihr Atem beruhigte sich.

Frank rechnete nun nicht mehr damit, dass sie plötzlich aufspringen würde, um doch noch in die Tiefe zu springen. Trotzdem blieb er angespannt. Wie würde sie reagieren, wenn sie ihre Panik überwunden hatte und in die Wirklichkeit zurückgekehrt war?

Sie drehte sich um.

Wie selbstverständlich.

Auf einmal lag sie auf dem Bauch, winkelte die Arme an und stützte das Gesicht in die Handflächen.

Wie ein kleines Mädchen in einer Blumenwiese lag sie da und sah ihn mit verträumt forschendem Blick an.

Er hatte angefangen, sich eine neue Zigarette zu drehen. Erstaunt hielt er inne. Es hatte den Anschein, als würde die Indianerin lächeln.

Ja, verdammt, so sah es aus.

Vor ein paar Minuten noch war sie vor ihm davongerannt, und seinetwegen wäre sie in den sicheren Tod gesprungen. Und nun dies. Sanft und mild erschien die Andeutung dieses Lächelns in ihren Mundwinkeln.

»Ich heiße White Feather«, sagte sie. »Und Sie?«

»Frank Harrison«, antwortete er. »Bitte sagen Sie Frank zu mir.«

»Danke, Frank.«

»Nicht der Rede wert.«

»Oh doch. Sie haben Ihr Leben riskiert - für mich.«

Er wurde verlegen, spürte, wie er rot anlief. Nichts machte ihn so verlegen, wie gelobt zu werden.

»Sind Sie es denn nicht wert?«, lenkte er ab. »Ich meine - gerettet zu werden?«

White Feather wurde ernst. »Ich weiß nicht«, erwiderte sie. »Nicht für ein Bleichgesicht, habe ich bislang gedacht. Deshalb bin ich ja auch vor Ihnen weggelaufen.«

»Ich finde mich gar nicht so bleich«, sagte Frank.

»Und ich finde mich nicht so rot.«

Sie mussten lachen.

Doch ihre Heiterkeit schwand so rasch wie sie aufgekommen war. Das Düstere, Bedrohliche, das zu ihrer Begegnung geführt hatte, schwebte wie eine unsichtbare Gefahr im Hintergrund.

»Was ist passiert?«, fragte Frank rau. »Zu welchem Stamm gehören Sie?«

»Ich bin eine Nez Perce«, antwortete White Feather bereitwillig. Sie setzte sich auf, schloss das zerrissene Kleid so gut es ging und kreuzte die Beine. »Ich bin auf der Flucht, und ich hatte in dem Gebüsch geschlafen, als ich plötzlich Ihr Pferd hörte. Ich hatte gerade einen bösen Traum, und als ich von den Hufgeräuschen erwachte, dachte ich, die Verfolger wären da.«

»Sehe ich aus wie ein Verfolger?«

White Feather lächelte wieder. »Jetzt nicht mehr. Aber aus dem Albtraum erwacht, konnte ich die Wirklichkeit nicht begreifen. Selbst hier auf der Brücke war ich noch nicht mal richtig wieder da. Ich habe nur gemerkt, dass ich keine Chance hatte, Ihnen zu entkommen. Dass ich springen wollte, war wie eine Fortsetzung des Albtraums, wie ein Zwang. Ich wollte es nicht wirklich.«

Frank spürte einen Kloß im Hals. Mechanisch, nur um etwas zu tun, drehte er die Zigarette fertig und zündete sie an.

»Was ist passiert?«, fragte er dann. »Was hat man Ihnen angetan?«

White Feather atmete tief durch. Nach kurzem Zögern begann sie zu erzählen. Anfangs stockend, doch dann immer flüssiger, berichtete sie von dem Überfall auf das Lager und dem anschließenden Abtransport der Überlebenden.

Frank spürte Empörung in sich aufsteigen.

Und je mehr Einzelheiten White Feather schilderte, desto mehr schlug seine Empörung in Wut um. Am liebsten hätte er sich diesen First Lieutenant Nicholas geschnappt und vor ein Kriegsgericht geschleift. Leider hatte dieser Bastard zu viele Soldaten um sich.

Und Frank Harrison hatte nicht vor, Selbstmord zu begehen.

Als White Feather geendet hatte, war seine Kehle wie zugeschnürt. Wortlos stand er auf und ging zu ihr. Er spürte, wie schwach sie noch war, als er ihr auf die Beine half. Ihre Augen waren groß und hilfesuchend auf ihn gerichtet.

Er schloss sie in die Arme, und sie wehrte sich nicht.

Sie schmiegte sich so fest an ihn, als wünschte sie sich, dass er sie nie wieder loslassen würde.

Pulverdampf aus der Revolvermündung: Super Western Bibliothek 15 Romane und eine Kurzgeschichte

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