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2.Sachverhalt vollständig erfassen
Оглавление80Mit der detailgenauen Kenntnis des Sachverhalts geht – hoffentlich (!) – die vollständige Erfassung des Sachverhalts (vgl. dazu Möllers, Arbeitstechnik, § 2 Rn. 7) einher; denn auch darum geht es bei der Arbeit am und mit dem Sachverhalt: um die Vollständigkeit der aus dem Sachverhalt herauszulesenden Informationen. Da es sich bei den in Klausuren oder Hausarbeiten zu bearbeitenden Sachverhalten wie bereits gesagt um Schilderungen eigens für Prüfungszwecke aufbereiteter Problemlagen, in der Regel also um sog. „Kathederfälle“ handelt (vgl. auch Mann, Arbeitstechnik, Rn. 155 ff.), soll man davon ausgehen, dass jedes Wort des Sachverhaltstextes im Gesamtzusammenhang des geschilderten „Falles“ seine rechtserhebliche und dementsprechend „lösungsindizierende“ Bedeutung hat. Umgekehrt ist kein Wort, kein Nebensatz, keine Parenthese, kein Einschub etc. unwichtig (vgl. etwa auch Möllers, Arbeitstechnik, § 2 Rn. 7).
81Nicht ausgeschlossen ist freilich, dass der Sachverhalt der Wirklichkeitsnähe des geschilderten Geschehens zuliebe auch Passagen enthält, die nicht unmittelbar die Lösung des Rechtsfalls (mit-)bestimmen oder die aus der Sicht der (späteren) Falllösung rechtlich völlig irrelevant sind. Entgegen verbreiteter Ansicht ist derlei wirklichkeitsbezogenes und -vermittelndes Beiwerk indessen nicht bedeutungslos. Zwar hängt von ihm die rechtliche Lösung des Falls nicht unmittelbar ab. Nur „colorandi causa“ mitgeteilte Tatsachen können jedoch für das Verstehen des Sachverhalts insgesamt eine durchaus maßgebliche Rolle spielen und sich zumindest mittelbar auf die Fallbearbeitung auswirken. Zur vollständigen Erfassung des Sachverhalts gehört deshalb auch die detailgenaue Kenntnis solcher „lösungstechnisch“ eher unbedeutend erscheinender tatsächlicher Umstände, ganz abgesehen davon, dass die „Spreu vom Weizen“, der für die Lösung des Rechtsfalls unwesentliche vom wesentlichen Tatsachenstoff, erst nach Abschluss der Arbeit am und mit dem Sachverhalt aus der „Filterperspektive“ der jeweils gestellten Fallfrage getrennt werden kann.