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ОглавлениеKapitel 16
Der alte grüne Volvo-Kombi hält quietschend vor dem Eingang des Ladenlokals. Sarah springt aus dem Wagen und hinein in den Spirits-Shop.
»Hallo, Sarah, so ein Zufall, heute ist deine neue Fünfzig-Liter-Brennblase gekommen«, ruft ihr der Inhaber mit russischem Timbre fröhlich zu.
»Na endlich, Sergej, hat ja lange genug gedauert. Ich dachte schon, das wird nichts mehr.«
»Du weißt, dass das Ding in Deutschland nicht legal ist? Nicht ohne Anmeldung beim Hauptzollamt.«
Sarah winkt ab. »Hör mir mit dem Zoll auf. So eng sehe ich das nicht. Oder arbeitest du für den Zoll?«
»Gott bewahre. Es ist nur ein gut gemeinter Rat. Als ehrlicher Geschäftsmann will ich dich angemessen und umfassend informieren. Zudem habe ich kein Interesse, dass der Zoll deinetwegen hier herumschnüffelt. So etwas ist nie gut für das Geschäft.«
Sarah hebt die Schultern und lehnt sich gegen die Ladentheke. »Alles halb so wild. Schließlich handelt es sich um die Herstellung eines Lebensmittels. Das ist ein elementares Grundrecht, quasi Menschenrecht.«
»Wie du meinst, Sarah. Es gibt Stellen in diesem Land, die sehen das etwas anders.«
»Halt mir keine Vorträge, lade das Ding in meinen Kombi und schmeiß einen Sack Gerste dazu.«
»Okay, okay.« Sergej wuchtet die Brennblase hoch und schwingt sich auf einem Bein stehend herum.
»Eh, pass auf.« Sarah springt zu ihm. »Stolpere bloß nicht mit meiner neuen Destille.« Sie stützt mit beiden Händen den Karton.
»Das ist eine von mir entwickelte Form der Pique-Drehung.« Mit einem kleinen unsicheren Hüpfer setzt er zum Gang aus dem Geschäft an.
»Netter Ausdruck für tollpatschig. Wozu braucht man das? Fürs Holzfällen in der Taiga?«
»Dir geht aber auch jeder Sinn für die darstellenden Künste ab.«
»Wenn so etwas Kunst sein soll, dann hast du recht.«
»Ignorantin!« Er stakst in Richtung Wagen. »Du könntest schon mal die Heckklappe öffnen. Ach ja, Sarah, es ist ein gebrauchtes Dreißig-Liter-Bourbonfass reingekommen. Von Interesse für dich?«
»Was soll das gute Stück denn kosten?«
»Weil du es bist, 370 Euro.«
»Ah ja. Wie wäre wohl der Kurs, wenn ich es nicht wäre?«
»Sarah, wenn ich an einem Kunden hier nichts verdiene, dann an dir.« Er schwankt weiter auf das Auto zu.
»Mir kommen gleich die Tränen. Bei dem Geld, das ich hier regelmäßig lasse, ist ein beachtlicher Rabatt mehr als angemessen.«
»Du bekommst künftig fünf Prozent auf alles, was du hier kaufst, mehr ist nicht drin«, keucht er.
»Okay, Hand drauf, Sergej.«
Er bugsiert die Brennblase in den Kombi und schlägt ein.
»Schick mir die Rechnung zu, wie gehabt.«
Nachdem das Fass und der Sack mit der Gerste Platz im Auto gefunden haben, steigt Sarah in den Wagen und setzt den unwillig startenden Diesel langsam in Bewegung. Sie winkt Sergej zum Abschied zu, und der Volvo zieht schwerfällig davon. Der Händler rückt seinen grauen Fedorahut wieder gerade, richtet die azurblaue Wildlederweste und winkt zurück. Bei dem Versuch einer Hundertachtzig-Grad-Wende auf einem Fuß kippt er zur Seite weg.
Sarah sieht die Szene noch im Rückspiegel und verdreht die Augen. »Darstellende Kunst? Wohl eher Clownschule«, brummelt sie vor sich hin.